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Bekanntmachung einer Empfehlung der Strahlenschutzkommission (Gesetzliche Regulierung der Nutzung von Solarien vom 19. März 2009)

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Bekanntmachung einer Empfehlung der Strahlenschutzkommission (Gesetzliche Regulierung der Nutzung von Solarien vom 19. März 2009)



Vom 23. Juli 2009



Nachfolgend wird die Empfehlung der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 233. Sitzung der Kommission am 19./20. März 2009, bekannt gegeben.



Bonn, den 23. Juli 2009
RS II 2 - 17027/2



Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Im Auftrag
Dr. B ö t. t g e r





Anlage



Gesetzliche Regulierung der Nutzung von Solarien



Empfehlung der Strahlenschutzkommission

Verabschiedet in der 233. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 19./20. März 2009



Die Strahlenschutzkommission (SSK) betrachtet mit Sorge den starken Anstieg von Hautkrebsfällen:



In Deutschland erkranken nach Hochrechnungen des Krebsregisters Schleswig-Holstein bis zu 140 000 Menschen (inkl. der ca. 20 000 Melanoma in-situ-Fälle) pro Jahr neu an Hautkrebs. Davon entfallen ca. 10 bis 15% auf das maligne Melanom (MM) und die überwiegende Mehrheit auf das Basalzellkarzinom (BCC*) und das Plattenepithelkarzinom (SCC**). Von den an malignem Melanom Erkrankten versterben ca. 20 bis 25% aufgrund der Krankheit, dies entspricht somit ca. 3 000 bis 5 000 Todesfällen pro Jahr. An BCC und SCC versterben zwischen 0,5 % bis 1 % der Erkrankten. Der Altersgipfel für das Auftreten des malignen Melanoms verschiebt sich in den letzten Jahren zu immer jüngeren Lebensaltern.



In den letzten Jahren wird eine zunehmend ansteigende Zahl von Neuerkrankungen von Hautkrebs beobachtet. Die Neuerkrankungsrate des malignen Melanoms hat sich in Deutschland in den letzten 20 Jahren verdreifacht. Diese Entwicklung ist bei der weißen Bevölkerung weltweit zu verzeichnen. Durch eine Vielzahl epidemiologischer und experimenteller in-vitro- und in-vivo-Untersuchungen ist belegt, dass UV-Strahlung ein „vollständiges" Karzinogen darstellt, da sie sowohl an der Krebsentstehung (Initiation) als auch an der Promotion und Progression der Erkrankung beteiligt ist. Von internationalen Organisationen (NIEHS, IARC) wird die UV-Strahlung übereinstimmend als karzinogen eingestuft [1,2]. Dies gilt (nach IARC) sowohl für die UV-Strahlung der Sonne als auch für UV-Strahlung aus künstlichen Quellen, z.B. Solarien.



Aufgrund dieser Datenlage empfehlen internationale Gesundheits- und Strahlenschutzorganisationen, wie z. B. WHO, ICNIRP, EUROSKIN und der Verbund nordischer Strahlenschutz-Behörden, die Nutzung von Solarien/Sonnenbänken für Jugendliche unter 18 Jahren zu untersagen [3, 4, 5, 6, 7].



Die Wirkungsmechanismen der Krebsentstehung für natürliche (solare) und künstliche UV-Strahlung (z.B. Solarien) sind gleich. Ein geändertes Freizeit- und Sozialverhalten seit den 1950er Jahren führte zu einer erhöhten UV-Exposition und wird daher für die kontinuierliche Zunahme an Hautkrebserkrankungen verantwortlich gemacht, Solarien, die seit ca. 30 Jahren in steigendem Maße genutzt werden, haben zu der beschriebenen Entwicklung beigetragen [8].



Biopositive Effekte der UV-Strahlung werden über die UV-indu-zierte Produktion von Vitamin D bewirkt. Das Hormon ist essentiell für den Erhalt der Knochenstabilität. In Deutschland sind symptomatische Vitamin-D3-Mangel-Erkrankungen nicht bekannt. Bei diagnostiziertem Vitamin-D-Mangel ist jedoch die Kompensation durch Nahrungsmittel (-Ergänzungen) ausreichend.



Auch die Behauptung, dass Vitamin D das Risiko für einige Krebsarten. Autoimmun-Erkrankungen oder mentale Erkrankungen, wie z.B. Schizophrenie, reduzieren könnte, rechtfertigt gegenwärtig nicht die Anwendung einer zusätzlichen UV-Bestrahlung, da die Datenlage hierzu nicht ausreichend belastbar ist [9, 15, 16]. Zusammenfassend überwiegen bei Weitem die Nachteile der zusätzlichen UV-Strahlung.



