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Neufassung der Richtlinien der Bundesregierung über Härteleistungen an Opfer von nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahmen im Rahmen des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG-Härterichtlinien)

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Neufassung
der Richtlinien der Bundesregierung über Härteleistungen an Opfer von nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahmen im Rahmen des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes
(AKG-Härterichtlinien)



Vom 28. März 2011
Zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 21.06.2021 (BAnz AT 28.06.2021 B1)



In Übereinstimmung mit der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 3. Dezember 1987 hatte die Bundesregierung am 7. März 1988 (BAnz. S. 1277) als abschließende Regelung die Richtlinien über Härteleistungen zugunsten von Opfern nationalsozialistischer Unrechtsmaßnahmen, die nicht die Voraussetzungen nach den §§ 1 und 2 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) erfüllen, beschlossen. Die AKG-Härterichtlinien wurden durch Beschluss der Bundesregierung vom 2. März 2011 neu gefasst und werden nachstehend veröffentlicht:



§ 1



(1) Leistungen nach Maßgabe der folgenden Vorschriften erhalten durch NS-Unrecht geschädigte Personen, die wegen ihrer körperlichen oder geistigen Verfassung oder wegen ihres gesellschaftlichen oder persönlichen Verhaltens vom NS-Regime als Einzelne oder Angehörige von Gruppen angefeindet wurden und denen deswegen Unrecht zugefügt wurde. Hierzu zählen unter anderem Euthanasie-Geschädigte, Zwangssterilisierte, Homosexuelle und von den Nationalsozialisten als sogenannte Asoziale und Berufsverbrecher Verfolgte. Als Unrecht gelten auch gesetzmäßig verhängte Strafen, wenn sie, auch unter Berücksichtigung der Zeit-, insbesondere der Kriegsumstände, als übermäßig bewertet werden müssen.



(2) Leistungen erhalten auch Personen, die in den Jahren zwischen 1933 und 1945 Freiheitsstrafen verbüßt haben, sofern diese auf strafrechtlichen Entscheidungen beruhen, die durch das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (NS-AufhG) vom 25. August 1998 (BGBl. I S. 2501), geändert durch das Gesetz vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2714), aufgehoben wurden. Die Leistungsberechtigung ist durch Vorlage einer Bescheinigung nach § 6 Absatz 1 NS-AufhG nachzuweisen; die Dauer der verbüßten Haft ist glaubhaft zu machen.



§ 2



(1) Leistungen sind ausgeschlossen für Personen, die



a)
Verfolgte im Sinne des BEG sind,


b)
Leistungen nach § 5 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG) erhalten haben,


c)
zum Zeitpunkt der Schädigung weder deutsche Staatsangehörige noch deutsche Volkszugehörige im Sinne der §§ 1 und 6 des Bundesvertriebenengesetzes waren,


d)
keinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben oder


e)
die Tatbestände der §§ 6 oder 7 BEG erfüllen.


(2) Zu Unrecht gewährte Leistungen sind zurückzuerstatten.





§ 3



Leistungen werden gewährt als



a)
einmalige Beihilfe (§ 4),


b)
laufende Leistungen (§ 5),


c)
ergänzende laufende Leistungen in besonderen Notlagen (§ 6).




§ 4



(1) Eine einmalige Beihilfe in Höhe von 2 556,46 € erhalten



a)
Personen, die aufgrund von NS-Unrechtsmaßnahmen nach § 1 einen erheblichen Körper- oder Gesundheitsschaden erlitten haben,


b)
Personen, die in der Zeit des NS-Regimes zwangssterilisiert worden sind,


c)
Euthanasie-Geschädigte.


(2) Personen, die unter den Voraussetzungen des § 1 einen Freiheitsschaden erlitten haben, erhalten für jeden angefangenen Haftmonat einen einmaligen Betrag in Höhe von 76,69 €, höchstens insgesamt 2 556,46 €.



(3) Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 werden gegenseitig angerechnet. Der Höchstbetrag von insgesamt 2 556,46 € darf nicht überschritten werden.





§ 5



Personen, die in der Zeit des NS-Regimes zwangsweise sterilisiert worden sind und Euthanasie-Geschädigte erhalten ab dem 1. Juli 2014 zusätzlich zu den Leistungen nach § 4 laufende Leistungen in der Höhe wie sie jeweils nach den außergesetzlichen Regelungen für NS-Verfolgte im Sinne von § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes gewährt werden. Die Höhe der Leistung wird jeweils zum 1. Juli eines jeden Jahres im Bundesanzeiger bekanntgegeben.





§ 6



(1) Für besondere Ausnahmefälle, in denen außergewöhnliche Umstände die Gewährung einer weitergehenden Hilfe erforderlich machen und die Opfer sich zudem gegenwärtig in einer Notlage befinden, werden zusätzlich zu Leistungen nach § 4 ergänzende laufende Leistungen monatlich gewährt.



