Rahmenrichtlinien für die Gesamtverteidigung
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Rahmenrichtlinien für die Gesamtverteidigung
– Gesamtverteidigungsrichtlinien – (RRGV)
Vom 5. Juni 2024
Fundstelle: GMBl 2024 Nr. 38, S. 790
Rahmenrichtlinien für die Gesamtverteidigung – Gesamtverteidigungsrichtlinien – (RRGV)
Einleitung
Erster Abschnitt
Prinzip der Gesamtverteidigung
- 1
- Allgemeines
- 2
- Gesamtverteidigung und Sicherheitspolitik
- 2.1
- Deutschlands sicherheitspolitische Ziele und Interessen
- 2.2
- Der internationale Rechtsrahmen von Gesamtverteidigung und Sicherheitspolitik
- 2.3
- Sicherheitspolitische Gestaltungsfelder
Zweiter Abschnitt
Allgemeine Strukturen der Gesamtverteidigung
Erster Unterabschnitt
Allgemeines
Zweck und Geltungsbereich
- 3
- Verteidigung und Grundgesetz
- 4
- Zuständigkeit des Bundes
- 5
- Zuständigkeit der Länder
- 6
- Organe mit Zuständigkeit für beide Teilbereiche der Gesamtverteidigung
Zweiter Unterabschnitt
Grunderfordernisse für beide Teilbereiche der Gesamtverteidigung
- 7
- Vorbereitung im Frieden
- 8
- Zusammenwirken
- 9
- Ausbildung und Übungen
- 10
- Alarmplanung und ziviles Meldewesen
- 10.1
- Alarmplanung
- 10.2
- Ziviles Melde- und Lagewesen
Dritter Abschnitt
Die militärische Verteidigung als Teilbereich der Gesamtverteidigung
Erster Unterabschnitt
Allgemeines
- 11
- Verfassungsauftrag
- 12
- Bündnisbedingte Gesamtstruktur der Bundeswehr
- 13
- Befehls- und Kommandogewalt
Zweiter Unterabschnitt
Die Bundeswehr als Instrument der militärischen Verteidigung
- 14
- Die Streitkräfte
- 15
- Die Bundeswehrverwaltung
Dritter Unterabschnitt
Die Durchführung der militärischen Verteidigung
- 16
- Bündnisgemeinsame militärische Verteidigung
- 17
- Die Nationale Territoriale Verteidigung
Vierter Abschnitt
Die zivile Verteidigung als Teilbereich der Gesamtverteidigung
Erster Unterabschnitt
Die nationale zivile Verteidigung
- 18
- Aufgaben
- 19
- Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktionen
- 19.1
- Allgemeines
- 19.2
- Regelungen und Maßnahmen
- 19.3
- Unterbringung und Schutz staatlicher Organe
- 19.4
- Medien
- 19.5
- Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung
- 20
- Zivilschutz
- 20.1
- Allgemeines
- 20.2
- Schutzmaßnahmen
- 20.3
- Hilfeleistungsmaßnahmen (Katastrophenschutz, Technisches Hilfswerk)
- 20.4
- Gesundheitliche Versorgung
- 21
- Gesundheitsschutz
- 22
- Versorgung der Zivilbevölkerung und der Bundeswehr mit Gütern und Leistungen
- 22.1
- Sicherstellung der Ernährung
- 22.2
- Sicherstellung von Leistungen der gewerblichen Wirtschaft
- 22.3
- Sicherstellung der Wasserversorgung
- 22.4
- Sicherstellung des Verkehrs
- 22.5
- Schutz vor Bedrohungen aus dem Cyberraum und Herstellung digitaler Souveränität
- 22.6
- Sicherstellung der Postversorgung und der Telekommunikation
- 23
- Sicherstellung des Personalbedarfs
- 23.1
- Allgemeines
- 23.2
- Arbeitsleistungen
- 23.3
- Arbeitsrecht
- 23.4
- Dienstrecht
- 23.5
- Personalbedarf für Hilfeleistungen
- 23.6
- Zumutung von Gefahren und Erschwernissen
- 23.7
- Personalausgleich
- 24
- Sicherstellung von Sozialleistungen
- 25
- Unterstützung der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte im äußeren Notstand
- 25.1
- Allgemeines
- 25.2
- Unterstützungsleistungen
- 26
- Finanzwesen
- 26.1
- Allgemeines
- 26.2
- Vorbereitungen
- 26.3
- Maßnahmen
- 27
- Koordinierung im Bereich der zivilen Verteidigung
- 27.1
- Führung
- 27.2
- Abstimmung und Koordinierung
- 27.3
- Koordinierungsverfahren und -einrichtungen
Zweiter Unterabschnitt
Die zivile Verteidigung der NATO
- 28
- Funktion
- 29
- Aufgabengebiete und Durchführung
- 30
- Gremien
Fünfter Abschnit
Zusammenwirken zwischen den Organen der militärischen und der zivilen Verteidigung in Verteidigungsangelegenheiten
- 31
- Allgemeines
- 32
- Organe und Verfahren
- 33
- Bereiche des Zusammenwirkens
- 34
- Ebenen des Zusammenwirkens
- 34.1
- Oberste Bundesebene
- 34.2
- Ebene Nationaler Territorialer Befehlshaber (NatTerrBefh) (Bundesebene)/Territoriale Führungsorganisation der Bundeswehr
- 34.3
- Besonderheiten
- 34.4
- Zusammenwirken innerhalb der bündnisgemeinsamen Organisation der NATO
Einleitung1
In den über dreißig Jahren seit Inkrafttreten der Rahmenrichtlinie Gesamtverteidigung (RRGV) am 10. Januar 1989 hat sich das sicherheitspolitische Umfeld Deutschlands grundlegend gewandelt. Infolge der Entspannung nach dem Ende des Kalten Krieges wurden viele Strukturen, Organisationen, Dienststellen und Anlagen der zivilen und militärischen Verteidigung zurückgebaut. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist ein Bruch des Völkerrechts und der europäischen Sicherheitsordnung. Darauf haben Deutschland und die NATO reagiert und ihre Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeiten ausgebaut. Erstmals seit Jahrzehnten ist Deutschland auch wieder militärisch bedroht. Gleichzeitig sind seit Beginn des 21. Jahrhunderts im Cyber- und Informationsraum und durch die fortschreitende Nutzung des Weltraums neue Herausforderungen für die Gesamtverteidigung zu Tage getreten. Zusätzlich stellen hybride Aktivitäten sowie die Erosion der Rüstungskontrolle, aber auch regionale Konflikte und Krisen in der europäischen Nachbarschaft, eine wachsende Bedrohung dar.
Die Nationale Sicherheitsstrategie vom 14. Juni 2023 ist das oberste sicherheitspolitische Dachdokument der Bundesregierung für die kommenden Jahre und gibt Orientierung, wie die deutsche Sicherheitspolitik auf die Herausforderungen des sicherheitspolitischen Umfelds hin ausgerichtet wird. Die Nationale Sicherheitsstrategie formuliert konzeptionelle Vorgaben für die Steigerung gesamtstaatlicher Wehrhaftigkeit, Resilienz und Nachhaltigkeit. Dabei verfolgt sie eine Politik der integrierten Sicherheit, die für das Zusammenwirken aller relevanten Akteure, Mittel und Instrumente mit dem Ziel, die Sicherheit Deutschlands umfassend zu erhalten und zu stärken, steht. Der Ansatz Integrierter Sicherheit erfordert die gemeinsame und einheitliche Betrachtungsweise der militärischen und der zivilen Verteidigung. Sicherheitsvorsorge ist in erster Linie eine zentrale Aufgabe der staatlichen Institutionen. Aufgrund der starken Wechselwirkungen zwischen äußerer und innerer Sicherheit hängt die Handlungsfähigkeit Deutschlands nach außen zunehmend auch von seiner Resilienz im Inneren ab. Diese liegt in der gemeinsamen Verantwortung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Der Bund, die Länder, die Kommunen, die Wirtschaft, zivilgesellschaftliche Organisationen – aber auch jede und jeder Einzelne – können und sollen hierzu beitragen. Es gilt daher auch, die strategische Kultur in Deutschland weiterzuentwickeln und ein in der Breite unserer Gesellschaft verankertes Verständnis von Integrierter Sicherheit zu entwickeln.
Die Verteidigungspolitischen Richtlinien des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) dienen der Umsetzung der Nationalen Sicherheitsstrategie für das Ressort und legen ausgehend von einer verteidigungspolitischen Standortbestimmung die strategischen Prioritäten für eine Integrierte Verteidigungspolitik der Bundesrepublik Deutschland fest. Sie formulieren auf dieser Grundlage den Kernauftrag Landes- und Bündnisverteidigung und die weiteren Aufträge der Bundeswehr und machen die Vorgaben für die Gesamtkonzeption der militärischen Verteidigung.
Die Konzeption Zivile Verteidigung (KZV) als Gesamtkonzept der Bundesregierung für die zivile Verteidigung in Deutschland bildet die Grundlage für alle notwendigen Maßnahmen der zivilen Verteidigung. Sie dient der Planung und Vorbereitung aller nicht-militärischer Maßnahmen, die zur Herstellung und Aufrechterhaltung der Verteidigungsfähigkeit einschließlich der Versorgung und des Schutzes der Bevölkerung notwendig sind.
Angepasst an die jeweils aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen und Rahmenbedingungen werden die für die Aufgabenerfüllung erforderlichen Fähigkeiten erarbeitet und fortlaufend weiterentwickelt.
Die RRGV beschreiben entlang dieser strategischen und konzeptionellen Vorgaben die zivilen und militärischen Aspekte der Gesamtverteidigung gemäß der verfassungsrechtlichen Ordnung des Grundgesetzes. Sie sind darüber hinaus Grundlage für die Ausplanung und Realisierung der Verfahren, Strukturen, Organisationselemente, Infrastrukturen und technischen Anlagen, die zur Gesamtverteidigung im äußeren Notstand notwendig sind.
Erster Abschnitt
Prinzip der Gesamtverteidigung
- 1
- Allgemeines
- (1)
- Zu den wesentlichen Aufgaben des Staates gehören der Erhalt seiner Handlungsfähigkeit, der Schutz seiner Bevölkerung und Institutionen sowie die Verteidigung seines Territoriums gegen Angriffe und Bedrohungen von außen. Als Land im Zentrum Europas ist die Bundesrepublik Deutschland insbesondere für die Vorbereitung der Verlegung eigener Streitkräfte und als Transitland sowie als rückwärtiger Einsatzraum verbündeter Streitkräfte gefordert. Zu ihrer weiteren Aufgabe als truppenstellende Nation gehört die Bereitstellung nationaler Fähigkeiten in Form von Unterstützungsleistungen (Strukturen, Kräfte/Mittel und Verfahren), als Operations- und Bereitstellungsraum (Drehscheibe Deutschland) sowie zum Schutz der Heimat.
- (2)
- Militärische und zivile Verteidigung sind organisatorisch eigenständig, stehen jedoch als Gesamtverteidigung in einem unauflösbaren Zusammenhang und teilweise in direkter Abhängigkeit. Die militärische und die zivile Seite müssen zu diesem Zweck durch eine enge Verzahnung und Zusammenarbeit sowie durch abgestimmte politische Führung eng zusammenwirken und dies bereits im Frieden regelmäßig üben. Die Gesamtverteidigung erfordert zudem die Mitwirkung der gesamten Bevölkerung sowie der Wirtschaft.
- (3)
- Das Prinzip der Gesamtverteidigung gilt in gleicher Weise im nationalen und europäischen Bereich wie in der gemeinsamen Bündnisverteidigung.
- 2
- Gesamtverteidigung und Sicherheitspolitik
- 2.1
- Deutschlands sicherheitspolitische Ziele und InteressenDie Bundesrepublik Deutschland verfolgt folgende sicherheitspolitische Ziele und Interessen:
- 1.
- den Schutz der Menschen, der Souveränität und der territorialen Integrität Deutschlands, der Europäischen Union (EU) und der Verbündeten Deutschlands,
- 2.
- den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung,
- 3.
- die Stärkung der Handlungsfähigkeit und des inneren Zusammenhalts der EU sowie die Festigung und den Ausbau der tiefen Freundschaft mit Frankreich,
- 4.
- die Festigung der transatlantischen Allianz und der engen und vertrauensvollen Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika,
- 5.
- Wohlstand und sozialer Zusammenhalt der Menschen in Deutschland durch den Schutz der sozialen Marktwirtschaft,
- 6.
- eine freie internationale Ordnung auf Grundlage des Völkerrechts, der Charta der Vereinten Nationen (VN) und universeller Menschenrechte,
- 7.
- die Förderung von Frieden und Stabilität weltweit und das Eintreten für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, menschliche Entwicklung und Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen als Voraussetzung für nachhaltige Sicherheit,
- 8.
- den nachhaltigen Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, die Begrenzung der Klimakrise und die Bewältigung ihrer Auswirkungen, die Sicherung des Zugangs zu Wasser und Ernährung und den Schutz der Gesundheit der Menschen,
- 9.
- ein offenes, regelgeleitetes internationales Wirtschafts- und Finanzsystem mit freien Handelswegen und einer gesicherten, nachhaltigen Rohstoff- und Energieversorgung.
- 2.2
- Der internationale Rechtsrahmen von Gesamtverteidigung und Sicherheitspolitik
- (1)
- Deutschland hat sich im Nordatlantikvertrag zu gegenseitigem Beistand verpflichtet. Im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen einen oder mehrere NATO-Staaten sind die anderen Vertragsstaaten laut Artikel 5 des Nordatlantikvertrages verpflichtet, in Ausübung des in Art. 51 VN-Charta anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand zu leisten, indem unverzüglich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, getroffen werden, die für erforderlich erachtet werden, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten.
- (2)
- Unabhängig davon liegen die militärische und die zivile Verteidigung jedoch in der jeweiligen nationalen Zuständigkeit. Dies spiegelt sich insbesondere im Nordatlantikvertrag wider, der laut Artikel 3 vorsieht, dass die Vertragsstaaten einzeln und gemeinsam durch ständige und wirksame Selbsthilfe und gegenseitige Unterstützung die eigene und die gemeinsame Widerstandskraft gegen bewaffnete Angriffe erhalten und fortentwickeln.
- (3)
- Neben der NATO setzt die EU wesentliche Rahmenvorgaben für die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Nach Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) schulden im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der VN-Charta sowie mit den im Rahmen der NATO eingegangenen Verpflichtungen, die für die ihr angehörenden Staaten weiterhin das Fundament ihrer kollektiven Verteidigung und das Instrument für deren Verwirklichung ist.Darüber hinaus sichert die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) als Teil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU eine auf zivile und militärische Mittel gestützte Operationsfähigkeit, auf die die EU bei Missionen zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen zurückgreifen kann.
- (4)
- Angesichts der untrennbar verbundenen Sicherheitsinteressen von Deutschland und Frankreich haben sich beide Staaten im Vertrag von Aachen dazu verpflichtet, im Falle eines bewaffneten Angriffs auf ihre Hoheitsgebiete jede in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung zu leisten, was militärische Mittel einschließt.
- 2.3
- Sicherheitspolitische Gestaltungsfelder
- 2.3.1
- Kollektive Verteidigung und Abschreckung
- (1)
- Kollektive Verteidigung, Krisenprävention und -bewältigung sowie kooperative Sicherheit sind die drei Kernaufgaben der NATO. Die größte Verantwortung der NATO liegt in der Sicherstellung kollektiver Verteidigung gegen jegliche Bedrohungen aus allen Richtungen. Dabei bilden „Abschreckung und Verteidigung“ das Rückgrat des Systems der kollektiven Verteidigung der NATO.
- (2)
- Im Sinne der Abschreckung soll einem potenziellen Gegner deutlich gemacht werden, dass ihm die Drohung mit militärischer oder sonstiger Gewalt oder deren Anwendung keinen Vorteil bringen kann. Dies setzt die glaubwürdige Fähigkeit und die Bereitschaft voraus, das Bundesgebiet und das Bündnisgebiet gemeinsam mit den Bündnispartnern mit den dafür notwendigen Fähigkeiten militärisch zu verteidigen.
- 2.3.2
- Gesamtstaatliche Sicherheitsvorsorge
- (1)
- Die gesamtstaatliche Sicherheitsvorsorge dient sowohl der Gefahrenabwehr als auch der Verteidigung gegenüber Bedrohungen der äußeren und inneren Sicherheit und umfasst das Aufgabenspektrum sowohl der militärischen Landes- und Bündnisverteidigung als auch der zivilen Verteidigung.
- (2)
- Sicherheitsvorsorge ist nicht nur eine gesamtstaatliche, sondern auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die im Sinne der Integrierten Sicherheit die Mitwirkung von Bevölkerung, Wissenschaft und Wirtschaft erfordert, um die gesamtstaatliche und gesamtgesellschaftliche Resilienz zu stärken.
- 2.3.3
- Krisenbewältigung
- (1)
- Bei einer Verschlechterung der internationalen politischen Lage unterhalb der Schwelle eines bewaffneten Konflikts, die die äußere oder innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, der NATO- oder EU-Mitgliedstaaten gefährdet, werden die NATO und EU sowie ihre Mitgliedstaaten in Übereinstimmung mit dem Nordatlantikvertrag, dem EUV, dem AEUV und der VN-Charta alles tun, um die internationalen Beziehungen wieder zu normalisieren. Dies erfordert lagegerechte Maßnahmen.
- (2)
- Zu den vorrangig anzuwendenden Maßnahmen gehören diplomatische Initiativen und Verhandlungen, Erklärungen des NATO-Rates und der EU, strategische Kommunikation, der Antrag auf Behandlung der Krise im VN-Sicherheitsrat, die Einstellung von Wirtschaftshilfen und die Verhängung restriktiver Maßnahmen der EU.
- (3)
- Maßnahmen der militärischen und der zivilen Verteidigung zur Erhöhung der Verteidigungsbereitschaft sind vorzubereiten und zu koordinieren. Sie müssen die Bereitschaft zur Verteidigung gewährleisten und glaubwürdig gegenüber einem potenziellen Gegner untermauern. Dabei sollen die Maßnahmen eine Beilegung der Krise (gemäß Absatz 1) unterstützen, jedenfalls aber dieser nicht entgegenstehen.
- (4)
- Die Maßnahmen sind eng miteinander zu verzahnen, da die aus dem EUV und AEUV erwachsenden Verpflichtungen für EU-Mitgliedstaaten, die zeitgleich auch Alliierte der NATO sind, in Einklang mit ihren bündnispolitischen Verpflichtungen stehen müssen (Artikel 42 Absatz 7 Satz 3 EUV).
- 2.3.4
- Rüstungskontrolle und Abrüstung
- (1)
- Rüstungskontrolle und Abrüstung leisten einen zu Abschreckung und Verteidigung komplementären Beitrag zur Stärkung der Sicherheit Deutschlands und seiner Verbündeten.
- (2)
- Daher ist die internationale Rüstungskontrollarchitektur zu stärken, die Rüstungskontrolle komplementär zur Verteidigung weiterzuentwickeln und die konzeptionelle Weiterentwicklung der Rüstungskontrolle auf globaler und regionaler Ebene voranzutreiben, sodass sie angepasst an das jeweilige Sicherheitsumfeld einen Beitrag zu Sicherheit und Stabilität leistet, Transparenz und Verifizierbarkeit erhöht sowie Risiken reduziert.
Zweiter Abschnitt
Allgemeine Strukturen der Gesamtverteidigung
Erster Unterabschnitt
Allgemeines
Zweck und Geltungsbereich
- 3
- Verteidigung und Grundgesetz
- (1)
- Die militärische und die zivile Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland sind staatliche Aufgaben mit Verfassungsrang. Alle gesetzlichen Regelungen und alle Maßnahmen der Gesamtverteidigung sind in Übereinstimmung mit der verfassungsrechtlichen Ordnung des Grundgesetzes und dem Völkerrecht zu treffen.
