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Bekanntmachung einer Empfehlung der Strahlenschutzkommission (Ultraschallanwendung beim Menschen vom 19. April 2012)

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Bekanntmachung
einer Empfehlung der Strahlenschutzkommission
(Ultraschallanwendung beim Menschen vom 19. April 2012)



Vom 25. März 2013



Nachfolgend wird die Empfehlung der Strahlenschutzkommission (SSK), verabschiedet in der 256. Sitzung der Kommission am 19. April 2012, bekannt gegeben.



Bonn, den 25. März 2013
RS II 2 - 17027/2



Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit



Im Auftrag
Dr. Böttger





Anlage



Ultraschallanwendung am Menschen
Empfehlung der Strahlenschutzkommission



Verabschiedet in der 256. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 19./20. April 2012





Inhaltsverzeichnis



Empfehlungen



Wissenschaftliche Begründung



1

Einleitung

1.1

Physikalische Grundlagen

1.2

Wirkmechanismen

1.3

Biologische Auswirkungen

2

Anwendungen am Menschen

2.1

Diagnostische Anwendungen

2.2

Therapeutische Anwendungen

2.3

Nicht medizinische Anwendungen

3

Parameter zur Abschätzung gesundheitlicher Risiken



Literatur





Empfehlungen



Durch die zunehmende Anwendung von Ultraschall mit hohen Schallintensitäten am Menschen, insbesondere auch bei medizinisch nicht indizierten Anwendungen, z.B. zur Ultraschall-Lipolyse1, und durch nicht ausreichend geschulte Anwender sind gesundheitliche Risiken für die behandelten Personen nicht auszuschließen.



Diese Stellungnahme der SSK ergänzt die Empfehlungen zur Patientensicherheit (SSK 1997) im Hinblick auf neue Anwendungsmöglichkeiten und gerätetechnische Entwicklungen und enthält zusätzliche Empfehlungen hinsichtlich der sicherheitstechnischen Einstufung der Geräte und für die nach Intensitätsbereichen abgestuften Ausbildungsanforderungen zur Anwendung des Ultraschalls innerhalb und außerhalb der Heilkunde.



Für die sichere Anwendung des Ultraschalls sind Grundkenntnisse des Anwenders über die Physik, das Ausbreitungsverhalten des Ultraschalls und anatomisches Grundwissen zur richtigen Anwendung und Vermeidung von Schäden und unerwünschten Wirkungen unverzichtbar. Darüber hinaus sind zusätzliche medizinische Grundkenntnisse zur Schonung kritischer Körperbereiche und zur Erkennung und Beachtung von Kontraindikationen notwendig. Aufgrund des erheblichen Risikopotenzials sind die Herstellung, Vermarktung, Anwendung und Instandhaltung von Ultraschallgeräten mit hohen Schallintensitäten dringend zu regeln.



Die Strahlenschutzkommission empfiehlt daher:





I.



Geräte



Ultraschallgeräte für Anwendungen am Menschen mit Schallintensitäten2 über 50 mW/cm2 am Auge oder über 100 mW/cm2 am übrigen Körper oder mit MI (Mechanischer Index) > 0,4 oder TI (Thermischer Index) > 0,7 als Medizinprodukte (Klasse IIb) einzustufen und somit den Regelungen des Medizinproduktegesetzes (MPG 2011) zu unterwerfen, z.B. hinsichtlich Konstruktion, Herstellung, Vermarktung, Anwendung, Instandhaltung, Qualitätskontrolle und Prüfungen, Meldepflicht, aktiver Marktüberwachung und Erfassung von Beschwerden.





II.



Medizinische Anwendungen im Rahmen der Heilkunde



1.
die medizinisch-diagnostische und -therapeutische Anwendung des Ultraschalls3 am Menschen auf indizierte Fälle zu beschränken.


2.
die medizinisch-diagnostische Anwendung von Ultraschall am Menschen mit Schallintensitäten bis zu 50 mW/cm2 am Auge oder bis zu 100 mW/cm2 am übrigen Körper oder mit MI (Mechanischer Index) < 0,4 und gleichzeitig TI (Thermischer Index) < 0,7 nur durch einen approbierten Arzt oder unter Aufsicht eines approbierten Arztes (z.B. zu Ausbildungszwecken) zuzulassen.


3.
die medizinisch-diagnostische Anwendung von Ultraschall am Menschen mit Schallintensitäten über 50 mW/cm2 am Auge oder über 100 mW/cm2 am übrigen Körper oder mit MI (Mechanischer Index) > 0,4 oder TI (Thermischer Index) > 0,7 nur durch einen approbierten Arzt mit Wissensnachweis (siehe Abschnitt IV) oder durch auszubildende Ärzte oder Personen mit einer medizinischen Ausbildung unter Aufsicht eines approbierten Arztes mit Wissensnachweis (siehe Abschnitt IV) zuzulassen.


4.
für die medizinisch-therapeutische Anwendung des Ultraschalls am Menschen mit Schallintensitäten über 50 mW/cm2 bis 3 W/cm2 am Auge oder über 100 mW/cm2 bis 3 W/cm2 am übrigen Körper oder mit MI (Mechanischer Index) > 0,4 oder TI (Thermischer Index) > 0,7 vom Anwender einen Wissensnachweis zu fordern, der therapeutische Anwendungen beinhaltet (siehe Abschnitt IV). Diese Anwendung sollte nur durch einen approbierten Arzt oder Personen mit einer medizinischen Ausbildung durchgeführt werden. Bei der Anwendung im Rahmen der Ausbildung sollte gefordert werden, dass eine Person mit dem entsprechenden Wissensnachweis die Aufsicht führt.


5.
für die medizinisch-therapeutische Anwendung des Ultraschalls am Menschen mit Schallintensitäten über 3 W/cm2 vom Anwender einen Wissensnachweis zu fordern, der therapeutische Anwendungen beinhaltet (siehe Abschnitt IV). Diese Anwendung sollte nur durch einen approbierten Arzt oder Personen mit einer medizinischen Fachausbildung durchgeführt werden. Bei der Anwendung im Rahmen der Ausbildung sollte eine Person mit dem entsprechenden Wissensnachweis die unmittelbare Aufsicht führen.


6.
Patienten vor therapeutischen Ultraschallanwendungen über mögliche unerwünschte Wirkungen und Komplikationen aufzuklären, das Auftreten von unerwünschten Wirkungen und Komplikationen zu dokumentieren und schwerwiegende Zwischenfälle gemäß Medizinproduktegesetz zu melden.


7.
für die medizinische Anwendung des Ultraschalls am Menschen ein kontinuierliches Qualitätskontrollsystem zur Überprüfung wesentlicher Geräteparameter zu fordern.




