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BMI-D1-20210716-SF-A001.htm

Zum Hauptdokument : Rundschreiben zur Dienstunfähigkeit sowie zur begrenzten Dienstfähigkeit (§§ 44 bis 49 Bundesbeamtengesetz – BBG);



Rundschreiben vom 16.07.2021


Anlage 1

Merkblatt zum Hamburger Modell         

               

                 D1-30101/5#4





Die stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell
für Beamtinnen und Beamte des Bundes



1.

Einleitung

1

2.

Rechtsgrundlagen

2

3.

Verfahren

2

4.

Wiedereingliederungsplan

3

5.

Einzelfragen

4

5.1

Dauer des Hamburger Modells

4

5.2

Arbeitszeit

5

5.3

Urlaub und Gleitzeit

5

5.4

Sonderurlaub (Kind krank etc.)

6

5.5

(Weitere) Erkrankung im Hamburger Modell

6

5.6

Beurteilungen

6

5.7

Dienstunfall/Wegeunfall

7

5.8

Besonderheiten bei Schwerbehinderung

7

5.9   

Hamburger Modell und Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

    7



1.
Einleitung

Die Demografiestrategie der Bundesregierung räumt dem systematischen betrieblichen Gesundheitsmanagement einen hohen Stellenwert ein. Dabei geht es nicht nur um längeres, sondern auch um flexibles und gesundes Arbeiten. Ein - in der Praxis häufig genutzter - Baustein des betrieblichen Gesundheitsmanagements wie auch des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) ist die stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell.



Über das Hamburger Modell werden erkrankte Beamtinnen und Beamte individuell, d. h. je nach gesundheitlicher Einschränkung schonend, aber kontinuierlich an die Belastungen ihres Arbeitsplatzes herangeführt. Sie erhalten damit die Möglichkeit, ihre Belastbarkeit entsprechend ihrer wiedererreichten Leistungsfähigkeit zu steigern. Das Hamburger Modell dient dazu, Krankheitszeiten zu verkürzen, Rückfälle zu vermeiden und die Anzahl der Fälle von frühzeitiger Versetzung in den Ruhestand zu verringern.



Mit diesem Merkblatt sollen die wichtigsten dienstrechtlichen Fragen rund um das Hamburger Modell - speziell mit Blick auf die Beamtinnen und Beamten des Bundes - erläutert werden.



2.
Rechtsgrundlagen

Das Hamburger Modell ist ein Verfahren, um krankheitsbedingt arbeitsunfähige sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder in das Erwerbsleben einzugliedern. Hierzu nehmen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Tätigkeit stufenweise wieder auf. Geregelt ist das Hamburger Modell in § 74 SGB V und gleichlautend für den Fall behinderter oder konkret von Behinderung bedrohter Menschen in § 44 SGB IX.



Im Beamtenrecht gibt es für das Hamburger Modell keine vergleichbare gesetzliche Grundlage. In der Praxis hat sich das Hamburger Modell als Hilfe bzw. Unterstützung auch für Beamtinnen und Beamte bewährt.



Während des Hamburger Modells ist die Beamtin oder der Beamte vorübergehend dienstunfähig („krankgeschrieben“). Der Status der Beamtin oder des Beamten und die Fortzahlung der Besoldung bleiben unberührt. Da die Beamtin oder der Beamte „krankgeschrieben“ bleibt, ist die Arbeitsaufnahme freiwillig. Die im Wiedereingliederungsplan festgelegte Zeit für die Arbeitsaufnahme gilt als Dienst.



Die Wiedereingliederung sollte in Anlehnung an die Bedingungen aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden, z. B. Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V „Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie“ in der Fassung vom 20. Oktober 2016, in Kraft getreten am 24. Dezember 2016.





3.
Verfahren

Das Hamburger Modell erfordert eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Beamtin oder dem Beamten, der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt und dem Dienstherrn; gegebenenfalls auch weiterer Stellen. Grundlage sind die von der behandelnden Ärztin oder vom behandelnden Arzt unter Beachtung der Schweigepflicht gegebenen Empfehlungen zur vorübergehenden Einschränkung der quantitativen oder qualitativen Belastung der Beamtin oder des Beamten während der Wiedereingliederung. Eine standardisierte Betrachtungsweise ist nicht möglich, so dass der zwischen allen Beteiligten einvernehmlich zu findenden Lösung unter angemessener Berücksichtigung der Umstände im Einzelfall maßgebliche Bedeutung zukommt.



