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Umsetzung von Artikel 65 Absatz 2 der neuen europäischen Grundnormen des Strahlenschutzes zum Schutz der Umwelt - Empfehlung der Strahlenschutzkommission

Zurück zur Teilliste Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Bekanntmachung einer Empfehlung der Strahlenschutzkommission
(Umsetzung von Artikel 65 Absatz 2 der neuen europäischen
Grundnormen des Strahlenschutzes
zum Schutz der Umwelt) vom 12. Dezember 2013



Vom 25. Februar 2014



Fundstelle: BAnz AT 04.11.2014 B3





Nachfolgend wird die Empfehlung der Strahlenschutzkommission (SSK), verabschiedet in der 267. Sitzung der Kommission am 12. Dezember 2013, bekannt gegeben.



Bonn, den 25. Februar 2014
RS II 2 - 17027/2



Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit



Im Auftrag
Dr. Böttger



Anlage



Umsetzung von Artikel 65 Absatz 2 der neuen europäischen Grundnormen
des Strahlenschutzes zum Schutz der Umwelt
Empfehlung der Strahlenschutzkommission



Verabschiedet in der 267. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 12. Dezember 2013



Inhaltsverzeichnis



1

Einführung und Beratungsauftrag

2

Empfehlungen

3

Wissenschaftliche Begründung

3.1

Wissenschaftliche Grundlagen und Bewertungsmaßstäbe für den Schutz von Tieren und Pflanzen

3.2

Untersuchungsgang und Ergebnisse der Studie „Systematische Untersuchung der Exposition von Flora und Fauna bei Einhaltung der Grenzwerte der StrlSchV für den Menschen“

3.2.1

Allgemeines Konzept der Studie

3.2.2

Referenzorganismen

3.2.3

Rechnerisch zusätzliche Konzentrationen in Umweltmedien durch Ableitungen

3.2.4

Rechnerisch zusätzliche Exposition der Referenzorganismen durch Ableitungen

3.3

Konsequenzen von Anpassungen der Randbedingungen der Studie des Öko-Instituts an die ICRP

3.3.1

Beschränkung auf 12 RAPs nach ICRP

3.3.2

Beschränkung auf 75 Radionuklide nach ICRP

3.3.3

Schlussfolgerungen aus den Studienergebnissen

3.4

Aktivitätshöchstwerte in Ableitungen zur Gewährleistung des Schutzes von Tieren und Pflanzen

3.5

Natürliche Strahlenexposition der RAPs

4

Literatur





1 Einführung und Beratungsauftrag



Die Richtlinie 2013/59/Euratom des Rates zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung und zur Aufhebung der Richtlinien 89/618/Euratom, 90/641/Euratom, 96/29/Euratom, 97/43/Euratom und 2003/122/Euratom (EURATOM-Grundnormen) vom 5. Dezember 2013 (EC 2013) enthält in Artikel 65 Absatz 2 folgende Regelung zum Schutz der Umwelt:



„In addition, these discharge authorisations shall take into account, where appropriate, the results of a generic screening assessment based on internationally recognised scientific guidance, where such an assessment has been required by the Member State, to demonstrate that environmental criteria for long-term human health protection are met.“



In Zusammenhang mit der Umsetzung dieser Regelung hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) die SSK mit Schreiben vom 12. Juli 2013 gebeten zu prüfen, in welchen Fällen die Durchführung eines „generic screening assessment“ angebracht ist. In ihrer Stellungnahme „Zur Umsetzbarkeit der Vorschläge der Europäischen Kommission zu Kapitel IX der neuen europäischen Grundnormen des Strahlenschutzes“, verabschiedet in der 257. Sitzung der SSK am 5./6. Juli 2012 (SSK 2012), war die SSK bereits zu dem Schluss gekommen, dass keine Notwendigkeit gesehen wird, die aufsichtsrechtliche Kontrolle der Kernkraftwerke auf Pflanzen und Tiere auszudehnen. Es wurde jedoch als erforderlich angesehen, zu überprüfen, ob bzw. unter welchen Bedingungen Ableitungen aus anderen kerntechnischen Einrichtungen oder strahlenschutzrechtlich genehmigten Einrichtungen sowie Ableitungen aus Bergbau oder NORM-Industrien zu Situationen führen, die einer Kontrolle bedürfen. Das BMU bat in seinem Schreiben vom 12. Juli 2013 weiterhin um Stellungnahme, wie ein „generic screening assessment based on internationally recognised scientific guidance“ praktisch durchgeführt werden könnte. Dabei sollten die Empfehlungen 108, 114 und 124 der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) zum Schutz der Umwelt (ICRP 2008, 2009, 2014) zugrunde gelegt werden. Außerdem sollten die Ergebnisse der Studie „Systematische Untersuchung der Exposition von Flora und Fauna bei Einhaltung der Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) für den Menschen“ des Öko-Instituts e.V. und des Helmholtz Zentrums München (HMGU) (Öko-Institut 2012) genutzt werden. Insbesondere sollte die SSK untersuchen, inwieweit die Festlegung von Aktivitätshöchstwerten für Ableitungen radioaktiver Stoffe ein gangbarer Weg wäre, die Einhaltung von Umweltkriterien zu gewährleisten.





2 Empfehlungen



Die SSK sieht in der Formulierung des Artikels 65 der EURATOM-Grundnormen vom 5. Dezember 2013, die Einhaltung von Umweltkriterien im Hinblick auf den langfristigen Gesundheitsschutz des Menschen zu demonstrieren, eine Forderung, auch nicht-menschliche Arten vor schädlichen Wirkungen ionisierender Strahlung zu schützen. Von diesem Sachverhalt ausgehend empfiehlt die SSK, zur praktischen Umsetzung die Empfehlung 108 der ICRP (ICRP 2008) zugrunde zu legen.



Konkret empfiehlt die SSK



als Bezug für die Strahlenexposition der belebten Umwelt ausschließlich die in ICRP 2008 aufgeführten 12 Referenztiere und -pflanzen (Reference Animals and Plants, RAPs) als Repräsentanten von Organismengruppen zu verwenden,


die gewichtete Energiedosis als Messgröße für die Strahlenexposition von RAPs zu verwenden. Für die Rechnungen wurden nach Ulanovsky et al. (2008) die Strahlungswichtungsfaktoren 1 für Gammastrahlung und höherenergetische Betastrahlung (E >10 keV), 3 für niederenergetische Betastrahlung (E < 10 keV) und 10 für Alphastrahlung angewendet,


für ein Screening ausschließlich die 75 Radionuklide der (ICRP 2008), die für diese Nuklide in ICRP 2008 aufgeführten Dosiskonversionsfaktoren sowie die für die zugehörigen chemischen Elemente in ICRP 2009 aufgeführten Konzentrationsverhältnisse zu verwenden,


als Maßstab zur Bewertung von Strahlenexpositionen der RAPs die unteren Werte der DCRL-Bereiche (derived consideration reference level) nach (ICRP 2008) zu verwenden und diese im Rahmen eines Screenings im Sinne von Geringfügigkeitsschwellen im Hinblick auf die Wirkung ionisierender Strahlung auf Populationen zu interpretieren.


Die SSK ist der Auffassung, dass ein solches Vorgehen für ein Screening gemäß Artikel 65 Absatz 2 des Entwurfs der EURATOM-Grundnormen vom 5. November 2013 geeignet ist.



Bei Ableitungen von Radionukliden mit der Fortluft und dem Abwasser aus Tätigkeiten ist der Schutz von Tieren und Pflanzen nach Auffassung der SSK gewährleistet, wenn die Dosisgrenzwerte für die Referenzperson eingehalten sind und zum Nachweis der Einhaltung die Allgemeine Verwaltungsvorschrift (AVV) zu § 47 StrlSchV angewendet wurde. Ein Screening im Einzelfall ist für derartige Fälle nicht erforderlich. Auch zusätzliche generische Begrenzungen von Ableitungen oder die Festlegung von Aktivitätshöchstwerten von Radionukliden in Umweltmedien zum Schutz von Tieren und Pflanzen sind nach Auffassung der SSK nicht erforderlich.