III.



Nichtmedizinische Anwendungen



1.
die medizinisch nicht indizierte Anwendung diagnostischen und therapeutischen Ultraschalls am Menschen durch die mit der Anwendung verbundenen Risiken zu bewerten und je nach Risikopotenzial zu verbieten oder andernfalls mit Warnhinweisen bzw. Auflagen zu versehen.


2.
die medizinisch nicht indizierte Anwendung von Ultraschall am Menschen mit Schallintensitäten über 50 mW/cm2 am Auge oder über 100 mW/cm2 am übrigen Körper oder mit MI (Mechanischer Index) > 0,4 oder TI (Thermischer Index) > 0,7 nur durch einen approbierten Arzt oder unter Aufsicht eines approbierten Arztes zuzulassen und von Arzt und Anwender einen Wissensnachweis (siehe Abschnitt IV) zu fordern.


3.
die medizinisch nicht indizierte Anwendung von hoch intensivem fokussiertem (HIFU4) Ultraschall am Menschen, z.B. für kosmetisch-ästhetische Zwecke, hier beispielsweise zur „Lipolyse“, angesichts des damit verbundenen Risikos zu verbieten.


4.
den besonderen Wissensnachweis (siehe Abschnitt IV) für alle Berufsgruppen bzw. Anwender zu fordern.




IV.



Wissensnachweis



den erforderlichen Wissensnachweis durch entsprechende, fachgerechte theoretische und praktische Ausbildung (Sachkunde) und anwendungsspezifische Einweisung und Weiterbildung sicherzustellen und nachzuweisen (Tätigkeitszeugnis, Schulungs- und Befähigungsnachweis), z.B. durch erfolgreiche Teilnahme an einer entsprechenden Schulung einer (staatlich) anerkannten oder akkreditierten Stelle oder Ausbildungsinstitution.



Die Kurse sollten nach Anwendungsbereich differenziert werden. Für medizinisch nicht indizierte Anwendungen sollten spezielle Kurse gefordert werden.



Eine zum Ultraschall-Fachpersonal zu zählende Person soll ein Grundverständnis der physikalischen Eigenschaften von Ultraschall, seiner Ausbreitung, des technischen Aufbaus von Ultraschallgeräten, der einzuhaltenden Anwendungsregeln und Grundkenntnisse in Anatomie, Physiologie sowie der Kontraindikationen und Ausschlusskriterien nachweisen, um das Verfahren sicher anwenden und bestehende Risiken vermeiden bzw. minimieren zu können.





Wissenschaftliche Begründung



1
Einleitung


Die Anwendungsmöglichkeiten von Ultraschall am Menschen haben sich in den letzten Jahren wesentlich erweitert. Sie sind nicht mehr nur auf medizinische Indikationen beschränkt, sondern werden zunehmend auch außerhalb der Heilkunde genutzt. Insbesondere der hoch fokussierte Ultraschall hat in letzterem Bereich neue Anwendungsgebiete erschlossen. Die damit einhergehenden unerwünschten Wirkungen und Komplikationen sowie die zunehmende Anwendung von hochintensivem Ultraschall durch medizinische Laien haben zu neuen Risiken und damit auch zu sicherheitstechnischen Fragestellungen geführt. Aus diesem Grund hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit die Strahlenschutzkommission beauftragt, auf der Basis ihrer Empfehlung zur Patientensicherheit bei der Anwendung der Ultraschalldiagnostik in der Medizin (SSK 1997) die derzeitigen Ultraschallanwendungen in Diagnostik, Therapie und Kosmetik im Hinblick darauf zu bewerten, welche Anwendungen von Ultraschall aufgrund des Risikopotenzials nur von einem Arzt durchgeführt werden sollten und welche Anwendungen am Menschen auch außerhalb der Heil- und Zahnheilkunde erlaubt werden dürfen, z.B. zu kosmetischen oder sonstigen Zwecken. Darüber hinaus soll eine Empfehlung für die Anforderungen an die Personen erarbeitet werden, die Ultraschall am Menschen anwenden dürfen.



1.1
Physikalische Grundlagen


Unter Ultraschall werden mechanische Schwingungen mit Frequenzen jenseits des menschlichen Hörbereichs, also jenseits von 20 kHz, verstanden. In biologischen Weichteilen breitet sich Ultraschall in Form von Longitudinalwellen aus. Dabei bewegen sich Teilchen in Ausbreitungsrichtung der Wellen, sodass es periodisch zu Über- und Unterdruckphasen kommt.



In Festkörpern, z.B. in mit Ultraschall zu Schwingungen angeregten chirurgischen Instrumenten, erfolgt die Ausbreitung darüber hinaus auch in Form von Transversal- und Oberflächenwellen mit jeweils unterschiedlicher Geschwindigkeit, Wellenlänge und Schallschwächung.



Bei therapeutischen Anwendungen werden Frequenzen im Bereich 20 kHz bis zu einigen 100 kHz (niedrigfrequenter Ultraschall) sowie ca. 0,8 MHz bis 4 MHz (hochfrequenter Ultraschall) verwendet; hinzu kommen breitbandige Signale von Impulsschall-Anwendungen.



Für eine aussagekräftige medizinische Diagnostik mit Ultraschall muss hinsichtlich der anwendbaren Schallfrequenzen wegen der Schallabsorption, der Eigenschaften und der Reflektivität der untersuchten Strukturen immer ein Kompromiss zwischen räumlicher Auflösung und Eindringtiefe gemacht werden. Um ein gutes räumliches Auflösungsvermögen zu erzielen, ist der verwendete Frequenzbereich wesentlich höher als bei therapeutischen Anwendungen und reicht von 1 MHz (z.B. transkranieller Ultraschall) bis ca. 100 MHz (z.B. Dermatologie). Noch höhere Frequenzen im GHz-Bereich werden in vitro in der Ultraschall-Mikroskopie eingesetzt.



Die Ausbreitung des Schalls lässt sich analog zu optischen Gesetzen beschreiben. An Grenzflächen, an denen sich der akustische Widerstand (bestimmt durch Ausbreitungsgeschwindigkeit und Dichte) ändert, kommt es zur Reflexion. Diese ist z.B. an Grenzflächen zu Knochen sehr groß, an Grenzflächen zu Luft kommt es praktisch zur Totalreflexion. Daher ist eine luftfreie Ankopplung des Schallwandlers z.B. mit Hilfe eines Ultraschall-Gels erforderlich. Durch Überlagerung von einfallender und reflektierter Welle kann es an stark reflektierenden Grenzflächen zu Intensitätsüberhöhungen und schmerzhaften Wärmewirkungen kommen.



