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Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Medizinprodukterechts (Medizinprodukterecht-Durchführungsvorschrift – MPRVwV)

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Allgemeine Verwaltungsvorschrift
zur Durchführung des Medizinprodukterechts
(Medizinprodukterecht-Durchführungsvorschrift – MPRVwV)



Vom 12. Juni 2023



Fundstelle: BAnz AT 16.06.2023 B7



Nach Artikel 84 Absatz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 89 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes (MPDG) vom 28. April 2020 (BGBl. I S. 960) erlässt die Bundesregierung folgende Allgemeine Verwaltungsvorschrift:



§ 1
Zweck der Verwaltungsvorschrift



Diese Verwaltungsvorschrift soll den Rahmen für ein bundesweit einheitliches Verwaltungshandeln schaffen.



§ 2
Anwendungsbereich



(1) Die allgemeine Verwaltungsvorschrift richtet sich an die für die Durchführung des Medizinprodukterechts zuständigen Behörden und Stellen des Bundes und der Länder im Anwendungsbereich des § 2 MPDG. Sie gilt auch für die Überwachung der Einhaltung der Vorgaben des Heilmittelwerbegesetzes, soweit die in § 2 MPDG genannten Produkte betroffen sind.



(2) Die Verwaltungsvorschrift wird entsprechend angewendet auf den Verkehr mit Produkten im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Soweit es zur Erfüllung der besonderen Aufgaben im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung erforderlich ist, regelt das Bundesministerium der Verteidigung, unter Berücksichtigung der besonderen militärischen Gegebenheiten, die Durchführung der Verwaltungsvorschrift in entsprechenden Vorschriften.



(3) Die Verwaltungsvorschrift wird auch angewendet auf die Überwachung von Produkten, die von den zuständigen Behörden des Bundes, der Länder und der Kommunen für den Zivil- und Katastrophenschutz und zur Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen oder bedrohlicher übertragbarer Krankheiten benötigt werden.



§ 3
Grundsätze der Überwachung



(1) Die zuständigen Behörden führen die Überwachungsaufgaben gemäß § 77 MPDG auf der Grundlage von Jahresplänen gemäß Artikel 93 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1; ABl. L 117 vom 3.5.2019, S. 9; ABl. L 334 vom 27.12.2019, S. 165; ABl. L 241 vom 8.7.2021, S. 7), die durch die Verordnung (EU) 2020/561 (ABl. L 130 vom 24.4.2020, S. 18) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, oder gemäß Artikel 88 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 176; ABl. L 117 vom 3.5.2019, S. 11; ABl. L 334 vom 27.12.2019, S. 167; ABl. L 233 vom 1.7.2021, S. 9), die durch die Verordnung (EU) 2022/112 (ABl. L 19 vom 28.1.2022, S. 3) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, durch. Die zuständigen obersten Landesbehörden legen gemeinsam die Grundsätze für die Überwachung fest. Diese Grundsätze sollen insbesondere Kriterien enthalten für



1.
risikobasierte Überwachungsmaßnahmen,


2.
Art der Überwachungsmaßnahmen und Überwachungsintervalle und


3.
die personelle und sachliche Ausstattung für die Durchführung der Überwachung.


(2) Grundlage für die gemäß Artikel 93 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2017/745 oder Artikel 88 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2017/746 zu erstellenden Jahrespläne ist ein von den zuständigen obersten Landesbehörden gemeinsam erstelltes Umsetzungskonzept, das die über die genannten Verordnungen hinausgehenden Anforderungen der Marktüberwachung nach der Verordnung (EU) 2019/1020 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20. Juni 2019 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten sowie zur Änderung der Richtlinie 2004/42/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 765/2008 und (EU) Nr. 305/2011 (ABl. L 169 vom 25.6.2019, S. 1) berücksichtigt und dessen Bestandteile insbesondere Inspektionen und Überprüfungen von Produkten sind. Das Umsetzungskonzept ist regelmäßig fortzuschreiben.



§ 4
Zentrale Koordinierungsstelle



Die Länder bestimmen gemeinsam eine zentrale Koordinierungsstelle und legen deren Aufgaben im Zusammenhang mit der Durchführung der Überwachung im Medizinproduktebereich fest.



§ 5
System zur Qualitätssicherung



(1) Die zuständigen obersten Landesbehörden legen Anforderungen an ein System zur Qualitätssicherung gemeinsam und einheitlich fest und schreiben dieses fort. Das System schließt die aktive Beteiligung der obersten Landesbehörden ein.



