Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Bundesnaturschutzgesetzes zum Vogelschutz bei Elektrifizierung der Schieneninfrastruktur (VogelschutzSchieneVwV)
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Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift
zur Durchführung des Bundesnaturschutzgesetzes
zum Vogelschutz bei Elektrifizierung der Schieneninfrastruktur
(VogelschutzSchieneVwV)
Vom 1. Juli 2025
Fundstelle: BAnz AT 09.07.2025 B2
Nach Artikel 84 Absatz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 54 Absatz 12 Nummer 4 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), der durch Artikel 48 des Gesetzes vom 23. Oktober 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 323) eingefügt worden ist, erlässt die Bundesregierung nach Anhörung der beteiligten Kreise folgende Allgemeine Verwaltungsvorschrift:
Inhaltsübersicht
Abschnitt 1 Anwendungsbereich
Abschnitt 2 Regelvermutung der artenschutzrechtlich unbedenklichen Elektrifizierung
2.1 Einhaltung des Zugriffsverbots nach § 44 Absatz 1 Nummer 1 BNatSchG
2.2 Vogelschutz an Energiefreileitungen gemäß § 41 Satz 1 BNatSchG
2.3 Unberührtheit sonstiger naturschutzrechtlicher Regelungen
Abschnitt 3 Begriffsbestimmungen
Abschnitt 4 Schutz von Vögeln vor Stromschlag
4.1 Anwendungsbereich der Schutzmaßnahmen
4.2 Allgemeine Ausführungsbestimmungen für Schutzmaßnahmen
4.2.1 Einhalten von Mindestabständen
4.2.2 Artenschutzgerechte Ausgestaltung von Isolatoren
4.2.3 Mindestabstand der Mastspitze
4.3 Besondere Ausführungsbestimmungen für Schutzmaßnahmen
4.3.1 Maßnahmen am Auslegerrohr
4.3.2 Maßnahmen am Masttrennschalter
4.3.3 Nichtleitend ummanteltes Tragseil unter bestehenden Bauwerken
4.3.4 Maßnahmen am Ausleger unter bestehenden Bauwerken
4.3.5 Schutzabdeckung von Fahrdrähten und Deckenstromschienen unter bestehenden Bauwerken
4.3.6 Maßnahmen an Mehrgleisauslegern bei geringem Abstand zur Hängesäule
Abschnitt 5 Schutz von Vögeln vor Leitungskollision
5.1 Anwendungsbereich der Schutzmaßnahmen
5.1.1 Besonders konfliktträchtige Räume
5.1.2 Besonders konfliktträchtige bauliche Konstellationen
5.1.2.1 Dammlage in der Nähe von Gewässern
5.1.2.2 Brückenlage über ein Gewässer
5.2 Schutzmaßnahmen gegen Leitungskollision in besonders konfliktträchtigen Konstellationen gemäß Nummer 5.1
5.2.1 Leitungsmarkierung mit Vogelschutzmarkern
Abschnitt 6 Dokumentation und Kontrolle
Abschnitt 7 Überprüfung
Abschnitt 8 Übergangsregelung
Abschnitt 9 Inkrafttreten
Abschnitt 1
Anwendungsbereich
Die Verwaltungsvorschrift bestimmt bundesweit einheitliche Anforderungen für die Einhaltung des Vogelschutzes in Bezug auf Stromtod und Leitungskollision nach § 44 Absatz 1 Nummer 1 und § 41 Satz 1 BNatSchG bei der erstmaligen Ausstattung (Elektrifizierung) einer bestehenden Eisenbahnstrecke mit Oberleitungen. Darüber hinaus gelten die Anforderungen auch bei der Erneuerung von Oberleitungen an bestehenden Eisenbahnstrecken.
Die Genehmigung von Neubau von elektrifizierter Schieneninfrastruktur sowie die zur Zuführung der Energie aus dem Netz benötigten Bahnstromleitungen fallen nicht in den Anwendungsbereich dieser Verwaltungsvorschrift.
Abschnitt 2
Regelvermutung der artenschutzrechtlich unbedenklichen Elektrifizierung
2.1 Einhaltung des Zugriffsverbots nach § 44 Absatz 1 Nummer 1 BNatSchG
Gemäß § 44 Absatz 1 Nummer 1 BNatSchG ist es insbesondere verboten, wildlebende Tiere der besonders geschützten Arten, zu denen die europäischen Vogelarten zählen, zu verletzen oder zu töten. Aufgrund der Elektrifizierung von Eisenbahntrassen ist von einem anlagebedingten Risiko für Vögel auszugehen.