Durch geeignete Formgebung und Größe des Schallwandlers kann hoch intensiver therapeutischer Ultraschall (HITU) mit einer lokalen Intensitätserhöhung im Verhältnis Wandler- zu Schallkeulenfläche erzeugt werden. Noch höhere Intensitäten können durch fokussierten Schall (HIFU)5 erreicht werden, der z.B. bei der extrakorporalen Stoßwellen-Lithotripsie (ESWL)6 angewendet wird.



In der Diagnostik ermöglicht die Fokussierung eine verbesserte laterale (seitliche) Auflösung (z.B. durch phasengesteuerte gleitende Fokussierung). Zur Verbesserung der Tiefenauflösung wird bei der Bildgebung die Frequenz des Ultraschalls variiert.



Zur Beschreibung der Schallausbreitung dienen die Parameter Schallschnelle (Bewegungsgeschwindigkeit der Teilchen) in m/s, Schalldruck in Pa, Schallintensität in W/m2 und Wellengeschwindigkeit (Ausbreitungsgeschwindigkeit des Schalls) in m/s.



In der Diagnostik werden zur Schallerzeugung und Detektion von Schallechos piezoelektrische Wandler (Piezokeramiken) verwendet, die mechanische Verformungen in elektrische Spannungen (direkter Piezoeffekt) und elektrische Spannungen in mechanische Verformungen umwandeln (inverser Piezoeffekt). Bei hoch fokussierten Ultraschallanwendungen kommen auch andere Wandlertypen zum Einsatz.



Das vor dem Schallwandler entstehende Schallfeld kann in zwei Bereiche unterteilt werden, nämlich in einen unmittelbar an den Wandler angrenzenden Bereich (Nahfeld) und in den daran anschließenden Bereich (Fernfeld). Im Nahfeld sind die Wegunterschiede der vom Wandler ausgehenden Teilwellen groß genug, um positive und negative Interferenzen bewirken zu können. In diesem Bereich ist eine Fokussierung möglich. Die Reichweite des Interferenzfeldes hängt dabei von der Größe des Ultraschallwandlers im Verhältnis zur Ultraschallfrequenz ab. Im anschließenden Bereich (Fernfeld) sind Interferenzen vernachlässigbar und das Schallfeld gleichförmig. Die Intensität nimmt hier quadratisch mit der Entfernung ab.



1.2
Wirkmechanismen


Im biologischen Gewebe versetzen die Ultraschallwellen die Teilchen in (Longitudinal-)Bewegung. Die aufgenommene Bewegungsenergie kann in Form von Wärme abgegeben werden, sodass eine Wärmebehandlung ermöglicht wird. Der Absorptionskoeffizient ist dabei direkt proportional zur Frequenz und in Muskeln ca. doppelt so groß wie im Fettgewebe. Da er in Luft um ca. eine Größenordnung größer ist, kann es bei Lufteinschlüssen im Ankoppelungsgel oder im Körperinneren zu Übererwärmungen kommen.



Zur Beschreibung der zu erwartenden Wärmewirkung wird der Thermische Index (TI) und zur Beschreibung der mechanischen Wirkung der Mechanische Index (MI) gemäß DIN EN 62359 verwendet. Wegen der unterschiedlichen Absorptionskoeffizienten muss der TI auf die Gewebeart (z.B. Weichteile, Gehirn oder Knochen) bezogen werden.



Außer Erwärmung verursacht die periodische Überdruck- und Unterdruckphase der Longitudinalwellen auch eine mechanische Wechselbeanspruchung, die zu einer „Mikromassage“ führen kann, die wiederum biologische Effekte, wie z.B. Durchblutungssteigerung oder Verbesserung der Wundheilung, bewirken kann. Bei zu großer Intensität und Einwirkungsdauer kann jedoch die mechanische Einwirkung zu einer Schädigung von Zellmembranen und/oder Gewebestrukturen führen, die als unerwünschter Nebeneffekt auftreten oder auch therapeutisch genutzt werden kann (z.B. Verflüssigung von Glaskörper oder Augenlinse).



Die mechanische Stoßbeanspruchung durch transiente hoch intensive Ultraschallimpulse kann zur Abtragung oder Zerkleinerung von Konkrementen (z.B. Blasen- oder Gallensteinen) führen.



In Flüssigkeiten können in der Unterdruckphase der Schallwellen kurzlebige mikroskopisch kleine Dampf- oder Gasbläschen und somit Kavitation auftreten. Diese Bläschen weisen ein Resonanzverhalten auf und können sich zu größeren Bläschen entwickeln. Je nach Art der Mikrobläschen kann zwischen zwei Grundformen der Kavitation unterschieden werden, zwischen denen es auch Übergangsformen gibt.



(1) Die transiente („harte“) Kavitation tritt bei Dampfbläschen auf, die in der Unterdruckphase entstehen, sich aufschaukeln und nach Erreichen einer kritischen Größe implodieren. Dabei können lokal hohe Temperaturen (nach Schätzungen 5 000 K bis 10 000 K), hohe (Implosions-)Drücke bis zu mehreren 1 000 MPa und energiereiche Jet-Strömungspulse (Microstreaming) mit Geschwindigkeiten von 50 m/s bis 150 m/s auftreten, die (in Wasser) kurzzeitig einen Druck bis über 110 MPa erzeugen und Konkremente abtragen und Zellmembrane perforieren können (SSK 1997). Darüber hinaus wurde auch die Bildung freier Radikale nachgewiesen. Die transiente Kavitation besitzt daher ein erhebliches Schädigungspotenzial.



Bevor Kavitationsblasen implodieren, müssen sie eine kritische Größe erreichen (z.B. in Wasser 3,3 µm bei 1 MHz), wobei mit der gewebespezifischen Konstanten k, der Frequenz f und dem Resonanz-Bläschenradius rres die Beziehung gilt:



rres f = k



Die Einsatzschwelle der transienten Kavitation hängt von der Viskosität, dem herrschenden Druck, der Temperatur und dem Gasgehalt des Materials ab. Sie kann in Körperflüssigkeiten (z.B. Urin, Blut, interstitielle Flüssigkeit) entstehen, wodurch Schäden z.B. in der Niere und den ableitenden Harnwegen und an Blutkörperchen möglich sind. Sie kann durch Ultraschall-Kontrastmittel (intravenös verabreichte gasgefüllte Bläschen mit Durchmessern von ca. 1 µm bis 10 µm) begünstigt werden. Die Verabreichung eines solchen künstlichen „kavitationsbegünstigenden“ Mittels kann die Ultraschallintensitätsgrenze für die transiente Kavitation erheblich reduzieren. Dies macht die Kavitationsgrenze geräteabhängig und kann gesundheitliche Risiken erhöhen. Es ist jedoch umstritten, ob die transiente Kavitation in nicht gashaltigem Gewebe auftreten kann, weil die Einsatzschwellen dort ca. eine Größenordnung über jenen von Flüssigkeiten liegen (Church und Yang 2005).