(2) Das System zur Qualitätssicherung regelt die Organisationsstrukturen, Verantwortlichkeiten und Verfahren einschließlich der Verfahren für interne Audits. Insbesondere soll durch das System zur Qualitätssicherung sichergestellt werden, dass



1.
die mit der Überwachung beauftragten Personen für die Ausübung ihrer Tätigkeiten kompetent und ausreichend qualifiziert sowie unabhängig sind,


2.
die Verantwortlichkeiten klar bestimmt und festgelegt sind und


3.
Verfahrensanweisungen und andere Qualitätssicherungsdokumente erstellt werden, insbesondere


a)
zur Planung der Überwachung,


b)
zum Verfahren für die Durchführung von Inspektionen gemäß § 8,


c)
zum Verfahren für die Überprüfung von Produkten gemäß § 9,


d)
zur Zusammenarbeit der Behörden gemäß § 10,


e)
zum Umgang mit Mängeln, die bei Inspektionen oder Überprüfungen festgestellt werden,


f)
zur Überwachung nach dem Heilmittelwerberecht gemäß § 11,


g)
zum Umgang mit Verbraucherbeschwerden und sonstigen Beanstandungen,


h)
zur Prüfung und Weiterleitung von Informationen und


i)
zum Dokumentationssystem über die Durchführung der Überwachung.


(3) Bundeseinheitlich abgestimmte Verfahrensanweisungen nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 Buchstabe b, c und e werden von der Koordinierungsstelle nach § 4 auf deren Internetseite veröffentlicht.



§ 6
Maßnahmen der zuständigen Behörden zur Qualitätssicherung



(1) Die zuständigen Behörden wenden das System zur Qualitätssicherung nach Art und Umfang ihrer Überwachungstätigkeiten an.



(2) Für die Durchführung der Maßnahmen zur Qualitätssicherung, einschließlich der Einführung und Aufrechterhaltung des Systems zur Qualitätssicherung, ist in der Behörde mindestens eine entsprechend qualifizierte und erfahrene Person zu benennen, der ausreichende Befugnisse und zeitliche Kapazitäten eingeräumt werden.



(3) Das System zur Qualitätssicherung ist von den Behörden zu dokumentieren und seine Funktionstüchtigkeit regelmäßig durch interne Audits zu überprüfen.



(4) Abweichungen vom System zur Qualitätssicherung sowie interne oder externe Beanstandungen und Beschwerden sind nach schriftlich festgelegten Verfahren umgehend zu überprüfen. Sofern erforderlich, sind korrigierende Maßnahmen einzuleiten.



§ 7
Sachkenntnis der mit der Überwachung beauftragten Personen



(1) Die mit der Überwachung nach § 77 MPDG beauftragten Personen müssen



1.
über den Abschluss einer naturwissenschaftlichen, medizinischen oder technischen Hochschul- oder Fachhochschulausbildung verfügen,


2.
ausreichende Kenntnisse besitzen über das Medizinprodukterecht, über die Besonderheiten der zu überwachenden Produkte sowie über die Einrichtungen und Organisationen des öffentlichen Gesundheitswesens, über das allgemeine Verwaltungsrecht sowie über die allgemeinen Grundlagen von Qualitätsmanagementsystemen und


3.
praktische Erfahrungen haben in dem Tätigkeitsbereich, in dem sie zur Überwachung eingesetzt werden sollen.


Abweichend von Satz 1 Nummer 1 ist in Ausnahmefällen auch eine andere Ausbildung ausreichend, wenn mindestens eine zweijährige Berufserfahrung für die vorgesehenen Aufgaben nachgewiesen wird.



(2) Personen, die mit der Überwachung und Durchführung von Inspektionen beauftragt sind, müssen in Inspektionstechniken ausreichend geschult sein. Ihnen ist ausreichend Gelegenheit zur fachlichen Fortbildung auch auf europäischer Ebene zu geben. Hierfür kommen fachliche Fortbildungsmaßnahmen, gemeinsame Arbeitstagungen und Praktika bei anderen zuständigen Behörden in Betracht. Zur Verbesserung und Abstimmung der Inspektionsstandards sollen auch gemeinsame Inspektionen mit Personen anderer Behörden und Erfahrungsaustausche durchgeführt werden.