Die stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell kann sowohl vom Dienstherrn als auch von der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt (ggf. auch Amtsärztin/Amtsarzt oder Betriebsärztin/Betriebsarzt) vorgeschlagen werden. Die Beschäftigten können selbst entscheiden, ob sie das Angebot annehmen. Dafür ist eine schriftliche Zustimmung erforderlich. Eine Ablehnung hat keine negativen Folgen. Wird die stufenweise Wiedereingliederung von der Ärztin oder vom Arzt vorgeschlagen, wendet sich die Beamtin oder der Beamte mit diesem Vorschlag an die Personaldienststelle.



Das Hamburger Modell soll nur bewilligt werden, wenn dies ärztlicherseits als Maßnahme zur Wiedereingliederung empfohlen und eine Prognose zur gesundheitlichen Entwicklung der Beamtin oder des Beamten abgegeben wird. Das Hamburger Modell kann beginnen, wenn die Personaldienststelle auf der Grundlage des Wiedereingliederungsplans der Dienstaufnahme zustimmt. Ein förmlicher Bescheid ist nicht erforderlich.





4.
Wiedereingliederungsplan

Den Schutz vor Überforderung und damit auch vor einer Beeinträchtigung der Heilbehandlung gewährleistet der ärztliche Wiedereingliederungsplan, den die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt erstellt. Er enthält mindestens die voraussichtliche Dauer der Wiedereingliederung und die wöchentliche Arbeitszeit. Neben der täglichen Arbeitszeit soll der Plan auch diejenigen Tätigkeiten enthalten, die die Beamtin oder der Beamte während des Hamburger Modells ausüben kann bzw. denen sie oder er nicht ausgesetzt werden darf.



Die ergänzende Einbindung der Betriebsärztin bzw. des Betriebsarztes ist aufgrund deren besonderer Kenntnisse zu den gesundheitlichen Belastungen am individuellen Arbeitsplatz sinnvoll. Soweit erforderlich, ist die Betriebsärztin oder der Betriebsarzt bei der Abstimmung und ggf. Anpassung des Wiedereingliederungsplans mit ihrer/seiner Expertise zu beteiligen. Eine amtsärztliche Untersuchung ist nicht notwendig.



Art und Umfang der zu leistenden Aufgaben während des Hamburger Modells sind zwischen der Beamtin oder dem Beamten, der Dienststelle und ggf. der Ärztin oder dem Arzt abzustimmen. So sollte z. B. bei Vorgesetztenfunktionen im Vorfeld festgelegt werden, in welchem Umfang diese während der Wiedereingliederung übernommen werden.



Für die medizinische Richtigkeit des Wiedereingliederungsplans ist allein die Ärztin oder der Arzt verantwortlich. Dienstvorgesetzte und Personaldienststelle sind vor Regressforderungen geschützt, solange sie die Beamtin oder den Beamten entsprechend dem Wiedereingliederungsplan einsetzen und die Beamtin oder der Beamte in diesem Rahmen ihre oder seine Arbeitsleistung erbringt. Bei Verschlechterung des Gesundheitszustandes kann das Hamburger Modell jederzeit abgebrochen werden.





5.
Einzelfragen


5.1
Dauer des Hamburger Modells

Das SGB V kennt keine zeitliche Grenze für das Hamburger Modell. Maßgeblich ist in der Praxis der Wiedereingliederungsplan, der sich im Einzelfall über eine längere Zeit erstrecken kann.



Das Hamburger Modell soll in der Regel sechs Wochen nicht überschreiten. Abhängig von der Dauer und Schwere der Erkrankung kann eine entsprechend längere Wiedereingliederung im Einzelfall in Betracht kommen.



Hierbei gilt es die Einschätzung der behandelnden Ärztin oder des behandelnden Arztes zu beachten. Ein vorgelegter Wiedereingliederungsplan ist nur auf Grund triftiger Anhaltspunkten abzulehnen, da diese u.U. einer gerichtlichen Überprüfung standhalten muss. Eine Ablehnung aufgrund der Dauer reicht nicht aus. Ohne entsprechende Anhaltspunkte scheidet auch das Hinzuziehen einer Amtsärztin oder eines Amtsarztes aus. Ggf. kann die Einbeziehung der Betriebsärztin oder des Betriebsarztes bei der Abstimmung und bzw. Anpassung des Wiedereingliederungsplans eine Hilfestellung sein (vgl. auch Nr. 4).