Bereits im diagnostisch verwendeten Frequenzbereich können Ultraschallgeräte (z.B. Farbdoppler-Geräte) so hohe Schalldrücke verursachen, dass transiente Kavitation nicht mehr auszuschließen ist. Das gilt umso mehr für therapeutische Ultraschallgeräte, die mit höheren Intensitäten betrieben werden.



(2) Die stabile („weiche“) Kavitation kann in Flüssigkeiten und Geweben entstehen, die Gas enthalten. Durch das Schallfeld entstehen oszillierende Gasbläschen, bei denen jedoch keine energiereiche Implosion auftritt, weil das Gas die Schwingung dämpft und so die Implosion verhindert.



1.3
Biologische Auswirkungen


Die biologischen Auswirkungen von Ultraschall hängen von den Schallparametern, dem beschallten Gewebe und dessen Temperatur ab. Gesundheitsrelevante Wirkungen treten erst bei Überschreiten charakteristischer Größen auf (Schwellen-Effekt).



Durch die ultraschallinduzierte Teilchenbewegung und weitere unterstützende Effekte (Erwärmung und Kavitation) kann die Verabreichung von Substanzen durch die Haut (z.B. zur Applikation von Medikamenten) unterstützt werden (Phono- bzw. Sonophorese). Dazu werden entweder Frequenzen im Bereich von 20 kHz bis 100 kHz (Niederfrequenz-Sonophorese) für Substanzen mit höherem Molekulargewicht oder im Bereich über 700 kHz für Substanzen mit niedrigerem Molekulargewicht verwendet (Hochfrequenz-Sonophorese) (Polat et al. 2011).


Beabsichtigte Wärmewirkung wird durch kontinuierliche (sinusförmige) Schallwellen erzeugt und z.B. in der konventionellen Ultraschall-Physiotherapie ausgenützt. Durch die Sicherheitsnorm DIN EN 60601-2-5 wird dazu die Ultraschallintensität auf 3 W/cm2 begrenzt. Zur Vermeidung von Schmerzen oder thermischen und mechanischen Gewebsschäden muss jedoch der Schallwandler bei der Anwendung ständig von Hand bewegt werden.


Eine starke Erwärmung der Haut kann zu biologischen Gewebsveränderungen führen, die eine Straffung der subkutanen Trabekeln (sowohl elastische Fasern als auch Kollagenfasern) bewirken kann (Wall et al. 1999).


Als unerwünschte Wirkung der Erwärmung können entzündliche Gewebsreaktionen auftreten. Dies gilt auch, wenn Zellen (z.B. Fettzellen) mechanisch geschädigt werden. Die Entzündungsreaktion führt zu Veränderungen, die mit jenen bei einer normalen Wundheilung vergleichbar sind. Durch die dadurch bewirkte vermehrte Kollagenproduktion kann sich in weiterer Folge eine Straffung des Gewebes ergeben.


Aufgrund der mechanischen Wechselbeanspruchung kann es besonders bei hohen Schalldruckamplituden und Schallintensitäten, wie z.B. bei hoch fokussiertem Ultraschall (HIFU), z.B. zur extrakorporalen Stoßwellen-Lithotripsie, zu mechanischen Schäden an Zellmembranen und zu Zell- und Strukturschäden des Gewebes kommen. Dies wird gezielt therapeutisch genutzt, aber auch zu kosmetischen Zwecken eingesetzt. Dazu wird Ultraschall als Dauerschall oder gepulst abgegeben. Zell-, Strukturschäden und innere Blutungen können auch als unerwünschte Nebeneffekte auftreten, insbesondere wenn der Beschallungsbereich, z.B. wegen seiner Übergröße, zu großer Eindringtiefe oder ungenauer Lokalisation auch nicht zur Behandlung vorgesehene Gewebe und/oder Strukturen umfasst.


Die mechanische Überbeanspruchung durch transiente hoch intensive Ultraschallimpulse kann zur mechanischen Abtragung oder Zerstörung von Steinen (Ultraschall-Lithotripsie) und Ablagerungen sowie zur Zerstörung von Geweben (Tumordestruktion, Ultraschall-Vitrektomie) genutzt werden.


Durch transiente Kavitation können Zellmembrane geöffnet (Sonophorese) bzw. beschädigt, Zellen und Gewebsstrukturen zerstört und Zellen abgetötet werden. Besonders gefährdet sind dabei gashaltige Gewebe, wie z.B. Lunge, Magen-Darm-Trakt und Kapillaren sowie gashaltige Flüssigkeiten. Kleine Gasbläschen am Rand der Lunge und im Darm können als Kavitationskeime dienen, die Kavitationen auch schon bei diagnostischen Schalldrücken mit Schädigung der kleinen Gefäße und Kapillaren möglich machen und z.B. (Mikro-)Blutungen verursachen können. Darüber hinaus begünstigen auch Ultraschall-Kontrastmittel in Form von gekapselten Mikro-Gasbläschen das Auftreten der Kavitation.


Als unerwünschte Wirkungen der ultraschallinduzierten Gewebszerstörung sind Entzündungen, das Ausbilden von (Fett-)Zysten, Verletzungen von Gefäßen mit daraus resultierenden Hämatomen, Schädigungen von Nerven und Sekundäreffekte der Erwärmung möglich.