Werden Vogelschutzmaßnahmen an Oberleitungsanlagen von Eisenbahnen nach Maßgabe der Abschnitte 4 und 5 durchgeführt, ist in der Regel davon auszugehen, dass das Tötungs- und Verletzungsverbot nach § 44 Absatz 1 Nummer 1 BNatSchG hinsichtlich der europäischen Vogelarten im Hinblick auf die Gefährdung durch Stromschlag und Leitungskollision nicht verletzt wird.
2.2 Vogelschutz an Energiefreileitungen gemäß § 41 Satz 1 BNatSchG
Nach § 41 Satz 1 BNatSchG sind zum Schutz von Vögeln neu zu errichtende Masten und technische Bauteile von Mittelspannungsleitungen konstruktiv so auszuführen, dass Vögel gegen Stromschlag geschützt sind. Die Regelung gilt auch für Oberleitungsanlagen von Eisenbahnen, welche entlang einer Bahnstrecke mit elektrischen Spannungen im Mittelspannungsbereich (10 bis 60 kV) betrieben werden. Werden Vogelschutzmaßnahmen an Oberleitungsanlagen von Eisenbahnen nach Maßgabe des Abschnitts 4 durchgeführt, wird den Vorgaben des § 41 Satz 1 BNatSchG in der Regel entsprochen.
2.3 Unberührtheit sonstiger naturschutzrechtlicher Regelungen
Anforderungen sonstiger naturschutzrechtlicher Regelungen bleiben von den nachfolgenden Vorgaben unberührt.
Abschnitt 3
Begriffsbestimmungen
3.1 Anschnittlage
Trassenführung entlang eines Berghanges, wobei der Bahnkörper bergseitig ins Gelände einschneidet.
3.2 Ausleger
Stützkonstruktion, an welchem der Fahrdraht beziehungsweise das Kettenwerk befestigt ist. Der Ausleger hält die spannungsführenden Bauteile vom geerdeten Haupttragwerk (zum Beispiel Mast) fern.
3.3 Auslegerrohr
Diagonal verlaufendes Stützrohr an Auslegern.
3.4 Deckenstromschiene
Starrer metallischer Leiter, der an Isolatoren montiert ist und zu einem an einem Fahrzeug befestigten Stromabnehmer Kontakt hat.
3.5 Elektrisches Potential
Fähigkeit eines elektrischen Feldes, Arbeit an einer elektrischen Ladung zu verrichten (elektrische Spannung).
3.6 Endverschluss
Dient zur Versiegelung eines Kabels an seinem Ende, damit über die Stirnseite keine Feuchtigkeit eindringt und die Schnittstelle mechanisch stabilisiert ist.
3.7 Fahrdraht
Elektrische Leitung, die oberhalb oder neben der oberen Fahrzeugbegrenzungslinie angeordnet ist und die Fahrzeuge mit elektrischer Energie über eine auf dem Dach angebrachte Stromabnehmereinrichtung versorgt.
3.8 Feederleitung
Freileitung, die parallel zum Fahrdraht geführt wird, um aufeinanderfolgende Speisepunkte zu versorgen.
3.9 Hänger
Vertikales Seil, welches den Fahrdraht am Tragseil befestigt.
3.10 Hängeisolator
Isolator, welcher unterhalb des tragenden Bauteils montiert wird.
3.11 Hängesäule
Vertikale Verbindung zur Traverse bei Mehrgleisauflegern zur Befestigung des Auslegers für Oberleitungen der inneren Gleise.
3.12 Isolator
Nichtleitendes Bauteil der Elektrotechnik, welches einen Potentialausgleich zwischen Bauteilen verschiedenen elektrischen Potentials verhindert.
3.13 Kabel
Ummantelter (isolierter) elektrischer Leiter.
3.14 Kettenwerk
Drahtseilkonstruktion über Eisenbahnstrecken, bestehend aus Fahrdraht, dem Tragseil, Hänger und den dazugehörigen Verbindungen.
3.15 Leitung
Linienförmiger elektrischer Leiter zum Transport elektrischer Energie.
3.16 Leitungskollision
Physischer Kontakt eines Vogels mit Bauteilen der Oberleitungen durch Anflug, welcher zu Verletzungen oder Tötung des Vogels führen kann.