Bei durchschnittlicher natürlicher Hintergrundaktivität in Deutschland sind die Strahlenexpositionen der meisten RAPs durch natürliche und ableitungsbedingte Radioaktivität bei Anwendung der AVV zu § 47 StrlSchV geringer als die unteren Werte der DCRL-Bereiche. Es besteht daher nach Auffassung der SSK für diese Fälle kein Handlungsbedarf.



Allerdings bedarf es bei einzelnen RAPs (Referenz-Frosch, Referenz-Plattfisch, Referenz-Ente) einer weitergehenden Klärung der Expositionssituationen durch natürlich vorkommende Radionuklide, da bei im Rahmen der Schwankungsbreite erhöhten Aktivitätskonzentrationen lokal Überschreitungen der Werte der DCRL-Bereiche möglich wären.



Nach Auffassung der SSK sollte im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung von Berechnungsvorschriften für NORM-Industrien und Bergbau eingegrenzt werden, bei welchen Ableitungen in konkreten geplanten Expositionssituationen ein Screening nach den Bewertungsansätzen der ICRP zum Nachweis von akzeptablen Freisetzungen oder Ableitungen zum Schutz von Tieren und Pflanzen beim gegenwärtigen Kenntnisstand erforderlich ist. Auch in diesen Fällen wird, wenn die Strahlenexposition durch natürliche und ableitungsbedingte Radioaktivität geringer ist als die unteren Werte der DCRL-Bereiche, von Seiten der SSK kein Handlungsbedarf gesehen.



Die SSK erwartet, dass sich der Stand von Wissenschaft und Technik bei der Entwicklung von Modellansätzen zum Schutz von Tieren und Pflanzen sowie bei der Festlegung relevanter Parameterwerte weiterentwickeln wird. Auf dem heutigen Stand sieht die SSK die Empfehlungen der (ICRP 2008) als geeignete Grundlage für die Umsetzung im praktischen Strahlenschutz. Die SSK wird die weitere Entwicklung verfolgen und erforderlichenfalls zukünftig Anpassungen an einen fortgeschrittenen Kenntnisstand empfehlen.





3 Wissenschaftliche Begründung



3.1
Wissenschaftliche Grundlagen und Bewertungsmaßstäbe für den Schutz von Tieren und Pflanzen


Im vergangenen Jahrzehnt wurden in wissenschaftlichen Studien unterschiedliche Konzepte zur Ermittlung und Bewertung von Strahlenexpositionen von Tieren und Pflanzen entwickelt.



Auf der Ebene der Europäischen Union wurden die Forschungsvorhaben FASSET (Framework for Assessment of Environmental Impact) und ERICA (Environmental Risk from Ionising Contaminants: Assessment and Management) initiiert, welche die wissenschaftlichen Grundlagen für die Abschätzung und Bewertung von Strahlenexpositionen von Tieren und Pflanzen erarbeiten sollten (Larsson 2004, 2008).



Im Rahmen dieser Forschungsvorhaben wurden Methoden entwickelt, mit denen die Strahlenexposition von Tieren und Pflanzen ermittelt und bewertet werden kann. Alle diese Untersuchungen betrachteten einen begrenzten Satz ausgewählter Referenzorganismen.



In den USA hat sich ein ähnlicher Modellansatz mit RESRAD-BIOTA etabliert (USDOE 2002, 2004). Darüber hinaus gibt es weitere ähnliche Ansätze.



Die Dosisermittlung erfolgt mit stark abstrahierenden Modellen und beinhaltet die Ermittlung von gewichteten Energiedosen. Für die Bewertung dieser Dosen werden entweder einheitliche Dosisraten, beispielsweise von 10 μGy/h als Screening Level (im Sinne einer predicted no-effect concentration, eines PNEC) vorgeschlagen oder für bestimmte Referenzorganismen spezifische Dosisraten für diesen Zweck festgelegt (z.B. DCRL-Bereiche der ICRP).



Ein Vergleich der verschiedenen Modellansätze zeigt signifikante Unterschiede in der Festlegung der zu betrachtenden Referenzorganismen und ihrer Modellparameter. Allerdings ergibt sich ein vergleichbares Gesamtbild sowohl in Hinblick auf die Höhe von Expositionen als auch in Hinblick auf Unterschiede bei verschiedenen Arten. Die Unterschiede im Detail erschweren jedoch die direkte Verwendung der Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse als Basis eines Regelwerks. Aus diesem Grund schlug die ICRP in ihrer Publikation 103 (ICRP 2007) vor, in Analogie zur Verwendung einer Referenzperson im Zusammenhang mit dem Strahlenschutz des Menschen einen begrenzten Satz Referenztiere und -pflanzen (RAPs) zu verwenden, um einen umsetzbaren fachlichen Rahmen für den Schutz der belebten Umwelt in allen Expositionssituationen zur Verfügung zu stellen. Dieser Grundgedanke wurde in der Empfehlung 108 der ICRP (2008) vertiefend ausgearbeitet.



Die von der ICRP eingeführten RAPs sind hypothetische Entitäten, die jeweils bestimmte grundlegende taxonomische Gruppen der belebten Umwelt abbilden. Bei ihrer Festlegung wurden weiterhin folgende Merkmale zugrunde gelegt:



Sind sie typisch für wichtige Ökosysteme?


Ist ihr Lebensraum typisch für bestimmte Umweltbereiche (Land, Oberflächengewässer, Meere)?


Welche Stadien ihres Lebenszyklus sind für die Dosis relevant?


Welche radiobiologischen Daten/Informationen sind verfügbar?


Sind sie für zukünftige Forschungen verfügbar?


Sind sie für andere Bereiche des Umweltschutzes relevant?


Anhand der Strahlenexposition (Dosis) dieser RAPs unter typischen Expositionsbedingungen wird die Wirkung ionisierender Strahlung bzw. die Wirkung einer Kontamination von Umweltmedien mit radioaktiven Stoffen auf die belebte Umwelt gemessen und bewertet. Die RAPs der ICRP sind mit konkreten Artenbezeichnungen belegt und umfassen für die einzelnen Lebensräume:



terrestrische Lebensräume: Referenz-Hirsch, Referenz-Ratte, Referenz-Ente, Referenz-Frosch, Referenz-Regenwurm, Referenz-Biene, Referenz-Gras, Referenz-Nadelbaum,


limnische Lebensräume: Referenz-Ente, Referenz-Frosch, Referenz-Forelle,


marine Lebensräume: Referenz-Plattfisch, Referenz-Krebs und Referenz-Braunalge.


Der Referenz-Hirsch dient nach ICRP als Vertreter aller großen terrestrischen Säugetiere, die Referenz-Ratte als Vertreter aller kleinen terrestrischen Säugetiere, die sich auch innerhalb des Bodens aufhalten. Tiere, die für Strahlenschutzzwecke durch diese beiden Referenztiere vertreten werden, sind praktisch weltweit verbreitet. Mit ihrer Klassifizierung als Referenztiere sollen auch alle anderen terrestrischen Säugetierarten, auch solche mit besonderem Schutzstatus des Naturschutzrechts, berücksichtigt sein. Die SSK empfiehlt, als Bezug für die Strahlenexposition der belebten Umwelt ausschließlich die in (ICRP 2008) aufgeführten 12 Referenztiere und -pflanzen zu verwenden und sie mit den in Tabelle 1 genannten Begriffen zu bezeichnen.



