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BMU-RS-20050117-KF-A001.htm

Zum Hauptdokument : Richtlinie für den Strahlenschutz des Personals bei Tätigkeiten der Instandhaltung, Änderung, Entsorgung und des Abbaus in Kerntechnischen Anlagen und Einrichtungen, Teil 2: Die Strahlenschutzmaßnahmen während des Betriebs und der Stilllegung einer Anlage oder Einrichtung



Anhang 1



Erläuterungen und Beispiele für eine Tätigkeit (eine Instandhaltungs-, Änderungs-, Entsorgungs- oder Abbauarbeit)



Die Höhe der zu erwartenden Kollektiv- oder Individualdosis sowie die radiologischen Bedingungen am Arbeitsplatz legen fest, ob eine Tätigkeit nach dem „Routinemäßigen" oder dem „Speziellen Strahlenschutzverfahren" durchgeführt wird (siehe Verfahrensschema im Anhang 2).



Vor der Prüfung, ob geplante Instandhaltungs-, Änderungs-, Entsorgungs- oder Abbauarbeiten nach dem „Routinemäßigen" oder dem „Speziellen Strahlenschutzverfahren" durchzuführen sind, muss festgelegt werden, welche der vorgesehenen Tätigkeiten jeweils einer Tätigkeit im Sinne dieser Richtlinie entsprechen. Im Folgenden werden für diese Festlegung allgemeine Kriterien aufgestellt.

Gemeinsame Planung der Arbeitsschritte: Das Kriterium der gemeinsamen Planung ist als übergeordnetes Kriterium heranzuziehen.
Eine Tätigkeit kann aus einzelnen Arbeitsschritten bestehen, für die eine gemeinsame Arbeitsplanung erforderlich ist. Insbesondere ist dabei der Arbeitsablauf, d. h. die zeitliche Abfolge für die einzelnen Arbeitsschritte festzulegen. Diese Arbeitsplanung dient der Minimierung der Arbeitszeit und Sicherstellung der Arbeitsqualität und ist eng mit der Planung der Strahlenschutzmaßnahmen verknüpft. Zu der Tätigkeit werden auch erforderliche Zuarbeiten wie Gerüstbau oder Aufbau von Abschirmungen hinzugerechnet.


Der Brennelementwechsel mit Zuarbeiten in einem Reaktor innerhalb einer Revision wird als eine gemeinsam zu planende Instandhaltungsarbeit zu einer Tätigkeit zusammengefasst, da alle Arbeitsschritte gemäß einem festgelegten Ablaufplan ineinander greifen.


Dagegen werden die Ultraschallprüfung an den Schweißnähten eines Systems und die innere Inspektion eines Ventils an demselben System bezüglich der Abfolge der jeweils erforderlichen Arbeitsschritte unabhängig voneinander geplant, sind also nicht als eine Tätigkeit im Sinne dieser Richtlinie zu betrachten


Zusammenhängender Raumbereich: Eine Tätigkeit wird in der Regel in einem zusammenhängenden Raumbereich stattfinden, wobei einzelne Arbeitsschritte wie Werkstatt- oder Dekontaminationsarbeiten auch in anderen Räumen durchgeführt werden können. Wenn unterschiedliche Tätigkeiten gleichzeitig in einem Raumbereich stattfinden, werden diese nicht notwendig zu einer Tätigkeit zusammengefasst. Gleichwohl werden in diesem Fall mögliche Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Tätigkeiten geprüft (vgl. Abschnitt 4.1 (6)). Falls zwischen verschiedenen Tätigkeiten strahlenschutzrelevante Wechselwirkungen festgestellt werden, ergibt sich daraus nicht die Verpflichtung, diese zu einer Tätigkeit zusammenzufassen


Bezug auf ein System: Eine Tätigkeit wird an bestimmten Komponenten oder an einem bestimmten System durchgeführt. Zum Beispiel werden die Ultraschallprüfung des Reaktordruckbehälters, die Revision eines Dampferzeugers oder die Wartung der Kühlmittelumwälzpumpen an einem System durchgeführt und sind daher jeweils als eine Instandhaltungsarbeit zu betrachten.


Verschiedenartige Tätigkeiten an einem System, wie eine Druckprüfung und eine Prüfung von Schweißnähten werden dagegen nicht zu einer Instandhaltungsarbeit zusammengefasst.


Zusammenhängender Zeitraum: Eine Tätigkeit wird in der Regel in einem zusammenhängenden Zeitraum durchgeführt.


Zum Beispiel ist bei der Dosisbetrachtung für den Brennelementwechsel an einem Reaktor nicht die Dosis für den Wechsel einer kompletten Kernbeladung, sondern nur die Dosis für den Wechsel der bei einem anstehenden Brennelementwechsel auszutauschenden Brennelemente relevant.