- (2)
- Das Grundgesetz unterscheidet im sog. äußeren Notstand den Verteidigungsfall und als dessen Vorstufen den Spannungs- und den Zustimmungsfall sowie den Bündnisfall.
- (3)
- Die in Absatz 2 beschriebenen Eskalationsstufen sind im Einzelfall maßgeblich für die Anwendung von speziellen Gesetzen und untergesetzlichen Regelungen der zivilen Verteidigung.
- 4
- Zuständigkeit des Bundes
- (1)
- Der Bund hat die ausschließliche Zuständigkeit für die Gesetzgebung über die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung.
- (2)
- Die militärische Verteidigung wird vom Bund in eigener Zuständigkeit durchgeführt.
- (3)
- Auf dem Gebiet der zivilen Verteidigung
- 1.
- hat der Bund die Ziele, das Gesamtkonzept und die Rahmenbedingungen festzulegen sowie die Grundsatzentscheidungen zu treffen; er erlässt die erforderlichen Gesetze einschließlich der entsprechenden Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften auch unter Beachtung internationaler Verpflichtungen [insbesondere NATO, EU];
- 2.
- ist jedes Bundesministerium für alle Aufgaben und Maßnahmen der zivilen Verteidigung seines Geschäftsbereichs verantwortlich; das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hat zusätzlich die Koordinierung durchzuführen;
- 3.
- kann die Bundesregierung im Verteidigungsfall unter den im Grundgesetz genannten Voraussetzungen die Bundespolizei im gesamten Bundesgebiet einsetzen;
- 4.
- kann die Bundesregierung im Verteidigungsfall unter den im Grundgesetz genannten Voraussetzungen auch den Landesregierungen und den Landesbehörden Weisungen erteilen.
- (4)
- Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) nimmt Aufgaben des Bundes auf den Gebieten des Bevölkerungsschutzes und der Katastrophenhilfe wahr, die ihm durch das Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (ZSKG) oder andere Bundesgesetze oder aufgrund dieser Gesetze übertragen werden oder mit deren Durchführung es vom BMI oder mit dessen Zustimmung von anderen fachlich zuständigen obersten Bundesbehörden beauftragt wird.
- 5
- Zuständigkeit der LänderDie Länder
- 1.
- führen die Bundesgesetze auf dem Gebiet der zivilen Verteidigung im Auftrag des Bundes oder als eigene Angelegenheit aus, soweit diese nicht ausnahmsweise in bundeseigener Verwaltung durchgeführt werden;
- 2.
- führen durch die von ihnen bestimmten Behörden die Aufgaben durch, die in sonstigen Rechtsvorschriften des Bundes festgelegt sind;
- 3.
- haben notwendige Maßnahmen nach dem vom Bund festgelegten Gesamtkonzept der zivilen Verteidigung in eigener Verantwortung zu planen, vorzubereiten und durchzuführen;
- 4.
- überwachen die plangemäße Vorbereitung und Durchführung der Einzelmaßnahmen bis auf die kommunale Ebene; zuständig sind im Regelfall die Behörden der allgemeinen Verwaltung auf der Kreisstufe, zum Teil auch bei den kreisangehörigen Gemeinden;
- 5.
- können nach dem Grundgesetz im Verteidigungsfall in ihrem Zuständigkeitsbereich die Bundespolizei einsetzen und der Bundesverwaltung Weisungen erteilen, wenn die zuständigen Bundesorgane außerstande sind, die notwendigen Maßnahmen zur Abwehr der Gefahr zu treffen, und die Lage unabweisbar ein sofortiges selbständiges Handeln in einzelnen Teilen des Bundesgebietes erfordert.
- 6
- Organe mit Zuständigkeit für beide Teilbereiche der Gesamtverteidigung
- (1)
- Die Gesamtverteidigung mit ihrem militärischen und ihrem zivilen Teilbereich steht unter der einheitlichen politischen Führung der Organe, die sowohl für die militärische als auch für die zivile Verteidigung zuständig sind.
- (2)
- Organe mit dieser übergreifenden Zuständigkeit sind
- 1.
- der Bundespräsident im Rahmen der verteidigungsbezogenen Zuständigkeiten, z.B. der Verkündung des Verteidigungsfalles;
- 2.
- der Bundestag und der Bundesrat in Verteidigungsangelegenheiten sowie im Verteidigungsfall unter den entsprechenden grundgesetzlichen Voraussetzungen der Gemeinsame Ausschuss;
- 3.
- der Bundeskanzler, der im Rahmen seiner Richtlinienkompetenz auch die Richtlinien der Sicherheits- und Verteidigungspolitik und damit der Gesamtverteidigung bestimmt;
- 4.
- die Bundesregierung (Bundeskabinett), die über Grundsatzangelegenheiten der Gesamtverteidigung entscheidet und auf diesem Gebiet im Rahmen gesetzlicher Ermächtigung die notwendigen Rechtsverordnungen erlässt; die Zuständigkeit des Bundessicherheitsrats als Kabinettausschuss richtet sich nach seiner Geschäftsordnung.
Zweiter Unterabschnitt
Grunderfordernisse für beide Teilbereiche der Gesamtverteidigung
- 7
- Vorbereitung im Frieden
- (1)
- Alle Maßnahmen der Gesamtverteidigung sind im Frieden, soweit notwendig und möglich, vorzubereiten.
- (2)
- Die Rechtsgrundlagen für die Versorgung der Zivilbevölkerung und der Bundeswehr mit Gütern und Leistungen einschließlich der gesundheitlichen Versorgung sind so auszugestalten und müssen so beschaffen sein, dass sie unabhängig vom Ursprung der Versorgungskrise (sog. All-Gefahrenansatz) Instrumente für die Bewältigung eines äußeren Notstandes oder für nationale Krisen und Notlagen in Friedenszeiten enthalten und die Möglichkeit eröffnen, verbündete Streitkräfte in Deutschland mitzuversorgen.
- 8
- Zusammenwirken
- (1)
- Die Träger von Gesamtverteidigungsaufgaben aller Ebenen haben jederzeit bei allen Planungs-, Vorbereitungs- und Durchführungsmaßnahmen zusammenzuwirken. Die technischen und strukturellen Voraussetzungen dafür sind im Rahmen der zur Verfügung stehenden und im jeweiligen Einzelplan enthaltenen Haushaltsmittel zu erhalten bzw. zu schaffen.
- (2)
- Um eine Verzahnung der Aufgabenwahrnehmung zwischen Bund und Ländern im Zivilschutz und dem Katastrophenschutz zu fördern und zu unterstützen, wirken sie in verschiedenen Zusammenarbeitsformen – insbesondere den Gremien der Innenministerkonferenz – zusammen. Zudem kooperieren Bund und Länder im Gemeinsamen Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz (GeKoB).
- 9
- Ausbildung und Übungen
- (1)
- Das mit Aufgaben der Gesamtverteidigung befasste Personal ist bereits im Frieden entsprechend aus-, fort- und weiterzubilden.
- (2)
- Zur Erprobung der Planungen und Verfahren sowie zu Ausbildungszwecken sind regelmäßig internationale und nationale Übungen, auch auf strategischer ressort- sowie auf Bund-Länder-übergreifender Ebene durchzuführen.
- (3)
- Länder- und ressortübergreifende Krisenmanagementübungen dienen der Vorbereitung auf die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen der Gesamtverteidigung. Sie sind konzeptionell regelmäßig weiterzuentwickeln. Eine verpflichtende Teilnahme aller Verwaltungsebenen ist anzustreben.
- 10
- Alarmplanung und ziviles Meldewesen
- 10.1
- Alarmplanung
- (1)
- Zur Reaktion auf militärische und nicht-militärische Krisen wurde das NATO Crisis Response System (NCRS) entwickelt, das darauf abzielt, die Krisen- und Konfliktprävention sowie das Krisenmanagement zu verbessern. Das NCRS gibt abgestimmte Alarmmaßnahmen vor, die durch die Mitgliedstaaten umzusetzen sind und die durch nationale Alarmmaßnahmen ergänzt werden können.
- (2)
- Deutschland hat diese sowie ergänzende nationale Alarmmaßnahmen im Krisenreaktions- und Alarmplan der Bundeswehr (KAPlBw) sowie in der Richtlinie für die zivile Alarmplanung (ZAPRL) als Grundlage für eine abgestimmte militärische und zivile Eventualplanung festgeschrieben. Die ZAPRL fasst die Aufgaben zusammen, die im Zustimmungs-, Spannungs-, Verteidigungs- und Bündnisfall sowie in außenpolitisch-militärischen Krisen durch entsprechenden Alarm ausgelöst und zum Schutz und zur Versorgung der Bevölkerung, zur Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktionen sowie zur Unterstützung der Bundeswehr durchzuführen sind. Aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeit der militärischen und der zivilen Krisenprävention und -bewältigung sind der KAPlBw und die ZAPRL aufeinander abzustimmen.
- (3)
- Damit soll sichergestellt werden, dass die notwendigen Maßnahmen im Rahmen der Gesamtverteidigung schnell und abgestimmt umgesetzt werden können. Die notwendigen organisatorischen und technischen Voraussetzungen zur abgestimmten Anwendung von KAPlBw und ZAPRL im Rahmen der Gesamtverteidigung sind ressortübergreifend zu adaptieren bzw. zu schaffen.
- 10.2
- Ziviles Melde- und Lagewesen
- (1)
- Die beteiligten Behörden der verschiedenen Verwaltungsebenen müssen gewährleisten, in Krisenlagen unverzüglich die für die Entscheidungen der Bundesregierung notwendigen Informationen aus den einzelnen Sachgebieten der zivilen Verteidigung erstellen und übermitteln zu können.
- (2)
- Die dafür benötigten Verfahren, Strukturen sowie die hochsichere Kommunikationsinfrastruktur sind jederzeit einsatzbereit zu halten. Dafür geeignete Kommunikationswege zwischen den beteiligten Behörden der verschiedenen Verwaltungsebenen, die den Vorgaben der Verschlusssachenanweisung (VSA) genügen, sind zu schaffen und vorzuhalten.
Dritter Abschnitt
Die militärische Verteidigung als Teilbereich der Gesamtverteidigung
Erster Unterabschnitt
Allgemeines
- 11
- Verfassungsauftrag
- (1)
- Das Grundgesetz bestimmt, dass der Bund Streitkräfte zur Verteidigung aufstellt.
- (2)
- Die Durchführung der mit der militärischen Verteidigung verbundenen Verwaltungsaufgaben obliegt nach dem Grundgesetz der Bundeswehrverwaltung.
- 12
- Bündnisbedingte Gesamtstruktur der Bundeswehr
- (1)
- Die Bundeswehr erfüllt ihren Auftrag im Rahmen der NATO und der EU. Es ist vorgesehen, Anteile der Streitkräfte und Fähigkeiten im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung der NATO zu unterstellen. Wesentliche Teile verbleiben jedoch in nationaler Zuständigkeit.
- (2)
- Die Nationalen Territorialen Aufgaben der Bundeswehr beschreiben die Planungs-, Steuerungs-, Koordinierungs-, Führungs- und Durchführungsaufgaben für den Beitrag der Bundeswehr zur gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Sie erläutern die Verantwortlichkeiten des Nationalen Territorialen Befehlshabers in Frieden, Krise und Krieg und decken sowohl den Heimatschutz als auch die Nationale Territoriale Verteidigung ab.
- (3)
- Aufgrund der geostrategischen Lage („Drehscheibe Deutschland“) ergeben sich für Deutschland weitere Bündnisverpflichtungen in seiner Rolle als Aufmarsch- und Transitzone für verbündete Streitkräfte sowie als rückwärtiger Operationsraum für NATO-Einsatzoptionen im zentraleuropäischen Raum. Die Koordinierung der verbündeten Streitkräfte und der NATO mit den im Rahmen der Gesamtverteidigung relevanten zivilen deutschen Behörden, möglichen Leistungserbringern und den in nationaler Verantwortung verbleibenden Kräften der Bundeswehr obliegt der Bundeswehr. Die dafür erforderliche Unterstützung der Bündnispartner als Transit- und Gastnation ist keine rein militärische, sondern eine gesamtstaatliche Aufgabe.
- (4)
- Die in nationaler Verantwortung verbleibenden Aufgaben der Bundeswehr in Deutschland werden zentral für die Bundeswehr gesteuert und über den Nationalen Territorialen Befehlshaber mit den zuständigen zivilen Behörden bis auf die Ebene der Gebietskörperschaften koordiniert.
- 13
- Befehls- und KommandogewaltDie Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte hat der Bundesminister der Verteidigung inne. Mit Verkündung des Verteidigungsfalles geht die Befehls- und Kommandogewalt auf den Bundeskanzler über. Die Leitung der Bundeswehrverwaltung verbleibt auch im Verteidigungsfall beim Bundesminister der Verteidigung.
Zweiter Unterabschnitt
Die Bundeswehr als Instrument der militärischen Verteidigung
- 14
- Die Streitkräfte
- (1)
- Die Streitkräfte mit ihrer Reserve als integralem Bestandteil haben bereits im Frieden durch ihre Einsatzbereitschaft die Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit zu gewährleisten. Des Weiteren haben sie mit Dauereinsatzaufgaben die Sicherheit in ausgewählten Bereichen herzustellen.
- (2)
- Im Einzelnen handelt es sich um:
- 1.
- die Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung im Rahmen der NATO, einschließlich Verteidigungsaufgaben auf deutschem Staatsgebiet oder dem NATO-Bündnisgebiet, sowie
- a.
- Maßnahmen zur Abschreckung in allen Dimensionen (Land, Luft, See, Cyber- und Informationsraum sowie Weltraum);
- b.
- Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz und Verteidigungsfähigkeit gegen terroristische und hybride Bedrohungen (einschließlich Desinformation) und Bedrohungen aus dem Cyber- und Informationsraum;
- c.
- Maßnahmen zur Unterstützung von Bündnispartnern im Rahmen der Bündnissolidarität, um Deutschland, seine Staatsbürger und Partner zu schützen und potenzielle Gegner abzuschrecken;
- 2.
- den Erhalt oder die Wiederherstellung der äußeren Sicherheit, der politischen Handlungsfähigkeit und der territorialen Integrität der Bundesrepublik Deutschland und des Bündnisgebietes im Verteidigungsfall gemeinsam mit verbündeten Streitkräften und in Zusammenarbeit mit anderen Organen des Staates;
- 3.
- Beiträge zum internationalen Krisenmanagement einschließlich militärischer Beiträge, ggf. gemeinsam mit den verbündeten Streitkräften.
- 15
- Die Bundeswehrverwaltung
- (1)
- Die Bundeswehrverwaltung nimmt die Aufgaben des Personalwesens und der unmittelbaren Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte im gesamten Spektrum von Grundbetrieb bis Verteidigungsfall wahr.
- (2)
- Sie unterstützt zudem auch verbündete Streitkräfte, soweit dies zwischenstaatlich vereinbart oder als originär-eigene Aufgabe vorgesehen ist.
- (3)
- Die Bundeswehrverwaltung kann sich bei Notwendigkeit und bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zur Aufgabenerfüllung auf Inhouse-Gesellschaften sowie auf Leistungen der gewerblichen Wirtschaft stützen.
Dritter Unterabschnitt
Die Durchführung der militärischen Verteidigung
- 16
- Bündnisgemeinsame militärische Verteidigung
- (1)
- Die geographische Lage der Bundesrepublik Deutschland, ihre Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur und technologische Abhängigkeiten, ein möglicher Konflikt im Cyber- und Informationsraum oder im Weltraum sowie begrenzte Mittel und Kräfte sind wesentliche Rahmenbedingungen für alle Verteidigungsplanungen.
- (2)
- Die Verteidigungsplanung der Bundesrepublik Deutschland ist fest eingebunden in die Bündnisverteidigung der NATO.
- (3)
- Die Verteidigung der äußeren Sicherheit muss gemeinsam mit den Verbündeten und mit dem Ziel geführt werden, Bedrohungen abzuwenden und einen Krieg durch glaubhafte Abschreckung zu verhindern, wenn nötig, rasch und erfolgreich zu beenden, um die territoriale Integrität Deutschlands und seiner Verbündeten zu wahren oder wiederherzustellen. Dementsprechend erfolgt die Verteidigung der äußeren Sicherheit an den Außengrenzen des Bündnisgebietes. Sie muss aber auch innerhalb Deutschlands geführt werden können.
- 17
- Die Nationale Territoriale Verteidigung
- (1)
- Parallel zur Wahrnehmung von Aufgaben zur Verteidigung im Bündnis außerhalb Deutschlands besteht auch die Notwendigkeit, die militärisch erforderlichen Aufgaben innerhalb Deutschlands, die auf die gesamtstaatliche Sicherheitsvorsorge in Krisenlagen ausgerichtet sind, in nationaler Verantwortung wahrzunehmen.
- (2)
- Die Nationale Territoriale Verteidigung umfasst die Fortsetzung der bereits im Frieden wahrzunehmenden Aufgaben des Heimatschutzes im Spannungs- oder Verteidigungsfall sowie weitere Aufgaben zum Erhalt der Operationsfreiheit auf deutschem Hoheitsgebiet. Sie beinhaltet im Wesentlichen folgende Kernaufgaben:
- 1.
- Schutz und Sicherung von verteidigungswichtiger Infrastruktur, der Basis Inland und der militärischen Kräfte in Deutschland,
- 2.
- Unterstützung, Koordinierung, Führung und Schutz der Kräfte der Bundeswehr in Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung einer Verlegung,
- 3.
- Beitrag zum Erhalt der Führungsfähigkeit und Bewegungsfreiheit in Deutschland für militärische Operationen im Bündnisrahmen,
- 4.
- Unterstützung der zivilen Verteidigung,
- 5.
- Maßnahmen der Bundeswehr im Rahmen der gesamtstaatlich zu leistenden Unterstützung ausländischer Streitkräfte beim Aufenthalt in oder beim Transit durch Deutschland sowie
- 6.
- Koordinieren, Führen und Verantworten der Dauereinsatzaufgaben (Überwachung und Gewährleistung der Sicherheit im deutschen Luft- und Seeraum, territoriale Flugkörperabwehr, nukleare Teilhabe, Beitrag zum Schutz Kritischer Infrastruktur, militärische Weltraumnutzung sowie des militärischen Such- und Rettungsdienstes), sofern diese Aufgaben im Einzelfall nicht in multinationaler Verantwortung wahrgenommen bzw. durch die Operationsführung der NATO/EU weiter fortgesetzt werden.
Darin eingeschlossen sind alle vorbereitenden und planerischen Maßnahmen im Grundbetrieb.
Vierter Abschnitt
Die zivile Verteidigung als Teilbereich der Gesamtverteidigung
Erster Unterabschnitt
Die nationale zivile Verteidigung
- 18
- Aufgaben
- (1)
- Die zivile Verteidigung umfasst die Planung, Vorbereitung und Durchführung aller zivilen Maßnahmen, die zur Herstellung und Aufrechterhaltung der Verteidigungsfähigkeit einschließlich der Versorgung und des Schutzes der Zivilbevölkerung erforderlich sind. Dazu gehört,
- 1.
- die Staats- und Regierungsfunktionen aufrechtzuerhalten;
- 2.
- die Zivilbevölkerung vor den bei einem Angriff drohenden Gefahren zu schützen, die unmittelbaren Auswirkungen von Feindseligkeiten zu beseitigen oder zu mildern und die für das Überleben der Zivilbevölkerung notwendigen Voraussetzungen zu schaffen (Zivilschutz);
- 3.
- die Zivilbevölkerung und die Bundeswehr auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit den notwendigen Gütern und Leistungen zu versorgen;
- 4.
- die Streitkräfte bei der Herstellung und Aufrechterhaltung ihrer Verteidigungsfähigkeit und Operationsfreiheit zu unterstützen.