Tab.1: RAPs nach (ICRP 2008) und repräsentierte Gruppen von Organismen



Name nach ICRP

Bezeichnung der repräsentierten Organismengruppen

Referenz-Hirsch

große (pflanzenfressende) Landsäugetiere

Referenz-Ratte

kleine (allesfressende) Landsäugetiere, teils auch im Boden lebend

Referenz-Ente

Wasservögel, auf Land und Wasser lebend

Referenz-Frosch

Amphibien, auf Land und im Wasser lebend

Referenz-Erdwurm

erdbewohnende Würmer

Referenz-Biene

Insekten

Referenz-Forelle

Süßwasserfische

Referenz-Plattfisch

am Sediment lebende Meeresfische

Referenz-Krebs

höhere Krebse

Referenz-Braunalge

große Meeresalgen

Referenz-Nadelbaum

Bäume

Referenz-Wildgras

Gräser



Als Maß für die Strahlenexposition der RAPs dient die sogenannte gewichtete Energiedosis, die aus der mit Strahlungswichtungsfaktoren multiplizierten Energiedosis resultiert. Als Zahlenwerte für die Strahlungswichtungsfaktoren werden 10 für Alphastrahlung, 3 für niederenergetische Betastrahlung (E < 10 keV) sowie 1 für höherenergetische Betastrahlung (E > 10 keV) und Gammastrahlung diskutiert (Ulanovsky et al. 2008). Die ICRP hat in (ICRP 2008) keine konkreten Strahlungswichtungsfaktoren empfohlen, sondern für die Berechnung von Energiedosen Dosiskonversionsfaktoren einschließlich ihrer Aufteilung auf die vorangehend genannten drei Strahlungsarten angegeben. Auf diese Weise können die Dosiskonversionsfaktoren mit verschiedenen Strahlungswichtungsfaktoren verwendet werden. Die SSK empfiehlt auf dem heutigen Kenntnisstand die Anwendung der Strahlungswichtungsfaktoren von 1 für Gammastrahlung und höherenergetische Betastrahlung (E >10 keV), 3 für niederenergetische Betastrahlung (E < 10 keV) und 10 für Alphastrahlung anzuwenden.



Mit der gewichteten Energiedosis wird Radioaktivität in ihrer Wirkung auf Tiere und Pflanzen als Noxe mit populationsrelevanten Wirkendpunkten modelliert. Dies erfolgt vor dem Hintergrund, dass der Schutz von Tieren und Pflanzen nicht Individuen dient, sondern den Erhalt von Populationen gewährleisten soll.



Als Maßstab zur Bewertung von Strahlenexpositionen der RAPs gibt die ICRP in (ICRP 2014) Bereiche von „abgeleiteten Geringfügigkeitsschwellen“ (derived consideration reference level, DCRL) an. Diese Bereiche umfassen jeweils eine Größenordnung. Der untere Wert der Bereiche beträgt je nach RAP 0,1 mGy/d, 1 mGy/d oder 10 mGy/d. Die SSK empfiehlt, diese unteren Werte des DCRL-Bereichs nach (ICRP 2008) im Sinne von Geringfügigkeitsschwellen im Hinblick auf die Wirkung ionisierender Strahlung im Rahmen eines Screenings zu verwenden. Werden diese Werte bei einem Screening-Bewertungsverfahren unterschritten, so kann davon ausgegangen werden, dass Tiere und Pflanzen vor ionisierender Strahlung hinreichend geschützt sind und keine weiteren Detailbetrachtungen erforderlich sind.



In den einzelnen Modellansätzen werden unterschiedliche Radionuklide betrachtet. In (ICRP 2008) werden 75 Radionuklide zur Berücksichtigung empfohlen, in anderen Ansätzen auch eine geringere oder größere Anzahl. Die verfügbaren Konzentrationsverhältnisse zur Umrechnung von Konzentrationen radioaktiver Stoffe in den Umweltmedien Luft, Boden und Wasser in Energiedosisraten der RAPs setzten Gleichgewichtsverhältnisse voraus, die bei einer Ableitung sehr kurzlebiger Radionuklide nicht zu erwarten sind. Die SSK sieht das von der ICRP empfohlene Spektrum von 75 Radionukliden zum Screening des Schutzes von Tieren und Pflanzen als ausreichend an. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Studie (Öko-Institut 2012) empfiehlt die SSK, die 75 Radionuklide der (ICRP 2008), die für diese Nuklide in (ICRP 2008) aufgeführten Dosiskonversionsfaktoren sowie die für die zugehörigen chemischen Elemente in (ICRP 2009) aufgeführten Konzentrationsverhältnisse dem Screening zugrunde zu legen.



Die SSK erwartet, dass sich der Stand von Wissenschaft und Technik bei der Entwicklung von Modellansätzen zum Schutz von Tieren und Pflanzen sowie bei der Festlegung relevanter Parameterwerte weiterentwickeln wird. Auf dem heutigen Stand sieht die SSK die Empfehlungen der ICRP (ICRP 2008, 2009, 2014) als geeignete Grundlage für die Umsetzung im praktischen Strahlenschutz. Die SSK wird die weitere Entwicklung verfolgen und erforderlichenfalls zukünftig Anpassungen an einen fortgeschrittenen Kenntnisstand empfehlen.





3.2 Untersuchungsgang und Ergebnisse der Studie „Systematische Untersuchung der Exposition von Flora und Fauna bei Einhaltung der Grenzwerte der StrlSchV für den Menschen“



3.2.1 Allgemeines Konzept der Studie



Im Beratungsauftrag wurde die SSK gebeten, für ihre Bewertung die Ergebnisse der Studie „Systematische Untersuchung der Exposition von Flora und Fauna bei Einhaltung der Grenzwerte der StrlSchV für den Menschen“ (Öko-Institut 2012) zu nutzen.



Da die StrlSchV (BMU 2012a) Grenzwerte für die Dosis von Einzelpersonen der Bevölkerung durch die Ableitung radioaktiver Stoffe mit Luft oder Wasser festlegt, aber keine speziellen Schutzstandards für die Umwelt, sollte im Rahmen der Studie (Öko-Institut 2012) überprüft werden, ob durch die Anwendung der AVV zu § 47 StrlSchV (BMU 2012b) zum Nachweis der Einhaltung der Dosisgrenzwerte für Einzelpersonen der Bevölkerung auch Tiere und Pflanzen bereits angemessen geschützt sind.



Bei dieser Überprüfung waren die folgenden Randbedingungen vorgegeben:



Berücksichtigung aller 750 Radionuklide der Anlage VII Teil D StrlSchV,


Berücksichtigung von Referenzorganismen, die von der ICRP (2008) sowie in den Forschungsvorhaben FASSET (Larsson 2004) und ERICA (Larsson 2008) betrachtet wurden und im Lebensraum Deutschland heimisch sind,


Verwendung des im ERICA-Projekt abgeleiteten Werts von 10 μGy/h als generisches Kriterium des angemessenen Schutzes.


Die „Aktivitätskonzentrationen aus Strahlenschutzbereichen“ der Anlage VII Teil D StrlSchV sind für Luft und Wasser festgelegt worden. Bei Anlagen oder Einrichtungen, die keiner Genehmigung nach den §§ 6, 7 oder 9 des Atomgesetzes (AtG) und keines Planfeststellungsbeschlusses nach § 9b AtG bedürfen, kann die zuständige Behörde gemäß § 47 Absatz 4 StrlSchV von der Festlegung von Aktivitätsmengen und Aktivitätskonzentrationen absehen und den Nachweis der Einhaltung der Dosisgrenzwerte für Personen der Bevölkerung als erbracht ansehen, wenn diese Konzentrationswerte im Jahresdurchschnitt nicht überschritten werden. Die Herleitung dieser Konzentrationswerte wurde von der SSK (2002) dokumentiert.



3.2.2 Referenzorganismen



Die Auswahl relevanter Referenzorganismen führte in der Studie des Öko-Instituts (2012) zu folgendem Ergebnis:



terrestrische Referenzorganismen: Hirsch, Ratte, Ente, Entenei, Regenwurm, Assel/Laus, Schnecke, Amphibie, Reptil, Hummel/Biene, Flechte/Moos, Wildgras, Strauch, Baum,


limnische Referenzorganismen: Bisamratte, Wasservogel, Amphibie, benthischer Fisch, Forelle, Schnecke, Muschel, Krebs, Libellenlarve, Gefäßpflanze, Phytoplankton, Zooplankton,


marine Referenzorganismen: Schweinswal, Meeresschildkröte, Seevogel, Scholle, pelagischer Fisch, Krebs, Schnecke, Seeanemone, Wattwurm, Gefäßpflanze, Makroalge, Phytoplankton, Zooplankton.