2
Anwendungen am Menschen


2.1
Diagnostische Anwendungen


Die Sonographie beruht auf dem Prinzip des Echolotes und stellt die an den Gewebegrenzflächen reflektierten und aufgrund ihrer Laufzeit räumlich zuordenbaren Echos bildhaft dar. Der verwendete Frequenzbereich wird von der erforderlichen Untersuchungstiefe und der räumlichen Auflösung bestimmt und liegt typisch zwischen ca. 2 MHz und 20 MHz, kann aber für Spezialanwendungen, z.B. Pachymetrie7, auch wesentlich höher liegen. Die Echofolge kann durch Darstellung ihrer zeitlichen Änderung (A-Scan, TM-Scan) zur Bewegungsanalyse z.B. der Herzklappen eingesetzt werden oder durch Darstellung der räumlichen Echoverteilung mittels mechanischer oder elektronischer Bewegung des Schallstrahles zu einem zweidimensionalen Schnittbild zusammengesetzt werden (B-Scan). Dies erlaubt es, die Ultraschall-Echobilder in Echtzeit (Real Time Scanner) darzustellen und die Untersuchung interaktiv durchzuführen. Die Sicherheitsnormen für Ultraschall-B-Scan-Geräte begrenzen die Schallintensität auf 50 mW/cm2 (Anwendung am Auge) bis 720 mW/cm2 (übrige Anwendungen) (DIN EN 60601-2-37). Durch nachfolgende Bildverarbeitung eines Volumen-Scans lassen sich auch dreidimensionale Darstellungen (z.B. zur Darstellung eines Föten) generieren. Die Ultraschallbildgebung ist in der Geburtshilfe die Methode der Wahl. Es werden dort jedoch zunehmend auch medizinisch nicht indizierte Untersuchungen, z.B. zur Souvenirerstellung (Fotos einschließlich „Facing“, Videos: „Babykino“) vorgenommen.



Zusätzliche diagnostische Informationen lassen sich durch Auswertung der Frequenzänderungen des Ultraschallsignals bei Reflexion an bewegten Teilchen, insbesondere den Erythrozyten des Blutes, gewinnen (Doppler-Effekt). Diese können als akustisches Signal hörbar gemacht oder in farbkodierter Form in Schnittbilder von Ultraschall-B-Scans eingeblendet werden. Mit diesen ein- oder zweidimensionalen Dopplerverfahren lassen sich die Strömungsverhältnisse in blutführenden Gefäßen einschließlich des Herzens untersuchen und z.B. Blutströmungsgeschwindigkeit, Volumen und Widerstandsindizes quantifizieren, ohne dass ein Kontrastmittel benötigt wird. Da Echos von derart kleinen Reflektoren eine geringe Amplitude aufweisen, sind für Ultraschall-Dopplerverfahren höhere Schallintensitäten erforderlich, weshalb eine Zellschädigung nicht mehr ausgeschlossen werden kann.



Eine Verstärkung der Echosignale ist durch intravenöse Verabreichung von Kontrastmitteln in Form von gekapselten Mikro-Gasbläschen (Echokontrastsonographie) möglich. Die Echokontrastsonographie dient dazu, Blutgefäße und Tumoren mit Hilfe des Kontrastmittels deutlicher darzustellen. Sie ist den anderen bildgebenden Verfahren überlegen, wenn es um die Darstellung kleinster Gefäße geht (Microvascular Imaging), weil in den Kapillaren bereits die Bahn eines einzelnen Gasbläschens von 2 µm bis 3 µm Durchmesser verfolgt werden kann.



Sonographische Kontrastmittel unterscheiden sich von jenen anderer bildgebender Verfahren dadurch, dass sie lediglich aus Gasbläschen bestehen, die von einer Hülle, z.B. aus Phospholipid, Albumin oder Galaktose eingeschlossen sind, um Clusterbildung zu vermeiden und damit die Thrombosegefahr zu verringern. Da die intakten Mikrobläschen den Gefäßraum nicht verlassen und in das Gewebe nicht diffundieren können, wird nur der Gefäßraum dargestellt. Dies erlaubt z.B. eine gute Charakterisierung von Leber- und Bauchspeicheldrüsentumoren. Im Vergleich zu den schwermetallhaltigen Kontrastmitteln der Radiologie sind die Nebenwirkungen gering. In seltenen Fällen (ca. 1 von 1 000 bis 10 000 Behandelten) können akute anaphylaktoide Reaktionen auftreten, die im schlimmsten Fall zum Tod von Patienten führen können.



Die Beschallung kann mittels mechanisch bewegter (rotierender oder pendelnder) oder elektronisch segment- oder phasengesteuerter Lineararrays durch Ankopplung des Schallwandlers von außen erfolgen. Darüber hinaus erlauben es starre und flexible endoskopische Ultraschallsonden aber auch, mit höherfrequentem Ultraschall Aufnahmen vom Körperinneren her zu machen (z.B. transrektal, transvaginal und transösophageal) und so z.B. Darm, Bauchspeicheldrüse, Fruchtblase oder Herz zu untersuchen (Endosonographie). Bei mehrstündigen Operationen kann die Endosonographie auch zur Überwachung der Herzfunktionen und Kontrolle der Narkosetiefe eingesetzt werden. Darüber hinaus wird sie zur Unterstützung bei Operationen eingesetzt, bei denen ein direkter Einblick unmöglich ist, z.B. zur Ortung bei der Feinnadelbiopsie oder bei der Verödung von Tumoren.



Eine besondere Form der Endosonographie ist die intraduktale und intravaskuläre Sonographie, bei der sich der Ultraschallwandler auf einer Katheterspitze befindet. Anwendungsgebiete sind u. a. die Diagnostik von Plaques in den Koronarien und den großen Arterien mit dem Ziel, zu entscheiden, ob z.B. ein Stent eingebracht werden muss oder ob man eine Verbesserung des Blutflusses durch Aufdehnen des Gefäßes erreichen kann. Es kann damit auch z.B. die Gefährlichkeit von Wandverdickungen und Strukturen in den Gallenwegen beurteilt werden.



Weitere ultraschalldiagnostische Verfahren sind die Elastographie und die Scherwellenelastographie, z.B. Histoscan, mit der Gewebe qualitativ und quantitativ analysiert werden kann, z.B. zur Diagnose und Überwachung von Erkrankungen der Prostata und der Leber – hier als Alternative zu wiederholten Leberpunktionen (z.B. bei Hepatitis C). Dabei wird die Gewebesteifigkeit durch Messung der Gewebeverformung bzw. Schallleiteigenschaften infolge von applizierten mechanischen Vibrationen oder eingesandten Ultraschallimpulsen bestimmt. Der Grund ist, dass fortschreitende Lebererkrankungen mit einer Fibrose und damit einer Leberverhärtung einhergehen. Die quantitative Messung dieser Leberverhärtung dient z.B. zur Festlegung des geeigneten Zeitpunkts für die Therapie.



2.2
Therapeutische Anwendungen


Die thermischen, mechanischen und kavitationsbedingten Effekte von Ultraschall werden auch zu therapeutischen Zwecken genutzt. Am bekanntesten sind Anwendungen im Bereich der Physiotherapie, bei chronischen Wunden, und der Einsatz von HIFU z.B. zur Tumortherapie.