- (2)
- Die zivilen und militärischen Aspekte der Gesamtverteidigung reihen sich in die staatliche Sicherheitsarchitektur ein, die auch Maßnahmen und Vorkehrungen für friedenszeitliche Katastrophen und im Rahmen der Notfallvorsorge (z.B. bei Versorgungskrisen) umfasst und die u. a. auf den Ergebnissen der zivilen Sicherheitsforschung fußt. Die Planungen und Vorbereitungen für die zivile Verteidigung ergänzen die Planungen und Vorbereitungen für die friedensmäßige Krisenbewältigung, um nicht notwendige Doppelstrukturen zu vermeiden und durch bekannte und etablierte Verfahren die bruchfreie Funktionsfähigkeit zu gewährleisten.
- (3)
- Im Rahmen der Bündnisverteidigung werden die strategischen und konzeptionellen Vorgaben der Verteidigungsplanung der NATO bei der Ausgestaltung der nationalen zivilen Verteidigung berücksichtigt.
- 19
- Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktionen
- 19.1
- AllgemeinesDie Funktionen der Gesetzgebung, der Regierung und Verwaltung sowie der Rechtspflege müssen auch im äußeren Notstand ausgeübt werden können. Für die Durchführung der hierbei anfallenden Aufgaben ist eine besondere Organisation der staatlichen Organe und Behörden grundsätzlich nicht erforderlich. Vorgesehene organisatorische und funktionelle Veränderungen sowie begrenzte Verlängerungen von Wahlperioden und Amtszeiten sind im Weiteren dargestellt.
- 19.2
- Regelungen und Maßnahmen
- 19.2.1
- BundespräsidentDie im Verteidigungsfall ablaufende Amtszeit des Bundespräsidenten endet neun Monate nach Beendigung des Verteidigungsfalles.
- 19.2.2
- GesetzgebungBei der Wahrnehmung von Gesetzgebungsfunktionen durch die entsprechenden Organe sind nach dem Grundgesetz Veränderungen insoweit vorgesehen, als
- 1.
- während des Verteidigungsfalles ablaufende Wahlperioden des Bundestages und der Volksvertretungen der Länder sechs Monate nach Beendigung des Verteidigungsfalles enden;
- 2.
- für die Dauer des Verteidigungsfalles die Auflösung des Bundestages ausgeschlossen ist;
- 3.
- der Gemeinsame Ausschuss die Stellung von Bundestag und Bundesrat hat und einheitlich deren Rechte wahrnimmt, wenn er im Verteidigungsfall mit der Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens mit der Mehrheit seiner Mitglieder feststellt, dass dem rechtzeitigen Zusammentritt des Bundestages unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen oder dass dieser nicht beschlussfähig ist;
- 4.
- der Bund für den Verteidigungsfall das Recht der konkurrierenden Gesetzgebung auch auf den Sachgebieten hat, die zur Gesetzgebungszuständigkeit der Länder gehören.
- 19.2.3
- Rechtspflege
- (1)
- Die verfassungsmäßige Stellung und die Erfüllung der verfassungsmäßigen Aufgaben des Bundesverfassungsgerichtes und seiner Richter dürfen auch im Verteidigungsfall nicht beeinträchtigt werden. Das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht darf durch ein Gesetz des Gemeinsamen Ausschusses nur insoweit geändert werden, als dies auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Gerichtes erforderlich ist.
- (2)
- Bis zum Erlass eines solchen Gesetzes kann das Bundesverfassungsgericht die zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Gerichtes erforderlichen Maßnahmen treffen. Die im Verteidigungsfall ablaufende Amtszeit eines Mitgliedes des Bundesverfassungsgerichtes endet sechs Monate nach Beendigung des Verteidigungsfalles. Dem Sinn und Zweck dieser Regelungen entsprechend sind planerische Maßnahmen für den Verteidigungsfall in enger Abstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht vorzubereiten. Die Bundesregierung führt hierüber Gespräche mit dem Gericht.
- (3)
- Der Bund kann Wehrstrafgerichte für die Streitkräfte errichten, die im Verteidigungsfall als Bundesgerichte die Strafgerichtsbarkeit über Angehörige der Streitkräfte und nach dem III. Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über die Behandlung von Kriegsgefangenen übernehmen.
- (4)
- Die in den bundesgesetzlichen Vorschriften geregelte Organisation des zivilen Strafvollzugs bleibt unverändert. Organisatorische Maßnahmen werden nach den Vorschriften der Strafprozessordnung über den Strafausstand und des Strafvollzugsgesetzes über die Verlegung getroffen und durchgeführt.
- 19.2.4
- Regierung und Verwaltung
- (1)
- Die Landesbehörden unterstehen im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung den Weisungen der zuständigen Bundesbehörden unter den im Grundgesetz genannten Voraussetzungen.
- (2)
- In Erweiterung ihrer Funktionen kann die Bundesregierung im Verteidigungsfall, soweit es die Verhältnisse erfordern, außer der Bundesverwaltung auch den Landesregierungen und, wenn sie es für dringlich erachtet, den Landesbehörden Weisungen erteilen und diese Befugnis auf von ihr zu bestimmende Mitglieder der Landesregierungen übertragen.
- (3)
- Als Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Funktionen der Verwaltung können in Betracht kommen
- 1.
- eine Anpassung der Organisation und Funktion von Behörden inklusive ihrer Organisations-, Geschäftsverteilungs- und erforderlichenfalls Personalpläne, soweit
- a.
- neue Aufgaben zu erfüllen sind,
- b.
- bisherige Aufgaben verstärkt weitergeführt werden müssen,
- c.
- bisherige Aufgaben nicht oder nicht mehr im bisherigen Umfang erfüllt zu werden brauchen;
- 2.
- die Einstellung der Tätigkeit von Behörden und die Verlegung von Behörden im Verteidigungsfall; hierbei sowie über die hierzu erforderlichen Planungen und Vorbereitungen entscheiden
- a.
- im Bundesbereich die obersten Bundesbehörden bzw. für die nachgeordneten Verwaltungsebenen die zuständigen Aufsichtsbehörden,
- b.
- im Länderbereich die zuständigen Landesbehörden, für deren Entscheidung der Bund entsprechende Empfehlungen geben kann.
- 19.2.5
- Polizei des Bundes und der Länder
- (1)
- Stellung, Funktion und Aufgaben der Polizeien des Bundes und der Länder bleiben unverändert.
- (2)
- Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann ein Land Kräfte der Bundespolizei oder Polizeikräfte anderer Länder anfordern (Artikel 91 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG)).Ist das Land, in dem eine Gefahr im vorbezeichneten Sinne droht, nicht selbst zur Bekämpfung bereit oder in der Lage, kann die Bundesregierung die Bundespolizei einsetzen und Polizeikräfte dieses und anderer Länder ihren Weisungen unterstellen (Artikel 91 Absatz 2 Satz 1 GG). In diesem Fall hat die Bundespolizei auch Gefahren von der Allgemeinheit oder dem Einzelnen abzuwehren. Erstreckt sich die Gefahr im vorbezeichneten Sinne auf das Gebiet von mehreren Ländern, kann die Bundesregierung den Landesregierungen Weisungen erteilen, soweit dies zur wirksamen Bekämpfung der Gefahr erforderlich ist (Artikel 91 Absatz 2 Satz 3 GG).
- (3)
- Zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung kann ein Land in Fällen von besonderer Bedeutung Kräfte der Bundespolizei anfordern, wenn die Polizei ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen könnte (Artikel 35 Absatz 2 Satz 1 GG).
- (4)
- Zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall kann ein Land Polizeikräfte anderer Länder sowie Kräfte der Bundespolizei und der Streitkräfte anfordern (Artikel 35 Absatz 2 Satz 2 GG). Gefährdet die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall das Gebiet mehr als eines Landes, so kann die Bundesregierung, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, Kräfte der Bundespolizei und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen und den Landesregierungen die Weisung erteilen, Polizeikräfte anderen Ländern zur Verfügung zu stellen (Artikel 35 Absatz 3 GG).
- (5)
- Im Verteidigungsfall nach Artikel 115a GG kann die Bundesregierung die Bundespolizei nach Artikel 115 f GG im gesamten Bundesgebiet einsetzen, soweit es die Verhältnisse erfordern. Wie im Notstandsfall (siehe oben Absatz 2), hat die Bundespolizei in diesem Fall Gefahren von der Allgemeinheit und dem Einzelnen abzuwehren.
- 19.3
- Unterbringung und Schutz staatlicher Organe
- (1)
- Die Bundespolizei schützt die Verfassungsorgane des Bundes und die Bundesministerien gegen Gefahren, die die Durchführung ihrer Aufgaben beeinträchtigen. Voraussetzung dafür ist, dass die jeweiligen Verfassungsorgane oder Bundesministerien darum ersuchen und Einvernehmen zwischen dem BMI und dem betroffenen Land besteht, dass ein angemessener Schutz anderweitig nicht gewährleistet werden kann. Der Schutz beschränkt sich auf die Grundstücke, auf denen die jeweiligen Verfassungsorgane oder die Bundesministerien ihren Amtssitz haben.
- (2)
- Die Bundespolizei unterstützt das Auswärtige Amt beim Schutz deutscher Auslandsvertretungen.
- (3)
- Die staatlichen Organe, die Funktionen der Gesamtverteidigung wahrnehmen, sind insbesondere im äußeren Notstand so unterzubringen und so zu schützen, dass ihre möglichst ungehinderte Handlungsfähigkeit sichergestellt ist. Dies gilt in gleicher Weise auch für öffentliche Betriebe, sofern sie relevante Funktionen in der Gesamtverteidigung wahrnehmen. Regelungen zum Schutz und zum Betrieb notwendiger Ausweichsitze sowie zum geschützten Transport von Personen sind bereits in Friedenszeiten zu erstellen.
- (4)
- Zu diesem Zweck sind planerische, organisatorische sowie administrative Maßnahmen derart zu ergreifen, dass
- 1.
- diesen Organen in ausreichendem Maße geschützte Gebäude oder geschützte Funktionsräume innerhalb von Gebäuden zur Verfügung stehen;
- 2.
- die Organe in ausreichendem Maße auch bei Ausfall von Elementen der Kritischen Infrastruktur handlungsfähig sind;
- 3.
- der jeweilige Nutzungsbedarf an Liegenschaften für die zivile und die militärische Verteidigung gemäß einer regelmäßigen Bedrohungseinschätzung begründet wird;
- 4.
- je nach Gefährdung eine Verstärkung der Schutzmaßnahmen für bestimmte Personen angeordnet werden kann (Personenschutz).
- 19.4
- Medien
- (1)
- Zur Aufrechterhaltung staatlicher Funktionen im äußeren Notstand sind die Bundesregierung und die Landesregierungen auf die Mitwirkung der Medieneinrichtungen, insbesondere im Bereich des Rundfunks (Hörfunk und Fernsehen) sowie der digitalen Medien angewiesen.
- (2)
- Notwendige Bekanntgaben und Verkündungen sowie sonstige Verlautbarungen und Informationen müssen übermittelt werden können, gegebenenfalls im Wege des vereinfachten Verfahrens.
- (3)
- Es ist zu gewährleisten, dass die Sendeeinrichtungen von Rundfunkanstalten sowie die Übermittlungswege im erforderlichen Umfang verfügbar und funktionsfähig gehalten werden und dass die Rundfunkanstalten sowie die digitalen Plattformbetreiber mitwirken.
- (4)
- Die Deutsche Welle als Anstalt des öffentlichen Rechts hat der Bundesregierung aufgrund gesetzlicher Verpflichtung unverzüglich die erforderliche Sendezeit zur Bekanntgabe von Gesetzen, Verordnungen und Verlautbarungen einzuräumen.
- (5)
- Nach den Landes-Rundfunkgesetzen bzw. den zugrundeliegenden Staatsverträgen steht ein Verlautbarungsrecht entweder sowohl der Bundesregierung als auch der jeweiligen Landesregierung oder auch nur der jeweiligen Landesregierung zu.
- (6)
- Es ist sicherzustellen, dass amtliche Verlautbarungen der Bundesregierung bundesweit gesendet werden.
- (7)
- Elektronische und digitale Medien- und Kommunikationsformen, die zur Information über amtliche Verlautbarungen geeignet sind, werden ergänzend genutzt.
- (8)
- Die Presse ist zur Veröffentlichung amtlicher Erklärungen verpflichtet
- 1.
- bei bestimmten Verkündungen und Bekanntgaben nach dem Gesetz über vereinfachte Verkündungen und Bekanntgaben;
- 2.
- wenn die Verpflichtung ausdrücklich durch Bescheid auf der Grundlage des Bundesleistungsgesetzes ausgesprochen wird.
- 19.5
- Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung
- (1)
- Die öffentliche Sicherheit und Ordnung sind im äußeren Notstand grundsätzlich von den auch im Frieden zuständigen Behörden der Länder und des Bundes aufrechtzuerhalten. Dabei liegt die Zuständigkeit im Bereich der Gefahrenabwehr grundsätzlich bei den Ländern, soweit das Grundgesetz keine hiervon abweichende Regelung trifft.
- (2)
- Zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung kann ein Land in Fällen von besonderer Bedeutung Kräfte und Einrichtungen der Bundespolizei zur Unterstützung seiner Polizei anfordern, wenn die Polizei ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen könnte.
- (3)
- Im äußeren Notstand ist ein zusätzlicher Objektschutz zu betreiben. Zu schützen sind zivile Objekte, deren Ausfall die zivile Verteidigungsfähigkeit dauerhaft einschränken würde oder denen neben der zivilen auch eine militärische Bedeutung zukommt. Unbeschadet der Aufgaben der Bundespolizei im Notstands- und Verteidigungsfall sind hierzu:
- 1.
- die schutzbedürftigen zivilen Objekte aufgrund von Objekterfassungsrichtlinien von Bund und Ländern im Frieden zu erfassen;
- 2.
- zivile Objekte gegen zivile Störer durch die Polizeien der Länder und die Bundespolizei zu schützen; die Streitkräfte sind an dem Schutz der zivilen Objekte beteiligt, soweit dies zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages erforderlich ist oder ihnen aufgrund Vereinbarung mit den zuständigen zivilen Behörden der Schutz zur Unterstützung polizeilicher Maßnahmen übertragen wurde; die notwendige Vereinbarung steht unter dem Vorbehalt des Vorranges militärischer Verteidigungsaufgaben;
- 3.
- schutzbedürftige zivile Objekte von Bedeutung für die militärische Verteidigung (ZM-Objekte) in Friedenszeiten von der Bundeswehr im Benehmen mit den zivilen Behörden festzulegen. Der Schutz dieser Objekte obliegt in der Regel den Streitkräften.
- (4)
- Zur Aufrechterhaltung staatlicher Funktionen im äußeren Notstand ist die Bundesregierung auf sichere und zuverlässige Kommunikationssysteme für Verschlusssachen angewiesen. Mit der Weiterentwicklung der nationalen Krypto-Technologien in Form hochsicherer Kommunikation zum Schutz von Geheimnissen von Staat und Wirtschaft etabliert die Bundesregierung ein solches krisenresilientes und digital-souveränes Kommunikationssystem.
- (5)
- Digitale Kommunikationssysteme (inklusive IT-Netzwerke) und kritische Fachverfahren benötigen eine sichere und zuverlässige staatliche IT-Infrastruktur. Diese wird durch eine mehrfache voneinander unabhängige Bereitstellung von IT-Infrastruktur garantiert.
- 20
- Zivilschutz
- 20.1
- Allgemeines
- (1)
- Das Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (ZSKG) regelt die Aufgaben des Zivilschutzes, die von den Ländern in Auftragsverwaltung wahrgenommen werden.
- (2)
- Aufgabe des Zivilschutzes ist es, durch nichtmilitärische Maßnahmen die Bevölkerung, ihre Wohnungen und Arbeitsstätten, lebens- oder verteidigungswichtige zivile Dienststellen, Betriebe, Einrichtungen und Anlagen sowie das Kulturgut vor Kriegseinwirkungen zu schützen und deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern. Behördliche Maßnahmen ergänzen die Selbsthilfe der Bevölkerung.
- (3)
- Zur Mitwirkung bei der Erfüllung der Aufgaben nach dem ZSKG geeignet sind insbesondere der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG), das Deutsche Rote Kreuz (DRK), die Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) und der Malteser-Hilfsdienst (MHD).
- (4)
- Das DRK, die JUH und der MHD sind gleichsam freiwillige Hilfsgesellschaften im Sinne des Genfer Abkommens zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde. Sie nehmen damit auch Aufgaben zur Unterstützung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr wahr.
- (5)
- Planung, Vorbereitung und Durchführung von Zivilschutzmaßnahmen müssen sich nach den zu erwartenden Szenarien richten. Die operativen Möglichkeiten und Fähigkeiten im Zivilschutz müssen dementsprechend ausgerichtet und angepasst werden. Hiernach ist auch ein Schutz gegen Wirkungen konventioneller, chemischer, biologischer und/oder selektiv eingesetzter nuklearer Wirkmittel und Waffen außerhalb der unmittelbaren Umgebung angegriffener Ziele nötig.
- (6)
- Der Staat kann der verfassungsrechtlichen Schutzverpflichtung gegenüber den Bürgern jedoch nur mit deren Hilfe nachkommen. Staat und Bürger müssen den Zivilschutz gemeinsam tragen.
- (7)
- Eine Mitwirkung der Bevölkerung im Zivilschutz kann nur erfolgen, wenn sie ausreichend informiert ist. Um dies zu gewährleisten, hat der Staat bereits im Frieden geeignete Informationsmaßnahmen sowie Maßnahmen zur Steigerung der Resilienz durchzuführen. Diese Maßnahmen sind im Falle eines äußeren Notstandes noch zu verstärken. Behörden mit Aufgaben der zivilen Verteidigung haben sich in dieser Zeit auf ein erhöhtes Informationsbedürfnis der Bevölkerung einzustellen. Sie haben bei Bedarf Pressestellen einzurichten.
- (8)
- Notwendige Inhalte der Kommunikation an die Bevölkerung im Rahmen des Zivilschutzes haben sich insbesondere zu erstrecken auf
- 1.
- die Notwendigkeiten und Möglichkeiten des Zivilschutzes;
- 2.
- allgemeine Informationen über Sicherheits- und Verteidigungsmaßnahmen einschließlich Krisenbewältigung unter Beachtung der Schutzwürdigkeit operativer Einzelmaßnahmen;
- 3.
- notwendige Verhaltensweisen der Zivilbevölkerung, insbesondere im Hinblick auf Maßnahmen des Selbstschutzes, der Aufenthaltsregelung und der Gesundheitsvorsorge sowie auf freiwillige Lebensmittel- und Trinkwasserbevorratung;
- 4.
- im Rahmen des Möglichen Information der Zivilbevölkerung zur Unterstützung des familiären Zusammenhalts, der Wiederherstellung verlorener Familienkontakte und der Klärung von Vermisstenschicksalen;
- 5.
- aktuelle Informationen über die Lage durch die zuständigen Informationsstellen einschließlich der Warnung vor Desinformation und entsprechender Richtigstellung.
- (9)
- Der Zivilschutz ist regelmäßig dahingehend fortzuentwickeln, dass die rechtlichen Grundlagen zum Zivilschutz und zur Katastrophenhilfe unter dem Gesichtspunkt der bestmöglichen Wirksamkeit überarbeitet werden. Die nationalen Rechtsgrundlagen sind entsprechend auszugestalten und an aktuelle Herausforderungen anzupassen.
- (10)
- Der Zivilschutz ist in Übereinstimmung mit den Regelungen des humanitären Völkerrechts durchzuführen. Es ist insbesondere durch Trennung von militärischen Kampfhandlungen sicherzustellen, dass sowohl die Zivilschutzorganisationen als auch die Zivilbevölkerung den völkerrechtlich größtmöglichen Schutz erhalten.