Dieser Satz von Referenzorganismen ist deutlich größer als der der ICRP 2008.



In Abbildung 1 ist die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Ermittlung der rechnerisch zusätzlichen Exposition der Referenzorganismen durch Ableitungen dargestellt. Dabei werden für die einzelnen Referenzorganismen Dosiskonversionskoeffizienten (Dose conversion coefficient, DCC) bestimmt, die die Exposition in Abhängigkeit von Kontaminationen von Luft, Boden und Wasser beschreiben. Anhand der Vorgaben der AVV zu § 47 StrlSchV wird ermittelt, welche Kontaminationen von Luft, Boden und Wasser möglich sind, wenn die Dosisgrenzwerte für den Menschen noch eingehalten werden. Aus der Verbindung dieser beiden Größen ergibt sich die rechnerisch zusätzliche Exposition der Referenzorganismen durch Ableitungen.





Abb. 1: Grundsätzliche Vorgehensweise bei der Ermittlung der rechnerisch zusätzlichen Exposition der Referenzorganismen durch Ableitungen



In der Studie des Öko-Instituts (2012) wurden normierte DCCs für die Referenzorganismen abgeleitet. Diese normierten DCCs beziehen sich auf eine längerfristig in der Umwelt (Boden, Wasser und Luft) vorhandene Konzentration eines Radionuklids, einschließlich gegebenenfalls entstehender Tochternuklide.



Es wurden DCCs abgeleitet, die die externe Exposition einschließlich der Submersion und die interne Exposition (soweit für die einzelnen Elemente international Datensätze zur Verfügung standen) umfassten. Für die untersuchten terrestrischen Säugetiere wurde ein Modell entwickelt, mit dem auch die Dosis durch Inhalation abgeschätzt werden konnte. Die DCCs der Studie des Öko-Instituts (2012) sind als beste Schätzer zu verstehen, die entsprechend dem damaligen Stand der Wissenschaft abgeleitet wurden.



Für Alphastrahlung wurde ein Strahlungswichtungsfaktor von 10, für niederenergetische Betastrahlung ein Strahlungswichtungsfaktor von 3 und für hochenergetische Betastrahlung sowie Gammastrahlung ein Strahlungswichtungsfaktor von 1 angesetzt.



3.2.3 Rechnerisch zusätzliche Konzentrationen in Umweltmedien durch Ableitungen



Für alle 750 Radionuklide der Anlage VII der StrlSchV wurde die rechnerisch zusätzliche Konzentration in Boden, Luft und Wasser durch Ableitungen bestimmt, wenn die Dosisgrenzwerte für die höchstexponierte Referenzperson und das relativ zum Grenzwert höchstexponierte Organ eingehalten sind.



Die Expositionsszenarien im Hinblick auf die Referenzpersonen wurden so ausgewählt, dass sie als typische Szenarien angesehen werden können, wie sie zur Herleitung generischer Werte (z.B. Werte der maximal zulässigen Aktivitätskonzentration aus Strahlenschutzbereichen nach Anlage VII Teil D StrlSchV) üblich sind. Hinsichtlich von Ableitungen mit der Fortluft wurde das ungünstigere Ergebnis von zwei Szenarien mit unterschiedlicher Freisetzungshöhe (20 m und 200 m) verwendet. Für diese Szenarien wurden plausible Langzeitausbreitungsfaktoren, Langzeitfalloutfaktoren und Langzeitwashoutfaktoren verwendet. In der AVV zu § 47 StrlSchV fehlende Transferfaktoren einzelner chemischer Elemente (Ti, Fr, Es, Fm, Md) wurden, ausgehend von der chemischen Ähnlichkeit zu anderen Elementen, ergänzt.



Aus den maximal bei Gewährleistung des Schutzes des Menschen zulässigen Ableitungen von Radionukliden mit der Abluft wurden die dann möglichen Konzentrationen in der Luft (bodennah und in Freisetzungshöhe) ermittelt. Hinsichtlich der Ablagerung auf dem Boden wurde von einem über 50 Jahre anhaltenden Eintrag ausgegangen und die Kontamination im 50sten Jahr als Grundlage der Ermittlung der Strahlenexposition der Referenzorganismen herangezogen.



Hinsichtlich der Einleitung in ein Fließgewässer wurde ermittelt, welche Höchstkonzentration eines Radionuklids in diesem Gewässer enthalten sein darf, wenn bei Anwendung der AVV zu § 47 StrlSchV die Dosisgrenzwerte für die Referenzpersonen eingehalten werden sollen. Die so ermittelten Höchstkonzentrationen sind unabhängig von einem konkreten Vorfluter. Bei der Einleitung in ein Fließgewässer ist hinsichtlich der Sedimentation zwischen dem Nahbereich (Anlagerungszeit an Schwebstoffe ≤ 10 Stunden) und dem Fernbereich (Anlagerungszeit an Schwebstoffe > 5 Tage) zu unterscheiden. Für die Ermittlung der Strahlenexposition des Menschen wurde der Fall ausgewählt, der zur geringeren Exposition führt, um im Sinne der Aufgabenstellung konservativ zu sein. Zur Abdeckung aller Radionuklide der Anlage VII Tabelle 4 StrlSchV waren Konzentrationsfaktoren für Fischfleisch, Halbwertszeiten für die Anlagerung an Schwebstoffe und Übergangskonstanten von Wasser in Sediment zu ergänzen. Die Zuordnung erfolgt entsprechend der Ähnlichkeit chemischen Verhaltens. Für Süßwasserfisch wurden darüber hinaus ergänzende Daten aus der internationalen Fachliteratur herangezogen.



Da in Deutschland keine kerntechnischen Anlagen radioaktive Abwässer direkt ins Meer einleiten, gibt es in der AVV zu § 47 StrlSchV keine Modellierung für eine solche Situation. Eine Einleitung ins Meer über ein Fließgewässer kann als abgedeckt durch die Untersuchungen zu Fließgewässern angesehen werden. Es wurde daher der Fall einer direkten Einleitung in einen marinen Lebensraum betrachtet. Bei der Auswahl der Parameterwerte wurde auf internationale Literatur zurückgegriffen, und erforderlichenfalls wurden Ergänzungen aufgrund chemischer Ähnlichkeit vorgenommen. Die verwendeten Verzehrraten mariner Nahrungsmittel für die Referenzpersonen nach Strahlenschutzverordnung wurden so angesetzt, dass sie der Philosophie der AVV zu § 47 StrlSchV entsprechen. Berücksichtigt wurde der Verzehr mariner Lebensmittel (Fisch, Krebstiere, Weichtiere und Algen) sowie der Aufenthalt auf Strandflächen.



3.2.4 Rechnerisch zusätzliche Exposition der Referenzorganismen durch Ableitungen



Für Ableitungen radioaktiver Stoffe mit der Fortluft zeigten die Ergebnisse, dass für alle Radionuklide und alle Referenzorganismen eine Dosisrate von 10 μGy/h unterschritten wird, wenn der Schutz des Menschen entsprechend den Anforderungen der Strahlenschutzverordnung in Verbindung mit der AVV zu § 47 StrlSchV gewährleistet ist.



Wird von der in einem Gewässer möglichen Konzentration radioaktiver Stoffe ausgegangen, bei der der Schutz des Menschen noch gewährleistet wäre, so ergeben sich bei Einleitungen in Fließgewässer und marine Gewässer bei vielen Radionukliden Überschreitungen der Referenzdosisrate von 10 μGy/h. Dabei handelt es sich weitgehend um sehr kurzlebige Radionuklide mit Halbwertszeiten im Bereich von Minuten und Stunden. Außerdem sind sämtliche dieser Radionuklide von keiner praktischen Bedeutung in der Kerntechnik, der Isotopenanwendung und der Forschung. Bei kurzlebigen Radionukliden wäre darüber hinaus nach Stand von Wissenschaft und Technik eine Rückhaltung durch Abklingen statt einer Ableitung in ein Gewässer erforderlich.



