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Bekanntmachung einer Empfehlung der Strahlenschutzkommission (Datenkompression bei Röntgenbildern vom 1. Dezember 2011)

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Bekanntmachung
einer Empfehlung der Strahlenschutzkommission
(Datenkompression bei Röntgenbildern vom 1. Dezember 2011)



Vom 11. April 2012



Nachfolgend wird die Empfehlung der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 252. Sitzung der Kommission am 1. Dezember 2011, bekannt gegeben.



Berlin, den 11. April 2012
RS II 2 - 17027/2



Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit



Im Auftrag
Dr. Böttger





Datenkompression bei Röntgenbildern
Empfehlung der Strahlenschutzkommission



Verabschiedet in der 252. Sitzung
der Strahlenschutzkommission am 1. Dezember 2011





1 Hintergrund



In der radiologischen Bildgebung fallen große Datenmengen in Form der zu befundenden Bilder an. Diese Datenmengen stellen für einige radiologische Praxen oder Krankenhäuser auch heute noch für die Archivierung nach der Röntgenverordnung (RöV) (§ 28 Absatz 5 RöV) oder schnelle Bildverteilung im Rahmen fachärztlicher Befundung oder Teleradiologie große Herausforderungen dar. Es bestehen keine Bedenken, eine verlustfreie Kompression anzuwenden. Bei der verlustbehafteten („lossy“) Kompression ist es erforderlich, fachliche Empfehlungen zu geben, unter welchen Bedingungen und bis zu welchem Grad Bilddaten komprimiert werden können. Daher wurde die Strahlenschutzkommission (SSK) vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gebeten, zur praktischen Umsetzung der Anforderung des § 28 Absatz 5 Satz 2 RöV, „Röntgenbilder können bei der Aufbewahrung auf elektronischem Datenträger komprimiert werden, wenn sichergestellt ist, dass die diagnostische Aussagekraft erhalten bleibt.“, Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme versucht einen pragmatischen Ansatz, ohne in diesem Schritt bereits die weitergehenden Fragen der notwendigerweise zu archivierenden Information und der zu Grunde liegenden Definition (Befundbild, Rohbild, Rohdaten, Basisbild) zu klären.



Im Rahmen einer Konsensuskonferenz (Loose et al. 2009) wurde mit Radiologen, Medizinphysikern, Industrie- und Behördenvertretern das Thema Bildkompression von DICOM1-Daten behandelt. Auf der Basis der 56 am höchsten bewerteten Studien, die aus 216 Publikationen ausgewählt wurden, sowie der größten aktuell erschienenen Studie aus Kanada diskutierte man, ob und mit welchen Faktoren eine Bildkompression ohne Einschränkung der diagnostischen Bildqualität möglich ist. Das Ergebnis dieser Konferenz, an der mehr als 80 Experten teilnahmen, wurde in der Fachzeitschrift „RöFo – Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen und bildgebenden Verfahren“ zu Beginn des Jahres 2009 veröffentlicht. Die vorliegende Empfehlung der SSK nimmt auf diese Publikation und die weiteren zitierten Arbeiten Bezug.



Im Folgenden wird vorausgesetzt, dass die Sicherstellung der Bildqualität für die Befundung auch die Sicherstellung der Bildqualitätsanforderungen an die Archivierung (§ 28 Absatz 5 Satz 2 RöV) garantiert.



Im Gegensatz zur verlustfreien Kompression, bei der physikalisch exakt der identische Bildinhalt bei der Dekompression wiederhergestellt werden kann, wird bei den hier betrachteten verlustbehafteten Kompressionsverfahren der Bildinhalt verändert, jedoch bleiben Bildmatrix und Bildtiefe (Zahl der Graustufen) erhalten. Die Anforderung ist, dass die Bildinformation und Bildqualität für die Diagnose nicht unterscheidbar sind.



Zur Bewertung der Bildqualität von komprimierten Bildern wurden nur diejenigen Studien herangezogen, die die Diagnosequalität (z.B. ROC2-Analysen) in Bezug auf Kompressionsfaktoren untersucht haben. Hierbei ist natürlich anzumerken, dass aus informationstheoretischer Sicht durch nicht unterscheidbare Werte für die Flächen unter den ROC-Kurven nicht gesagt ist, dass die Aussagekraft für jede zum Beispiel beliebig feine Veränderung tatsächlich unverändert bleibt. Das Design der Studien mit der Auswahl der Fälle, die sich im Allgemeinen am klinischen Alltag orientiert, lässt derartige Bewertungen nicht zu. Für den klinischen Alltag scheint aber diese Auswahl gerechtfertigt.