- 20.2
- Schutzmaßnahmen
- 20.2.1
- Selbstschutz
- (1)
- Wegen der Möglichkeit des gleichzeitigen Eintritts von Schäden an einer Vielzahl von Orten können die Bürger nicht damit rechnen, dass überall sofort staatlich organisierte Hilfe geleistet werden kann. Sie müssen deshalb darauf vorbereitet sein, sich zunächst selbst zu helfen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Fertigkeiten auch Nachbarschaftshilfe zu leisten.
- (2)
- Eigenvorsorge und Eigenhilfe stellen den Selbstschutz der Zivilbevölkerung und den Selbstschutz in Betrieben und Behörden dar. Der Selbstschutz bildet die Grundlage des Zivilschutzes. Er bietet zusammen mit der Warnung der Bevölkerung bei geringem eigenem Aufwand einen Mindestschutz, durch den die Gefährdung der Zivilbevölkerung erheblich herabgesetzt werden kann.
- (3)
- Für Aufbau, Förderung und Anleitung der Bevölkerung zum Selbstschutz sowie Förderung des Selbstschutzes der Behörden und Betriebe gegen die besonderen Gefahren, die im Verteidigungsfall drohen, sind die Gemeinden verantwortlich. Sie haben insbesondere die Zivilbevölkerung über den Selbstschutz zu unterrichten, im Selbstschutz auszubilden und bei Selbstschutzmaßnahmen oder der Vorbereitung solcher Maßnahmen zu beraten.
- (4)
- Viele zu treffende Selbstschutzmaßnahmen nützen den Bürgern wie auch den Betrieben und Behörden auch bei Katastrophen oder Unglücksfällen im Frieden.
- 20.2.2
- Warnung vor Gefahren
- (1)
- Der Bund erfasst die besonderen Gefahren, die der Bevölkerung in einem Verteidigungsfall drohen. Die Durchführung der Warnung erfolgt durch die für Katastrophen zuständigen Behörden der Länder. Der Bund ergänzt die Warninfrastruktur, soweit die für den Katastrophenschutz erforderlichen Warnmittel für Zwecke des Zivilschutzes nicht ausreichen.
- (2)
- Als zentrale Infrastruktur für die Warnung der Bevölkerung betreibt der Bund das Modulare Warnsystem (MoWaS). Warnmeldungen werden hierüber an unterschiedliche Warnmultiplikatoren versandt. Länder und Kommunen können ebenfalls MoWaS für Warnungen in ihrem Kompetenzbereich nutzen.
- 20.2.3
- Physischer Schutz der Bevölkerung (Baulicher Bevölkerungsschutz)
- (1)
- Der moderne bauliche Bevölkerungsschutz fußt auf zwei Prämissen: militärische Abwehrfähigkeit gegenüber Angriffen aus der Luft und ein ergänzender behelfsmäßiger Schutz gegenüber Kollateralschäden.
- (2)
- Einen Grundschutz vor Kriegswaffeneinwirkungen bietet die flächendeckend vorhandene solide Bausubstanz. Auch im privaten Raum können zum Beispiel Kellerräume in Massivbauweise gute Deckungsmöglichkeiten bieten. Ebenso bieten Tiefgaragen oder U-Bahn-Stationen, die sich unterhalb der Erdoberfläche befinden, Schutz gegenüber Explosionen.
- (3)
- Ungeachtet dieser Ad-hoc-Möglichkeiten ergeben sich angesichts der üblichen Angriffsszenarien mit teils extrem kurzen Vorwarnzeiten veränderte Herausforderungen für den Schutz der Bevölkerung vor Waffenwirkungen, denen der Bevölkerungsschutz Rechnung tragen muss.
- 20.2.4
- Aufenthaltsregelung
- (1)
- Im äußeren Notstand können die obersten Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten oder nach Landesrecht zuständigen Stellen zum Schutze vor den besonderen Gefahren, die der Bevölkerung im Verteidigungsfall drohen, oder für Zwecke der Verteidigung Verlassens- und Betretungsverbote sowie Evakuierungsanordnungen erlassen.
- (2)
- Die Art der Maßnahmen ist davon abhängig, wie stark die Zivilbevölkerung in den jeweiligen Gebieten gefährdet ist. Grundsätzlich soll die Zivilbevölkerung an ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort bleiben.
- (3)
- Die Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände treffen die zur Durchführung der Evakuierung sowie zur Aufnahme und Versorgung der evakuierten Bevölkerung erforderlichen Vorbereitungen und Maßnahmen. Die zuständigen Bundesbehörden leisten die erforderliche Unterstützung, einschließlich der Herstellung und des Erhalts der Fähigkeit und der Ausstattung im Hinblick auf eine angemessene Betreuung.
- (4)
- Bei Evakuierungsmaßnahmen ist insbesondere darauf zu achten, dass Familien gemäß den Genfer Abkommen nicht getrennt werden sollten. Im Falle einer Trennung unterstützt der Suchdienst des DRK.
- 20.2.5
- Sicherstellung der Betreuung
- (1)
- Die Unterbringung und die Versorgung aller sich in Deutschland aufhaltenden unverletzten Menschen, die aufgrund von Kriegseinwirkungen wohnungslos geworden sind, ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen.
- (2)
- Der Bund ergänzt zu diesem Zweck die Ausstattung der Länder und hält eigene nationale Reserven für Strukturen des Betreuungsdienstes vor. Die modulare Struktur der Betreuungsreserve des Bundes für den Zivilschutz soll einen möglichst autarken Einsatz der Reserve ermöglichen.
- 20.2.6
- Schutz von Kulturgut
- (1)
- Die Bundesrepublik Deutschland hat sich nach der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut (1954) und ihrem zweiten Protokoll (1999) verpflichtet, bereits in Friedenszeiten geeignete Vorbereitungen zur Sicherung von Kulturgut gegen die absehbaren Folgen eines bewaffneten Konflikts zu treffen.
- (2)
- Angesichts der Vielzahl der Kulturguteinrichtungen in Deutschland und deren struktureller und inhaltlicher Vielfalt müssen zur Herstellung einer Fähigkeit, in angemessen kurzer Zeit auf Bedrohungen von Kulturgütern in bewaffneten Konflikten und alltäglichen Notsituationen reagieren zu können, unter Beachtung der Haager Konvention auf regionaler Ebene folgende Maßnahmen ergriffen werden:
- 1.
- Zusammenschluss der Kultureinrichtungen zu Notfallverbünden,
- 2.
- Intensivierung der Zusammenarbeit der Einrichtungen und der Notfallverbünde mit den örtlichen Organen der allgemeinen Gefahrenabwehr,
- 3.
- Inventarisierung der Kulturgüter,
- 4.
- Risikoanalysen zur Erkennung wichtiger Gefährdungspotentiale,
- 5.
- Identifikation von Kulturgütern, die im Sinne der Haager Konvention in bewaffneten Konflikten besonders gefährdet sind,
- 6.
- Priorisierung von Maßnahmen zur Kulturgutrettung in Abhängigkeit von der konkreten Gefahrenlage und in Absprache mit den für die Gefahrenabwehr zuständigen Behörden,
- 7.
- Erarbeitung individueller Schutzkonzepte und Planungen für Notfälle und zur Bewältigung von Gefahrenlagen.
- (3)
- Entsprechende Maßnahmen, wie z. B. Erfassung, Dokumentation und Kennzeichnung von bedeutsamen Bauwerken und Kultureinrichtungen und die Verfilmung/Digitalisierung oder eine anderweitige geeignete Sicherung von Archivalien, sind im Rahmen des Zivilschutzes von den Ländern in Bundesauftragsverwaltung durchzuführen. Die Schaffung dezentraler Bergungsräume liegt im Verantwortungsbereich der Länder.
- 20.3
- Hilfeleistungsmaßnahmen (Katastrophenschutz, Technisches Hilfswerk)
- (1)
- Die Selbsthilfe der Zivilbevölkerung ist durch öffentliche Hilfeleistungsmaßnahmen zu begleiten.
- (2)
- Für die Bekämpfung der Gefahren und Schäden sind soweit wie möglich
- 1.
- die für die friedensmäßige Gefahrenbekämpfung vorgehaltenen Katastrophenschutzeinheiten und -einrichtungen heranzuziehen;
- 2.
- die Ressourcen der öffentlichen und privaten Hilfsorganisationen und der in ihnen organisierten freiwilligen und ehrenamtlichen Helfer in Anspruch zu nehmen; die Mitwirkung der öffentlichen und privaten Organisationen bei der Erfüllung der Aufgaben des Zivilschutzes und der Katastrophenhilfe sowie die Rechte und Pflichten der Helfer richten sich nach den landesrechtlichen Vorschriften für den Katastrophenschutz.
- (3)
- Der Bund ergänzt die Vorhaltungen der Länder für den Katastrophenschutz (Katastrophenhilfe) und stellt dafür Ressourcen des Bundes zur Verfügung. Art und Umfang der Ergänzung legt das BMI auf Bundesebene in Abhängigkeit von der Bedrohungsbewertung fest.
- (4)
- Zudem gewährleistet der Bund die notwendige Ausbildung an den von ihm zur Verfügung gestellten Einsatzmitteln.
- (5)
- Die Länder stellen sicher, dass die vom Bund zur Verfügung gestellte Ausstattung einsatzbereit ist, sowie dass die die Bundesausstattung nutzenden Einsatzkräfte gemäß Bundesvorgaben ertüchtigt sind. Die Länder stellen ebenfalls sicher, dass die zur Ausstattung gehörigen strategischen und taktischen Konzepte (z. B. Rahmenkonzept für die Aufstellung und den Einsatz der Medizinischen Task Force) in ihrem Zuständigkeitsbereich umgesetzt werden.
- (6)
- Die Bundesausstattung ist, soweit zulässig und möglich, bereits im Frieden in die Gefahrenabwehr zu integrieren. Die vom Bund bereitgestellten Fahrzeuge und die technische Ausstattung stehen deshalb auch für den Katastrophenschutz der Länder zur Verfügung und verfolgen damit einen Doppelnutzen.
- (7)
- Wegen ihrer großen Bedeutung für den Schutz der Zivilbevölkerung ist für die Katastrophenschutzaufgabe ein wirksames Management einzurichten, das
- 1.
- durch schnelle Entscheidungsabläufe und eine stabsmäßige Organisation gekennzeichnet ist,
- 2.
- möglichst schadensnah und durch die Behörden der allgemeinen Verwaltung auf der Kreisstufe einzurichten ist, die in der Regel über ausreichende Mittel der Gefahrenabwehr verfügen und die die regionalen Ressourcen am besten kennen und ausschöpfen können,
- 3.
- auf die nächsthöhere Verwaltungsebene verlagert werden kann, soweit und solange die Behörden der allgemeinen Verwaltung unmittelbar selbst betroffen sind.
Allen Verwaltungsebenen gemeinsam ist die Notwendigkeit einer abgestimmten Führungs- und Krisenmanagementstruktur sowie Überlegungen zu einer veränderten Gefahren- und Risikobewertung im Krisenfall. Diese gilt es zentral und ressort- wie ebenenübergreifend bundesweit vergleichbar zu regeln. - (8)
- Das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern (GMLZ) im BBK ist das nationale Lagezentrum für den Zivil- und Katastrophenschutz. Das GMLZ ist eine zentrale Schnittstelle zwischen Bund und Ländern, Bundesressorts, der Bundesrepublik Deutschland und anderen Staaten sowie inter- und supranationalen Organisationen.
- (9)
- Das Technische Hilfswerk (THW) ist eine Zivilschutzorganisation mit eigenem Verwaltungsunterbau im Geschäftsbereich des BMI. Das THW ist die operative Einsatzorganisation des Bundes. Als solche betreibt das THW im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) auch Lager für die Nationale Reserve Gesundheitsschutz (NRGS) und die Notfallreserve Zivilschutz. Mit seinem modularen Aufbau ist das THW mit seinen Fähigkeiten und Kapazitäten bundesweit flexibel einsetzbar. Im gemeinsamen Hilfeleistungssystem von Bund und Ländern leistet der Bund mit den freiwilligen und ehrenamtlichen Helfern des THW technische Unterstützung, insbesondere
- 1.
- auf Ersuchen von für die Gefahrenabwehr zuständigen Stellen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sowie
- 2.
- auf Anforderung oberster Bundesbehörden, wenn das BMI zustimmt.
Die technische Unterstützung umfasst insbesondere- 1.
- technische Hilfe im Zivilschutz,
- 2.
- Einsätze und Maßnahmen im Ausland im Auftrag der Bundesregierung,
- 3.
- die Bekämpfung von Katastrophen, öffentlichen Notständen und Unglücksfällen größeren Ausmaßes auf Anforderung der für die Gefahrenabwehr zuständigen Stellen sowie
- 4.
- Unterstützungsleistungen und Maßnahmen im Sinne der Nummern 1 bis 3, die das THW durch Vereinbarung übernommen hat.
- (10)
- Im Gesetz über das Technische Hilfswerk (THWG) werden die Einzelheiten zu Einsatzkräften und Einrichtungen, Helfern, zur sozialen Sicherung, Mitwirkung sowie zu Gebühren und Auslagen geregelt.
- (11)
- Darüber hinaus kann die Bundespolizei für Zwecke der Katastrophen- und Notfallhilfe eingesetzt werden.
- (12)
- Die vom Bund und den Ländern institutionell geförderten Forschungseinrichtungen tragen im Rahmen ihrer fachlichen Kompetenzen zum Informationsmanagement für den Katastrophenschutz bei.
- 20.4
- Gesundheitliche Versorgung
- 20.4.1
- Allgemeines
- (1)
- Die Gesundheitsversorgung der Zivilbevölkerung ist sicherzustellen.
- (2)
- Das weitgehend auf die Normalversorgung im Frieden ausgerichtete Gesundheitswesen wird nur dann in der Lage sein, sowohl eine plötzlich anfallende große Anzahl von Patienten über einen längeren Zeitraum gleichzeitig zu behandeln, als auch Einschränkungen der Funktionalität der Einrichtungen und Dienste der gesundheitlichen Versorgung zu bewältigen, wenn den Anforderungen entsprechender Szenarien und Konzepte (Massenanfall von Verletzten bzw. Erkrankten (MANV) oder Störungen der Infrastruktur) entsprochen wird.
- (3)
- Dies setzt voraus, dass katastrophenmedizinische Vorgaben und eine entsprechende Führungsstruktur in den Krankenhäusern und Diensten für die katastrophenmedizinische Versorgung als öffentliche Aufgabe des Gesundheitswesens landesgesetzlich für die Katastrophenbewältigung im Frieden und bundesgesetzlich für den Verteidigungsfall geregelt, umgesetzt und beübt werden. Ein koordiniertes Krisenmanagement für ein optimiertes Zusammenwirken aller Akteure im gesundheitlichen Bevölkerungsschutz ist sicherzustellen.
- (4)
- Die gesundheitliche Versorgung der Zivilbevölkerung ist Aufgabe der Länder. Sie haben im Frieden dafür zu sorgen, dass jederzeit bei Großschadenslagen und Katastrophen aller Art eine medizinische Erstversorgung am Schadensort geleistet wird und nach Abtransport von der Schadensstelle die Aufnahme und ärztliche und pflegerische Versorgung der Patienten in den Einrichtungen der stationären und ambulanten Versorgung vorgenommen werden kann. Dazu muss die Zusammenarbeit zwischen allen Einrichtungen und Diensten des Gesundheitswesens untereinander und mit den Katastrophenschutzbehörden und -einrichtungen nach bundeseinheitlichen Vorgaben geplant, geübt und vorbereitet sein. Auch im Bereich der stationären und ambulanten Pflege können organisierte Hilfsmaßnahmen zur Versorgung und Verlegung erforderlich sein.
- (5)
- Maßnahmen der Länder zur gesundheitlichen Versorgung der Zivilbevölkerung für Katastrophen müssen durch Maßnahmen zur gesundheitlichen Versorgung im Rahmen des Zivilschutzes nach bundeseinheitlichen Vorgaben ergänzt werden. Art und Umfang der Aufgaben sowie die Verpflichtung der Träger und Inhaber der Einrichtungen des Gesundheitswesens und ihrer Verbände zur notwendigen Mitwirkung sind, aufbauend auf den Regelungen der Länder über die gesundheitliche Versorgung in Katastrophenfällen, durch bundesgesetzliche Regelung festzulegen.
- 20.4.2
- Vorbereitungen
- (1)
- Die Länder haben ergänzende Maßnahmen zur gesundheitlichen Versorgung im Verteidigungsfall zu planen. Sie ermitteln insbesondere die Nutzungs-, Erweiterungs- und Ersatzmöglichkeiten (z. B. temporäre Behandlungseinrichtungen) der vorhandenen Einrichtungen und Dienste sowie den voraussichtlichen personellen und materiellen Bedarf. Dabei werden auch mögliche CBRN-Gefahren berücksichtigt. Mit den für die Gesundheitsversorgung der Bundeswehr zuständigen Stellen ist eng zusammenzuarbeiten. Die Mitwirkung aller Akteure des gesundheitlichen Bevölkerungsschutzes, z. B. auch der Gesundheitsämter, bei der Planung ist sicherzustellen. Dazu wirken die gesetzlichen Berufsvertretungen der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker und der Pflegeberufe, die Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen sowie die Träger der Einrichtungen der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung und ihre Verbände bei der Planung und Bedarfsermittlung mit und unterstützen die Behörden.
- (2)
- Die Träger von Krankenhäusern sollen zur Aufstellung und Fortschreibung von Einsatz- und Alarmplänen für die gesundheitliche Versorgung verpflichtet werden. Diese Pläne berücksichtigen sowohl eine Überlastung der Behandlungskapazitäten (MANV), Bedarfe für die Behandlung der Folgen möglicher CBRN-Gefahren als auch Einschränkungen der Funktionalität des Krankenhauses. Maßnahmen sind so auszurichten, dass eine Krisenversorgung unter allen Umständen aufrechterhalten wird.
- (3)
- Die Veterinärämter sollen zur Aufstellung und Fortschreibung von Plänen für die Tierseuchenbekämpfung verpflichtet werden.
- (4)
- Der Bund stellt den Ländern für die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung im Verteidigungsfall ergänzend Sanitätsmaterial zur Verfügung. Dieses steht den Ländern für ihre Aufgaben im Bereich des Katastrophenschutzes zusätzlich zur Verfügung. Die Länder können das Sanitätsmaterial in ihre Katastrophenschutzvorsorge einplanen.
- (5)
- Das BMI kann im Einvernehmen mit dem BMG durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anordnen, dass für den äußeren Notstand ausreichend Sanitätsmaterial von Herstellungsbetrieben, Großhandlungen sowie öffentlichen und Krankenhausapotheken vorgehalten wird, um die Deckung von zusätzlichem Bedarf im Verteidigungsfall sicherzustellen.
- (6)
- Der Bund baut eine Nationale Reserve Gesundheitsschutz (NRGS) auf, die auch mögliche CBRN-Gefahren berücksichtigt.
- (7)
- Der Bund fördert die Qualifizierung der Bevölkerung
- 1.
- in Erster Hilfe mit Selbstschutzinhalten und
- 2.
- zur Vermittlung von grundlegenden pflegerischen Kompetenzen zu Pflegeunterstützungskräften
durch die im Zivilschutz mitwirkenden privaten Organisationen. - 20.4.3
- Erweiterung der EinsatzbereitschaftNach Freigabe durch die Bundesregierung können die zuständigen Landesbehörden anordnen, dass
- 1.
- Einrichtungen der gesundheitlichen Versorgung ihre Leistungsfähigkeit auf die Anforderungen im Verteidigungsfall umzustellen, zu erweitern und ihre Einsatzbereitschaft herzustellen haben,
- 2.