(2) Außergewöhnliche Umstände im Sinne des Absatzes 1 sind bei einem besonders schweren Schaden gegeben; von einem solchen Schaden ist insbesondere auszugehen bei



1.
Haft in einem Konzentrationslager im Sinne des § 42 Absatz 2 BEG von mindestens neun Monaten Dauer,


2.
Freiheitsentziehung in einer anderen Haftstätte oder in einer Euthanasie-Anstalt von mindestens achtzehn Monaten Dauer,


3.
Verstecktleben unter menschenunwürdigen oder besonders erschwerten Bedingungen von mindestens dreißig Monaten Dauer oder


4.
Personen, die in der Zeit des NS-Regimes zwangsweise sterilisiert worden sind.


Eine Leistung kann abweichend von den in Satz 1 genannten Voraussetzungen auch gewährt werden, wenn im Einzelfall gegebene besondere Umstände eine Hilfe erforderlich machen.



(3) Eine Notlage nach Absatz 1 liegt vor, wenn das Familieneinkommen einschließlich etwaiger Leistungen nach § 5 die Beträge des § 34 Absatz 3 der Dritten Verordnung zur Durchführung des BEG in der Fassung des Artikels 1 der Verordnung vom 28. April 1966 (BGBl. IS. 300), in der jeweils geltenden Fassung, nicht erreicht. Zum Familieneinkommen gehören nicht Wohngeld und Leistungen nach den Kapiteln 5 bis 9 des XII. Buches Sozialgesetzbuch (z.B. Blindenhilfe). Außerdem bleibt ein Sockelbetrag von monatlich 200 € außer Ansatz.



(4) Die Höhe der ergänzenden laufenden Leistungen bemisst sich aus der Differenz zwischen dem verfügbaren Familieneinkommen gemäß Absatz 3 Satz 1 und 2 abzüglich des Sockelbetrages nach Absatz 3 Satz 3 und der in Absatz 3 Satz 1 genannten Notlagengrenze. Leistungen nach § 5 werden angerechnet.



(5) Berechtigte nach Absatz 2, die in einem Alten- oder Pflegeheim leben, erhalten weitergehende laufende Leistungen ab dem 1. Juli 2014 in Höhe der nach § 5 gewährten Leistungen anstelle der Leistungen nach den Absätzen 3 und 4 sowie der Leistung nach § 5.





§ 7



(1) Die Leistungen nach Maßgabe dieser Richtlinien sind höchstpersönlicher Natur und daher nicht übertragbar. Erben von Geschädigten haben kein Antragsrecht. Hatte jedoch der Betroffene selbst den Antrag gestellt, so kann eine Beihilfe nach § 4 nach seinem Tode seinem hinterbliebenen Ehegatten, ersatzweise seinen Kindern ausgezahlt werden.



(2) In Ausnahmefällen können Beihilfen nach § 4 auch an den überlebenden Ehegatten geleistet werden, wenn dieser von den Unrechtsmaßnahmen oder deren Auswirkungen erheblich mitbetroffen war.



(3) Kinder, deren Elternteile aufgrund einer NS-Unrechtsmaßnahme nach § 1 durch staatliche Stellen oder unter Mitwirkung staatlicher Stellen getötet worden sind, können eine einmalige Beihilfe (§ 4) erhalten, wenn sie zum Zeitpunkt der Tötung das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. Gleiches gilt für Kinder, die zum Zeitpunkt der Tötung infolge bereits begonnener oder später begonnener Berufsausbildung unterhaltsberechtigt waren und das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten.





§ 8



(1) Die nach diesen Richtlinien gewährten Leistungen sollen den Betroffenen als Ausgleich für das erlittene Unrecht zugute kommen. Sie sollen daher nicht zur Minderung der Einkünfte führen, auf die die Betroffenen einen gesetzlichen Anspruch haben.



(2) Hat der Geschädigte wegen des geltend gemachten Schadens öffentlich-rechtliche Leistungen erhalten, muss er sich diese auf Leistungen nach diesen Richtlinien anrechnen lassen.





§ 9



(1) Leistungen werden nur auf Antrag gewährt. § 51 Absatz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes findet entsprechende Anwendung.



(2) Der Antrag ist bei der Generalzolldirektion, Service-Center Köln, zu stellen.



(3) Die Voraussetzungen der §§ 1 und 7 Absatz 2 und 3 sind von dem/der Antragsteller(in) glaubhaft zu machen. Eidesstattliche Versicherungen können verwendet werden, wenn andere Mittel zur Glaubhaftmachung nicht beschafft werden können.





§ 10



Mit der Veröffentlichung dieser Neufassung sind die Richtlinien in der bisherigen Fassung gegenstandslos.



Berlin, den 28. März 2011



Die Bundeskanzlerin
Dr. Angela Merkel



Der Bundesminister der Finanzen
Schäuble