Vor diesem Hintergrund muss die auf konservativer Basis erfolgte Festlegung der Kompressionsfaktoren verstanden werden. Verdeutlicht wurde auch, dass nur Verfahren zur Kompression von Bilddaten genutzt werden dürfen, die dem DICOM-Standard in allen Punkten entsprechen.



Anzumerken ist weiterhin, dass Röntgenaufnahmen aus dem Mammographie-Screening wegen bestehender rechtlicher Festlegungen bewusst aus den Empfehlungen ausgeklammert wurden, obwohl auch für diese Bilddaten eine Festlegung von Kompressionsfaktoren möglich gewesen wäre, bei denen die diagnostische Aussagekraft (Befundqualität) nach den vorliegenden Studien uneingeschränkt erhalten bliebe. Die SSK folgt diesem Ansatz und legt hier ebenfalls keine Kompressionsfaktoren fest.



Bilddaten der Sonographie und der Nuklearmedizin wurden wegen der Überschneidung mit anderen medizinischen Fachgesellschaften nicht behandelt.



Die einzelnen, den verschiedene Modalitäten und Untersuchungsarten zuzuordnenden Kompressionsfaktoren und verwendeten Kompressionsalgorithmen finden sich in Tabelle 1, die der Veröffentlichung von Loose et al. 2009 entnommen wurde.



Bei einzelnen Modalitäten, wie operativen Navigationssystemen oder Planungssystemen in der Strahlentherapie, ist die Verwendung von „lossy“ komprimierten DICOM-Daten meist deaktiviert. Grund hierfür könnte neben einer fehlenden Implementierung des Standards oder notwendiger Lizenzgebühren auch die Unsicherheit sein, ob eine Kompression die nachfolgende Verarbeitung der Bilddaten und die Ergebnisse beeinflusst. In der Empfehlung des britischen Royal College of Radiologists (RCR 2008) wird hervorgehoben, dass die in der klinischen Routine verwendeten unterschiedlichen Rekonstruktions-Kernel einen größeren Einfluss auf die Nachverarbeitung von Bilddaten haben als eine „lossy“ Kompression. Eine Empfehlung zu Kompressionsfaktoren für diese Anwendungen wird nicht gegeben, weil keinerlei Studien hierzu vorliegen.



CAD(Computer-Assisted Detection)-Programme zur automatisierten Bildverarbeitung, wie z.B. die Erkennung von Lungenrundherden in der CT, tolerieren mit Kompressionsfaktoren von 1:48 Werte, die deutlich über den Empfehlungen der Konsensuskonferenz liegen, ohne Einfluss auf die Volumina der erkannten Rundherde (Raffy et al. 2006, Ko et al. 2005). Diese Ergebnisse werden aber z. T. noch kontrovers diskutiert. Die hier vorliegende Empfehlung der SSK bleibt daher bewusst konservativer.



Inzwischen wurde eine entsprechende Empfehlung als „white paper“ der Europäischen Röntgengesellschaft (ESR) publiziert (ESR 2011). In dieser Publikation wird einerseits die Anwendbarkeit der „lossy“ Bildkompression, sofern sie sich im Rahmen der bisher publizierten nationalen Empfehlungen bewegt, gebilligt, andererseits wird eine Reihe von Fragen diskutiert, die in zukünftigen Studien weiter untersucht werden sollten oder einer genaueren Festlegung bedürfen. Hierzu gehören:



Die Bedeutung der Unterschiede von „quality factor“ bei der JPEG-Kompression und des Kompressionsfaktors bei der JPEG2000-Kompression.


Die Beachtung, dass bei der Angabe eines Kompressionsfaktors nicht die Zahl der für die Grauwertdarstellung reservierten Bit (allocated) mit meist 2 Byte, sondern die Zahl der gespeicherten Bit (stored) mit z.B. 12 Bit berücksichtigt wird.


Der Einfluss hochfrequenter Bildinformationen (z.B. Rauschen) gegenüber geglätteten/gefilterten Bilddaten auf die tolerablen Kompressionsfaktoren.


Der Effekt von fest in das Bild „eingebrannten“ Overlays oder Grafiken mit reiner Schwarz-Weiß-Darstellung auf die Kompression.


Die unterschiedlichen Ergebnisse bei der Kompression von dicken und dünnen CT-Schichten mit Kompressionsfaktoren zwischen 1 : 8 und 1 : 16 (Anmerkung: Diese Kompressionsfaktoren liegen jedoch jenseits der Empfehlungen der Deutschen Konsensuskonferenz).