Sowohl die Ätiologie als auch die Epidemiologie des Hautkrebses weisen darauf hin, dass UV-Belastungen besonders in der Kindheit und Jugend einen erheblichen Risikofaktor für die Entstehung von Hautkrebs im späteren Leben darstellen [10,11, 12, 13 und Zitate darin]. Aus diesen Gründen hat die SSK in der Vergangenheit schon mehrmals Empfehlungen und Stellungnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor künstlicher (Solarien] und natürlicher UV-Strahlung abgegeben [14].



Insbesondere in den Stellungnahmen der SSK „Gesundheitliche Gefährdung durch UV-Exposition von Kindern und Jugendlichen" [14] und „Nachhaltiger Schutz der Bevölkerung vor UV-Strahlung" [14] hat die SSK auf die Risiken der Solarien-Nutzung durch Jugendliche hingewiesen und ein gesetzliches Verbot der Nutzung von Solarien für Jugendliche unter 18 Jahren gefordert. Die SSK stellt mit großer Sorge fest, dass bisher dieses Gesetz noch nicht realisiert werden konnte. Diese gesetzliche Regelung ist deshalb so notwendig, weil auch in zertifizierten Sonnenstudios gravierende Mängel festzustellen sind. Eine BfS-initiierte Überprüfung von 100 zertifizierten Sonnenstudios Ende des letzten Jahres (2008) ergab, dass nur 4 der 100 überprüften Studios alle Kriterien zum Erhalt des Zertifikats erfüllten. Unter anderem wurden Münzstudios zertifiziert und Jugendlichen unter 18 Jahren die Nutzung der Solarien nicht untersagt.



Die SSK ist der Meinung, dass es vor dem Hintergrund der gesicherten erheblichen Risiken von UV-Strahlung und der negativen Erfahrungen, die in der Vergangenheit mit der freiwilligen Zertifizierung von Sonnenstudios gemacht wurden, einer gesetzlichen Regulierung bedarf, um die Risiken von gesundheitsgefährdenden Folgen der UV-Strahlung durch die Nutzung von Solarien (vor allem Hautkrebs, insbesondere bei Jugendlichen) zu minimieren.

Empfehlungen



Die SSK bekräftigt ihre früheren Empfehlungen und Stellungnahmen zu den Risiken natürlicher und künstlicher UV-Strahlung [14] und empfiehlt darüber hinaus:

1.
Die unverzügliche Schaffung einer gesetzlichen Regulierung zur Solariennutzung.
2.
Wegen der negativen Erfahrungen mit der freiwilligen Zertifizierung von Sonnenstudios empfiehlt die SSK, dass diese gesetzliche Regulierung die folgenden Punkte beinhaltet:
-
Verbot der Nutzung von Solarien für Jugendliche unter 18 Jahren.
-
Ausschließliche Beschäftigung von Personal in Sonnenstudios, welches erfolgreich ein Schulungsprogramm absolviert hat.
-
Erarbeitung der Schulungsinhalte (für Personal und Betreiber) durch ein unabhängiges Expertengremium.
-
Beschränkung der Bestrahlungsstärke von UV-Bestrahlungsgeräten auf < 0,3 W/m-.
-
Erstellung von individuellen Bestrahlungsplänen für die Kunden in Sonnenstudios (Bestrahlung immer unterhalb 1 MED***, Erstbestrahlung < 0,4 MED).
-
Keine unkontrollierte Benutzung (z. B. durch Münzsolarien).
-
Kennzeichnung der genutzten Bestrahlungsgeräte (inkl. Bestrahlungsstärke) .
-
Alle Kosmetika u.Ä.. die dem Kunden angeboten werden, müssen vollständig deklariert werden.
-
Umsetzung und Einhaltung der Strahlenschutzkriterien der „UV-Fibel" des BfS [17].
-
Beschränkung des therapeutischen Einsatzes von UV-Strahlung strikt auf klinische Einrichtungen und ärztliche Praxen. Die SSK betont, dass die Indikation aufgrund der Einschätzung von Nutzen und Risiko grundsätzlich durch einen Arzt mit der erforderlichen Fachkunde zu erfolgen hat.
3.
Die SSK empfiehlt darüber hinaus, dass die gesetzlichen Bestimmungen engmaschig und konsequent überprüft werden.

Als wissenschaftliche Begründung für diese Empfehlung sind diejenigen aus den jüngsten Stellungnahmen der SSK zu diesem Thema heranzuziehen [14].