Ist allerdings eine Tätigkeit aufgrund aufgetretener Schwierigkeiten zu unterbrechen, bestimmt der vorab festgelegte Umfang der erforderlichen Arbeitsschritte weiter den Umfang dieser Tätigkeit. Auch wenn aufgrund bestimmter betrieblicher Gegebenheiten eine Tätigkeit nur bei bestimmten Betriebszuständen durchgeführt werden kann, also zwischendurch bei anderen Betriebszuständen unterbrochen werden muss, wird für die Dosisabschätzung die gesamte Tätigkeit bis zu deren endgültigem Abschluss betrachtet.


Im konkreten Einzelfall werden diese vier Kriterien bei der Zusammenfassung von Arbeitsschritten zu einer Tätigkeit unter den genannten Einschränkungen herangezogen. Eine nicht zu rechtfertigende Zusammenfassung unterschiedlicher Tätigkeiten zu einer Instandhaltungs-, Änderungs-, Entsorgungs- oder Abbauarbeit, die dazu führt, dass diese Tätigkeiten unter dem „Speziellen Strahlenschutzverfahren" durchzuführen wären, würde Ressourcen des Strahlenschutzes binden, ohne dem Ziel einer Optimierung des Strahlenschutzes näher zu kommen.



Im Folgenden werden weitere Hinweise für die Zusammenfassung von Arbeitsschritten zu einer Tätigkeit für die von der Richtlinie erfassten vier Arten von Tätigkeiten gegeben:



Eine Instandhaltungsarbeit:



Eine Instandhaltungsarbeit wird in einem bestimmten Raum, an einer bestimmten Komponente oder einem bestimmten System durchgeführt. Aus dem Ziel einer solchen Maßnahme ergibt sich ihre Abgrenzung als eine Instandhaltungsarbeit. Werden mehrere Instandhaltungsarbeiten im Rahmen einer Revision einer Anlage oder Einrichtung gleichzeitig durchgeführt, wird für diese ein gemeinsamer Zeitplan aufgestellt. Dies fällt aber nicht unter das Kriterium einer gemeinsamen Planung, soweit für diese Instandhaltungsarbeiten nicht auch eine gemeinsame Planung aller einzelnen Arbeitsschritte erforderlich ist.



Die Inspektion und Wartung einer Komponente im Rahmen einer Revision ist daher ein Beispiel für eine Instandhaltungsarbeit. Werden mehrere gleichartige Komponenten zur gleichen Zeit inspiziert oder gewartet, hängt die Zusammenfassung aller Arbeitschritte zu einer Instandhaltungsarbeit davon ab, ob die Arbeitsschritte an den gleichartigen Komponenten eng ineinander greifen. Trifft dies zu, werden auch die Strahlenschutzmaßnahmen gemeinsam geplant und durchgeführt.



Nicht zu einer Instandhaltungsarbeit zusammengefasst werden gleichartige Instandhaltungsmaßnahmen, die in größerem zeitlichen Abstand durchgeführt werden, wie z.B. die Inspektion aller Dampferzeuger im Druckwasserreaktor, wenn diese über mehrere Stillstände verteilt erfolgt. Ein weiteres Beispiel ist die Ultraschallprüfung des Reaktordruckbehälters, wenn diese pro Stillstand abschnittsweise erfolgt. Hier wird die jeweils bei einem Stillstand vorgenommene Prüfung eines dieser Abschnitte als eine Instandhaltungsarbeit betrachtet.



Beispiele für Instandhaltungsarbeiten:



Die Inspektion und Wartung mehrerer Umwälzpumpen beim SWR während eines Stillstandes wird als eine Instandhaltungsarbeit betrachtet, da die Inspektionsarbeiten und die Strahlenschutzmaßnahmen eng verzahnt sind, von einer Arbeitsgruppe zeitlich parallel durchgeführt werden und die Pumpen sich unmittelbar nebeneinander befinden.



Dagegen werden Inspektions- und Wartungsarbeiten an mehreren Hauptkühlmittelpumpen oder zerstörungsfreie Prüfungen an verschiedenen Dampferzeugern beim DWR nicht als eine Instandhaltungsarbeit betrachtet. Die Strahlenschutzmaßnahmen werden getrennt durchgeführt, da die Hauptkühlmittelpumpen bzw. die Dampferzeuger räumlich getrennt sind. Die Maßnahmen an den verschiedenen Hauptkühlmittelpumpen oder Dampferzeugern greifen nicht ineinander.



Das Auswechseln einer Strahlrohrnase an einem Forschungsreaktor während eines Stillstandes wird als eine Instandhaltungsarbeit geplant und bewertet. Beim Austausch mehrerer Strahlrohrnasen gilt das oben für die Dampferzeuger beim Druckwasserreaktor Gesagte.



Der Brennelementwechsel mit Zuarbeiten in einem Kernkraftwerk oder einem Forschungsreaktor umfasst als eine Instandhaltungsarbeit alle erforderlichen Vor- und Nacharbeiten einschließlich Deckelöffnen, Flutraumreinigung und Deckelschließen soweit relevant. Dies ist eine typische Instandhaltungsarbeit, die zeitlich und räumlich zusammenhängend regelmäßig wiederholt wird und im Wesentlichen immer aus den gleichen Arbeitsschritten besteht.