- den für den Katastrophenschutz zuständigen Behörden die Rettungsleitstellen ihres Bereiches unterstellt werden und, dass diese die ihnen zugeordneten Dienste in ständiger Einsatzbereitschaft zu halten und unter ärztlicher Leitung die Belegung von stationären Einrichtungen zu regeln haben,
- 3.
- jede der stationären Behandlung dienende Einrichtung der zuständigen Rettungsleitstelle anzuschließen ist.
- 21
- Gesundheitsschutz
- (1)
- Soweit bei Maßnahmen des Gesundheitsschutzes Gesundheitsrecht des Bundes anzuwenden ist, enthalten insbesondere das Infektionsschutz-, Arzneimittel- und das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch, das Strahlenschutzgesetz und das Betäubungsmittelgesetz Vorschriften, die Flexibilität bei der Ausführung der dem Schutz der Zivilbevölkerung und der Bundeswehr vor Gesundheitsgefahren dienenden Vorschriften ermöglichen.
- (2)
- Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist auch im äußeren Notstand unverändert anwendbar.
- 22
- Versorgung der Zivilbevölkerung und der Bundeswehr mit Gütern und LeistungenDie Versorgung der Bundeswehr und der Zivilbevölkerung mit Gütern und Leistungen in Krisensituationen erfolgt grundsätzlich nach Maßgabe der Sicherstellungs- und Vorsorgegesetze. Versorgungskrisen erfordern eine schnelle, effiziente und flexible Reaktion.
- 22.1
- Sicherstellung der Ernährung
- 22.1.1
- Allgemeines
- (1)
- Im Rahmen der Daseinsvorsorge unterstützt der Staat in einer Versorgungskrise die Grundversorgung der Zivilbevölkerung und der Bundeswehr mit lebensnotwendigen Lebensmitteln über regulierende Eingriffe in die Lebensmittelkette.
- (2)
- Dies ist möglich, wenn die Deckung des lebensnotwendigen Bedarfs an Lebensmitteln in wesentlichen Teilen des Bundesgebietes ernsthaft gefährdet ist und diese Gefährdung ohne hoheitliche Eingriffe in den Markt nicht, nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln zu beheben ist.
- (3)
- In die Rechte des Einzelnen und der Unternehmen in der Lebensmittelkette kann nach Feststellung der Versorgungskrise durch die Bundesregierung nach dem Ernährungssicherstellungs- und -vorsorgegesetz (ESVG) nur dann und nur in dem Umfang eingegriffen werden, wie die Versorgungslage es erfordert.
- (4)
- Der Selbstversorgungsgrad bei Lebensmitteln liegt im Bundesgebiet bei knapp unter 90 Prozent (ohne Erzeugung aus Auslandsfutter etwa 5 Prozent niedriger). Allerdings unterscheidet sich die Höhe des Selbstversorgungsgrades bei den einzelnen Erzeugnissen teilweise stark. Bei bestimmten Produkten ist die Bundesrepublik Deutschland kein Selbstversorger; insbesondere bei Obst und Gemüse, pflanzlichen Ölen und Fetten sowie bei Eiweißfuttermitteln ist der durch Einfuhren zu deckende Zuschussbedarf hoch.
- (5)
- In einer Krise und im Verteidigungsfall muss mit einem Rückgang der Einfuhren, insbesondere der Überseeimporte, aber auch mit Störungen bei der Produktion und Verteilung von Lebensmitteln gerechnet werden. Die Konzentration und die Spezialisierung in der Land- und Ernährungswirtschaft sowie die Abhängigkeit von Transportleistungen, Digitalisierung, ausländischen Arbeitskräften und von Vorleistungen anderer Wirtschaftszweige (z. B. Energie, landwirtschaftliche Maschinen und Geräte, Dünge- und Pflanzenschutzmittelindustrie, Verpackungsindustrie) erhöhen die Störanfälligkeit der Versorgung.
- (6)
- Soweit die Versorgungslage es zeitlich zulässt, setzt sich die Bundesregierung mit den übrigen EU-Mitgliedstaaten über die zur Ernährungssicherstellung erforderlichen Maßnahmen vor deren Einleitung ins Benehmen, um durch gemeinsames Vorgehen zu verhindern, dass das Funktionieren des europäischen Binnenmarktes durch die Maßnahmen beeinträchtigt wird.
- 22.1.2
- Staatliche Ernährungsnotfallvorsorge
- (1)
- Das Ziel aller Planungen zur Ernährungsnotfallvorsorge ist, die Zivilbevölkerung und die Bundeswehr in einer Versorgungskrise angemessen mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Hierzu treffen die zuständigen Behörden die notwendigen organisatorischen, personellen und materiellen Vorkehrungen.
- (2)
- Soweit es zur Vorsorge für eine Versorgungskrise geboten ist, kann das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) durch Rechtsverordnungen Vorschriften u. a. zum Vorhalten von Lebensmitteln, Betriebsmitteln oder Geräten zur Notstromversorgung und zu einer geordneten Abgabe von Lebensmitteln (ggf. Rationierung) erlassen. Zudem können die für die Ernährungsnotfallvorsorge zuständigen Behörden zur besseren Vorsorge für eine Versorgungskrise auf Grundlage einer Verordnung zur Datenübermittlung von anderen Behörden bereits zu anderen Zwecken erhobene Daten über Strukturen der Agrar- und Ernährungswirtschaft anfordern.
- (3)
- Zur Sicherstellung der Versorgung in einer Versorgungskrise kann das BMEL durch Rechtsverordnungen regulierend in die gesamte Lebensmittelkette, von der Herstellung bis zur Verteilung von Lebensmitteln, eingreifen. Bis zum Erlass entsprechender Rechtsverordnungen können die zuständigen Behörden, die zur Sicherstellung der Versorgung notwendigen Maßnahmen anordnen. Die Bundesregierung prüft einen ggf. notwendigen Erlass von Rechtsverordnungen auf Basis des ESVG.
- (4)
- Auf Grundlage der von den zuständigen Behörden in den Ländern getroffenen Maßnahmen zur Vorsorge für eine Versorgungskrise sind in einer Versorgungskrise unter Einbindung und in Abstimmung mit den Verantwortlichen der Bundeswehr, der Ernährungswirtschaft, dem Katastrophenschutz und den Hilfsorganisationen die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung sowie die gerechte Verteilung von Lebensmitteln anzuordnen bzw. auf Grundlage der entsprechenden Verordnungen zu treffen.
- 22.1.3
- Staatliche VorratshaltungZur Überbrückung von Versorgungsengpässen und zur vorübergehenden ergänzenden Verpflegung bevorratet der Bund, dezentral verteilt über das gesamte Bundesgebiet, gewisse Mengen an Agrarrohstoffen und Lebensmitteln:
- 1.
- Bundesreserve GetreideDie Bundesreserve Getreide dient der Sicherstellung der Mehl- und Brotversorgung und besteht aus Brotgetreide (Weizen, Roggen) sowie Hafer.
- 2.
- Zivile Notfallreserve des BundesMit der zivilen Notfallreserve des Bundes soll die Bevölkerung insbesondere in Ballungsgebieten bei unzureichender Verpflegungslage über einen gewissen Zeitraum mit einer warmen Mahlzeit am Tag versorgt werden können. Die zivile Notfallreserve besteht aus gebrauchsfertigen Grundnahrungsmitteln (Reis, Hülsenfrüchte, Kondensmilch).
- 3.
- Um die operative Handlungsfähigkeit im Einsatz sicherzustellen, bevorratet die Bundeswehr einen Einsatzvorrat Verpflegung.
Die Lagerstandorte unterliegen aus Gründen der passiven Sicherheit der Geheimhaltung. - 22.1.4
- Private VorsorgeDie staatliche Ernährungsvorsorge trägt dazu bei, kurzfristig Versorgungsengpässe in Krisensituationen zu überbrücken. Sie bedarf jedoch einer ergänzenden privaten Ernährungsnotfallvorsorge. Diese ist das wirksamste Mittel zur Vorsorge für eine Versorgungskrise. Auf private Vorräte können die Bürger jederzeit und sofort zurückgreifen. Die Förderung von Maßnahmen zur Verbesserung des Selbstschutzes durch die Bevölkerung ist deshalb nach dem ESVG Aufgabe von Bund und Ländern. Bürger sollen einen individuell zusammengestellten privaten Lebensmittelvorrat für zehn Tage vorhalten.
- 22.2
- Sicherstellung von Leistungen der gewerblichen Wirtschaft
- 22.2.1
- Allgemeines
- (1)
- Auch im äußeren Notstand ist der lebens- und verteidigungswichtige Bedarf an Gütern und Leistungen für die Zivilbevölkerung und die Bundeswehr durch die gewerbliche Wirtschaft zu decken. Dies umfasst
- 1.
- alle Warenlieferungen mit Ausnahme von Erzeugnissen aus dem Ernährungsbereich;
- 2.
- die gesamte Energieversorgung;
- 3.
- Werkleistungen, soweit sie nicht dem Verkehrsbereich zuzuordnen sind, insbesondere Instandsetzungsleistungen.
- (2)
- Zur Sicherstellung dieser Leistungen ist daher grundsätzlich an die bestehenden Friedensstrukturen (ordnungspolitischer Rahmen) anzuknüpfen, die u. a. dadurch gekennzeichnet sind, dass die Entscheidungs- und Lenkungsmechanismen der sozialen Marktwirtschaft dezentralisiert sind und damit auch in einer Krise eine optimale Versorgung gewährleisten.
- (3)
- Staatliche Eingriffe dürfen nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit vorgenommen werden. Diese Maßnahmen sind zudem so zu gestalten, dass in die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung nur so wenig wie möglich eingegriffen und die Leistungsfähigkeit der Gesamtwirtschaft möglichst wenig beeinträchtigt wird. Dabei ist im Einzelnen zu berücksichtigen, dass
- 1.
- zu starke staatliche Eingriffe in die gewachsenen Strukturen, vor allem, wenn sie schlagartig einsetzen, die krisenausgerichtete Anpassung und Verteilung tendenziell eher hemmen als fördern können;
- 2.
- staatliche Produktionseingriffe nur selten die gewünschte Wirkung erzielen dürften, weil die Wirtschaft Produktionsumstellungen häufig nur mit längeren Vorlaufzeiten vornehmen kann;
- 3.
- staatliche Organe und Behörden aufgrund ihrer im Frieden bewusst begrenzten Aufgabenstellung nicht ohne Weiteres imstande wären, selbst in größerem Maßstab unternehmerische Funktionen auszuüben.
- (4)
- Da somit Verteidigungsfähigkeit im äußeren Notstand nicht zwangsläufig Planwirtschaft oder allgemeine Bewirtschaftung bedeutet und außerdem für die gewerbliche Wirtschaft keine jedes Versorgungsrisiko abdeckenden staatlichen Krisenpläne möglich sind, haben sich die staatlichen Vorkehrungen schwerpunktmäßig zu erstrecken auf
- 1.
- die Sicherstellung und Steuerung der Informationsverbreitung;
- 2.
- die Aufrechterhaltung eines Mindestmaßes an Telekommunikationsinfrastruktur;
- 3.
- das Bereitstellen rechtlicher Eingriffsmöglichkeiten, mit denen im äußeren Notstand der Vorrang von solchen Warenlieferungen und Werkleistungen insbesondere zur Wartung, Instandsetzung und zugehörige Zulieferungen durchgesetzt werden kann, die der Herstellung und Aufrechterhaltung der militärischen und zivilen Verteidigungsfähigkeit dienen.
- (5)
- Zur Abstimmung nationaler Krisenmaßnahmen in der Europäischen Union siehe Ziffer 22.1.1 (6).
- 22.2.2
- Energieversorgung
- (1)
- Zur Sicherstellung der Treibstoffversorgung im äußeren Notstand kann an den bereits für zivile Versorgungsstörungen in Friedenszeiten weit ausgebauten Vorsorgemechanismus grundsätzlich angeknüpft werden.
- (2)
- Von primärer Wichtigkeit für die Treibstoffversorgung sind die Vereinbarungen im internationalen Bereich. Die Bundesrepublik Deutschland ist in die Krisenmechanismen der Internationalen Energieagentur und der Europäischen Union eingebunden.
- (3)
- National besteht ein umfangreiches Instrumentarium auf der Grundlage des Energiesicherungsgesetzes, der auf ihm beruhenden Verordnungen und ggf. des Erdölbevorratungsgesetzes. Es stellt für einen bestimmten Zeitraum einerseits die Bevorratung mit Mineralölprodukten sicher und lässt andererseits die Einschränkung des Verbrauchs von Mineralölprodukten zu, soweit die Versorgungssituation dies erfordert. Für den äußeren Notstand sind zur Durchsetzung verteidigungswichtiger Prioritäten zusätzlich besondere Verordnungen auf der Grundlage des Wirtschaftssicherstellungsgesetzes erlassen worden.
- (4)
- Zur Sicherung der Mineralölversorgung hat der Erdölbevorratungsverband aufgrund gesetzlicher Regelung Vorräte für 90 Tage der Mineralölnettoimporte zu halten. Hinzu kommen die von Industrie und Handel gehaltenen operativen Bestände, die für einen Zeitraum die Verfügbarkeit von Mineralöl und Mineralölprodukten gewährleisten.
- (5)
- Die Bundesregierung hat für zivile Versorgungsstörungen gemeinsam mit der Mineralölwirtschaft ein Krisenmanagement entwickelt. In ihm wirken Staat und Wirtschaft auf kooperativer Basis zusammen, um die Ölversorgung sicherzustellen. Soweit eine Eigenbevorratung der Bundeswehr nicht vorgesehen ist, sollen die militärischen Bedarfe mitberücksichtigt werden.
- (6)
- Die auf dem Wirtschaftssicherstellungsgesetz beruhende Mineralölbewirtschaftungsverordnung bildet die Grundlage, um Maßnahmen auf diesem Gebiet den veränderten Strukturen in Mineralölwirtschaft und -verbrauch anzupassen sowie die Instrumentarien zur Aufrechterhaltung der Ölversorgung im äußeren Notstand zu verbessern. Zugleich ist eine weitgehende Harmonisierung der Vorsorgesysteme nach dem Energiesicherungsgesetz und dem Wirtschaftssicherstellungsgesetz, durch die eine deckungsgleiche Gestaltung der Ölkrisenvorsorge ermöglicht wird, erfolgt.
- (7)
- Für die Versorgung mit Elektrizität und Heizenergieträgern2 sind alle erforderlichen Sicherungs- und Lenkungsmaßnahmen aufgrund entsprechender Verordnungen über die Lastverteilung zu ergreifen. Die Verordnungen werden auf Grundlage des Wirtschaftssicherstellungsgesetzes erlassen bzw. bestehen bereits und müssen im äußeren Notstand für anwendbar erklärt werden.
- 22.2.3
- Warenlieferungen und Werkleistungen
- (1)
- Zur Gewährleistung der Verteidigungsfähigkeit hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im äußeren Notstand durch rechtzeitige Anwendung der Wirtschaftssicherstellungsverordnung die vorrangige und krisenangepasste Abwicklung bereits bestehender Verträge einschließlich der dazugehörenden Zulieferungen zu bewirken.
- (2)
- Die rechtzeitige Auswahl solcher Verträge und ihre Einordnung nach Prioritäten sind bereits im Frieden vorzubereiten. Hierbei sind im Zusammenwirken mit dem BMVg auch internationale Verträge zu berücksichtigen, die für den Erhalt der Einsatzreife entsprechender Rüstungsgüter erforderlich sind.
- (3)
- Zur Gewährleistung der Verteidigungsfähigkeit trägt das BMVg durch Abschluss von Verträgen mit der gewerblichen Wirtschaft dafür Sorge, dass eine geeignete Vorratshaltung von Ersatzteilen – insbesondere solcher mit langen Beschaffungslaufzeiten – etabliert wird.
- (4)
- Bei entsprechender Zunahme der wirtschaftlichen Störungen und der Verteidigungserfordernisse müssen Behörden des Bundes und der Länder, schrittweise auch die Behörden der allgemeinen Verwaltung auf der Kreisstufe, durch die Wirtschaftssicherstellungsverordnung ermächtigt werden, verteidigungsnotwendige Prioritäten durch behördlichen Einzeleingriff durchzusetzen.
- (5)
- Im Rahmen von zu erlassenden Einzelrichtlinien des BMWK sind diese Behörden dann abgestuft nach der erforderlichen Intensität der Eingriffe z. B. befugt, einzelne Warenlieferungen und Instandsetzungsleistungen für Verteidigungszwecke zu beschleunigen, abzuändern oder neu anzuordnen. Sie müssen gegebenenfalls auch ermächtigt werden anzuordnen, dass bestimmte Warenproduktionen oder -lieferungen unterbleiben oder Instandsetzungsleistungen für andere als Verteidigungszwecke nicht ausgeführt werden dürfen. Im Rahmen dieser Bundesauftragsverwaltung ist auf allen Ebenen dafür Sorge zu tragen, dass solche Einzelanordnungen sich nicht gegenseitig stören und nicht indirekt andere verteidigungswichtige Wirtschaftsabläufe beeinträchtigen oder vereiteln. Um diesem Ziel möglichst nahe zu kommen, wird die Mitwirkung der gewerblichen Wirtschaft in einer solchen Situation unerlässlich sein.
- (6)
- Erst wenn in einer verschärften Krise auch bei nichtgewerblichen Endabnehmern das Angebot für bestimmte Waren der gewerblichen Wirtschaft gedrosselt werden muss und ähnlich wie vor allem bei Nahrungsmitteln der Gesichtspunkt einer gerechten Verteilung unabweisbar wird, hat das BMWK gemäß der Wirtschaftssicherstellungsverordnung u. a. die amtliche Bewirtschaftung mit Bezugsscheinen für solche Waren einzuführen. Sie ist mit einem entsprechenden Abgabezwang für die gewerblichen Verkäufer zu koppeln.
- (7)
- Die Bundesregierung wird anordnen, dass Versorgungskarten als Kontrolldokumente, die dem unberechtigten Empfang von Bezugsscheinen entgegenwirken sollen, zusammen mit den Lebensmittelkarten an jede natürliche Person ausgegeben werden.
- (8)
- Regelungen der Preisfestsetzung und des Preisstopps sind nur im äußersten Bedarfsfall zu treffen. Sie sind schwer zu überwachen und können dazu führen, dass vorhandene Ware dem Markt entzogen wird.
- 22.2.4
- VorratshaltungEine Vorratshaltung in der gewerblichen Wirtschaft kann nach der Ermächtigung im Wirtschaftssicherstellungsgesetz bereits im Frieden für Zwecke der Verteidigung angeordnet werden.
- 22.2.5
- Bereitstellung von Gerät und LeistungenDie gewerbliche Wirtschaft hat nach dem Bundesleistungsgesetz z. B. Kraftfahrzeuge, IT-Infrastrukturen und -dienstleistungen, Bau- und Depotgeräte sowie Umschlagsleistungen für Zwecke der militärischen und zivilen Verteidigung im Bedarfsfall zur Verfügung zu stellen, um die laufenden Verteidigungskosten im Frieden zu senken. Durch Bereitstellungsbescheide sind die Unternehmen bereits im Voraus über Art und Umfang ihrer möglichen späteren Inanspruchnahme unterrichtet.
- 22.2.6
- Entsorgungs- und KreislaufwirtschaftDie Leistungen der Entsorgungs- und Kreislaufwirtschaft sind auch im Krisenfall, insbesondere zum Schutz der Zivilbevölkerung vor Seuchen zu erbringen. Dazu sind Priorisierungskonzepte hinsichtlich der vorrangigen Entsorgungsgebiete sowie zu entsprechend aufnahmefähigen Zwischenlagerstätten für Abfälle zu entwickeln.
