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BMU-20090729-SF-A002.htm

Zum Hauptdokument : Bekanntmachung einer Stellungnahme der Strahlenschutzkommission und der wissenschaftlichen Begründung (Mikrodosimetrie - HF, Biologische Relevanz der Energiedeposition im mikroskopischen Bereich durch Felder des Mobilfunks vom 14. Mai 2009)



Anlage 2

Mikrodosimetrie – HF
Biologische Relevanz der Energiedeposition im mikroskopischen Bereich durch Felder des Mobilfunks



Wissenschaftliche Begründung zur Stellungnahme der Strahlenschutzkommission



Verabschiedet in der 234. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 14. Mai 2009





Inhaltsverzeichnis

Einleitung
Bestimmung der SAR-Werte
Mikrowellen-Effekte auf chemische Reaktionen
Absorption von EMF in Emulsionen
Absorption von EMF in biologischen Geweben
Gepulste Felder
Literatur




Einleitung

Die Absorption von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern (EMF; im Folgenden wird nur der Frequenzbereich 10 MHz bis 10 GHz betrachtet) durch Materie ist von einer Anzahl Faktoren bestimmt, die von der Art der Felder (Intensität, Polarisation, Frequenz), von den Materialeigenschaften und der inneren Materialgeometrie abhängen. Die absorbierte Leistung wird als SAR-Wert (Spezifische Absorptions-Rate, Einheit W/kg) experimentell bestimmt oder berechnet und ist die Grundlage der Grenzwertfestsetzung [1]. Für die hier betrachtete Fragestellung ist wichtig, dass die Grenzwerte auf makroskopischen SAR-Werten beruhen und mögliche mikroskopische Effekte nicht berücksichtigt werden.

Im Folgenden soll daher geklärt werden, ob es neben den makroskopischen und gut untersuchten Effekten auch Effekte im mikroskopischen Bereich (< 1 mm3) gibt, die sich zum Beispiel als lokal und zeitlich begrenzte Erwärmungen äußern, und eventuell spezifische Einwirkungen auf der Ebene von Molekülen, Membranen, Zellbestandteilen oder Zellen zur Folge haben könnten. Im Bereich der betrachteten Frequenzen können Resonanzen von Molekülen als Wirkmechanismen ausgeschlossen werden. Berechnungen [2] haben ergeben, dass sie bei Proteinen (Myoglobin) oder doppelsträngigen DNA-Molekülen erst bei Frequenzen auftreten, die um Größenordnungen oberhalb des hier betrachteten Bereiches liegen.





Bestimmung der SAR-Werte

Die Absorptionseigenschaften von biologischem Gewebe sind in dem hier betrachteten Bereich durch die frequenzabhängigen Größen Permittivität s (Einheit F/m) und Leitfähigkeit a (Einheit S/m) gekennzeichnet. Dabei muss zwischen räumlich gemittel-ten, „effektiven" Eigenschaften und lokalen Eigenschaften unterschieden werden. Verschiedene Gewebearten absorbieren EMF frequenzabhängig unterschiedlich stark [3], Daher kommt es zu unterschiedlichen SAR-Werten bei gleichen Feldeigenschaften, die außerdem von der Position der Gewebe im Organismus abhängen. Die Eindringtiefe der absorbierten EMF nimmt mit zunehmender Frequenz ab. Die Ermittlung des ortsabhängigen SAR-Wertes kann auf unterschiedlichem Wege erfolgen, und zwar entweder messtechnisch oder durch Berechnung mittels spezieller numerischer Algorithmen (z.B. [4]). Für eine zuverlässige Berechnung des lokalen SAR-Wertes müssen die gewebespezifischen Parameter für o~ und e über den zu untersuchenden Frequenzbereich und die geometrische Anordnung in einem repräsentativen dreidimensionalen Modell bekannt sein. Mit den heute etablierten Methoden ist diese Zuverlässigkeit in einem makroskopischen Maßstab gewährleistet. Die räumliche Auflösung für die Analysen liegt in der Regel bei 1 mm3. Die Resultate derartiger Berechnungen liefern detaillierte Informationen über die absorbierten Leistungen in den betrachteten Geweben, wobei zum Abgleich mit den einschlägigen Grenzwerten üblicherweise über 10 g zusammenhängendes Gewebe gemittelt wird. An dem folgenden Beispiel (Abb. 1) wird auch besonders gut der Einfluss unterschiedlicher Frequenzen auf die Eindringtiefe deutlich.