In der Physiotherapie und der Orthopädie wird Ultraschall vorwiegend zur Behandlung von Schmerzen im Bewegungsapparat (z.B. chronische Rückenschmerzen, Arthrose, Tendinopathien, Musculopathien, Arthritis) verwendet. Die Schallerzeugung erfolgt durch piezoelektrische Wandler mit Durchmessern bis zu einigen cm, typisch im Frequenzbereich 1 MHz bis 3 MHz. Durch die Sicherheitsnorm wird die Ultraschallintensität auf 3 W/cm2 begrenzt (DIN EN 60601-2-5). Aufgrund der Intensitätsüberhöhung an den Grenzflächen zu Knochen muss der Schallwandler bei höheren Intensitätseinstellungen ständig von Hand bewegt werden, um Schmerzen und thermische Gewebsschäden zu vermeiden.



Zur Behandlung chronischer Wunden (Ulcus cruris, Decubitus) findet neben den genannten hochfrequenten Schallwandlern auch niederfrequenter Ultraschall (etwa 25 kHz bis 150 kHz) Anwendung. Außer in der Wundbehandlung wird niederfrequenter Ultraschall in der Dentalmedizin (Zahnsteinentfernung), der Augenheilkunde (Phakoemulsifikation) sowie in verschiedenen experimentellen Therapieansätzen (z.B. intravasale Thrombolyse) verwendet.



Sonophorese bezeichnet die Erhöhung der transdermalen oder zellulären Aufnahme von Substanzen (z.B. Medikamente) unter dem Einfluss von Ultraschallwellen. Hierbei findet Ultraschall unterschiedlicher Frequenzen, vorwiegend im niederfrequenten Bereich, mit Intensitäten von 0,1 W/cm2 bis 0,5 W/cm2, aber auch im hochfrequenten Bereich (1 MHz bis 16 MHz) mit Intensitäten von 0,2 W/cm2 bis 3 W/cm2 Anwendung (Polat et al. 2011).



HIFU wird verwendet, um extrakorporal mit großflächigen Wandlern erzeugten Ultraschall bei mäßiger Intensität an der Haut (und somit mit erträglichen Schmerzen an der Einkopplungsstelle) im Körperinneren auf einen kleinen Fokusbereich von einigen mm2 zu konzentrieren. Dort können hohe Intensitäten im Bereich z.B. 5 000 W/cm2 auftreten und zu transienter Kavitation und kurzzeitigen Temperaturanstiegen bis ca. 100 °C führen und dadurch mechanische Zellschäden und thermische Nekrosen verursachen. Mit bildgebenden Verfahren (z.B. MRI8) positioniert, können auf diese Weise Tumoren (z.B. Prostatakarzinom) behandelt und zugleich Temperaturen gemessen werden. Diese derzeit nicht leitliniengerechten Behandlungsverfahren bedürfen einer grundsätzlichen Rechtfertigung und Qualitätssicherung.



Noch höher fokussierte Ultraschallwellen werden in der extrakorporalen Stoßwellen-Lithotripsie auch zur Zerstörung von Konkrementen z.B. in Gallenblase, Niere, Harnblase oder Speicheldrüse verwendet. Dabei werden so lange repetitiv kurze Schallimpulse (z.B. 3 000 bis 6 000) abgegeben, bis das Konkrement im Röntgenbild nicht mehr nachweisbar ist. Zur genauen Positionierung des Applikators werden dabei orthogonale Röntgenprojektionen verwendet, die pro Behandlung zu einer Strahlenexposition von einigen Millisievert führen können (Schwab et al. 2010).



Mikroblasen werden nicht nur als Kontrastmittel, sondern auch zur gezielten biochemischen Therapie genutzt. Dabei werden die gefüllten Mikrobläschen im Zielbereich durch Beschallung mit Ultraschall mit hohen MI-Werten von außen durch Kavitation zerstört. Damit können kontrolliert medizinische Wirkstoffe im Rahmen der Gentherapie (Freisetzung von DNA) gezielt verabreicht werden (Frinking et al. 1998, Hernot und Klibanov 2008). Die (transiente) Poration von Zellmembranen durch die mit transienter Kavitation verbundenen Jet-Streams erleichtert dabei das Einschleusen der Wirkstoffe in die Zellen.



In der Chirurgie werden auf Resonanz abgestimmte schwingende Sonotroden (z.B. mit Frequenzen 22 kHz bis 60 kHz) in verschiedener Ausformung (Skalpelle, Sägen) verwendet, um Behandlungen vorzunehmen. In der Perodontologie werden z.B. Ultraschallwerkzeuge zur Zahnbehandlung und Zahnsteinentfernung verwendet.



2.3
Nicht medizinische Anwendungen


Die nicht medizinische Hauptanwendung von Ultraschall ist die ultraschallassistierte transkutane (kosmetische) Einbringung von Substanzen (Sonophorese) auch in kritischen Bereichen, z.B. um die Augen.



Eine andere Anwendung ist die Zerstörung von subkutanem Fettgewebe („Lipolyse“) oder Bindegewebe mit hochintensivem, fokussiertem Ultraschall (HIFU). Diese ist als kritisch anzusehen, da hierbei ohne visuelle Positionskontrolle Intensitäten im Fokusbereich erreicht werden, die im Bereich mehrerer kW/cm2 liegen. Sonderformen für dermatologische Anwendungen fokussieren den Schall in geringer Tiefe und erzeugen ein Raster kleinräumiger thermischer Läsionen. Obwohl die Fokusabmessungen im Millimeter-Bereich liegen, wird der erzeugte Ultraschall fälschlicher Weise als „mikrofokussiert“ bezeichnet. Der kosmetische Effekt beruht im Wesentlichen auf thermischen Wirkungen. Daneben werden für kosmetische Anwendung auch Geräte geringerer Intensität (< 3 W/cm2) eingesetzt, bei denen der Wirkungsmechanismus wissenschaftlich nicht geklärt ist. Vielfach wird von Herstellern behauptet, dass die Zerstörung von Fettzellen durch Kavitation geschieht. Andere Hersteller erklären die Wirkungsweise durch die lokale Erzeugung hoher Temperaturen, die die Fettzellen „verbrennen“ würden.



Gemeinsam sind den verwendeten Geräten die blinde, nicht durch Bildverfahren kontrollierte Anwendung zum Teil hoher Intensitäten und eine Fokussierung mit starrer Einstellung des Fokus in einer fixen Körpertiefe, z.B. einige Zentimeter.