Die zerstörungsfreien Prüfungen in einem Raumbereich einer Anlage oder Einrichtung, die während eines Stillstandes durchgeführt werden, werden als eine Instandhaltungsarbeit betrachtet. Die Tätigkeiten werden gemeinsam geplant und in vorgegebener zeitlicher Abfolge durchgeführt.



Eine Änderungsarbeit:



Eine Änderungsmaßnahme in Anlagen oder Einrichtungen wird als Ganzes geplant und der Aufsichtsbehörde, oder falls erforderlich der Genehmigungsbehörde vorgelegt. Damit ist der Umfang einer Änderungsarbeit genau abgesteckt. Diese kann sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und in einzelnen Fällen in mehreren zeitlich getrennten Abschnitten durchgeführt werden, wenn zum Beispiel die Durchführung bestimmter Arbeitsschritte an einen bestimmten Anlagenzustand (z.B. Stillstand), der nur zeitweise gegeben ist, gebunden ist.



Beispiele für Änderungsarbeiten:



Der Austausch von Komponenten oder ganzer Systeme wird als Änderungsmaßnahme der Aufsichtsbehörde angezeigt. Er wird als Ganzes geplant und in der vorgegebenen zeitlichen Abfolge ausgeführt. Eine solche Änderungsmaßnahme ist daher als eine Änderungsarbeit zu bewerten.



Der Abbau von nicht mehr benötigten Komponenten oder Systemen oder der Aufbau neuer zusätzlicher Komponenten oder Systeme wird ebenfalls, soweit dies von der Planung und Durchführung als eine Änderungsmaßnahme behandelt wird, als eine Änderungsarbeit betrachtet.



Eine Entsorgungsarbeit:



Die Entsorgung radioaktiver Abfalle läuft in der Regel in einzelnen Kampagnen ab, bedingt durch organisatorische Erfordernisse bei der Behandlung, dem Transport der radioaktiven Abfälle und den Annahmemodalitäten in externen Lagern. Eine solche Kampagne läuft nach einem festen Schrittfolgeplan ab, in dem die zeitliche Abfolge der einzelnen Arbeitsschritte festgelegt ist. Die zu ergreifenden Strahlenschutzmaßnahmen orientieren sich an diesem Schrittfolgeplan und unterliegen einer gemeinsamen Planung. Eine solche Kampagne zur Entsorgung radioaktiver Abfälle entspricht daher einer Entsorgungsarbeit. Dies gilt auch für Entsorgungskampagnen, die in mehreren zeitlich getrennten Teilschritten durchgeführt werden.



Kontinuierlich ablaufende Entsorgungsarbeiten werden anhand der im Kalenderjahr auflaufenden Individual- und Kollektivdosen für die dabei Beschäftigten und der radiologischen Bedingungen am Arbeitsplatz bewertet.



Beispiel für eine Entsorgungsarbeit:



Eine Konditionierungskampagne zur Hochdruckverpressung radioaktiver Abfälle wird als eine Entsorgungsarbeit geplant und durchgeführt. Der Arbeitsablauf wird in einem Schrittfolgeplan unter Beteiligung des Strahlenschutzbeauftragten festgelegt. Der innerbetriebliche Transport der Abfallbehälter von den Lagerpositionen zu den Konditionierungseinrichtungen und zurück werden als Zuarbeit in die Tätigkeit einbezogen. Bei einer ortsfesten Konditionierungsanlage in einer Anlage oder Einrichtung, die kontinuierlich betrieben wird, werden die zu erwartenden Individual- und Kollektivdosen jeweils für ein Kalenderjahr vorab abgeschätzt.



Eine Abbauarbeit:



Der Abbau einer Anlage oder Einrichtung erfolgt in verschiedenen Phasen, die parallel oder hintereinander ausgeführt werden können. Innerhalb einer Phase werden einzelnen Abbauschritte durchgeführt, die jeweils bestimmte Räume, Komponenten oder Systeme betreffen. Die zeitliche Abfolge der Phasen und Abbauschritte ergibt sich aus den Gegebenheiten der Anlage oder Einrichtung und dem Ziel eines zügigen und kostengünstigen Abbaus, wobei die Strahlenexposition des eingesetzten Personals so gering wie möglich gehalten werden soll. Die zeitliche Abfolge der Abbauschritte wird in der Regel im Betriebshandbuch festgeschrieben. Ein Abbauschritt entspricht einer Abbauarbeit.



Beispiele für Abbauarbeiten:



Der Abbau eines Dampferzeugers, eines Druckhalters, eines Loops oder des Reaktordruckbehälters beim DWR entspricht jeweils einer Abbauarbeit. Beim SWR wird der Abbau der Turbine, einer Nachkühlkette oder des biologischen Schildes, beim Forschungsreaktor der Abbau einer kernnahen Bestrahlungsanlage oder des Kerngerüstes jeweils als eine Abbauarbeit betrachtet.