- 22.3
- Sicherstellung der Wasserversorgung
- (1)
- Die Versorgung der Zivilbevölkerung und der Bundeswehr mit Wasser ist auch im äußeren Notstand unbedingt zu gewährleisten. Der Bund prüft eine ggf. notwendige Anpassung des Wassersicherstellungsgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften.
- (2)
- Für den Fall, dass die vorhandenen Wasserversorgungssysteme durch Schadensereignisse im äußeren Notstand beeinträchtigt werden oder ausfallen sollten, muss eine hinreichende Wasser-Notversorgung sichergestellt sein. Diese Notversorgung hat sich schwerpunktmäßig auf die Deckung des lebensnotwendigen Bedarfs an Trinkwasser zu erstrecken.
- (3)
- Wegen des großen Zeitbedarfs sind die Vorsorgemaßnahmen bereits im Frieden zu planen und durchzuführen. Auf der Grundlage entsprechender Planungen können Inhaber von Wasserversorgungsanlagen und Gemeinden durch Verpflichtungsbescheid der zuständigen Behörden zu Vorsorgemaßnahmen nach Maßgabe des Wassersicherstellungsgesetzes verpflichtet werden. Hierzu gehören insbesondere,
- 1.
- Härtungsmaßnahmen durch Modernisierung von Anlagen, Schaffung von Redundanzen (z. B. Verlegung von Verbundleitungen), Beschaffung von mobilen Komponenten (z. B. mobile Aufbereitungsanlagen) oder zusätzliche Ausstattung (z. B. Notstromaggregate) zur Aufrechterhaltung der leitungsgebundenen Versorgung;
- 2.
- Instandhaltung oder bei berechtigtem Interesse Neubau von Notbrunnen als Redundanz zur leitungsgebundenen Versorgung.
- (4)
- Die Vorsorgemaßnahmen sind nach einem vom Bund im Benehmen mit den Ländern aufgestellten Schwerpunkt- und Prioritätenprogramm unter Berücksichtigung eines raumdeckenden Bedarfs der Bundeswehr zu verwirklichen.
- (5)
- Neben den Maßnahmen zur Notversorgung mit Trinkwasser sind auch andere wasserwirtschaftliche Vorsorgemaßnahmen durchzuführen. Hierzu gehören insbesondere Maßnahmen zur
- 1.
- Versorgung mit Betriebswasser im unentbehrlichen Umfang;
- 2.
- Deckung des Bedarfs an Löschwasser;
- 3.
- Ableitung und Behandlung des Abwassers zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren;
- 4.
- Sicherung von Speicheranlagen.
- 22.4
- Sicherstellung des Verkehrs
- 22.4.1
- Allgemeines
- (1)
- Im äußeren Notstand ist sicherzustellen, dass die Verkehrsmittel und die Verkehrsinfrastruktur entsprechend den Erfordernissen zur Deckung des Bedarfs an lebens- und verteidigungswichtigen Verkehrsleistungen insbesondere für die Zivilbevölkerung und die Wirtschaft sowie für die Bundeswehr eingesetzt werden können. Die erforderlichen Maßnahmen (Planung, Vorbereitung und Durchführung) sind auf nationaler und internationaler Ebene zu treffen. Verkehre mit Übersee und anderen Ländern sind von besonderer Bedeutung und durch internationale Abmachungen sicherzustellen.
- (2)
- Wenn die friedensmäßigen Möglichkeiten des Verkehrswesens nicht mehr ausreichen, sind auf der Grundlage des Verkehrssicherstellungsgesetzes und des Bundesleistungsgesetzes ausgleichende, lenkende und schützende Maßnahmen der Vorhaltung und Instandsetzung zu treffen. Diese Maßnahmen dienen insbesondere zur Regelung der Benutzung und des Betriebes von Verkehrsmitteln, -wegen, -anlagen und -einrichtungen sowie zur Lenkung der Beförderung von Personen und Gütern, des Umschlags und der An- und Abfuhr. Dabei dürfen die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Beteiligten und die Leistungsfähigkeit der Gesamtwirtschaft nicht stärker beeinträchtigt werden, als dies im übergeordneten Verteidigungsinteresse notwendig ist.
- (3)
- Die Versorgung der Bundeswehr mit Gütern und Leistungen im Bedarfsfalle durch Nutzung ziviler Verkehrsmittel, -leistungen und -einrichtungen muss gewährleistet sein. Ausreichende Verkehrsleistungen zur Unterstützung der Bundeswehr bei Einsätzen auf Grund internationaler Vereinbarungen sind – bei Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen – über das Verkehrsleistungsgesetz zu sichern. Für die verkehrlichen Erfordernisse im äußeren Notstand sowie zur Setzung von Prioritäten hat das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) organisatorische Vorbereitungen zu treffen.
- 22.4.2
- Straßenverkehr und Straßenbau
- (1)
- Die vorhandenen Nutzfahrzeuge des Straßenverkehrs sind besonders zu erfassen und einzuplanen, um sie im äußeren Notstand bestmöglich einsetzen zu können. Hierzu sind Vorbereitungen zu treffen, um
- 1.
- den örtlichen Straßenpersonen- und Straßengüterverkehr in dem erforderlichen Umfang abwickeln zu können;
- 2.
- lebenswichtige Güterbeförderungen auf der Straße durch die Transportorganisation des Bundes (TOB) und durch die Transportorganisationen der Länder (TOL) sicherzustellen;
- 3.
- den erhöhten Bedarf bestimmter ziviler Bedarfsträger an Kraftfahrzeugen und Verkehrsleistungen decken zu können. Hierzu ist der zivile und der militärische Bedarf nach besonderen Richtlinien zu ermitteln und aufeinander abzustimmen.
Zur Erreichung dieser Ziele können u.a. unter den Voraussetzungen des Bundesleistungsgesetzes bereits in Friedenszeiten Maßnahmen getroffen werden. - (2)
- Für den Straßenverkehr im äußeren Notstand können verkehrslenkende Maßnahmen getroffen werden. Sie dienen insbesondere der
- 1.
- Durchführung lebens- und verteidigungswichtiger ziviler und militärischer Transporte;
- 2.
- Unterstützung bestimmter Maßnahmen der Aufenthaltsregelung.
Hierfür sind in Friedenszeiten ein Militärstraßengrundnetz bzw. Militärstraßenortsnetz sowie ein Hauptzivilstraßengrundnetz festzulegen. - (3)
- Aufgrund der Verordnung zur Sicherstellung des Straßenverkehrs
- 1.
- kann der Individualverkehr mit Personenkraftwagen und Krafträdern eingeschränkt werden;
- 2.
- kann der Einsatz von Nutzfahrzeugen erforderlichenfalls einer Erlaubnis unterworfen werden;
- 3.
- kann das Verkehrsangebot zur Beförderung von Personen im öffentlichen Nahverkehr dem Bedarf angepasst werden.
- (4)
- Die Funktionsfähigkeit des Straßennetzes ist den Erfordernissen im äußeren Notstand entsprechend im Rahmen des Möglichen sicherzustellen. Dabei ist davon auszugehen, dass das engmaschige Straßennetz ausreichend ist und der lebens- und verteidigungswichtige Straßenverkehr mit einem geringeren Standard der Straßen auskommen wird. Der im äußeren Notstand zu erwartende sonstige zivile Straßenverkehr muss darüber hinaus weitere Einschränkungen in der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs hinnehmen. Bei baulichen Änderungen von zivilen Straßen, die Teil des Militärstraßengrundnetzes bzw. Militärstraßenortsnetzes sind, ist eine Beteiligung der Bundeswehr als Träger öffentlicher Belange notwendig.
- (5)
- Zur Instandsetzung beschädigter Straßenbrücken, die für Zwecke der Gesamtverteidigung erforderlich sind, ist schnell montierbares Festbrückengerät vorzuhalten. Zur Überquerung von Wasserstraßen sind außerdem Ersatzübergangsstellen einzurichten und geeignetes Gerät vorzuhalten.
- (6)
- Die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Straßennetzes und dessen Instandsetzung in Schadensfällen bleibt auch im äußeren Notstand Aufgabe der jeweils zuständigen Baulastträger. Soweit Instandsetzungsmaßnahmen nicht durch eigene Kräfte durchgeführt oder im Wege der Vergabe durch Fachfirmen ausgeführt werden können, sind erforderliche Werkleistungen nach dem Bundesleistungsgesetz oder dem Wirtschaftssicherstellungsgesetz anzufordern. Prioritäten bei der Bauinstandsetzung sind bei Bedarf zwischen den zivilen und militärischen Stellen abzustimmen.
- 22.4.3
- Eisenbahnverkehr
- (1)
- Die Eisenbahnen können nach Maßgabe der Verordnung zur Sicherstellung des Eisenbahnverkehrs Verkehrsleistungen, insbesondere das Zugangebot sowie die Beförderung von Personen und Gütern, beschränken.
- (2)
- Notwendige Maßnahmen zur Sicherstellung des Bedarfs der Bundeswehr erstrecken sich insbesondere auf Verkehrsleistungen der Eisenbahnen nach Maßgabe der Verordnung über Verkehrsleistungen der Eisenbahnen für die Streitkräfte. Danach sind derartige Verkehrsleistungen bis zur Grenze der Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen zu erbringen, wenn und soweit die Bundeswehr dies fordert. Den Interessenausgleich zwischen militärischen und zivilen Forderungen veranlasst das BMDV oder die von ihm bestimmte Behörde unter Beteiligung der Bundeswehr. Bei baulichen Änderungen von zivilen Eisenbahnverkehrsanlagen, die Teil des Militäreisenbahngrundnetzes sind, ist eine Beteiligung der Bundeswehr als Träger öffentlicher Belange notwendig.
- (3)
- Wichtige Infrastrukturkomponenten, betriebswichtige Einrichtungen und Anlagen sowie Verkehrsmittel sind durch geeignete Vorsorge- und Schutzmaßnahmen zu sichern. Dies gilt vor allem für Eisenbahnbrücken im Zuge von Strecken, die für Zwecke der Gesamtverteidigung erforderlich sind. Das für eine beschleunigte Instandsetzung von Anlagen und Einrichtungen notwendige Material ist in einem wirtschaftlich vertretbaren Umfang vorzuhalten.
- 22.4.4
- Binnenschifffahrt, Wasserstraßen und Binnenhäfen
- (1)
- Entsprechend ihrem großen Anteil an der Beförderung von Importgütern aus Übersee ist die Funktionsfähigkeit der Binnenschifffahrt im äußeren Notstand zu erhalten.
- (2)
- Für die Binnenschifffahrt gelten nach Maßgabe der Verordnung zur Sicherstellung des Binnenschiffsverkehrs im äußeren Notstand insbesondere Meldepflichten, Erlaubnispflichten für bestimmte Fahrten und Regelungen für den Güterumschlag.
- (3)
- Schutzmaßnahmen für Binnenschiffe sind mit den Regierungen der Nachbarländer abzustimmen.
- (4)
- Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes und die zuständigen Landesbehörden haben jeweils die Wasserstraßen mit ihren Kunstbauten betriebsfähig zu halten. Dabei sind Vorkehrungen gegen die Gefahr von Dammbrüchen und zur Beseitigung von Hindernissen in den Wasserstraßen zu treffen.
- 22.4.5
- Seeschifffahrt und Seehäfen
- (1)
- Die Abhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland von überseeischen Importen erfordert eine leistungsfähige Seeschifffahrt. Es ist sicherzustellen, dass die Seeschifffahrt im äußeren Notstand Transporte zur Versorgung mit lebens- und verteidigungswichtigen Gütern in dem notwendigen Umfang durchführen kann.
- (2)
- Der Seeverkehr ist im äußeren Notstand vor Beeinträchtigungen verschiedenster Art zu schützen. Hierzu dient ein kombiniertes System eigener Schutzvorkehrungen der Seeschiffe und staatlicher Schutz- und Lenkungsmaßnahmen auf der Grundlage der Verordnung zur Sicherstellung des Seeverkehrs sowie besonderer Planungen im Bündnis.
- (3)
- Der Umschlag der Überseegüter über Seehäfen und andere geeignete Umschlagseinrichtungen des Inlandes und des benachbarten Auslandes ist sicherzustellen. Die materiellen Voraussetzungen hierfür sind durch die Bereitstellung von Umschlagsanlagen und -geräten zu schaffen.
- 22.4.6
- Zivilluftfahrt
- (1)
- Entsprechend der jeweiligen Lageentwicklung kann der zivile Flugverkehr im äußeren Notstand nach Maßgabe der Verordnung zur Sicherstellung des Luftverkehrs eingeschränkt werden. In dem Luftraum über dem Bundesgebiet kann das BMDV bei Bedarf Gebiete mit Flugbeschränkungen festlegen.
- (2)
- Das BMDV kann bei Bedarf Flugplatzbetreibern bestimmte Betriebspflichten auferlegen, einschränken oder anlassbezogen anpassen, um vorrangigen Luftverkehr abfertigen zu können, und sie zur Durchführung bestimmter Luftverkehre zu verpflichten.
- (3)
- Es ist sicherzustellen, dass unter Einbeziehung der erforderlichen Flugplätze zivile Luftfahrtunternehmen lebens- und verteidigungswichtige Transporte im notwendigen Umfang durchführen können.
- (4)
- Für die Erhaltung der Einsatzbereitschaft der Lang- und Mittelstreckenflugzeuge sind geeignete Schutzmaßnahmen zu treffen.
- (5)
- Die zivile Flugsicherung ist an die besonderen Bedingungen eines Verteidigungsfalles anzupassen. Hierfür sind bereits im Frieden Vorbereitungen zu treffen. Soweit es die Erfüllung des Verteidigungsauftrages im äußeren Notstand erfordert, wird sich die Bundeswehr eng mit der zivilen Flugsicherung abstimmen. Zur Ermöglichung von Kampfhandlungen der Streitkräfte wird der an den Kampfhandlungen nicht teilnehmende Flugverkehr unter Umsetzung von militärischen Erwägungen zu kontrollieren sein.
- 22.4.7
- Wetterdienst
- (1)
- Der Deutsche Wetterdienst hat seine Aufgaben auch im äußeren Notstand weiterzuführen.
- (2)
- Die Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Wetterdienst und dem Geoinformationsdienst der Bundeswehr ist im Bedarfsfall zwischen dem BMDV und dem BMVg sicherzustellen.
- (3)
- Die übliche Veröffentlichung meteorologischer Informationen ist, soweit notwendig, im äußeren Notstand einzuschränken oder einzustellen. Gleiches gilt auch für Maßnahmen zur Einrichtung und zum Betrieb des Naturgefahrenportals (NGP). Die Weitergabe der vorgenannten Informationen an militärische und zivile Führungsstellen ist sicherzustellen.
- 22.5
- Schutz vor Bedrohungen aus dem Cyberraum und Herstellung digitaler Souveränität
- (1)
- Das höchste Schutzniveau ist im staatlichen Bereich (im In- und Ausland) und in der Wirtschaft zu gewährleisten. Im staatlichen Bereich ist Resilienz (u.a. durch Redundanz) und die Fähigkeit zur Koordinierung von Maßnahmen zur Schadensbeseitigung und Wiederherstellung beeinträchtigter Systeme im Krisenfall sicherzustellen. Ein ganzheitliches Cyberlagebild, das alle maßgeblichen Akteure einbindet, ist kontinuierlich zu erstellen. Aggressive Cyberaktivitäten müssen frühzeitig erkannt und laufende Angriffe rasch abgewehrt werden können. Schnelle Reaktionsteams sind, auch durch die Betreiber Kritischer Infrastruktur, vorzuhalten und staatlicherseits zu unterstützen und die Zusammenarbeit zu üben.
- (2)
- Der Bedeutung weltraumgestützter Dienste für die Zwecke der Verteidigung und der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wird Rechnung getragen. Für diese Zwecke wird eine verstärkte Nutzung weltraumgestützter Dienste angestrebt und wo möglich Alternativen zu weltraumgestützten Datenverbindungen vorgehalten.
- 22.6
- Sicherstellung der Postversorgung und der Telekommunikation
- 22.6.1
- Allgemeines
- (1)
- Die Mindestversorgung mit Telekommunikationsdiensten und Postdienstleistungen ist auch im äußeren Notstand und zur Erfüllung von Bündnisverpflichtungen zu sichern.
- (2)
- Der nötige Zugang zum Funkfrequenzspektrum für die Bundeswehr ist vorzuhalten.
- 22.6.2
- Postversorgung
- (1)
- Postunternehmen haben bestimmte von ihnen erbrachte Postdienstleistungen auch im äußeren Notstand für staatliche und kommunale Stellen sowie Postbevorrechtigte zu erbringen. Die hierfür erforderlichen Annahmestellen sind in angemessenem Umfang aufrechtzuerhalten.
- (2)
- Postunternehmen haben die von der Bundeswehr betriebene Postversorgung ihrer Angehörigen und Einheiten im Einsatz (Feldpost) durch Postdienstleistungen zu unterstützen.
- 22.6.3
- Telekommunikationssicherstellung
- (1)
- Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste sowie Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze müssen die wesentlichen von ihnen erbrachten Dienstleistungen auch im äußeren Notstand aufrechterhalten. Dies gilt auch für Vermeidung drohender bzw. Beseitigung eingetretener Netzüberlastungen.
- (2)
- Zudem ist im äußeren Notstand für staatliche Stellen und weitere Telekommunikationsbevorrechtigte eine vorrangige Bereitstellung und Entstörung von Anschlüssen und Übertragungswegen sowie die vorrangige Herstellung von Mobilfunkverbindungen sicherzustellen.
- (3)
- Mit Erklärung des äußeren Notstandes tritt die besondere Frequenzverordnung für den Spannungs- und Verteidigungsfall gemäß Telekommunikationsgesetz in Kraft. Mit dieser besonderen Frequenzverordnung wird die Aufgabenwahrnehmung der Bundeswehr, verbündeter Streitkräfte sowie der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben in Bezug auf Telekommunikationsdienste und das Frequenzspektrum sichergestellt. Zudem soll sie sicherstellen, dass die notwendigen Frequenzressourcen zur Aufrechterhaltung der wesentlichen Dienstleistungen (wie insbesondere Telefonie und die Übermittlung von Warnungen) soweit möglich verfügbar bleiben.
- 23.
- Sicherstellung des Personalbedarfs
- 23.1
- Allgemeines
- (1)
- Zur Durchführung der vielfältigen Aufgaben im äußeren Notstand muss das notwendige haupt- und ehrenamtliche Personal in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen.
- (2)
- Bis zu einer Anpassung der gesetzlichen Grundlagen gelten nachfolgende Bestimmungen.
- (3)
- Im Spannungs- oder Verteidigungsfall leben die Pflichtdienste für Wehrpflichtige nach dem Wehrpflichtgesetz (§2 WPflG) wieder auf.
- (4)
- Zur Vorbereitung von Einberufungen und Heranziehungen übermitteln die Meldebehörden im Spannungs- oder Verteidigungsfall dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr die erforderlichen Daten (§ 15 WPflG).
- (5)
- Der Bedarf an Arbeits-, Dienst- und sonstigen Personalleistungen ist unter Zugrundelegung des auch im äußeren Notstand fortbestehenden Grundrechts der freien Wahl des Berufes und des Arbeitsplatzes zunächst auf freiwilliger Basis zu decken. Nur wenn dies nicht oder nicht rechtzeitig möglich ist, können gemäß Arbeitssicherstellungsgesetz bestimmte staatliche Lenkungsmaßnahmen durchgeführt werden.
- 23.2
- Arbeitsleistungen
- (1)
- Gemäß der Verordnung über die Feststellung und Deckung des Arbeitskräftebedarfs nach dem Arbeitssicherstellungsgesetz (ArbSV) soll der zur Sicherstellung von Arbeitsleistungen im äußeren Notstand voraussichtliche Bedarf an Arbeitskräften im Frieden ermittelt werden, soweit dies nach dem Stand der Vorbereitung der zivilen und militärischen Verteidigung möglich und zur späteren Sicherstellung von Arbeitsleistungen in diesen Fällen erforderlich ist.