Es wurden in der Studie des Öko-Instituts (2012) daher zusätzliche Bedingungen eingeführt, um realistischere Ableitungsszenarien in Gewässer zu beschreiben. Da nicht der Schutz eines Individuums beim Schutz von Tieren und Pflanzen im Vordergrund steht, muss zur möglichen Schädigung ein gewisses Wasservolumen kontaminiert sein. Auf dieser Basis ergibt sich eine Gesamtaktivität, die kontinuierlich in diesem Wasserkörper vorhanden sein muss. Um eine gleichbleibende Konzentration eines Radionuklids in einem definierten Wasserkörper aufrechtzuerhalten, muss der radioaktive Zerfall durch kontinuierliche Ableitungen kompensiert werden. Hieraus lässt sich eine notwendige jährliche Ableitung ermitteln. Neben dem radioaktiven Zerfall kommt es auch zu einem Verlust an Radionukliden durch Wasseraustausch im zu betrachtenden Wasserkörper. Auch dieser Verlust muss durch kontinuierliche Ableitungen kompensiert werden. Insgesamt ergibt sich so eine notwendige jährliche Ableitung in ein Gewässer, die auf eine in der Praxis maximal übliche Gesamtaktivität begrenzt werden kann.



Der zu betrachtende Lebensraum wurde bei einem Fließgewässer zu 5 000 m³ (z.B. 1 m Tiefe, 10 m Breite, 500 m Länge) angesetzt. Es wurde von einer Fließgeschwindigkeit von 0,1 m/s ausgegangen, einem für Flüsse konservativen Wert. Beim Meer wurde ein Wasserkörper von 10+7 m³ (z.B. 10 m Tiefe, 1 Mio. m² Fläche) als Lebensraum zugrunde gelegt, wobei 1 % des Wassers pro Tag ausgetauscht werden sollte. Mit diesen zusätzlichen Annahmen ergaben sich bei Fließgewässern keine Überschreitungen des Dosiskriteriums von 10 μGy/h mehr, wenn die jährlich abgeleitete Aktivität eines Radionuklids kleiner ist als die maximalen jährlichen Ableitungen aus deutschen Kernkraftwerken in Fließgewässer.



Ähnliche Überlegungen führten auch hinsichtlich von Einleitungen in ein marines Gewässer zum Ergebnis, dass bei Einhaltung der gegenwärtig gültigen Vorschriften – insbesondere im Hinblick auf die Rückhaltung sehr kurzlebiger Radionuklide durch Abklinglagerung – keine Überschreitungen des Dosiskriteriums von 10 μGy/h zu erwarten sind.



In der Studie des Öko-Instituts (2012) wurde aber einschränkend festgestellt: Nicht abgedeckt sind mit dieser Betrachtung Populationen von Lebewesen, die nur ein kleineres Wasservolumen besiedeln würden, beispielsweise Schnecken oder Muscheln ohne besonderes Wanderverhalten. Für diese kann eine Schädigung nicht grundsätzlich aufgrund der Anforderungen zum Schutz des Menschen ausgeschlossen werden. Die Frage, ob ein ausreichender Schutz besteht, kann dann nur im Einzelfall bezogen auf einen konkreten Aktivitätseintrag, eine konkrete Ausbreitungssituation und eine konkrete Spezies beurteilt werden. Hierbei wäre dann auch zu berücksichtigen, dass die Referenzdosisrate von 10 μGy/h für die meisten Referenzorganismen sehr konservativ angesetzt ist.





3.3 Konsequenzen von Anpassungen der Randbedingungen der Studie des Öko-Instituts an die ICRP



Es wurde von der SSK geprüft, welche Konsequenzen sich für die Ergebnisse der Studie des Öko-Instituts (2012) ergeben, wenn die Auswahl von Radionukliden, die Auswahl von Referenzorganismen, das Dosiskriterium, die Dosiskonversionsfaktoren sowie die Konzentrationsverhältnisse entsprechend den Empfehlungen 108, 114 und 124 der ICRP (ICRP 2008, 2009, 2014) Anwendung finden würden.



3.3.1 Beschränkung auf 12 RAPs nach ICRP



In der Studie (Öko-Institut 2012) wurde ein breiteres Spektrum von Referenzorganismen betrachtet als es durch die RAPs nach ICRP vorgegeben wird. Es gibt dabei Referenzorganismen mit deutlich höherer Exposition als die der RAPs, im limnischen Lebensraum beispielsweise Bisamratte, Schnecke sowie Phytoplankton. Bei aquatischen Lebensräumen ist es möglich, dass bei Einhaltung der Anforderungen zum Schutz des Menschen vor ionisierender Strahlung nicht bei allen möglichen – über die der ICRP 2008 hinausgehenden – Referenzorganismen die Unterschreitung des unteren Wertes des DCRL-Bereichs gegeben ist. Allerdings wird die Exposition auch solcher Referenzorganismen (und gegebenenfalls anderer Organismen in den aquatischen Lebensräumen) bei Unterschreitung des unteren Wertes des DCRL-Bereichs für RAPs nach ICRP begrenzt. Der Schutz von Organismen vor ionisierender Strahlung wird dadurch im Vergleich zum bisherigen Konzept, das nur die Begrenzung der Strahlenexposition des Menschen beinhaltete, verbessert. In Anbetracht der Unsicherheiten bei der Bewertung von ionisierender Strahlung als relevanter Stressor in Ökosystemen auch bis in den Bereich der oberen Werte des DCRL-Bereichs hinein, sieht die SSK diese Verbesserung beim derzeitigen Kenntnisstand als ausreichend an.



Der Kenntnisstand bezüglich der möglichen Strahlenexposition von speziellen Arten ist bislang sehr beschränkt, insbesondere im Hinblick auf die innere Strahlenexposition und die Konzentrationsverhältnisse von (modelliertem) Gewebe der RAPs zu denen der Umweltmedien Wasser, Boden und Luft. Die SSK sieht zur Zeit keinen Anlass, zusätzliche generische Anforderungen zum Schutz von Tieren und Pflanzen zu empfehlen, die weitere Referenzorganismen gegenüber der (ICRP 2008) umfassen würden. Die SSK wird die weitere Entwicklung auf diesem Gebiet verfolgen, um erforderlichenfalls entsprechende Empfehlungen zu geben.



3.3.2 Beschränkung auf 75 Radionuklide nach ICRP



Da K-40 zu den Radionukliden der Empfehlung ICRP 2008 zählt, in der Anlage VII Teil D StrlSchV aber nicht enthalten ist, wurden für dieses Radionuklid in (Öko-Institut 2012) keine Berechnungen rechnerisch zusätzlicher Konzentrationen in Umweltmedien vorgenommen. Die entsprechenden Werte wurden daher durch die SSK analog zusätzlich berechnet. Es sei darauf hingewiesen, dass die Dosiskonversionsfaktoren der ICRP nur die äußere Exposition durch K-40 beinhalten, da allgemein von einem Sättigungszustand durch natürliches Kalium in Lebewesen ausgegangen wird.



Bei Lebewesen, die sich sowohl in terrestrischen als auch limnischen Lebensräumen aufhalten, wurde die jeweilige Aufenthaltszeit zu 70 % terrestrisch und 30 % limnisch bei der Referenz-Ente sowie zu 80 % terrestrisch und 20 % limnisch beim Referenz-Frosch angesetzt. Bei der Referenz-Ratte wurde konservativ vom dauernden Aufenthalt im Boden ausgegangen.