Bei hohen Schallintensitäten ist mit den aus der HIFU-Krebstherapie bekannten erheblichen unerwünschten Wirkungen der Schädigung von Blutgefäßen und Nerven zu rechnen. Darüber hinaus ist die weitgehend fehlende Ortung und Anpassung der Fokustiefe auf den zu behandelnden Bereich mit einem erheblichen Risiko der Schädigung von gesundem Gewebe verbunden. Verschärft wird die Situation durch den Umstand, dass der Anwendungszweck der meisten Ultraschallgeräte als zur „Körperformung“ angegeben wird. Damit rechtfertigen die Hersteller oft, dass die Geräte als kosmetische Geräte und nicht als medizinische Geräte eingestuft werden.



Würden sie wie Medizingeräte eingestuft, würden sie in die Konformitätsklasse IIb9 der risikoreichen Medizinprodukte fallen, für die gemäß der Europäischen Medizinproduktedirektive 93/42/EWG (MPR 2007) und dem Medizinproduktegesetz unter anderem eine Nutzen/Risiko-Analyse, die Unterhaltung eines Risikomanagementprozesses sowie eine zertifizierte EG-Baumusterprüfung und eine zertifizierte qualitätsgesicherte Produktion vorgeschrieben sind. Sowohl zur Einstufung von Ultraschall-Lipolyse-Geräten als Medizinprodukt als auch zur Klassifizierung als Kosmetikgeräte fehlen noch allgemein verbindliche Festlegungen auf nationaler und internationaler Ebene. Die Einstufung als Medizinprodukt lässt sich jedoch aus der Definition eines Medizinproduktes gemäß MPR 93/42/EWG, Artikel 1, § 2a (MPR 2007) nachvollziehbar begründen. Danach sind Medizinprodukte (auch) solche, die vom Hersteller zur Anwendung am Menschen für „... die Veränderung des anatomischen Aufbaus“ bestimmt sind. Diese Argumentation wird z.B. in einer Stellungnahme des Österreichischen Gesundheitsministeriums verwendet (BMG 2010).



Eine grundsätzliche Anforderung an Medizinprodukte besteht darin, dass bei ihrer Anwendung das Nutzen/Risiko-Verhältnis vertretbar ist (MPR 2007, Anhang I, § 1 und § 6). Da bei medizinisch nicht indizierten HIFU-Anwendungen ein vergleichsweise geringer Nutzen (Veränderung der Körperform) erheblichen gesundheitlichen Risiken gegenübersteht, erscheint das Nutzen/Risiko-Verhältnis bei der „Lipolyse“ mit fokussiertem Ultraschall für kosmetische Zwecke als nicht vertretbar. Zu diesem Ergebnis ist bereits Frankreich gekommen, das die „Lipolyse“ für kosmetische Zwecke durch „Anwendung externer physikalischer Einwirkungen“ per Dekret untersagt hat (MTLS 2011).



Die Einstufung von Ultraschall-Bodyshaping-Geräten als nicht medizinische Geräte ist nicht sachgerecht und birgt erhebliche Risiken. Es entfällt für sie damit nicht nur die konstruktive Überprüfung und sicherheitstechnische Bewertung durch eine unabhängige Stelle (Notified Body), sie unterliegen auch nicht der verpflichtenden wiederkehrenden sicherheitstechnischen Überprüfung, wie sie für in Anwendung befindliche Medizingeräte vorgeschrieben ist, und fallen auch nicht unter die Regelung der Meldepflicht für schwerwiegende Zwischenfälle. Besonders bedenklich ist, dass diese Ultraschallgeräte überdies von Laien eingesetzt werden, deren anatomische Kenntnisse unzureichend sind und die überdies nicht in der Lage sind, die spezifischen Risiken und zahlreichen Kontraindikationen zu erkennen und die detaillierten Anwendungshinweise für die Applikation hochintensiven Ultraschalls zuverlässig befolgen zu können.



Das hohe Gefahrenpotenzial der fokussierenden Ultraschallgeräte und der unkritische Umgang mit ihnen bedeuten angesichts der gegenwärtigen Praxis bereits Gefahr im Verzug. Der unverantwortliche Umgang zeigt sich z.B. auch daran, dass Anbieter nicht davor zurückschrecken, die Methode selbst zur Behandlung von Tränensäcken am Auge anzupreisen, obwohl für diesen Fall sogar besonders restriktive Regelungen einzuhalten wären.



3
Parameter zur Abschätzung gesundheitlicher Risiken


Zur Abschätzung der gesundheitlichen Risiken werden außer den physikalischen Geräteparametern vor allem der Mechanische Index (MI) zur Bewertung der Kavitationsgefahr und der Thermische Index (TI) zur Bewertung der Erwärmungsrisiken herangezogen (Definition siehe DIN EN 62359). Der Thermische Index wird für Weichteilgewebe (TIS) und Knochen (TIB) gesondert angegeben. Die Angabe von TI- und MI-Werten wird in der Gerätenorm DIN EN 60601-2-37 gefordert. Besonderes Augenmerk verdient dabei die Beurteilung der gesundheitlichen Risiken für den Fötus. Nach der Empfehlung der Britischen Gesellschaft für Medizinischen Ultraschall (BMUS 2007) werden folgende MI-Werte als Obergrenzen angesehen:



MI

=

0,3

für kapillare Blutungen

MI

=

0,3

für mechanische Risiken von Gas enthaltenden Geweben oder bei Anwesenheit von Gasbläschen (Kontrastmittel)

MI

=

0,7

für Risiken aufgrund der Kavitation

TI

=

0,7

für Risiken fötaler Übererwärmung.



Es wird darüber hinaus auf die höheren Ultraschallintensitäten bei A-Scan, TM-Scan und insbesondere bei Dopplerverfahren hingewiesen und dafür eine rechtfertigende Indikation für erforderlich gehalten. Die World Federation of Ultrasound in Medicine and Biology (WFUMB 2010) empfiehlt, dass für nicht medizinische Anwendungen ein TI von 0,5 und MI von 0,3 nicht überschritten werden sollten, das US National Council on Radiation Protection and Measurements (NCRP 2002) fordert eine rechtfertigende Indikation bei Ultraschallexpositionen mit MI > 0,5 und TI > 1.



Angesichts unzureichender Informationen über mögliche subtile biologische Wirkungen selbst bei diagnostischen Schallintensitäten auf den sich entwickelnden Fötus und dessen Gehirn mit potenziell bedenklichen Auswirkungen auf dessen Entwicklung wird es als nicht gerechtfertigt angesehen, die medizinische Untersuchung zur Anfertigung von Souvenirs (Fotos und Videos) über das medizinisch indizierte Maß hinaus auszudehnen (BMUS 2007, WFUMB 2010).



Sicherheitstechnische Festlegungen für Intensitäts-Obergrenzen existieren für diagnostische und physiotherapeutische Ultraschallgeräte (3 W/cm2), jeweils gemessen im Wasserbad, als räumlicher Spitzenwert und zeitlicher Mittelwert (SPTA).