Darüber hinaus kann sich jedoch eine zeitliche Grenze aus den Regelungen zur Dienstunfähigkeit und zur begrenzten Dienstfähigkeit ergeben.



Nach § 44 Absatz 1 Satz 2 BBG kann eine Beamtin oder ein Beamter als (dauernd) dienstunfähig angesehen werden, wenn sie oder er infolge Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass sie oder er innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll dienstfähig wird. Im Interesse des Grundsatzes "Rehabilitation vor Versorgung" sollte diese Frist nicht schematisch angewandt werden, wenn das Ziel der Wiedereingliederung weiterhin erreichbar ist.



Begrenzte Dienstfähigkeit liegt vor, wenn von einer dauerhaften Einschränkung des Leistungsvermögens auszugehen ist (während das Hamburger Modell nur von einer vorübergehenden Einschränkung ausgeht und der Beamtin oder dem Beamten gerade die Chance gegeben werden soll, mit verringerter Stundenzahl langsam wieder in den normalen Arbeitsalltag zu finden). Dauert das Hamburger Modell länger als sechs Monate, ohne dass sich der Gesundheitszustand bessert, ist eine (amts-)ärztliche Untersuchung nach § 48 BBG zu veranlassen. Im ärztlichen Gutachten ist auch eine begrenzte Dienstfähigkeit aus medizinischer Sicht zu beurteilen (vgl. Anlage 4 zum Rundschreiben vom 16.07.2021, Az.: D1-30101/5#1). Liegen die Voraussetzungen für die begrenzte Dienstfähigkeit vor, stellt die Dienststelle diese nach § 45 BBG fest. Das Hamburger Modell kann nicht mehr fortgesetzt werden. Ob eine erneute stufenweise Wiedereingliederung in Betracht kommt, ist abhängig von der Dienststelle und von der Prognose der behandelnden Ärztin oder des behandelnden Arztes, ggf. nach (amts-)ärztlicher Untersuchung (§ 48 BBG).



Im Übrigen kann das Hamburger Modell von allen Beteiligten (Ärztin/Arzt, Beamtin/Beamter, Dienstherr) abgebrochen werden. Nimmt die Beamtin oder der Beamte an sieben aufeinanderfolgenden Tagen nicht an der Maßnahme teil, so gilt diese als gescheitert.1 In Ausnahmefällen kann der 7-Tage-Zeitraum überschritten werden, wenn an dem vorgesehenen Wiedereingliederungsplan festgehalten werden kann.



5.2
Arbeitszeit

Während des Hamburger Modells ist die Beamtin oder der Beamte entsprechend der von der behandelnden Ärztin oder vom behandelnden Arzt im Wiedereingliederungsplan festgelegten täglichen Arbeitszeit zur Diensterfüllung verpflichtet. Einzelfallabhängig sollte die Dienststelle mit der Beamtin oder dem Beamten vereinbaren, wann der Dienst geleistet wird. Hierbei sollten erforderliche Arztbesuche oder Therapietermine in den Vormittagsstunden berücksichtigt und der Beamtin oder dem Beamten ein entsprechender späterer Dienstbeginn ermöglicht werden.



5.3
Urlaub und Gleitzeit

Die Beamtin oder der Beamte kann während des Hamburger Modells keinen Erholungsurlaub oder Gleitzeittage in Anspruch nehmen. Das folgt aus dem Umstand, dass während der Wiedereingliederungsmaßnahme weiterhin Dienstunfähigkeit besteht (vgl. Nr. 2). Sollte jedoch für den weiteren Heilungs- und Wiedereingliederungsprozess eine Ruhephase erforderlich sein, so kann das Hamburger Modell auf Grund einer ärztlichen Bescheinigung unterbrochen werden. Auch hier gilt grundsätzlich die 7-Tage-Regelung (vgl. Nr. 5.1).

Zudem kann in Absprache mit der Dienststelle in begründeten Fällen eine kurzzeitige Unterbrechung festgelegt werden, sofern diese der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit nicht entgegensteht.