Bei RAPs in terrestrischen und marinen Lebensräumen treten für die 75 Radionuklide der (ICRP 2008) keine Überschreitungen der unteren Werte des DCRL-Bereichs auf. Für die RAPs in limnischen Lebensräumen gilt dies überwiegend, für die RAPs in marinen Lebensräumen wird der untere Wert der DCRL-Bereiche stets unterschritten. Überschreitungen der unteren Werte der DCRL-Wertebereiche – bei Unterschreitungen der oberen Werte der DCRL-Bereiche – ergeben sich beim Nuklid P-33 für die Referenz-Forelle sowie bei den Nukliden Th-227 und Th-231 für die Referenz-Ente. Damit ist für diese Fälle die Geringfügigkeit nicht sicher nachgewiesen. Für ein Screening wird dies aber von der SSK als ausreichend angesehen, keine zusätzlichen generischen Anforderungen des Strahlenschutzes von Tieren und Pflanzen zu implementieren.



3.3.3 Schlussfolgerungen aus den Studienergebnissen



Unter üblichen Expositionsbedingungen mit nur sehr kleinräumig auftretenden erhöhten Radionuklidkonzentrationen in Umweltmedien besteht nach Auffassung der SSK kein Handlungsbedarf. Nur in besonderen Fällen kann es auch aus Sicht der SSK sinnvoll sein, eine Abschätzung von Expositionen auf der Grundlage des Konzepts der ICRP im Einzelfall vorzunehmen, beispielsweise, wenn diese Population nur einen kleinen Lebensraum besiedelt, der durch Ableitungen aus Tätigkeiten, durch Bergbau oder Ableitungen aus NORM-Industrien kontaminiert wird.





3.4 Aktivitätshöchstwerte in Ableitungen zur Gewährleistung des Schutzes von Tieren und Pflanzen



In der Studie des Öko-Instituts (2012) werden die rechnerisch zusätzlichen Expositionen von Referenzorganismen ausgehend von den unter Einhaltung der Dosisgrenzwerte für die Referenzpersonen und bei Anwendung der AVV zu § 47 StrlSchV rechnerisch zusätzlichen Kontaminationen von Luft, Boden und Wasser ermittelt. Aus der Definition von Lebensräumen sowie Fließgeschwindigkeiten bzw. Wasseraustauschraten lässt sich errechnen, welche jährliche Ableitung von Radionukliden unter dem Aspekt des Schutzes von Tieren und Pflanzen akzeptierbar ist (Unterschreitung der unteren Werte der DCRL-Bereiche).



Die SSK hat eine analoge Berechnung durchgeführt, bei der aber nur die Radionuklide und RAPs der (ICRP 2008) einbezogen sowie die Dosiskonversionsfaktoren der (ICRP 2008) und die Konzentrationsverhältnisse der (ICRP 2009) angesetzt wurden. Die Beurteilung der Strahlenexposition erfolgte anhand der DCRL-Bereiche der ICRP. Daraus ergeben sich die in Tabelle 2 aufgeführten jährlichen Ableitungen mit der Fortluft, in Fließgewässer und in das Meer, die zum Schutz von Tieren und Pflanzen akzeptierbar wären. Diesen Ableitungen liegt beim Luftpfad das Ausbreitungsmodell der AVV zu § 47 StrlSchV mit dem Modellansatz der Studie des Öko-Instituts (2012) zugrunde, mit dem aus einer jährlichen Ableitung die Konzentration in den Umweltmedien Luft und Wasser ermittelt wird. Bei den aquatischen Lebensräumen wird analog zum Modellansatz der Studie des Öko-Instituts (2012) ermittelt, welche jährliche Einleitung erforderlich wäre, um eine Konzentration eines Radionuklids, die zum Erreichen der unteren Werte der DCRL-Bereiche führt, in einem Wasserkörper eines bestimmten Volumens aufrechtzuerhalten. Allerdings ergibt sich mit dem Modellansatz der Studie des Öko-Instituts (2012), dass Ableitungen bei Anwendung der AVV zu § 47 StrlSchV (bzw. einer vergleichbar konservativen Vorgehensweise bei einer direkten Einleitung ins Meer) bereits zu einer Begrenzung auf solche Werte führen.



Für die einzelnen Nuklide unterscheiden sich die als akzeptierbar zu bewertenden Ableitungen um Größenordnungen. In den Fällen, in denen die Begrenzung der Ableitungen auf der Einhaltung der Dosisgrenzwerte für den Menschen unter Anwendung der AVV zu § 47 beruht, werden sie bei gegenwärtigen Ableitungen sicher eingehalten bzw. unterschritten. Die Einführung zusätzlicher Begrenzungen von Ableitungen zum Schutz von Tieren und Pflanzen (Aktivitätshöchstwerte) ist daher nach Auffassung der SSK derzeit nicht erforderlich.



Tab. 2: Jahresableitungen aus kerntechnischen Anlagen und Einrichtungen, bei denen die unteren Werte der DCRL-Bereiche der ICRP der RAPs unterschritten werden