Die Erstellung von Mess- und Qualitätssicherungssystemen zum einheitlichen Vergleich der unterschiedlichen Kompressionsstufen und -verfahren.


Die Diskussion mit der Industrie, sich auf einheitliche Standards der Implementierung der „lossy“ Bildkompression zu einigen.


Eventuelle Zusammenhänge zwischen Bildkompression und möglicher Dosisreduktion bei der Akquisition sind nicht Bestandteil dieser Empfehlung und zukünftigen Studien vorbehalten.





2 Empfehlung



Die Anwendung der Bildkompression ist einer der möglichen Schritte in der mathematischen Bildverarbeitung und damit der bildgebenden Kette mit Röntgenstrahlung bis zur Archivierung oder zum Bildversand. Der Arzt mit der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz muss sich daher davon überzeugen, dass für das ausgewählte Kompressionsverfahren und das eingesetzte Archivierungssystem die diagnostische Bildqualität erhalten bleibt.



Die SSK empfiehlt, zum vollständigen Erhalt der diagnostischen Bildqualität bei der Kompression von medizinischen DICOM-Bilddaten die von der Deutschen Konsensuskonferenz publizierten Kompressionsfaktoren (Tabelle 1) nicht zu überschreiten. Die publizierten Kompressionsfaktoren beziehen sich auf die Kompressionsalgorithmen JPEG und JPEG2000.



Mit der Beachtung der empfohlenen maximalen Kompressionsfaktoren wird sowohl für die Befundung als auch für die Archivierung nach heutigem Kenntnisstand sichergestellt, dass die medizinischen wie auch die strahlenschutzfachlichen Anforderungen der RöV, insbesondere die des § 28 Absatz 5 Satz 2 RöV, „Röntgenbilder können bei der Aufbewahrung auf elektronischem Datenträger komprimiert werden, wenn sichergestellt ist, dass die diagnostische Aussagekraft erhalten bleibt.“, erfüllt sind.



Spätestens fünf Jahre nach Veröffentlichung dieser Empfehlung sollte evaluiert werden, ob die vorliegende Empfehlung zur Kompression radiologischer Bilddaten dann vorliegenden neuen Erkenntnissen noch genügt.



Tabelle 1:

Kompressionsfaktoren



Bildgebung

Organ

Kompression

CT

Gehirn

1 : 5

CT

Abdomen

1 : 8

CT

Thoraxweichteile

1 : 8

CT

Lunge

1 : 8

CT

Skelett

1 : 8

CR/DR

Radiographie Lunge

1 : 10

CR/DR

Muskulo-Skelettalsystem

1 : 10

CR/DR

Abdomen

1 : 10

CR/DR

Mammographie

1 : 15

MR

alle Anwendungen

1 : 7

RF/XA

Durchleuchtung/DSA/Kardangio

1 : 6



CT:

Computertomographie

CR/DR:

Digitale Radiographie (Speicherfolien/Festkörperdetektoren)

MR:

Magnetresonanztomographie

RF/XA:

Fluoroskopie/Angiographie





3 Literatur



Barrett und Myers 2005

Barrett, H H; Myers, K J: Foundations of Image Science. 2005


Cunningham 2000

Cunningham, I A: Applied Linear-Systems Theory. In: Handbook of Medical Imaging, Physics and Psychophysics, Vol. 1, Hrsg. Beutel, J, 2000


ESR 2011

Usability of irreversible image compression in radiological imaging. A position paper by the European Society of Radiology (ESR). Insights Imaging 2011; 2 : 103 – 115


Ko et al. 2005

Ko, J P; Chang, J; Bomsztyk, E; Babb, J S; Naidich, D P; Rusinek, H: Effect of CT image compression on computer-assisted lung nodule volume measurement. Radiology 2005; 237 : 83 – 88


Loose et al. 2009

Loose, R; Braunschweig, R; Kotter, E; Mildenberger, P; Simmler, R; Wucherer, M: Kompression digitaler Bilddaten in der Radiologie – Ergebnisse einer Konsensuskonferenz. RöFo 2009; 181 : 32 – 37


Raffy et al. 2006

Raffy, P; Gaudeau, Y; Miller, D P; Moureaux, J M; Castellino, R A: Computer-aided detection of solid lung nodules in lossy compressed multidetector computed tomography chest exams. Acad Radial 2006; 13 : 1194 – 1203


RCR 2008

The Royal College of Radiologists: The adoption of lossy image data compression for the purpose of clinical interpretation. April 2008 http://www.rcr.ac.uk/docs/radiology/pdf/IT_guidance_LossyApr08.pdf