- (2)
- Der Bedarf wird von den Betrieben und Dienststellen ermittelt, bei denen er im äußeren Notstand entsteht. Auf dem Gebiet der gesundheitlichen Versorgung ist sicherzustellen, dass
- 1.
- die nach Landesrecht zuständigen Behörden den voraussichtlichen Arbeitskräftebedarf zu ermitteln haben;
- 2.
- die Bundesregierung ermächtigt wird, durch Rechtsverordnung, soweit nicht anderweitig gesetzlich geregelt, eine Meldepflicht der nicht berufstätigen Angehörigen der Gesundheitsberufe einzuführen.
- (3)
- Der ermittelte Bedarf ist bei den Agenturen für Arbeit anzumelden.
- (4)
- Zur Deckung des angemeldeten Bedarfs sind zunächst alle Möglichkeiten der Arbeitsvermittlung und des freien Arbeitsmarktes zu nutzen. Kann der Arbeitskräftebedarf dadurch nicht oder nicht rechtzeitig gedeckt werden, sind nach Anwendbarkeit des Arbeitssicherstellungsgesetzes staatliche Lenkungsmaßnahmen zulässig, wonach
- 1.
- Arbeitnehmer im Alter vom vollendeten 18. Lebensjahr bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze sowie private Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis im Anwendungsbereich des Arbeitssicherstellungsgesetzes nur mit Zustimmung der Agentur für Arbeit beenden dürfen, zivile Arbeitskräfte der Bundeswehr nur mit Zustimmung der durch Rechtsverordnung bestimmten Dienststelle der Bundeswehrverwaltung;
- 2.
- die Agenturen für Arbeit Wehrpflichtige in ein Arbeitsverhältnis im Anwendungsbereich des Arbeitssicherstellungsgesetzes verpflichten können. Frauen im Alter von 18 bis 55 Jahren dürfen jedoch erst im Verteidigungsfall und dann auch nur in das zivile Gesundheitswesen sowie in die ortsfeste militärische Lazarettorganisation verpflichtet werden.
- (5)
- Die Bundesregierung kann bei Anwendbarkeit des Arbeitssicherstellungsgesetzes dessen Anwendungsbereich, der sich auf die Bundeswehr und die verbündeten Streitkräfte sowie auf den öffentlichen Dienst, das Gesundheitswesen, den Zivilschutz, die Wasser- und Energieversorgung, Ernährungsunternehmen, das Postwesen und die Telekommunikation sowie das Verkehrswesen beschränkt, durch Rechtsverordnung auf andere Bereiche erweitern, insbesondere wenn dies zur Durchführung lebens- und verteidigungswichtiger Aufgaben geboten ist.
- (6)
- Die zur Vorbereitung und Durchführung der Arbeitssicherstellungsmaßnahmen notwendige Zusammenarbeit der Bundesagentur für Arbeit mit den fachlich zuständigen Bundes- und Landesbehörden ist durch Rechtsverordnung der Bundesregierung zu regeln.
- 23.3
- Arbeitsrecht
- (1)
- Es ist sicherzustellen, dass die Arbeitsverhältnisse auch im äußeren Notstand soweit wie notwendig und möglich aufrechterhalten werden.
- (2)
- Im Interesse der Erledigung von lebens- und verteidigungswichtigen Aufgaben können Arbeitnehmer verpflichtet werden,
- 1.
- Mehrarbeit oder Sonn- und Feiertagsarbeit in erweitertem Umfang oder
- 2.
- eine andere Art der Arbeit oder die Arbeit an einem anderen Ort zu erbringen.
- (3)
- Änderungen des Arbeitsrechts zu Lasten der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber müssen sich neben dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz an die Grenzen der Zumutbarkeit halten.
- 23.4
- Dienstrecht
- (1)
- Beamte können im äußeren Notstand auch ohne ihre Zustimmung zu einem anderen Dienstherrn abgeordnet oder zur Dienstleistung bei über- oder zwischenstaatlichen zivilen Dienststellen verpflichtet werden. Ihnen können in diesem Fall grundsätzlich auch Aufgaben übertragen werden, die nicht ihrem Amt oder ihrer Laufbahnbefähigung entsprechen, sofern ihnen die Übernahme nach ihrer Vor- und Ausbildung und im Hinblick auf die Ausnahmesituation zumutbar ist.
- (2)
- Beamte sind verpflichtet, für Zwecke der Verteidigung über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus ohne besondere Vergütung Dienst zu tun. Für die Mehrbeanspruchung wird ein Freizeitausgleich nur gewährt, soweit es die dienstlichen Erfordernisse gestatten.
- 23.5
- Personalbedarf für Hilfeleistungen
- (1)
- Der Personalbedarf für Hilfeleistungen ist abhängig von der örtlichen Gefahrenlage und Schadenssituation.
- (2)
- Männer und Frauen vom vollendeten 18. bis zum vollendeten 60. Lebensjahr können verpflichtet werden, bei der Bekämpfung der besonderen Gefahren und Schäden, die im Verteidigungsfall drohen, Hilfe zu leisten, sofern die vorhandenen Kräfte nicht ausreichen.
- 23.6
- Zumutung von Gefahren und Erschwernissen
- (1)
- Arbeitnehmer im Anwendungsbereich des Arbeitssicherstellungsgesetzes haben im äußeren Notstand bei ihrer Tätigkeit, soweit sie den Zwecken des Gesetzse dient, Gefahren und Erschwernisse auf sich zu nehmen, die nach den Umständen und den persönlichen Verhältnissen des einzelnen Arbeitnehmers zumutbar sind. Gleiches gilt für im Dienst befindliche Beamte.
- (2)
- Unzumutbar ist eine konkrete Gefahr für Leben oder Gesundheit. Eine Verpflichtung zur Weiterarbeit während einer konkreten Gefahr besteht nur bei Vorhandensein von geschützten Funktionsräumen am Arbeitsplatz oder von sonstigen gleichwertigen Schutzmöglichkeiten.
- (3)
- Etwas anderes gilt für spezielle Beamtengruppen (z. B. Angehörige der Polizei), denen besondere Aufgaben der Gefahrenabwehr obliegen. Diese müssen eine gewisse Selbstgefährdung in Kauf nehmen, wenn dies im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben erforderlich und im Einzelfall zumutbar ist. Die nach den Umständen möglichen Schutzvorkehrungen sind zu treffen. Abwägungsmaßstab ist die Fürsorgepflicht des Dienstherrn.
- 23.7
- Personalausgleich
- (1)
- Das zur Verfügung stehende Personal ist nach der Dringlichkeit des Bedarfs zu verteilen, wenn es nicht ausreicht, den Bedarf zu decken.
- (2)
- Zum Ausgleich des personellen Kräftebedarfs für die Aufgaben der Bundeswehr einerseits und zur Erfüllung im öffentlichen Interesse insbesondere der zivilen Verteidigung liegender notwendiger Aufgaben andererseits
- 1.
- können Wehrpflichtige für den Wehrdienst sowie Dienstleistungspflichtige für Dienstleistungen unabkömmlich gestellt werden. Bereits im Frieden können Dienstleistungspflichtige unabkömmlich gestellt werden, u. a. wenn sie für die Erhaltung und Fortführung des Betriebes ihres Arbeitgebers oder die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung ihrer Dienstbehörde unentbehrlich sind;
- 2.
- werden wehrpflichtige Angehörige des Polizeivollzugsdienstes für die Dauer ihrer Zugehörigkeit zum Polizeivollzugsdienst nicht zum Wehrdienst herangezogen;
- 3.
- ist zwischen der Bundeswehr und den Bedarfsträgern der zivilen Gesundheitsversorgung die vorhandene Zahl an
- a.
- Ärzten, Zahnärzten, Psychologischen Psychotherapeuten, Tierärzten und Apothekern gemäß einer Vereinbarung zwischen den zuständigen Bundesministerien,
- b.
- sonstigen Angehörigen ärztlicher und nicht-ärztlicher Berufe sowie an Pflegeunterstützungskräften und Kriseninterventions-Helfern durch Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung im Anschluss an eine vom Bund für diesen Personenkreis festzulegenden gesetzlichen Meldepflicht
für die im Verteidigungsfall jeweils durchzuführenden Aufgaben angemessen zu verteilen. - 24
- Sicherstellung von Sozialleistungen
- (1)
- Die öffentlichen Sozialleistungen sind soweit wie möglich auch im äußeren Notstand weiter zu gewähren.
- (2)
- Von besonderer Bedeutung ist dabei die Existenzsicherung für bestimmte Fälle (z. B. Krankheit, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, Pflegebedürftigkeit, Arbeitslosigkeit, Sicherstellung von Wohnraum) sowie die Kriegsopferversorgung.
- (3)
- Nach Vorliegen der hierzu zu erlassenden Rechtsvorschriften sind entsprechende Vorbereitungen zu treffen.
- 25
- Unterstützung der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte im äußeren Notstand
- 25.1
- Allgemeines
- (1)
- Neben der Versorgung mit Gütern und Leistungen erhält die Bundeswehr zur Herstellung und Aufrechterhaltung ihrer Einsatzbereitschaft und Operationsfreiheit im äußeren Notstand besondere Unterstützung durch die zivile Seite.
- (2)
- Die verbündeten Streitkräfte und militärische NATO-Einrichtungen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erhalten auf Basis der durch Deutschland eingegangen Verpflichtungen gegenüber der NATO Unterstützung unter anderem im Rahmen des NATO-Truppenstatuts und dessen Zusatzabkommen.
- 25.2
- Unterstützungsleistungen
- (1)
- Die militärische Verteidigung operationalisiert die für sie relevanten Unterstützungsleistungen, die nach Maßgabe der zivilen Grundanforderungen drei Handlungsstränge umfassen:
- 1.
- Zusammenwirken mit Behörden und Gesetzgebung;
- 2.
- Führung;
- 3.
- Militärische Fähigkeitsbeiträge und Infrastruktur.
- (2)
- Die zivile Verteidigung hat im äußeren Notstand die Bundeswehr und verbündete Streitkräfte nach Maßgabe der NATO-Forderungen zu unterstützen, indem
- 1.
- auf dem Gebiet der Ernährung die Deckung des lebensnotwendigen Bedarfs an Lebensmitteln und Futtermitteln sichergestellt wird;
- 2.
- die Deckung des lebensnotwendigen Bedarfs an Trinkwasser sichergestellt wird;
- 3.
- zur militärischen Ausbildung und Unterbringung von Personal sowie Lagerung von militärischem Material zusätzlich erforderliche und geeignete zivile Infrastruktur im Rahmen freier Kapazitäten zur Verfügung gestellt wird;
- 4.
- im Bereich der gewerblichen Wirtschaft (außer der allgemeinen Versorgung) in besonderen Bedarfsfällen Waren und Leistungen zur Verfügung gestellt werden;
- 5.
- die Versorgung mit Energie, Medien und Treibstoffen gewährleistet wird;
- 6.
- im Verkehrsbereich
- a.
- die Straßenverkehrs- und Straßenbaubehörden sowie die Polizei bei der Lenkung bzw. Regelung des militärischen Straßenverkehrs durch die Bundeswehr mitwirken; dabei ist zu berücksichtigen, dass die deutschen und verbündeten Streitkräfte in Anwendung der Sonderrechte der Straßenverkehrsordnung Vorrang im Straßenverkehr in Anspruch nehmen können;
- b.
- zivile Verkehrsmittel, -leistungen und -einrichtungen in besonderen Bedarfsfällen zur Verfügung stehen; der lebenswichtige zivile Verkehrsbedarf ist sicherzustellen;
- c.
- sichergestellt wird, dass die See- und Binnenschifffahrt sowie zivile Luftfahrt- und Landtransportunternehmen verteidigungswichtige Transporte durchführen;
- d.
- sichergestellt wird, dass bereits vor dem Eintritt des äußeren Notstandes Maßnahmen zur Unterstützung militärischer Verlegungen eigener und verbündeter Streitkräfte (Military Mobility) greifen; dazu sind die geeigneten rechtlichen, materiellen und personellen Rahmenbedingungen zu schaffen;
- 7.
- die Bereiche Postwesen und Telekommunikation sichergestellt werden, insbesondere
- a.
- Postsendungen mit besonderer Bedeutung für die Bundeswehr/die Beteiligungsgesellschaften im Ressortvermögen schnell und sicher zugestellt werden;
- b.
- zusätzliche, nicht vorausplanbare Anforderungen zur Telekommunikationsversorgung der Bundeswehr, deren Telekommunikationsverbindungen sich weitgehend auf die öffentlichen Telekommunikationsnetze der Netzbetreiber abstützen, vorrangig gedeckt werden;
- c.
- die Nutzung zivil zugeteilter Frequenzen, nach Maßgabe des Telekommunikationsgesetzes, vorübergehend eingeschränkt wird, wenn diese Frequenzen von der Bundeswehr zur Bewältigung ihrer Aufgaben benötigt werden;
- 8.
- auf dem Gebiet des Informationswesens
- a.
- die Behörden der allgemeinen Verwaltung die ihrer jeweiligen Ebene entsprechenden militärischen Stellen über Ereignisse von militärischer Bedeutung unterrichten;
- b.
- warndienstliche Informationen über chemische, biologische, radiologische und nukleare Gefahrenereignisse den militärischen Stellen übermittelt werden;
- c.
- meteorologische Informationen an militärische Führungsstellen weitergegeben werden;
- 9.
- die Gesundheitsversorgung der Bundeswehr durch Dritte (z. B. gewerbliche Wirtschaft, anerkannte Hilfsorganisationen, Krankenhausträger) unterstützt wird; dies umfasst beispielsweise die Belieferung mit Sanitätsmaterial sowie die Unterstützung beim Transport und der sektorübergreifenden Patientenbehandlung.
- (3)
- Die zivile Verteidigung unterstützt die Bundeswehr bei der Herstellung und Aufrechterhaltung ihrer Verteidigungsbereitschaft und -fähigkeit, indem
- 1.
- die Erfassung von Wehrpflichtigen fortgeführt wird und die Übertragung ihrer Daten an die zuständigen Stellen der Bundeswehr erfolgt;
- 2.
- die Straßenverkehrs- und Straßenbaubehörden sowie die Polizei bei der Lenkung bzw. Regelung des militärischen Straßenverkehrs (Military Mobility) durch die Streitkräfte mitwirken und den Streitkräften im Spannungs- und Verteidigungsfall Verkehrsregelungsbefugnisse zukommen können;
- 3.
- die Straßenbau- und Straßenverkehrsbehörden auf Anforderung der Bundeswehr die als Notlandeplätze ausgestatteten Straßenabschnitte ertüchtigen und entsprechende Umleitungen einrichten;
- 4.
- auf dem Gebiet der Instandsetzung
- a.
- militärische Einrichtungen durch die Bauverwaltungen der Länder,
- b.
- zivile Anlagen von militärischer Bedeutung durch die zuständigen Baulastträger und
- c.
- Wehrmaterial im Falle der Beschädigung durch Waffeneinwirkung soweit wie möglich bevorzugt instandgesetzt werden. Für die Verfügbarkeit der erforderlichen Instandsetzungskapazitäten, insbesondere des notwendigen Gerätes, ist Vorsorge zu treffen.
- 26
- Finanzwesen
- 26.1
- Allgemeines
- (1)
- Die Finanzierung aller Maßnahmen der Gesamtverteidigung, die im äußeren Notstand notwendig sind, ist zu gewährleisten.
- (2)
- Die Ausgaben der Gesamtverteidigung sind in dem im Grundgesetz festgelegten Rahmen vom Bund zu tragen. Jedes Ressort trägt die ihm durch die Erfüllung seiner Aufgaben entstehenden Ausgaben selbst.
- (3)
- Auf der Grundlage des Nordatlantikvertrages hat die Bundesrepublik Deutschland finanzielle Beiträge zu den Verteidigungsaufgaben der NATO zu leisten.
- (4)
- Auf der Grundlage des EUV und des AEUV hat die Bundesrepublik Deutschland finanzielle Beiträge zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU zu leisten.
- 26.2
- Vorbereitungen
- (1)
- Die für die Maßnahmen der Gesamtverteidigung notwendigen finanziellen Mittel sind im haushaltsrechtlich vorgesehenen Verfahren unter Beachtung gesamtwirtschaftlicher Erfordernisse im Haushaltsplan und im fünfjährigen Finanzplan des Bundes zu veranschlagen. Die Zivilverteidigungshaushalte sind vor ihrer Festlegung zu koordinieren.
- (2)
- Auf den Gebieten des Geld- und Kreditwesens sowie der Steuern sind im Rahmen der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten entsprechende Vorsorgemaßnahmen für den äußeren Notstand zu treffen.
- 26.3
- Maßnahmen
- (1)
- Für den Verteidigungsfall kann nach dem Grundgesetz durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates das Finanzwesen des Bundes und der Länder abweichend von Abschnitt X des Grundgesetzes geregelt werden, soweit es zur Abwehr eines gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Angriffs erforderlich ist. Dabei ist die finanzielle Lebensfähigkeit der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände zu wahren.
- (2)
- Die in den Bereichen des Finanz-, Steuer- sowie Geld- und Kreditwesens durchzuführenden Einzelmaßnahmen sind weitgehend abhängig vom Bedarf aufgrund eingetretener Gegebenheiten und von der Dauer des Konfliktes.
- (3)
- Der zu erwartende erhöhte Ausgabenbedarf kann nach den im Grundgesetz und im geltenden Haushaltsrecht gegebenen Möglichkeiten gedeckt werden. Diese Möglichkeiten umfassen insbesondere Ausgabensperren sowie über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen.
- 27
- Koordinierung im Bereich der zivilen Verteidigung
- 27.1
- Führung
- (1)
- Angesichts der Aufteilung der Zuständigkeiten in Angelegenheiten der zivilen Verteidigung zwischen Bund und Ländern, zwischen den Ressorts und zwischen verschiedenen Verwaltungsebenen bedarf es zur erfolgreichen Planung, Vorbereitung und Durchführung der Aufgaben ausgeplanter Führungsstrukturen, Führungsprozesse, Führungsmittel und eines Informationsmanagements.
- (2)
- Für den Bund sind diese Möglichkeiten gegeben aufgrund seiner ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz für den Schutz der Zivilbevölkerung und deren Versorgung, seiner allgemeinen Einwirkungsrechte auf die Länder sowie im Rahmen der bei der zivilen Verteidigung überwiegend bestehenden Bundesauftragsverwaltung.
- (3)
- Im Länderbereich setzt sich dieser Führungsstrang im Rahmen der Zuständigkeiten der Länder für die Ausführung von Planungen des Bundes sowie der eigenen Planungen fort.
- 27.2
- Abstimmung und KoordinierungInnerhalb dieser Führungsmöglichkeiten sind sowohl die Planungen und Vorbereitungen der zivilen Verteidigung im Frieden als auch die Durchführung der entsprechenden Maßnahmen im äußeren Notstand abzustimmen und zu koordinieren
- 1.
- auf Bundesebene;
- 2.
- zwischen Bund und Ländern;
- 3.
- soweit erforderlich auch zwischen den Ländern;
- 4.
- zwischen den Landesressorts;
- 5.
- zwischen den verschiedenen Verwaltungsebenen in den Ländern.
- 27.3
- Koordinierungsverfahren und -einrichtungen
- (1)
- Auf Bundesebene sind Planungen, Vorbereitungen und Durchführungsmaßnahmen der zivilen Verteidigung
- 1.