Nuklid

mit Fortluft
in Bq

in Fließ-
gewässer
in Bq

ins Meer
in Bq

Nuklid

mit Fortluft
in Bq

in Fließ-
gewässer
in Bq

ins Meer
in Bq

H-3

1,5E+16

5,3E+16

1,9E+17

Cs-134

4,0E+12

3,8E+12

3,1E+14

C-14

5,0E+14

1,1E+12

4,4E+12

Cs-135

4,4E+12

2,0E+13

1,5E+15

P-32

3,6E+13

2,3E+11

1,7E+15

Cs-136

1,7E+14

3,4E+12

1,6E+15

P-33

3,1E+14

4,0E+10

2,0E+12

Cs-137

7,6E+11

4,2E+12

3,2E+14

S-35

4,2E+15

1,9E+13

3,9E+16

Ba-140

2,0E+14

1,5E+12

1,2E+13

Cl-36

2,5E+11

3,4E+13

1,3E+16

La-140

3,2E+15

4,1E+12

4,0E+13

K-40

3,6E+12

9,7E+16

8,8E+16

Ce-141

4,2E+15

6,6E+12

5,1E+13

Ca-45

9,1E+13

2,4E+13

1,2E+16

Ce-144

5,5E+14

9,8E+11

4,0E+12

Cr-51

8,6E+15

8,8E+14

1,9E+15

Eu-152

1,4E+12

5,0E+13

4,2E+12

Mn-54

2,6E+13

6,5E+12

8,4E+12

Eu-154

1,9E+12

3,1E+13

2,6E+12

Co-57

2,9E+14

2,3E+13

9,3E+13

Eu-155

1,3E+14

1,9E+14

1,4E+13

Co-58

9,6E+13

8,5E+12

7,0E+13

Ir-192

1,2E+14

1,0E+14

2,2E+13

Co-60

1,4E+12

3,7E+12

1,6E+13

Pb-210

3,9E+13

5,6E+13

1,8E+12

Ni-59

1,4E+14

5,0E+13

8,3E+13

Po-210

2,1E+13

9,6E+10

6,3E+09

Ni-63

6,4E+13

3,7E+13

6,1E+13

Ra-226

4,0E+10

8,5E+09

1,7E+11

Zn-65

4,9E+13

6,6E+11

1,4E+12

Ra-228

3,5E+12

3,1E+12

7,1E+13

Se-75

1,2E+14

4,5E+12

6,3E+12

Th-227

2,8E+15

4,6E+09

8,8E+10

Se-79

7,6E+12

6,8E+12

4,6E+12

Th-228

2,8E+12

8,4E+08

3,8E+09

Sr-89

9,7E+13

3,3E+11

3,2E+14

Th-229

1,0E+12

5,6E+09

2,2E+10

Sr-90

3,4E+11

1,7E+11

7,7E+13

Th-230

1,1E+12

5,8E+09

2,3E+10

Zr-95

1,5E+14

2,8E+12

6,6E+13

Th-231

1,8E+18

1,4E+12

3,6E+14

Nb-94

3,3E+11

8,5E+12

1,5E+14

Th-232

1,3E+12

6,7E+09

2,8E+10

Nb-95

2,5E+14

2,1E+13

1,3E+15

Th-234

1,3E+16

3,1E+11

6,7E+12

Tc-99

1,3E+13

1,9E+14

7,0E+11

Pa-231

2,2E+11

6,1E+10

5,3E+11

Ru-103

3,6E+14

1,8E+14

1,9E+14

U-233

1,8E+11

1,2E+12

1,9E+12

Ru-106

3,0E+13

2,7E+13

1,2E+13

U-234

1,9E+11

1,2E+12

1,9E+12

Ag-110m

9,6E+12

1,6E+13

4,2E+11

U-235

2,0E+11

1,3E+12

2,1E+12

Cd-109

1,6E+13

5,2E+12

2,2E+12

U-238

2,1E+11

1,4E+12

2,2E+12

Sb-124

2,1E+13

5,4E+11

1,1E+13

Np-237

2,4E+11

6,4E+10

1,0E+12

Sb-125

4,8E+12

1,9E+12

1,6E+13

Pu-238

2,5E+11

5,5E+10

2,0E+10

Te-129m

9,6E+14

1,7E+12

1,6E+12

Pu-239

2,2E+11

5,9E+10

2,1E+10

Te-132

9,2E+14

1,2E+12

1,0E+13

Pu-240

2,2E+11

5,8E+10

2,1E+10

I-125

1,4E+16

5,4E+13

8,7E+13

Pu-241

2,1E+15

2,2E+14

8,0E+13

I-129

5,4E+13

3,6E+13

2,2E+13

Am-241

4,6E+11

5,1E+10

2,5E+11

I-131

8,1E+15

1,4E+13

9,3E+13

Cm-242

3,1E+13

4,6E+10

7,3E+09

I-132

1,2E+16

7,9E+12

3,1E+15

Cm-243

7,1E+11

4,8E+10

5,4E+09

I-133

2,9E+16

7,6E+12

4,2E+14

Cm-244

9,5E+11

4,9E+10

5,5E+09





Cf-252

1,5E+11

5,0E+10

2,5E+11





3.5 Natürliche Strahlenexposition der RAPs



Die in der Natur vorkommenden Radionuklide führen bei allen Lebewesen zu einer internen und externen Strahlenexposition. Diese Exposition liegt für die meisten terrestrischen Tiere und Pflanzen unter 1 μGy/h. Die höchsten Expositionen ergaben sich bei den durchgeführten rechnerischen Abschätzungen für Flechten und Moose, die bereits bei natürlichen Radionuklidkonzentrationen in der Umwelt mehr als 10 μGy/h betragen können.



Die Dosiskonversionsfaktoren nach ICRP 2008 beinhalten solche Tochternuklide, deren Halbwertszeit ≤ 10 Tage ist und bei denen sich ein Gleichgewicht einstellen kann. Um Dosiskonversionsfaktoren für die vollständigen natürlichen Zerfallsreihen zu erhalten, muss daher die Summe mehrerer Dosiskonversionsfaktoren gebildet werden:



Summe der Dosiskonversionsfaktoren von Th-232, Ra-228 und Th-228 für die Th-232-Reihe,


Summe der Dosiskonversionsfaktoren von U-235, Pa-231 und Th-227 für die U-235-Reihe,


Summe der Dosiskonversionsfaktoren von U-238, Th-234, U-234, Th-230, Ra-226, Pb-210 und Po-210 für die U-238-Reihe.


Anhand dieser summierten Dosiskonversionsfaktoren lassen sich Konzentrationen für Th-232, U-235 und U-238 in Boden und Wasser berechnen, bei denen die unteren Werte der DCRL-Bereiche der ICRP für die einzelnen RAPs unterschritten sind. Diese Konzentrationswerte sind in Tabelle 3 aufgeführt. Sie gelten allerdings nur dann, wenn sich die Zerfallsreihen im säkularen Gleichgewicht befinden.



Tab. 3: Konzentrationen in Boden und Wasser, bei denen die unteren Werte der DCRL-Bereiche der ICRP eingehalten sind



RAP

Th-232-Reihe

U-235-Reihe

U-238-Reihe

K-40*

Terrestrische Lebensräume (Bq/g Trockenmasse, ggf. bezogen auf das Ausgangsnuklid der Zerfallsreihe)

Referenz-Hirsch

15

28

3,2

2,6E2

Referenz-Ratte

3,4

6,1

0,59

5,6E1

Referenz-Ente

11

6,8

0,72

2,1E2

Referenz-Frosch

3,2

2,3

1,3

1,7E3

Referenz-Biene

91

190

1,4

1,4E4

Referenz-Erdwurm

110

13

1,4

5,3E2

Referenz-Nadelbaum

9,3

3,2

2,5

1,8E2

Referenz-Wildgras

2,1

7,8

1,7

1,4E3

Limnische Lebensräume (Bq/l, ggf. bezogen auf das Ausgangsnuklid der Zerfallsreihe)

Referenz-Ente

0,024

0,14

0,13

1,7E4

Referenz-Frosch

10

45

9,2

2,0E6

Referenz-Forelle

2,0

10

3,3

4,8E5

Marine Lebensräume (Bq/l, ggf. bezogen auf das Ausgangsnuklid der Zerfallsreihe)

Referenz-Plattfisch

0,15

0,91

0,10

4,4E5

Referenz-Krebs

2,0

12

2,5

4,8E6

Referenz-Braunalge

0,084

0,49

0,44

2,8E5



Im Jahresbericht 2011 zur Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung des BMU (BMU 2013) wurde die natürliche Umweltradioaktivität in Boden, Oberflächenwasser, Meerwasser etc. in Deutschland ausführlich dargestellt. Die entsprechenden Werte sind in Tabelle 4 angegeben. Die Bandbreite bei Boden bezieht sich auf die typischen Werte der in (BMU 2013) aufgeführten verschiedenen Böden. Die Bandbreite in Wässern ist die im Bericht des BMU angegebene Bandbreite.



Im Boden kann stets vom Vorliegen säkularer Gleichgewichte innerhalb der Zerfallsreihen ausgegangen werden. In Wässern befinden sich die Radionuklide der Zerfallsreihen dagegen meist nicht im radioaktiven Gleichgewicht. Dies ist auf die unterschiedlichen chemischen Eigenschaften der einzelnen Radionuklide zurückzuführen, die deshalb in Abhängigkeit von den hydrogeologischen Gegebenheiten der Wasservorkommen unterschiedliche Mobilitäten im aquatischen System aufweisen. Die gegenüber U-238 überwiegend höheren U-234-Konzentrationen beruhen auf Rückstoßprozessen infolge des Alpha-Zerfalles von U-238 in den Gesteinspartikeln des Grundwasserleiters im Bereich der Phasengrenze fest/flüssig und der daraus resultierenden stärkeren Auslaugung von U-234 aus den Gesteinspartikeln.



Tab. 4: Konzentrationen natürlicher Radionuklide in Deutschland in Boden, Grundwasser, Oberflächenwasser und Meerwasser (BMU 2013). TM – Trockenmasse



Nuklid

Boden
[Bq/g TM]

Grundwasser
[Bq/l]

Oberflächenwasser
[Bq/l]

Meerwasser
[Bq/l]

K-40

1E-1 – 6,5E-1

1,1E-2 – 1,5E1

3E-2 – 1E0

1,18E1 – 1,23E1

Th-232

7E-3 – 5E-2

4E-4 – 7E-2

<1E-2 – 1E-1

4E-7 – 2,9E-5

Ra-228

k.A. (1)

k.A.

<1E-3 – 1E-2

8E-4 – 8E-3

Th-228

k.A. (1)

k.A.

k.A.

4E-6 – 3E-4

U-235

k.A. (2)

k.A.

<1E-2

1,9E-3

U-238

7E-3 – 3,5E-2

1E-3 – 2E-1

<1E-2 – 1E-1

4E-2 – 4,4E-2

Th-234

k.A. (1)

k.A.

k.A.

6E-4 – 6,8E-3

U-234

k.A. (1)

k.A.

k.A.

4,7E-2

Th-230

k.A. (1)

k.A.

k.A.

