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Richtlinien zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr

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I-123/74



Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr

Bonn, den 29. März 1974 L 4/60.01.87-02



Dem Problem der Vogelschläge (Zusammenstöße von Luftfahrzeugen mit Vögeln) kommt nach den Erfahrungen der letzten Jahre mit dem zunehmenden und auf Düsentriebwerke umgestellten Luftverkehr vermehrte Bedeutung zu. Ich habe daher den Ländern "Richtlinien zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr" übersandt, die ich hiermit nachrichtlich bekanntgebe.





(vom 13. Februar 1974)



I.
Vorbemerkungen


1.
Die Richtlinien sind auf die Erfordernisse für Verkehrsflughäfen, die dem Fluglinienverkehr dienen, abgestellt. Für Maßnahmen bei anderen Flugplätzen können sie zweck- und sinnentsprechend angewendet werden.


2.
Die Richtlinien erfassen nicht flugsicherungstechnische Maßnahmen wie die Radarbeobachtung von Vogelbewegungen und die diesbezügliche Warnung an die Flugzeugführer.


3.
Die Richtlinien beinhalten zusätzlich zu dem Vogelschlagproblem auch Maßnahmen hinsichtlich anderer den Flugbetrieb auf Flugplätzen gefährdender Tiere.


II.
Allgemeines

Die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt gemäß § 29 LuftVG und die sichere und ordnungsgemäße Durchführung des Flughafenbetriebs gemäß § 45 Abs. 1 LuftVZO müssen auch auf die Verhütung von Schäden im Luftverkehr durch Vogelschläge (Zusammenstöße von Luftfahrzeugen mit Vögeln) ausgerichtet sein. Zu diesem Zweck sind im Rahmen der jeweils gegebenen rechtlichen und sachlichen Möglichkeiten die in diesen Richtlinien genannten Maßnahmen durchzuführen. Hierbei sind auch Bundes- und Ländergesetze über Naturschutz, Tierschutz, Jagdrecht und Abfallbeseitigung in Betracht zu ziehen.



III.
Biotopgutachten

Der Flughafenunternehmer soll ein mit Beteiligung der zuständigen Naturschutzbehörde und des Deutschen Ausschusses zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr (DAVVL) *) zu erstellendes Gutachten über die ökologischen Verhältnisse (Biotopgutachten) des Flughafengeländes und seiner für Maßnahmen nach diesen Richtlinien in Betracht kommenden Umgebung einholen. Das Gutachten soll Vorschläge für die nach den örtlichen Gegebenheiten zweckmäßig erscheinenden Maßnahmen beinhalten. Es ist der Flughafengenehmigungsbehörde zur Kenntnis zu bringen.



IV.
Maßnahmen auf dem Flughafengelände
1.
Das Flughafengelände soll nicht ackerbaulich, gartenbaulich oder weidewirtschaftlich genutzt werden. Auf ihm sollen kein Nutzvieh (z. B. Rinder, Schafe, Schweine, Federvieh u. ä.) sowie keine Tauben gehalten werden. Unkontrollierter Bewuchs soll auf dem Flughafengelände nicht bestehen. Erforderlichenfalls sind Maßnahmen zur Vogelvergrämung und zur Niederhaltung des Besatzes von Tieren, die den Vögeln als Nahrung dienen. zu treffen.


2.
Auf dem Flughafengelände sollen keine Gehölze vorhanden sein, die von Vögeln bevorzugte Früchte tragen. Gegebenenfalls ist durch pflegerische oder planerische Maßnahmen darauf hinzuwirken, dass Wind-, Schnee- und Schallschutzpflanzungen, Baumgruppen, einzeln stehende Bäume sowie Neupflanzungen wenig anziehend für Vögel sind.


3.
Die Flughafenumzäunung soll gegen Haarwild dicht sein. Gegen die den Flugbetrieb gefährdenden Tiere sind gegebenenfalls besondere Maßnahmen erforderlich (z. B. Abschuss von Wild, Beseitigung von Nistplätzen, in Sonderfällen Fang und Aussiedlung von Vögeln). Um den Vogel- und übrigen Tierbestand wirksam unter Kontrolle halten zu können, sollte der Flughafenunternehmer grundsätzlich mit den zuständigen Jagdbehörden eine besondere, den Sicherheitserfordernissen der Luftfahrt Rechnung tragende Regelung über die Jagdausübung treffen.


4.
Auf dem Flughafen sollen keine Plätze, die Vögel und andere Tiere anziehen, wie Müll- oder Komposthaufen oder ähnliches, vorhanden sein. Nass- und Sumpfflächen sollen beseitigt werden. Offene Gewässer, wie Gräben und Teiche, sollen möglichst vermieden, an vorhandenen im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten vogelvergrämende Maßnahmen vorgenommen werden. Nistplätze an Gebäuden sollen entfernt werden. Neue Gebäude sollen so geplant werden, dass sie Vögeln möglichst wenig Nist- und Aufsitzmöglichkeiten bieten. Soweit am Rand von Betriebsflächen, insbesondere der Start- und Landebahnen, Wasserablaufrinnen vorgesehen werden, soll gegen das Aufkriechen von Regenwürmern und Schnecken den durchgehenden, parallel zum Rand verlaufenden Schlitzrinnen der Vorzug gegeben werden. Im Nahbereich der Start -und Landebahnen und der Rollbahnen sollen Einrichtungen der Flugsicherung, des Flugwetterdienstes sowie der Flughafenbefeuerung und Rollbeschilderung, soweit erforderlich und möglich, mit Vorrichtungen versehen sein, die das Aufsitzen von Vögeln verhindern.