3.17 Luftstrecke
Kürzeste Entfernung in Luft zwischen zwei leitenden Teilen.
3.18 Mast
Senkrecht stehendes Bauteil aus Stahl oder Beton einschließlich der mit ihm fest verbundenen Ausleger und Traversen, an denen die Oberleitung befestigt ist.
3.19 Masttrennschalter
Schnittstelle zur Versorgung separat abschaltbarer Leitungsbereiche.
3.20 Oberleitungsanlagen
Zu den Oberleitungsanlagen gehören alle elektrischen und nichtelektrischen Bauteile, welche über und neben der Eisenbahnstrecke installiert sind und der Versorgung von elektrisch angetriebenen Zügen mit Strom dienen. Dazu gehören zum Beispiel Fahrdrähte, Tragseilvorrichtungen (Kettenwerk), Speise- und Verstärkungsleitungen, Anschlüsse, Verbindungen, Isolatoren, Ausleger, Masten sowie alle weiteren Bauteile, die für den Betrieb des Fahrdrahts notwendig sind.
3.21 Speiseleitung
Elektrische Leitung, welche den Fahrdraht mit Strom versorgt.
3.22 Spitzenrohr
Oberes, horizontal verlaufendes Bauteil eines Auslegers.
3.23 Stromschlag (Elektrokution)
Plötzlicher Fluss von Elektrizität durch einen Vogelkörper, welcher zu Beeinträchtigung, Verletzungen oder dem Tod von Vögeln führt.
3.24 Tragseil
Ein Tragseil trägt den eigentlichen Fahrdraht und hält ihn waagerecht über dem Gleis.
3.25 Traverse
Horizontaler Träger, der zur Stabilisierung und Befestigung dient.
3.26 Verstärkungsleitungen
Verstärkungsleitung, an der gleichen Tragkonstruktion oder in der Nähe der Oberleitung aufgehängt, dient zur Erhöhung des nutzbaren Leitungsquerschnittes und ist in bestimmten Abständen mit der Oberleitung unmittelbar verbunden.
Abschnitt 4
Schutz von Vögeln vor Stromschlag
4.1 Anwendungsbereich der Schutzmaßnahmen
Maßnahmen zum Schutz vor Stromschlag nach dieser Verwaltungsvorschrift sind zur Erfüllung des Vogelschutzes bei der Elektrifizierung an Eisenbahnstrecken in Anlehnung an die Bewertung der Risiken von Freileitungen bei der Ausgestaltung entsprechend der Nummer 4.2 und 4.3 an allen Eisenbahnstrecken erforderlich.
Gleiches gilt bei umfänglicher Erneuerung (mehr als vier betroffenen Masten). In allen anderen Fällen ist ein mindestens dem Bestand entsprechendes Schutzniveau zu gewährleisten.
4.2 Allgemeine Ausführungsbestimmungen für Schutzmaßnahmen
Neu zu errichtende Masten und technische Bauteile von Oberleitungsanlagen von Eisenbahnen müssen entsprechend § 41 Satz 1 BNatSchG grundsätzlich durch eine spezifische bauliche Ausgestaltung der Anlagen(-teile) selbst den angestrebten Schutz von Vögeln gegen Stromschlag gewährleisten. Soweit neu zu errichtende oder zu erneuernde Masten und technische Bauteile entsprechend den nachfolgenden Vorgaben ausgestaltet sind, gelten die Anforderungen an die konstruktive Ausführung des Vogelschutzes im Sinne des § 41 Satz 1 BNatSchG in der Regel als erfüllt und es liegt in der Regel kein Verstoß gegen § 44 Absatz 1 Nummer 1 BNatSchG vor.
4.2.1 Einhalten von Mindestabständen
Sitzgelegenheiten für Vögel auf Bauteilen mit Erdpotential in der Nähe aktiver Teile, die nicht gegen direktes Berühren geschützt sind, müssen einen Mindestabstand zu aktiven Teilen von 0,6 m aufweisen. Dieser Mindestabstand gilt auch für Sitzgelegenheiten auf aktiven Teilen zu Bauteilen mit Erdpotential. Bei Erdpotential führenden Sitzgelegenheiten (Mastspitze und Traverse) für Vögel unterhalb von aktiven Teilen, die nicht gegen direktes Berühren geschützt sind, ist ein zusätzlicher vertikaler Abstand von 1 m einzuhalten.