2,5E-6

Ra-226

1E-2 – 2E-1

<4E-3 – 4E-1

k.A.

8E-4 – 8E-3

Pb-210

k.A. (3)

k.A.

k.A.

4E-4 – 2E-3

Po-210

k.A. (1)

k.A.

k.A.

6E-4 – 1,9E-2



k.A.: keine Angabe;

(1) im Gleichgewicht mit Vorgängernuklid;


(2) = 0,05 x U-238;


(3) im oberen Bodenhorizont durch atmosphärische Deposition angereichert;



Aus Tabelle 4 geht hervor, dass die Datenbasis für natürliche Radionuklide einerseits noch unvollständig ist, aber andererseits von relativ großen Wertebereichen auszugehen ist.



Die Berechnungsgrundlagen Bergbau (BfS 2010) führen in ihrer Anlage V „Allgemeine Werte der natürlichen Umweltradioaktivität“ an, die bei bergbaulichem Einfluss als Hintergrundaktivität abgezogen werden dürfen. Die Werte für Boden und Oberflächenwasser sind in Tabelle 5 angegeben.



Tab. 5: Allgemeine Werte der natürlichen Umweltradioaktivität in Deutschland in Boden und Oberflächenwasser (BfS 2010). TM – Trockenmasse



Nuklid

Boden
[Bq/g TM]

Oberflächenwasser
[Bq/l]

U-238

5E-2

3,0E-3

U-234

5E-2

5,0E-3

Th-230

5E-2

1,0E-3

Ra-226

5E-2

5,0E-3

Pb-210

5E-2

2,0E-3

Po-210

5E-2

1,5E-3

U-235

2E-3

1,5E-4

Pa-231

2E-3

1,5E-4

Ac-227

2E-3

1,5E-4

Th-232

4E-2

1,0E-3

Ra-228

4E-2

4,5E-3

Th-228

4E-2

1,0E-3



Der Vergleich von Tabelle 4 und Tabelle 5 zeigt, dass bei einer vertiefenden Bewertung die Variabilität der Umweltradioaktivität in den einzelnen Umweltmedien berücksichtigt werden muss.



Mit den Daten der Empfehlungen der ICRP hat die SSK für die RAPs den prozentualen Anteil durch die natürliche Radioaktivität von den unteren Werten der DCRL-Bereiche) berechnet. Den Berechnungen wurden als Konzentrationen in Boden und Oberflächenwasser die „allgemeinen Werte der natürlichen Umweltradioaktivität“ aus (BfS 2010) sowie für die natürlichen Zerfallsreihen und für K-40 die oberen Werte nach (BMU 2013) zugrunde gelegt. Für Meerwasser wurden durchgängig die oberen Werte nach (BMU 2013) als Konzentration angenommen. Das Ergebnis dieser Berechnung ist in Tabelle 6 zusammengestellt.



Die in Tabelle 6 zusammengestellten Ergebnisse der Abschätzungen zeigen, dass durch die natürliche Hintergrundaktivität in Deutschland die unteren Werte der DCRL-Bereiche für die meisten RAPs unterschritten werden. Unter Berücksichtigung einer natürlichen Schwankungsbreite der Aktivitätskonzentrationen in Umweltmedien kann es beim Referenz-Frosch, beim Referenz-Plattfisch und bei der Referenz-Ente lokal jedoch zu Überschreitungen der unteren Werte der DCRL-Bereiche kommen.



Tab. 6: Relativer Anteil der abgeschätzten Strahlenexpositionen der RAPs durch natürliche Radioaktivität in den Umweltmedien in Deutschland bezogen auf die unteren Werte der DCRL-Bereiche der ICRP



RAP

rel. nat. Anteil der unteren Werte der DCRL-Bereiche
in %

Dominates Radionuklid bzw.  
Zerfallsreihe

Terrestrische  Lebensräume

Referenz-Hirsch

2,1 %

U-238-Reihe

Referenz-Ratte

1,1 %

U-238-Reihe

Referenz-Ente

7,7 %

U-238-Reihe

Referenz-Frosch

53 %

U-238-Reihe

Referenz-Biene

3,6 %

U-238-Reihe

Referenz-Erdwurm

3,6 %

U-238-Reihe

Referenz-Nadelbaum

2,8 %

U-238-Reihe

Referenz-Wildgras

5,0 %

U-238-Reihe

Limnische  Lebensräume

Referenz-Ente

6,6 %

Th-232-Reihe

Referenz-Frosch

0,043 %

U-238-Reihe

Referenz-Forelle

0,13 %

U-238-Reihe

Marine  Lebensräume

Referenz-Plattfisch

17 %

U-238-Reihe

Referenz-Krebs

0,64 %

U-238-Reihe

Referenz-Braunalge

2,0 %

U-238-Reihe



Dieses Ergebnis wird auch durch die Untersuchungen von Beresford et al. (2008) bestätigt, der für England und Wales die natürliche Strahlenexposition der RAPs der ICRP 2008 durch K-40 sowie die Zerfallsreihen von U-238 und Th-232 in terrestrischen Lebensräumen abgeschätzt hat. Die mittlere gewichtete Energiedosisrate liegt demnach zwischen 0,069 μGy/h (Referenz-Hirsch und Referenz-Nadelbaum) und 0,61 μGy/h (Referenz-Erdwurm). Als 5. und 95. Perzentile werden für diese drei RAPs 0,055 μGy/h und 0,087 μGy/h (Referenz-Hirsch), 0,041μGy/h und 0,11 μGy/h (Referenz-Nadelbaum) sowie 0,22 μGy/h und 1,5 μGy/h (Referenz-Erdwurm) angegeben. Die Energiedosisraten werden durch K-40 und Ra-226 dominiert.



Hosseini et al. (2010) haben die natürliche Strahlenexposition der RAPs in aquatischen Lebensräumen untersucht. Als dominante Radionuklide werden K-40, Po-210 und Ra-226 genannt. Die mittlere gewichtete1 Energiedosisrate durch alle natürlichen Radionuklide wird mit 0,37 μGy/h (Referenz-Ente) bis 1,9 μGy/h (Referenz-Wassergras) angegeben. Auch nach dieser Untersuchung werden die unteren Werte der DCRL-Bereiche der ICRP nur zu einem sehr geringen Teil durch die natürliche Hintergrundaktivität ausgeschöpft. Dies gilt selbst für die in Hosseini et al. (2010) angegebenen 95. Perzentile der gesamten natürlichen Strahlenexposition, die 0,92 μGy/h bis 4,2 μGy/h betragen.



Es besteht daher nach Auffassung der SSK für diese Fälle kein Handlungsbedarf. Allerdings bedarf es bei einzelnen RAPs (Referenz-Frosch, Referenz-Plattfisch, Referenz-Ente) einer weitergehenden Klärung der Expositionssituationen durch natürlich vorkommende Radionuklide in erhöhten Konzentrationen.



Da die für natürliche Radionuklide genutzten Berechnungsgrundlagen Bergbau (BfS 2010) kein hinreichend umfassendes radioökologisches Teilmodell beinhalten, mit dem Ableitungen in Gewässer bewertet werden können, sind Aussagen über die Strahlenexposition von RAPs bei Ableitungen aus NORM-Industrien und Bergbau derzeit nicht möglich. Nach Auffassung der SSK sollte daher im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung von Berechnungsvorschriften für NORM-Industrien und Bergbau eingegrenzt werden, wo durch Ableitungen in konkreten geplanten Expositionssituationen ein Screening nach den Bewertungsansätzen der ICRP zum Nachweis von akzeptierbaren Freisetzungen oder Ableitungen zum Schutz von Tieren und Pflanzen beim gegenwärtigen Kenntnisstand durchzuführen ist. Auch in diesen Fällen wird, wenn die Strahlenexposition durch natürliche und ableitungsbedingte Radioaktivität geringer ist als die unteren Werte der DCRL-Bereiche, von Seiten der SSK kein Handlungsbedarf gesehen.





4 Literatur



Beresford et al. 2008

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