5.4
Sonderurlaub (Kind krank etc.)

Auch die Inanspruchnahme von Sonderurlaub ist mit einem laufenden Hamburger Modell nicht vereinbar. In Absprache mit der Dienststelle kann jedoch in begründeten Fällen eine kurzzeitige Unterbrechung der Maßnahme festgelegt werden, sofern diese der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit nicht entgegensteht.



5.5
(Weitere) Erkrankung im Hamburger Modell

Bei einer (u.U. auch weiteren) Erkrankung während des Hamburger Modells legt die Beamtin oder der Beamte spätestens am vierten Tag eine ärztliche Bescheinigung über die Unterbrechung des Hamburger Modells und ihre voraussichtliche Dauer vor. Andernfalls bleibt die Beamtin oder der Beamte ohne Genehmigung von der Wiedereingliederung, die an die Stelle des Dienstes tritt, fern. Es kann auch bestimmt werden, dass bereits am ersten Tag eine Bescheinigung vorgelegt werden soll.



Ob das Hamburger Modell abgebrochen werden muss, hängt davon ab, ob absehbar ist, dass die stufenweise Wiedereingliederung noch erfolgreich beendet werden kann (vgl. 7-Tage-Regelung unter Nr. 5.1).



5.6
Beurteilungen

Auch wenn die Beamtin oder der Beamte zu den im Wiedereingliederungsplan ausgewiesenen Zeiten ihren oder seinen Dienstgeschäften nachgeht, lässt sich daraus nicht schließen, dass die Beamtin oder der Beamte für diese Zeit zu beurteilen ist. Der Wiedereingliederungsplan dient dem Schutz der Beamtin oder des Beamten vor Überforderung und damit auch vor einer Beeinträchtigung der Heilbehandlung. Ferner soll ein allmählicher Wiedereinstieg in die Dienstgeschäfte ermöglicht werden. Sinn und Zweck der Wiedereingliederungsmaßnahme machen deutlich, dass die Beamtin oder der Beamte während der Wiedereingliederungsmaßnahme nur beschränkt leistungsfähig ist. Deshalb ist keine sachgerechte Beurteilung möglich.2





5.7
Dienstunfall/Wegeunfall

Die im Wiedereingliederungsplan festgelegte Zeit für die Dienstaufnahme gilt als Dienst. Daher richten sich Ansprüche auf Leistungen der Dienstunfallfürsorge (einschließlich Wegeunfall) insbesondere nach den Regelungen der §§ 30 ff. des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG). Entscheidungen über Unfallfürsorgeleistungen sind grundsätzlich von einer Einzelfallprüfung im Nachhinein abhängig.



5.8
Besonderheiten bei Schwerbehinderung

Für die stufenweise Wiedereingliederung schwerbehinderter und gleichgestellter Beamtinnen und Beamter gelten besondere Regelungen. So sollen nach § 44 SGB IX für arbeitsunfähige Leistungsberechtigte, die nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise ausüben und durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich besser wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden können, die medizinischen und die sie ergänzenden Leistungen entsprechend dieser Zielrichtung erbracht werden.



Notwendig ist auch hier die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung, die einen Wiedereingliederungsplan über alle - aus ärztlicher Sicht zulässigen - Arbeiten enthält sowie eine Prognose darüber, ob und wann mit der vollen oder teilweisen Dienstfähigkeit zu rechnen ist.



5.9
Hamburger Modell und Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

§ 167 Absatz 2 SGB IX verpflichtet den Arbeitgeber/Dienstherrn, Beschäftigten bei einer Erkrankungsdauer von mehr als sechs Wochen im Zeitraum eines Jahres die Durchführung eines BEM anzubieten. Das BEM dient dazu, weiteren Erkrankungen vorzubeugen und die Betroffenen dauerhaft in das Arbeitsleben wiedereinzugliedern. Dabei sind gemeinsam mit den Betroffenen alle Optionen zur Wiedereingliederung in Betracht zu ziehen. Die stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell kann Teil dieser Lösung sein. Das Hamburger Modell kann also im Rahmen des BEM - auch neben weiteren Maßnahmen - zum Einsatz kommen.



Das Hamburger Modell steht jedoch nicht nur im Rahmen eines BEM zur Verfügung. Eine Teilnahme am Hamburger Modell kann auch außerhalb des formalisierten BEM-Verfahrens in Betracht kommen, wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind. Die vorstehenden Hinweise und Regelungen gelten sowohl für eine Teilnahme am Hamburger-Modell im Rahmen des BEM, als auch außerhalb.