V.
Maßnahmen in der Umgebung von Flughäfen
1.
Sei Maßnahmen in der Umgebung von Flughäfen ist ggf. die Unterstützung von Stellen außerhalb der Luftfahrtverwaltung zu suchen, die hierfür aufgrund ihrer Befugnisse und Zuständigkeiten in Betracht kommen.


2.
Auf landwirtschaftlichem Gelände unterhalb der inneren Hindernisbegrenzungsfläche (vergleiche Anlage 1) soll nach Möglichkeit durch Maßnahmen der Nutzung eine Niederhaltung des Vogelbesatzes erreicht werden. Bei ackerbaulicher und weidewirtschaftlicher Nutzung sollen gegebenenfalls vogelvergrämende Maßnahmen angestrebt werden. Bei forstwirtschaftlicher Nutzung ist Nadelgehölzen möglichst der Vorzug gegenüber Laubgehölzen zu geben.


3.
Es ist anzustreben, dass im Bereich unterhalb der inneren Hindernisbegrenzungsfläche keine freifliegenden Tauben gehalten werden.


4.
Auf dem Gelände unterhalb der inneren und der äußeren Hindernisbegrenzungsfläche (vergleiche Anlage 1) sollten die jagdrechtlichen Belange mit den zur Verringerung des Vogelbesatzes erforderlichen Maßnahmen abgestimmt werden. Gegebenenfalls ist anzustreben, dass eine elektroakustische Vogelvergrämung durchgeführt wird und die als besonders gefährdend anzusehenden Vogelarten in erhöhtem Maß bejagt, gefangen, ausgesiedelt oder ihrer Nistplätze beraubt werden.


5.
Im Bereich unterhalb der inneren und der äußeren Hindernisbegrenzungsfläche sollten großflächige Gewässer, wie Bagger- und Stauseen, möglichst vermieden, und unvermeidbare Neuanlagen nur im Benehmen mit der Luftfahrtbehörde vorgenommen werden. Erforderlichenfalls ist anzustreben, dass an bereits vorhandenen Gewässern im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten vogelvergrämende Maßnahmen vorgenommen werden.


6.
Es ist anzustreben, dass auf dem Gelände unterhalb der inneren und der äußeren Hindernisbegrenzungsfläche und der um 5 km verlängerten An- und Abflugflächen (vergleiche Anlage 1) vorhandene Müllplätze beseitigt und Neuanlagen nicht genehmigt werden.




VI.
Verschiedenes
1.
Die aufgrund Nr. IV und V angewendeten Maßnahmen zur Verringerung der Vogelschlaggefahr sollen möglichst dem letzten Stand der Erkenntnisse entsprechen und mit den im Biotopgutachten enthaltenen Vorschlägen verträglich sein. Fachgerechte Versuche, die dem weiteren Fortschritt auf diesem Gebiet dienen, sind im Sinne dieser Richtlinien zulässig.


2.
Bei ausgedehnten Änderungen der Betriebsflächengröße, der Art des Bewuchses auf dem übrigen Flughafengelände oder ähnliches sind die eventuellen Auswirkungen auf den Biotop gegebenenfalls aufgrund einer fachlichen Stellungnahme, zu berücksichtigen. In der Umgebung von Flughäfen ist anzustreben, dass wesentliche biotopverändernde Maßnahmen nur im Benehmen mit der Luftfahrtbehörde vorgenommen werden.


3.
Der Flughafenunternehmer soll einen Beauftragten zur Überwachung der nach Nr. III und IV erforderlichen Maßnahmen bestellen und dessen Ausbildung und Fortbildung insbesondere durch Entsendung zu geeigneten Fachveranstaltungen sicherstellen.


4.
Für den mit der Erstellung des Biotopgutachtens Beauftragten soll nach Möglichkeit eine Berechtigung zum Betreten des zu begutachtenden Geländes erwirkt werden.


5.
Die Start- und Landebahnen und die Rollbahnen sollen täglich auf getötete Vögel und sonstige Tiere überprüft werden. Dabei. sollen die Kadaver so beseitigt werden, dass sie anderen Tieren nicht zum Fraß dienen können. Über Art und Anzahl der gefundenen Tiere sowie über den Fundort (z. B. "erstes Drittel, Landebahn 27) und Datum sollen Aufzeichnungen auf einheitlichem Vordruck (Anlage 2) geführt und nach Ablauf eines Kalenderjahres über die Flughafengenehmigungsbehörde dem Bundesverkehrsministerium zu Auswertungszwecken vorgelegt werden.


VII.
Beginn der Anwendung

Nach diesen Richtlinien soll ab ihrer Veröffentlichung in den Nachrichten für Luftfahrer verfahren werden.