Referenzen

[1]
11th Report on Carcinogens (RoC) of National Toxicological Program of the National Institute of Environmental Health Science (NIEHS), 2005 (http://htp.niehs.nih.gov)
[2]
IARC: Solar and ultraviolet radiation. International Agency for Research on Cancer. Monographs on the Evaluation on Carcinogenic Risks to Humans, Vol. 55, 1992
[3]
http://www.who.int/uv/publications/sunbedpubl/en/
[4]
ICNIRP statement: Health issues of ultraviolet tanning appliances used for cosmetic purposes. Health Physics 84, 119-127 (2003)
[5]
Greinert, R.; McKinlay, A.; Breitbart, E.W.: The European Society of Skin Cancer Prevention - EUROSKIN: towards the promotion and harmonization of skin cancer prevention in Europe. Recommendations. Eur. J. Cancer Prev. 10, 157-162 (2001)
[6]
 UV-Radiation of Sun beds, Common Public Health Advice from Nordic Radiation Protection and Health Authorities, 2006
http://www.sst.dk/upload/forebyggelse/cff/sol_hudkraeft/ nordic_sunbed_position.pdf
[7]
WHO: Fact Sheet No. 287. Sunbeds. tanning and UV exposure (2005)
[8]
IARC: The association of the use of sunbeds with cutaneous malignant melanoma and other skin cancers: A systematic review. Int. J. Cancer 126, 1116-1122 (2006)
[9]
Lucas, R.M. et al.: Is the current public health message on UV exposure correct? Bulletin of the WHO 84, 485-491 (2006)
[10]
Gallagher, R.P. et al.: Sunburn, suntan, and pigmentation factors and the frequency of acquired melanocytic nevi in children. Similarities to melanoma: the Vancouver Mole Study. Arch. Dermatol. 126, 770-776 (1990)
[11]
Wicker, T. et al.: Moderate sun exposure and nevus counts in parents are associated with development of melanocytic nevi in childhood: a risk factor studv in 1812 kindergarten children. Cancer 97, 628-638 (2003)
[12]
Dulon, M. et al.: Sun exposure and number of nevi in 5- to 6-year old European children. /. Clin. Epidemiol. 55, 1075-1081 (2002)
[13]
Gandini, S. et al.: Meta-Analysis of risk factors for cutaneous melanoma: I. Common and atypical naevi. Eur. J. Cancer 41, 28-44 (2005)
[14]
Strahlenschutzkommission (SSK):
1.
Gesundheitliche Gefährdung durch UV-Exposition von Kindern und Jugendlichen, Stellungnahme der SSK, verabschiedet in der 210. Sitzung der SSK am 28./29 September 2006, veröffentlicht in Band 61 der Reihe „Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission"
2.
Schutz des Menschen vor den Gefahren der UV-Strahlung in Solarien, Empfehlung der SSK, verabschiedet in der 172. Sitzung der SSK am 8. Juni 2001, veröffentlicht durch Bekanntmachung vom 12. September 2001 (BAnz. S. 21890) und in Band 48 der Reihe „Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission"
3.
Schutz des Menschen vor solarer UV-Strahlung, Empfehlung der SSK. verabschiedet in der 144. Sitzung der SSK am 27. Februar 1997. veröffentlicht durch Bekanntmachung vom 2. Mai 1997 (BAnz. S. 6586) und in Band 41 der Reihe „Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission"
4.
Nachhaltiger Schutz der Bevölkerung vor UV-Strahlung, Empfehlung der SSK, verabschiedet in der 217. Sitzung der SSK am 20./21 September 2007. veröffentlicht durch Bekanntmachung vom 21. November 2007 (BAnz. 2008 S. 199)
5.
Einfluss der natürlichen Strahlenexposition auf die Krebsentstehung in Deutschland, Stellungnahme der SSK mit wissenschaftlicher Begründung, Kapitel: „Ultraviolette Strahlung und Hautkrebs", „Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission" Band 62 (2008)
www.ssk.de
[15]
UV exposure guidance: A balanced approach between healüi risks and health benefits of UV and Vitamin D. Proceedings of an International Workshop, International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection, Munich, Germany, 17-18 October, 2005. Prog. Biophys. Mol. Biol. 92, 1-184 (2006)
[16]
Vitamin D and Cancer, IARC Working Group Reports, Vol. 5, 1-449 (innv.iarc.fr)
[17]
UV-Fibel, Geprüftes Sonnenstudio – Zertifizierungskriterien des Bundesamtes für Strahlenschutz, herausgegeben vom Bundesamt für Strahlenschutz, 2. überarbeitete Auflage 2007
(www.bfs.de)


Abkürzungsverzeichnis

EUROSKIN

European Society of Skin Cancer Prevention

IARC

International Agency for Research on Cancer

ICNIRP

International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection

NIEHS

National Institute of Environmental Health Sciences

WHO

World Health Organization