- unterhalb der für beide Teilbereiche der Gesamtverteidigung zuständigen Organe zwischen den beteiligten Bundesressorts u. a. im Rahmen der nach der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien gegebenen Möglichkeiten abzustimmen und zu koordinieren. Dies gilt insbesondere im Rahmen des Interministeriellen Krisenstabs des Bundeskanzleramts, der in einer Krise unter Vorsitz des Bundeskanzleramts zusammentreten kann und dann die zur Krisenbewältigung erforderlichen Maßnahmen koordiniert, insbesondere bei den beteiligten Bundesressorts die Einleitung entsprechender Maßnahmen anregt und auf beschleunigte Durchführung hinwirkt;
- 2.
- durch das BMI zu koordinieren, soweit sie einer über die Aufgabenbereiche der Bundesministerien hinausgehenden Abstimmung bedürfen und die Koordinierung nicht bereits durch das Bundeskanzleramt erfolgt. Darüber hinaus hat das BMI einen Gesamtüberblick über die Planungen, Vorbereitungen und Durchführungsmaßnahmen der Bundesministerien zu führen sowie in ressortübergreifenden Angelegenheiten die Belange des Bundes an der zivilen Verteidigung zu koordinieren, soweit nicht die Koordinierungsfunktion des Auswärtigen Amtes (AA) gegeben ist.
- (2)
- Die Interministerielle Koordinierungsgruppe des Bundes und der Länder ist das gemeinsame Beratungsgremium des Bundes und der Länder bei länger anhaltenden, länderübergreifenden Gefahren- oder Schadenslagen mit hohem Beratungs- und Abstimmungsbedarf.
- (3)
- Notwendige Abstimmungen und Koordinierungen von Angelegenheiten der zivilen Verteidigung auf der Ebene der Länder werden von den zuständigen Behörden der allgemeinen Verwaltung durchgeführt.
Zweiter Unterabschnitt
Die zivile Verteidigung der NATO
- 28
- Funktion
- (1)
- Die Mitgliedstaaten der NATO sind für ihre zivile Verteidigung grundsätzlich selbst verantwortlich.
- (2)
- Die zivile Verteidigung der NATO hat demgegenüber die Aufgaben zu behandeln, die von den Mitgliedstaaten nur gemeinsam gelöst werden können oder deren gemeinsame Beratung oder Koordination notwendig bzw. zweckmäßig ist.
- 29
- Aufgabengebiete und Durchführung
- (1)
- Die gemeinsame Tätigkeit der NATO erstreckt sich vorrangig auf die Aspekte der nationalen zivilen Verteidigungsplanung, die die Fähigkeit, Beiträge zum Bündnis zu leisten, betreffen. Dies sind in erster Linie die Aufrechterhaltung von Staats- und Regierungsfunktionen, die Versorgung der Bevölkerung und die zivile Unterstützung für militärische Operationen.
- (2)
- Zur Aufrechterhaltung der zivilen Notfallbereitschaft hat die NATO Grundanforderungen („Baseline Requirements“) definiert. Diese sind:
- 1.
- Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktion und kritischer staatlicher Dienstleistungen;
- 2.
- resiliente Energieversorgung;
- 3.
- Fähigkeit zum wirksamen Umgang mit unkontrollierten Menschenbewegungen;
- 4.
- resiliente Nahrungs- und Wasserressourcen;
- 5.
- resilienter Umgang mit einem Massenanfall von Verletzten und disruptiven Gesundheitskrisen;
- 6.
- resiliente zivile Kommunikationssysteme;
- 7.
- resiliente zivile Verkehrssysteme.
- (3)
- Die Ziele und Prioritäten sollen
- 1.
- laufend fortentwickelt werden;
- 2.
- mit Zielsetzungen der gemeinsamen NATO-Verteidigungsplanung und relevanten anderen NATO-Empfehlungen und Richtlinien, u. a. aus den Bereichen Weltraum, Cyber- und Informationsraum oder hybride Bedrohungen, abgestimmt werden;
- 3.
- Gegenstand eines Informationsaustausches über den zivilen Bereitschaftsstand unter den Mitgliedstaaten sein;
- 4.
- als Szenarien der zivilen Verteidigung in gemeinsame Übungen mit einbezogen werden.
- (4)
- Im äußeren Notstand sind bestimmte nationale Maßnahmen der zivilen Verteidigung, u. a. in Form der einvernehmlichen Herbeiführung eines Ressourcenausgleichs zwischen den Mitgliedstaaten, zu unterstützen sowie Leistungen zugunsten der militärischen Verteidigung zu erbringen, soweit hierzu ein multinationales Zusammenwirken erforderlich ist.
- 30
- Gremien
- (1)
- Auf den Ebenen unterhalb des Nordatlantikrates haben u. a.
- 1.
- der Resilienz-Ausschuss und
- 2.
- seine für die jeweilige Aufgabengebiete bestehenden acht Planungsgruppen,
- 3.
- der Ausschuss für Cyber-Verteidigung und
- 4.
- der Ausschuss für Verteidigungspolitik und -planung
mit Unterstützung des Internationalen Stabes der NATO im Frieden Maßnahmen der zivilen NATO-Verteidigung, der Erhöhung der zivilen Notfallbereitschaft und der Steigerung der Resilienz zu planen, vorzubereiten und zu koordinieren. - (2)
- Die nationale Organisationsstruktur der zivilen NATO-Verteidigung bleibt im äußeren Notstand im Wesentlichen unverändert.
Fünfter Abschnitt
Zusammenwirken zwischen den Organen der militärischen und der zivilen Verteidigung in Verteidigungsangelegenheiten
- 31
- Allgemeines
- (1)
- Das Zusammenwirken zwischen den Organen der militärischen und der zivilen Verteidigung wird in diesen Rahmenrichtlinien nur insoweit behandelt, als es Verteidigungsangelegenheiten betrifft.
- (2)
- Die Organe der militärischen und der zivilen Verteidigung im nationalen Bereich und in der NATO sind wegen der gegenseitigen Abhängigkeit ihrer Verteidigungsaufgaben und wegen der Auswirkungen ihrer Maßnahmen auf den jeweils anderen Bereich auf enges Zusammenwirken angewiesen.
- (3)
- Das Zusammenwirken hat auf allen Gebieten und Ebenen stattzufinden und reicht von der Festlegung von Konzeptionen und Zielen über die notwendigen Abstimmungen, Planungen, Umsetzungen und eine koordinierte Alarmplanung bis zur gegenseitigen Unterstützung bei der Durchführung von Maßnahmen in ressort- und behördengemeinsamen Lagezentren. Dies gilt sowohl im Frieden, in dem die Verteidigungsplanungen und -vorbereitungen zu treffen sind, als auch im äußeren Notstand. Bei der Erfüllung der einzelnen Aufgaben sind ständig die Auswirkungen auf die jeweils anderen Bereiche der Gesamtverteidigung zu berücksichtigen.
- (4)
- Für die gemeinsame Erfüllung dieser Aufgaben ist das Zusammenwirken im äußeren Notstand vorzubereiten. Die erforderlichen Strukturen, Verfahren und Prozesse sind zu planen, zu üben und mit den erforderlichen Ressourcen zu hinterlegen.
- (5)
- National ist das Zusammenwirken in zahlreichen besonderen Rechts- und Verwaltungsbestimmungen sowie in Regierungsentscheidungen festgelegt, insbesondere
- 1.
- im Grundgesetz;
- 2.
- in den Vorsorge- und Sicherstellungsgesetzen und der Unabkömmlichkeitsverordnung einschließlich zugehöriger Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften sowie in sonstigen Gesetzen, Richtlinien und Grundsätzen;
- 3.
- in militärischen Vorschriften und Dienstanweisungen;
- 4.
- in Vorschriften und Dienstanweisungen für die Bundespolizei und die Polizeien der Länder;
- 5.
- in ressortübergreifenden Verwaltungsvereinbarungen.
Im Übrigen entspricht das Zusammenwirken einem allgemeinen Rechts- und Verwaltungsgrundsatz, der die staatlichen Organe, zu denen alle Dienststellen der militärischen und der zivilen Verteidigung gehören, zur Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterstützung verpflichtet. - (6)
- Das Zusammenwirken deutscher nationaler Stellen mit NATO-Kommandobehörden, entsprechenden Gremien und Institutionen der EU und mit verbündeten Streitkräften sowie mit zivilen Stellen verbündeter Staaten beruht auf zwischenstaatlichen Abkommen und Vereinbarungen, insbesondere auf dem NATO-Truppenstatut und dessen Zusatzabkommen sowie dem Supreme Allied Commander Europe (SACEUR, Oberster Alliierter Befehlshaber Europa), Abkommen mit Folgevereinbarungen, den Regierungsabkommen über die Unterstützung verbündeter Streitkräfte im äußeren Notstand und sonstigen Vereinbarungen.
- (7)
- Das Zusammenwirken zwischen militärischen und zivilen Organen der NATO vollzieht sich auf der Grundlage und im Rahmen des Nordatlantikvertrages.
- (8)
- Das Zusammenwirken der militärischen und zivilen Organe, Gremien und Institutionen der EU vollzieht sich auf Grundlage und im Rahmen des EUV und des AEUV, insbesondere auch im Rahmen der GASP und der GVSP.
- (9)
- Deutsche militärische und zivile Dienststellen wirken im verbündeten Ausland auf der Grundlage bi- oder multilateraler Abkommen nach den Grundsätzen der Gesamtverteidigung und unter Beachtung der innerstaatlichen Regelungen des Gastlandes zusammen.
- 32
- Organe und Verfahren
- (1)
- Organe des Zusammenwirkens sind alle Dienststellen der militärischen und der zivilen Verteidigung, die bei der Erfüllung ihrer Aufgaben mit der jeweils anderen Seite zusammenarbeiten. In militärischen und zivilen Dienststellen kann es erforderlich sein, eigene Organisationselemente für das Zusammenwirken einzurichten.
- (2)
- Das Zusammenwirken zwischen den Organen der militärischen und der zivilen Verteidigung erfolgt in Form Zivil-Militärischer Zusammenarbeit (ZMZ).
- (3)
- Zivil-Militärische Zusammenarbeit der Bundeswehr (ZMZBw) ist ein eigenständiger Aufgabenbereich der Bundeswehr und umfasst alle Planungen, Maßnahmen, Kräfte und Mittel, welche die Beziehungen zwischen Dienststellen der Bundeswehr auf der einen und zivilen Behörden und Organisationen auf der anderen Seite regeln, unterstützen oder erleichtern. Dies schließt die Zusammenarbeit mit der gewerblichen Wirtschaft ein.
- (4)
- Die ZMZBw wird zentral durch den Nationalen Territorialen Befehlshaber (NatTerrBefh) gesteuert und koordiniert. So wird auch die Zusammenarbeit von NATO-Dienststellen bzw. Dienststellen der Verbündeten mit nationalen zivilen Behörden in Deutschland unterstützt. Mit der territorialen Führungsorganisation der Bundeswehr stehen dabei ebenengerechte Zusammenarbeitsbeziehungen auf der Bund-Länder-Ebene bis zu den Gebietskörperschaften zur Verfügung. Dies schließt die Zusammenarbeit von Behörden im Rahmen der jeweiligen fachlichen Zuständigkeit (z. B. der Gesundheitsversorgung) nicht aus.
- 33
- Bereiche des Zusammenwirkens
- (1)
- Ein Zusammenwirken hat nahezu in allen Aufgabenbereichen, insbesondere bei der Festlegung von Konzeptionen und Zielen der militärischen und der zivilen Verteidigung, zu erfolgen.
- (2)
- Zu den Aufgaben der militärischen Verteidigung, deren Erfüllung ein Zusammenwirken mit den Organen der zivilen Verteidigung erfordert, gehören vor allem
- 1.
- militärische Planungen für den Einsatz der Streitkräfte, die die zivile Verteidigung unmittelbar berühren;
- 2.
- Deckung des Bedarfs an Sach- und Dienstleistungen sowie Werkleistungen;
- 3.
- Deckung des Bedarfs an Transportleistungen auf Straße, Schiene, Wasserwegen und auf dem Luftweg;
- 4.
- Gesundheitsversorgung;
- 5.
- Instandhaltung und Instandsetzung von Wehrmaterial, Bauwerken und Infrastrukturen;
- 6.
- Versorgung mit Wasser, Energie und Treibstoffen;
- 7.
- Planung und Durchführung des Militärverkehrs einschließlich der Verkehrsregelung;
- 8.
- Feldpostwesen;
- 9.
- Sicherstellung der Geoinformationsunterstützung im gesamten Aufgabenspektrum der Bundeswehr;
- 10.
- Militärische Kommunikation.
- (3)
- Aufgaben der zivilen Verteidigung, deren Erfüllung ein Zusammenwirken mit Organen der militärischen Verteidigung erfordert, sind vor allem
- 1.
- Aufenthalts-, Transitregelung und Evakuierungsmaßnahmen;
- 2.
- bestimmte Teilgebiete des Warndienstes;
- 3.
- Brand- und Zivilschutz einschließlich Schutz vor chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Gefahren (CBRN-Schutz);
- 4.
- Objekt- und Kulturgutschutz;
- 5.
- Verkehrswesen;
- 6.
- Sicherstellung von Arbeitsleistungen für Zwecke der Verteidigung;
- 7.
- Frequenzschutz.
- (4)
- Zu den Aufgaben, die in beiden Bereichen der Verteidigung anfallen und die ein Zusammenwirken sowie eine wechselseitige Abstimmung der Strukturen und Verfahren erfordern, gehören vor allem
- 1.
- Krisenbewältigung;
- 2.
- Melde- und Lagewesen, insbesondere in gemeinsamen Lagezentren;
- 3.
- Wehrersatzwesen;
- 4.
- Versorgung mit Lebensmitteln (einschließlich Trinkwasser) und Futtermitteln;
- 5.
- Vorrang bei der Abwicklung verteidigungswichtiger Aufträge;
- 6.
- Gesundheitsversorgung und gesundheitlicher Bevölkerungsschutz;
- 7.
- Postwesen und Telekommunikation;
- 8.
- Objektschutz und Schutz kritischer bzw. verteidigungswichtiger Infrastrukturen;
- 9.
- Liegenschaftswesen einschließlich Stationierungsplanung;
- 10.
- Einrichtung und Betrieb von Notlandeplätzen;
- 11.
- Flugsicherung;
- 12.
- Karten- und Vermessungswesen;
- 13.
- Wetterdienst;
- 14.
- Deckung des Personalbedarfs in bestimmten Bereichen;
- 15.
- Schadensbeseitigung;
- 16.
- Alarmplanung und Durchführung der Alarmierung;
- 17.
- gemeinsame Übungen;
- 18.
- Hafen-, Eisenbahn- und Flugplatzbetrieb;
- 19.
- Zivilschutz einschließlich Betreuungswesen.
- 34
- Ebenen des Zusammenwirkens
- 34.1
- Oberste Bundesebene
- (1)
- Auf Ressortebene haben das BMVg und die Bundesministerien, deren Geschäftsbereich Aufgaben der zivilen Verteidigung umfasst, im Rahmen der Gesamtverteidigung zusammenzuwirken.
- (2)
- Das BMVg hat neben den nationalen militärischen Belangen auch die Interessen des SACEUR, der höheren nachgeordneten NATO-Befehlshaber und der im Bundesgebiet befindlichen nationalen Oberkommandos der verbündeten Streitkräfte gegenüber den zivilen Bundesressorts sowie umgekehrt die Belange der zivilen Bundesressorts gegenüber SACEUR, den höheren nachgeordneten NATO-Befehlshabern und den nationalen Oberkommandos zu vertreten. Zusätzlich vertritt es in Abstimmung mit dem AA die deutschen militärpolitischen Interessen in der EU und ihren Institutionen.
- (3)
- Das BMI koordiniert ressortübergreifende Aufgaben der zivilen Verteidigung.
- 34.2
- Ebene Nationaler Territorialer Befehlshaber (NatTerrBefh) (Bundesebene)/Territoriale Führungsorganisation der Bundeswehr
- (1)
- Der NatTerrBefh ist auf operativer Ebene verantwortlich für die Planung, Steuerung, Koordinierung und Führung von Einsätzen im Rahmen der Nationalen Territorialen Aufgaben, inklusive Heimatschutz und Nationale Territoriale Verteidigung, Host Nation Support und Hilfeleistungen der Bundeswehr im Inland in Frieden, Krise und Krieg. Dies schließt im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben auch Beiträge der Bundeswehr zur gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge in Deutschland durch Unterstützung der für die innere Sicherheit zuständigen zivilen Stellen zum Schutz der Bevölkerung sowie kritischer Infrastrukturen und der nationalen zivilen Verteidigung mit ein.
- (2)
- Planung und Vorbereitung von Maßnahmen zur Sicherstellung der Operationsfreiheit in Deutschland, im Sinne einer kalendermäßigen Vorbereitung der Nationalen Territorialen Verteidigung, erfolgen in Zuständigkeit der militärischen und zivilen Organisationsbereiche (MilOrgBer/ZivOrgBer) der Bundeswehr bereits im Frieden. Die Koordination mit den Behörden anderer Ressorts sowie der Länder obliegt dem NatTerrBefh. Dies kann auch die Abstimmung mit Nachbarstaaten beinhalten.
- (3)
- Im Rahmen der Koordinierung der wechselseitigen Unterstützung der zivilen und militärischen Verteidigung ist der NatTerrBefh in Frieden und im äußeren Notstand die zentrale Ansprech- und Koordinierungsstelle sowohl für den Unterstützungsbedarf der Bundeswehr durch Behörden und Einrichtungen anderer Ressorts und der zivilen Wirtschaft, als auch für mögliche Unterstützungsleistungen der Bundeswehr für den Bevölkerungsschutz, den Schutz von kritischer Infrastruktur und die Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktion.
- (4)
- Für die Nationalen Territorialen Aufgaben der Bundeswehr verfügen die Streitkräfte über ein flächendeckendes, an der föderalen Struktur ausgerichtetes „Territoriales Netzwerk“ mit entsprechender Führungsorganisation. Die Bundeswehr hält für die ZMZBw ebenengerechte und regional organisierte Fähigkeiten für einen umfassenden Informationsaustausch, eine militärisch-fachliche Beratung, eine ständige Abstimmung und enge Kooperation mit den zivilen Stellen vor, um so die Reaktionsfähigkeit zu gewährleisten. Diese Verbindungen zwischen dem militärischen und zivilen Bereich und zu den Gebietskörperschaften und Behörden auf allen Ebenen sind kontinuierlich zu gewährleisten.
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- Die unterstützenden Dienst- und Verwaltungsleistungen werden durch die zuständigen Stellen der Bundeswehrverwaltung koordiniert, geführt und verantwortet, u. a. Maßnahmen zur Bedarfsdeckung nach den Vorsorge- und Sicherstellungsgesetzen in der Zusammenarbeit mit den Stellen der allgemeinen Verwaltung.
- 34.3
- BesonderheitenSoweit in einem Land ein besonderer Verwaltungsaufbau oder im militärischen Bereich eine besondere Kommandostruktur besteht, sind die Ebenen des Zusammenwirkens entsprechend festzulegen.
- 34.4
- Zusammenwirken innerhalb der bündnisgemeinsamen Organisation der NATOMilitärische und zivile Organe der NATO wirken auf allen Ebenen z. B. in der Weise zusammen, dass der (militärische) Ausschuss für Logistik und der (zivile) Ausschuss für Resilienz (RC) als Spiegelausschüsse zusammenarbeiten und militärische Vertreter der Obersten Alliierten Befehlshaber an den Sitzungen des Resilienz-Ausschusses und seiner nachgeordneten Planungsgruppen (RC PG) und Fachplanungsgruppen teilnehmen können.
Berlin, den 5. Juni 2024 | |
BMI KM7.51001/13#24 | |
BMVg 08- |
Bundesministerin des Innern und für Heimat
Nancy Faeser
Bundesminister der Verteidigung
Boris Pistorius