4.2.2 Artenschutzgerechte Ausgestaltung von Isolatoren
Bahnenergieleitungen sind an Hängeisolatoren zu führen. Dabei ist zwischen Leitungsseil und Unterkante der Traverse ein Mindestabstand von 0,6 m einzuhalten. Die Isolation der Abfangungen von Bahnenergieleitungen muss ebenfalls eine Länge von mindestens 0,6 m aufweisen.
4.2.3 Mindestabstand der Mastspitze
Bei neu zu errichtenden Masten muss der vertikale Abstand zwischen Mastspitze und dem unter Spannung stehenden Spitzenrohr mindestens 0,6 m betragen.
4.3 Besondere Ausführungsbestimmungen für Schutzmaßnahmen
Bei nachfolgend in den Nummern 4.3.1 bis 4.3.6 dargestellten Schutzmaßnahmen scheidet eine konstruktive Ausführung im Sinne von Nummer 4.2 zur Gewährleistung des Vogelschutzes als (technisch) nicht realisierbar oder unverhältnismäßig aus. Die Vorgaben des § 41 Satz 1 BNatSchG gelten aber dennoch als in der Regel erfüllt und demzufolge ist ein Verstoß gegen § 44 Absatz 1 Nummer 1 BNatSchG in der Regel ausgeschlossen, da die Maßnahmen ein bestmögliches Schutzniveau im Verhältnis zu den konstruktiven Lösungen bieten.
4.3.1 Maßnahmen am Auslegerrohr
Zwischen Auslegerrohr und Mast sind Verbundisolatoren mit einer geringeren Isolationsstrecke (< 0,6 m) in Kombination mit Vogel- und Kleintierabweisern oder nachweislich wirksameren Konstruktionen zulässig.
4.3.2 Maßnahmen am Masttrennschalter
Es sind nur Mastschalter mit Verbundisolatoren mit einer Luftstrecke von mindestens 0,6 m zu verwenden. Der Einbau der Endverschlüsse erfolgt unterhalb der Speiseleitungsabfangung. Ein Aufsitzen der Vögel auf der Traverse ist durch Vogelschutzmaßnahmen zu verhindern. Alternativ kann die Oberseite der Traverse mit nicht leitenden Schutzabdeckungen versehen werden, es können Bauteile in Kunststoffbauweise verwendet werden oder Masttrennschalter können unter Einhaltung der allgemeinen Ausführungsbestimmungen für Schutzmaßnahmen (siehe Nummer 4.2) auch unterhalb der Mastspitze angebracht werden.
4.3.3 Nichtleitend ummanteltes Tragseil unter bestehenden Bauwerken
Unter bestehenden Bauwerken sind spannungsführende Tragseile mit einer nichtleitenden Kunststoffummantelung zu versehen. Die Ummantelung ist bis 20 m ins Bauwerksinnere sowie 1,5 m über die äußere Bauwerksbegrenzung hinaus auszuführen.
4.3.4 Maßnahmen am Ausleger unter bestehenden Bauwerken
Unter bestehenden Bauwerken sind spannungsführende Bauteile von Auslegern, welche den Mindestabstand von 0,6 m zu geerdeten Bauwerken unterschreiten, oberhalb und seitlich mit nichtleitenden Schutzabdeckungen zu versehen.
4.3.5 Schutzabdeckung von Fahrdrähten und Deckenstromschienen unter bestehenden Bauwerken
Unter bestehenden Bauwerken, welche aufgrund einer zu geringen Höhe nicht durch ein Kettenwerk durchspannt werden können, sind die Fahrdrähte oder Deckenstromschienen durch nichtleitende Schutzprofile bis 20 m ins Bauwerksinnere sowie 0,6 m über die äußere Bauwerksbegrenzung hinaus vom Bauwerk abzuschirmen.
4.3.6 Maßnahmen an Mehrgleisauslegern bei geringem Abstand zur Hängesäule
Kann bei Mehrgleisauslegern der Mindestabstand von 0,6 m zwischen dem mastnahen Ausleger und der Hängesäule des mastfernen Auslegers nicht gewährleistet werden, sind die entsprechenden Bauteile im Gefährdungsbereich von 0,6 m mit nichtleitenden Schutzabdeckungen zu versehen. Alternativ können Bauteile in Kunststoffbauweise verwendet werden.