§ 8
Durchführung von Inspektionen



(1) Inspektionen sind in der Regel vor Ort durchgeführte Kontrollen und Besichtigungen, insbesondere im Rahmen der Überwachung nach § 77 MPDG. Sie können in begründeten Fällen als Ferninspektion durchgeführt werden, wenn es zweckmäßig und vertretbar erscheint. Sie können angekündigt oder unangekündigt durchgeführt werden und sollen die Besonderheiten der Tätigkeiten in Betrieben und Einrichtungen berücksichtigen.



(2) Routinemäßige Inspektionen werden gemäß den Jahresplänen nach § 3 durchgeführt.



(3) Anlassbezogene Inspektionen werden insbesondere auf Grund von Verbraucherbeschwerden, sonstigen Beanstandungen oder Berichten und Meldungen über mögliche Gefährdungen durchgeführt.



(4) Inspektionen sind grundsätzlich nach den Verfahrensanweisungen des Systems zur Qualitätssicherung der Medizinprodukteüberwachung der Länder durchzuführen und zu dokumentieren.



§ 9
Überprüfung von Produkten



(1) Überprüfungen von Produkten im Rahmen der Überwachung nach § 77 MPDG erfolgen durch Überprüfungen der produktbezogenen Unterlagen und Informationen, durch physische Kontrollen oder durch Laboruntersuchungen.



(2) Routinemäßige Überprüfungen werden auf Grundlage der Jahrespläne nach § 3 durchgeführt.



(3) Anlassbezogene Überprüfungen werden bei Verdacht auf einen nicht ordnungsgemäßen Zustand von Produkten oder bei Verdacht einer potenziellen Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch die Anwendung dieser Produkte vorgenommen.



(4) Überprüfungen von Produkten sind grundsätzlich nach den Verfahrensanweisungen des Systems zur Qualitätssicherung der Medizinprodukteüberwachung der Länder durchzuführen und zu dokumentieren.



§ 10
Zusammenarbeit der Behörden



(1) Die zuständigen obersten Landesbehörden teilen den zuständigen Bundesoberbehörden gemäß § 85 MPDG mit, welche Behörden für den Vollzug des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes zuständig sind. Die zuständigen Bundesoberbehörden machen diese Angaben auf ihren Internetseiten der Öffentlichkeit bekannt.



(2) Die für die Marktüberwachung zuständigen Behörden arbeiten mit den für die Kontrolle der Außengrenzen zuständigen Behörden gemäß Kapitel VII der Verordnung (EU) 2019/1020 zusammen. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit können die für die Kontrolle der Außengrenzen zuständigen Behörden auf Ersuchen den Marktüberwachungsbehörden die Informationen übermitteln, die sie bei der Überführung von Produkten in den zollrechtlich freien Verkehr erlangt haben und die für die Aufgabenerfüllung der Marktüberwachungsbehörden erforderlich sind.



(3) Bei Zuwiderhandlungen oder bei Verdacht auf Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes unterrichten sich die zuständigen Behörden des Bundes und der Länder unverzüglich und unterstützen sich gegenseitig.



(4) Ergibt sich bei der Überwachung der Verdacht einer Straftat, ist die zuständige Staatsanwaltschaft zu informieren. Dies gilt auch, wenn eine Ordnungswidrigkeit mit einer Straftat zusammentrifft oder Zweifel darüber bestehen, ob eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit gegeben ist.



§ 11
Überwachung der Heilmittelwerbung



Die zuständigen Behörden sollen Verfahren zur Vorgehensweise bei Verstößen von Betrieben und Einrichtungen nach § 77 Absatz 1 Nummer 1 MPDG gegen Vorschriften des Heilmittelwerberechts, soweit die in § 2 MPDG genannten Produkte betroffen sind, sowie bei entsprechenden Verbraucherbeschwerden und sonstigen Beanstandungen festlegen.



§ 12
Übergangsbestimmungen



Personen, die nicht die Anforderungen des § 7 Absatz 1 Satz 1 erfüllen, jedoch vor dem Inkrafttreten dieser Verwaltungsvorschrift bereits Überwachungstätigkeiten im Sinne dieser Verwaltungsvorschrift ausgeübt haben, dürfen diese Tätigkeiten weiter ausüben.



§ 13
Inkrafttreten



Diese Allgemeine Verwaltungsvorschrift tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft.
Der Bundesrat hat zugestimmt.



Berlin/Bonn, den 12. Juni 2023



Der Bundeskanzler
Olaf Scholz



Der Bundesminister für Gesundheit
Karl Lauterbach