Anmerkung: Um der räumlich inhomogenen Verteilung der Ultraschallintensität und der gepulsten Ultraschallabgabe Rechnung tragen zu können, werden bei den Festlegungen verschiedene Größen definiert:



SPTA

(spatial peak + time average): der im Raum (z.B. Fokus) auftretende Spitzenwert, gemittelt über die Zeit

SATA

(spatial average + time average): der über eine Fläche (z.B. die Wandlerfläche) und über die Zeit gemittelte Wert

SPTP

(spatial peak + time peak): der im Raum auftretende höchste zeitliche Spitzenwert

SATP

(spatial average + time peak): der über eine Fläche gemittelte zeitliche Spitzenwert.



In der Norm DIN EN 60601-2-37 wird es als nicht mehr unbedenklich angesehen und daher wird ein vorsichtiger Umgang empfohlen, wenn bei Anwendung an Erwachsenen für den mechanischen Index der Wert 0,4 (für Wasser) bzw. für den thermischen Index der Wert 1,0 überschritten wird10. Eine Intensität von 100 mW/cm2 (SPTA) wird als konform mit dem thermischen Index 1,0 angenommen. Die angegebenen Werte müssen jedoch niedriger sein, wenn sich dies aus der Risikoanalyse ergibt. In der Medizingerätenorm EN 60601-1-11 wird darüber hinaus gefordert, bei Anwendung durch Laien die Ausgangswerte grundsätzlich auf sichere Werte zu begrenzen. Somit wäre eine Ultraschall-Lipolyse durch nicht geschultes Personal durch die vom Hersteller erfolgte Klassifizierung als Medizinprodukt ausgeschlossen.



Für Ultraschall-Therapiegeräte existieren derzeit die technischen Anforderungen EN 60601-2-5 (Physiotherapiegeräte) mit dem Grenzwert 3 W/cm2. Darüber hinaus gibt es die Norm DIN EN 60601-2-36 (ESWL) und den Norm-Entwurf DIN EN 60601-2-62 (HITU). Außerdem gelten die im Medizinproduktegesetz festgelegten allgemeinen „Grundlegenden Anforderungen“ für Medizinprodukte, insbesondere die Forderung zur Einhaltung eines akzeptierbaren Nutzen/Risiko-Verhältnisses für den Patienten und die allgemeinen sicherheitstechnischen Anforderungen für medizinische elektrische Geräte (DIN EN 60601-1) sowie die Verpflichtung zur Unterhaltung eines kontinuierlichen Risikomanagementprozesses mit laufender Risikoanalyse und Risikobewertung einschließlich vom Hersteller aktiv durchgeführter Anwendungs- und Marktbeobachtung (DIN EN 14971). Für nicht medizinische Geräte gelten derartige Anforderungen nicht.



Angesichts der Vielzahl und Schwere der unerwünschten Wirkungen der Anwendung von hoch fokussiertem Ultraschall werden u. a. folgende Kontraindikationen angegeben (HC 2006):



Schwangere


Herzschrittmacherpatienten (im Bereich des Implantationsortes)


Personen mit Blutgefäßen in schlechtem Zustand (z.B. Arteriosklerose oder Aneurysma)


Personen mit Mikrozirkulationsstörungen


Personen mit verringerter Schmerzwahrnehmung


Personen mit verringerten Reflexen


Herzkranke


Patienten mit Thrombosen oder Entzündungen peripherer Venen


Bereiche mit verringerter Schmerzempfindung


Bereiche mit eingeschränkter Durchblutung


Gehirn


Rückenmark und Wirbelsäule


Große periphere Nerven


Augen und Augenlinse


Neoplastische Gewebe


Epiphysenlinien bei Kindern.




Literatur



BMG 2010

Anfragebeantwortung GZ BMG-92100/0159-II/A/3/2010 vom 28.08.2010


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DIN EN 60601-1 Medizinische elektrische Geräte – Teil 1:


Allgemeine Festlegungen für die Sicherheit einschließlich der wesentlichen Leistungsmerkmale, letzte Ausgabe 07/2007


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DIN EN 60601-1-11 Medizinische elektrische Geräte – Teil 1-11:


Besondere Festlegungen für die Sicherheit einschließlich der wesentlichen Leistungsmerkmale – Ergänzungsnorm: Anforderungen an medizinische elektrische Geräte und medizinische elektrische Systeme für die medizinische Versorgung in häuslicher Umgebung, letzte Ausgabe 05/2008


DIN EN 60601-2-5

DIN EN 60601-2-5 Medizinische elektrische Geräte – Teil 2-5:


Besondere Festlegungen für die Sicherheit von Ultraschall-Physiotherapiegeräten, letzte Ausgabe 12/2001


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DIN EN 60601-2-36 Medizinische elektrische Geräte – Teil 2-36:


Besondere Festlegungen für die Sicherheit einschließlich der wesentlichen Leistungsmerkmale von Geräten zur extrakorporal induzierten Lithotripsie, letzte Ausgabe 12/1997


DIN EN 60601-2-37

DIN EN 60601-2-37 Medizinische elektrische Geräte – Teil 2-37:


Besondere Festlegungen für die Sicherheit einschließlich der wesentlichen Leistungsmerkmale von Ultraschallgeräten für die medizinische Diagnose und Überwachung, letzte Ausgabe 05/2012


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DIN EN60601-2-62 Medizinische elektrische Geräte – Teil 2-62:


Besondere Festlegungen für die Sicherheit einschließlich der wesentlichen Leistungsmerkmale von hoch intensiven therapeutischen Ultraschallsystemen (Entwurf), letzte Ausgabe 08/2010


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DIN EN 61689; VDE 0754-3:2008-07


Ultraschall-Physiotherapiesysteme-Feldspezifikation und Messverfahren im Frequenzbereich von 0,5 MHz bis 5 MHz (IEC 61689:2007); Deutsche Fassung EN 61689:2007


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Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte (Medizinprodukte-Richtlinie) ABl. EG Nr. L 169, 12.7.1993, zuletzt geändert durch Richtlinie 2007/47/EG, ABl. EG Nr. L 247 vom 21. September 2007, S. 29-55


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Medizinproduktegesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. August 2002 (BGBl. I S. 3146), zuletzt geändert durch Artikel 13 des Gesetzes vom 8. November 2011 (BGBl. I S. 2178)


MTLS 2011

Décret 2011-382 du 11 avril 2011 relatif á l’interdiction de la pratique d’actes de lyse adipocytaire à visée esthéthique. Ministére du Travail, de L’Emploi et de la Santé


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