Abschnitt 5
Schutz von Vögeln vor Leitungskollision
5.1 Anwendungsbereich der Schutzmaßnahmen
Maßnahmen zum Schutz vor Leitungskollisionen nach dieser Verwaltungsvorschrift sind zur Erfüllung des Vogelschutzes bei der Elektrifizierung bestehender Eisenbahnstrecken oder der Erneuerung von Masten in Anlehnung an die Bewertung der Kollisionsrisiken von Freileitungen in den unter den Nummern 5.1.1 und 5.1.2 dargelegten Fällen erforderlich. Ausgenommen sind Konstellationen, in denen bereits vorhandene trassenparallele, unmittelbar angrenzende Strukturen (zum Beispiel Hangkanten oder Waldränder) die Höhe der höchsten horizontalen Leitung erreichen und dementsprechend als vorhandene Überflughilfe dienen. Ausgenommen sind weiterhin solche Fälle, in denen der Vorhabenträger ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko durch Kollision gegenüber der zuständigen Naturschutzbehörde naturschutzfachlich nachweislich ausschließen kann.
5.1.1 Besonders konfliktträchtige Räume
An Streckenabschnitten, welche innerhalb eines großen beziehungsweise landesweit bis national bedeutsamen Gebiets besonders kollisionsgefährdeter Brut- oder Rastvogelarten liegen oder die zwar außerhalb eines solchen angrenzenden Gebiets liegen, jedoch innerhalb des zentralen Aktionsraums der betroffenen Arten, sind Maßnahmen zum Schutz vor Leitungskollision durch Leitungsmarkierung mit Vogelschutzmarkern (Nummer 5.2.1) zu realisieren, um die Regelvermutung nach Abschnitt 2 auszulösen. Die allgemein zu berücksichtigenden Gebiete und Ansammlungen besonders kollisionsgefährdeter Arten sowie die Orientierungswerte zu ihren zentralen Aktionsräumen richten sich nach Tabelle 1.
Tabelle 1: Große beziehungsweise landesweit bis national bedeutsame Gebiete und Ansammlungen besonders kollisionsgefährdeter Arten sowie Orientierungswerte zu ihren zentralen Aktionsräumen (basierend auf Bernotat & Dierschke 2021b: 21 f., angepasst an die Konfliktintensität der Elektrifizierung bestehender Eisenbahnstrecken einschließlich deren Erneuerung).
Große bzw. landesweit bis national bedeutsame Gebiete und Ansammlungen | zentraler Aktionsraum (in m) | |
Großtrappengebiete (Brut- und Wintereinstandsgebiete sowie Korridore dazwischen) | 3 000 | |
Raufußhuhngebiete (Brut- und Balzgebiete) | 1 000 | |
Wasservogel- | 500 | |
Limikolen- | 500 | |
Wasservogel- | 500 | |
Limikolen- | 500 | |
Kranich- | 500 | |
Rastgebiete von Gänsen und Schwänen (große bzw. landesweit bis national bedeutsame) | 500 | |
Brutkolonien (große bzw. landesweit bis national bedeutsame) von: | ||
– | Möwen | 1 000 |
– | Seeschwalben | 1 000 |
– | Reihern und Löfflern | 1 000 |
Regelmäßige Schlafplatzansammlungen (große bzw. landesweit bis national bedeutsame) von: | ||
– | Kranichen | 3 000 |
– | Gänsen und Schwänen | 1 000 |
– | Seeadlern | 1 000 |
– | Reihern | 1 000 |
– | Möwen und Seeschwalben | 1 000 |
– | Schwarzstörchen oder Weißstörchen | 1 000 |
5.1.2 Besonders konfliktträchtige bauliche Konstellationen
Außerhalb der in Nummer 5.1.1 tabellarisch aufgeführten besonders konfliktträchtigen Räume sind an Streckenabschnitten in den nachfolgend dargelegten besonders konfliktträchtigen baulichen Konstellationen Maßnahmen zum Schutz vor Leitungskollision durch Leitungsmarkierung mit Vogelschutzmarkern (Nummer 5.2.1) zu realisieren.
5.1.2.1 Dammlage in der Nähe von Gewässern
Die Trasse verläuft im Abstand von weniger als 50 m zu einem Gewässer von mindestens 5 ha Größe oder einem Gewässerkomplex von mindestens 5 ha Größe und die Schienenoberkante liegt mehr als 5 m über dem Geländeniveau am Dammfuß. Dies gilt nicht in Anschnittlagen.
5.1.2.2 Brückenlage über ein Gewässer
Die Trasse verläuft über ein Gewässer von mindestens 10 m Breite. Die Gewässerbreite wird als Abstand der beidseitigen Uferlinien des jeweiligen Fließgewässers definiert. Die Uferlinien werden nach der Höhe des mittleren Wasserstandes bestimmt.
5.2 Schutzmaßnahmen gegen Leitungskollision in besonders konfliktträchtigen Konstellationen gemäß Nummer 5.1
5.2.1 Leitungsmarkierung mit Vogelschutzmarkern
Alle horizontalen Leitungen der Oberleitungsanlagen mit einer Länge > 10 m (zum Beispiel Speise-, Umgehungs-, Feeder- oder Verstärkungsleitungen) sind durch bewegliche, schwarz-weiße Vogelschutzmarker in Abständen von maximal 20 m zu markieren, ausgenommen des Fahrdrahts und des Tragseils.
Eine Verwendung anderer Markierungen kommt – unter dem Aspekt der Minimierung des Kollisionsrisikos für Vögel – nur dann in Betracht, wenn durch wissenschaftliche Studien der Nachweis erbracht werden konnte, dass diese Markierungen ebenfalls zu einer entsprechend hohen Senkung des Kollisionsrisikos führen.
Bei parallel verlaufenden Leitungen sind die Markierungen versetzt im Abstand von 10 m anzubringen. Beträgt der Höhenunterschied zwischen parallel verlaufenden Leitungen weniger als die Höhe der Vogelschutzmarker, ist nur die äußere, gleisabgewandte Leitung zu markieren.
Bei Brückenlage über ein Gewässer nach Nummer 5.1.2.2 sind Vogelschutzmarker im gesamten Brückenbereich, soweit statisch möglich, im Abstand von 10 m zu befestigen. Dabei ist sicherzustellen, dass mindestens eine Markierung über dem gequerten Gewässer angebracht wird.
Abschnitt 6
Dokumentation und Kontrolle
Die Regelvermutung nach Abschnitt 2 gilt in zeitlicher Hinsicht nur dann, wenn durch den Vorhabenträger sichergestellt und dokumentiert ist, dass die Schutzmaßnahmen entsprechend der etablierten Zustandsprüfung der Oberleitungsanlagen der Betreiber, mindestens jedoch alle zwei Jahre hinsichtlich ihrer Funktionsfähigkeit kontrolliert werden. Zudem gilt sie nur, wenn unwirksam gewordene Schutzmaßnahmen unverzüglich ersetzt wurden. Der Nachweis der regelhaften Überprüfung und Feststellung der Funktionsfähigkeit ist erbracht, wenn er entsprechend den betrieblichen Vorgaben des Vorhabenträgers dokumentiert und für die Vollzugsbehörden einsehbar gehalten ist.
Abschnitt 7
Überprüfung
Die Regelungen werden im Lichte der Erfahrung mit der Verwaltungsvorschrift sowie unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik nach fünf Jahren überprüft und gegebenenfalls angepasst.
Abschnitt 8
Übergangsregelung
8.1 Planrechtsbedürftige Elektrifizierung
Ist für eine Elektrifizierung im Anwendungsbereich nach Abschnitt 1 ein planrechtliches Verfahren im Sinne einer eisenbahnrechtlichen Planfeststellung, -genehmigung oder -änderung erforderlich, so gilt die Verwaltungsvorschrift für solche Verfahren, bei denen die Antragstellung nach Inkrafttreten erfolgt. Auf Antrag der Vorhabenträger bei der zuständigen Behörde kann die Verwaltungsvorschrift auch vorher Anwendung finden.
8.2 Planrechtsfreie Elektrifizierung
Auf planrechtsfreie Elektrifizierungen im Anwendungsbereich nach Abschnitt 1, die bei Inkrafttreten bereits begonnen haben, findet diese Verwaltungsvorschrift keine Anwendung.
Abschnitt 9
Inkrafttreten
Diese Allgemeine Verwaltungsvorschrift tritt am Tage nach der Veröffentlichung in Kraft.
Der Bundesrat hat zugestimmt.
Berlin, den 1. Juli 2025
Der Bundeskanzler
Merz
Der Bundesminister
für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit
Carsten Schneider