Abb. 1:
 Ergebnis der Berechnung der Absorption elektromagnetischer Felder von Mobilfunkgeräten im Kopfbereich des Nutzers bei verschiedenen Frequenzen. Die Sendeleistung war jeweils normiert auf 1 Watt. Nach [5]


Ob die zugeführte Energie zu relevanten lokalen Temperaturerhöhungen führt, ist von der Dauer der Exposition und von der Wärmeabfuhr abhängig. Bei ausreichend langer und hinreichend starker Exposition stellt sich eine stationäre Temperaturerhöhung ein, die sich aufgrund des Gleichgewichts der aufgenommenen und der abgegebenen Leistung ergibt. Es ist unstrittig, dass Temperaturerhöhungen gesundheitlich relevant sein können, wenn sie ein bestimmtes Maß überschreiten. Als Grenze zu gesundheitlich relevanten Effekten wird eine Erhöhung um 1 °C angesehen [6], Es bleibt zu untersuchen, ob es neben den makroskopischen Effekten auch solche auf mikroskopischer oder molekularer Ebene gibt.





Mikrowellen-Effekte auf chemische Reaktionen

Das Interesse an möglichen mikroskopischen Effekten entstammt nicht nur biologischen Fragestellungen oder Beobachtungen, sondern ist auch durch das Interesse an chemischen Reaktionen begründet. Hier interessiert, ob durch elektromagnetische Felder im Bereich der Mikrowellenfrequenzen Reaktionsabläufe beschleunigt und -gleichgewichte in einem Maße verschoben werden könnten, welches jenes konventioneller Erwärmung überschreitet. Dadurch könnten sich höhere Ausbeuten oder die bevorzugte Bildung von Isomeren der gewünschten Art ergeben. In diesem Zusammenhang wird auch von „spezifischen" oder „nicht-thermischen" Effekten auf chemische Reaktionen gesprochen, da vielfach angenommen wird, die beschleunigenden Effekte hätten primär keine makroskopischen Ursachen, sondern seien auf mikroskopische Interaktionen der elektrischen Feldkomponenten mit polaren Gruppen in Molekülen zurückzuführen [7].

In der Tat gehören spezielle Mikrowellensysteme für chemische Reaktionen heute in vielen chemischen Labors zur Grundausstattung. Sorgfältige Analysen der Gruppe um Oliver Kappe (Universität Graz) lassen allerdings Zweifel aufkommen, ob es tatsächlich solche nicht-thermischen Effekte gibt [7], Es konnte gezeigt und bestätigt werden, dass zwar die Reaktionsgeschwindigkeiten und die Ausbeuten solcherart erhitzter Reaktionsgemische deutlich über denen konventionell erhitzter Proben lagen, aber dieser Effekt war auf sehr markante makroskopische Temperaturgradienten in den Reaktionsgefäßen zurückzuführen, die zum Teil drastisch von den durch in den Geräten fest installierte IR-Temperatursensoren gemessenen abwichen. Je nach Positionierung der installierten faseroptischen Temperatursensoren waren Abweichungen von bis zu 65 ° zu messen, während die IR-Sensoren über den Zeitraum der Reaktion konstant niedrigere Temperaturen anzeigten (Abb. 2). Durch mechanische Durchmischung während der Mikrowellen-Exposition waren sowohl die Temperaturunterschiede drastisch reduziert als auch die „spezifischen" Mikrowellen-Effekte auf die Ausbeute und Selektivität der chemischen Reaktionen nicht mehr nachweisbar. Auch thermografische Aufnahmen zeigten deutliche Temperaturunterschiede innerhalb der Reaktionsgefäße, wenn deren Inhalt nicht durchmischt wurde (Abb. 3). Da biologische Gewebe ebenfalls polare Moleküle und Membranen enthalten, sind die Befunde für die Diskussion um mögliche mikroskopische Effekte von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern relevant.





Abb. 2:
 Temperaturverläufe in einem Reaktionsgefäß mit und ohne mechanische Durchmischung („Stirring") bei konstanter Zufuhr von elektromagnetischer Energie (Mikrowellen, Sendeleistung 50 W). Deutlich ist zu erkennen, dass der ER-Sensor die tatsächlichen Temperaturen deutlich unterschätzt und die Gradienten (gemessen durch faseroptische Sensoren (FO)) nicht erfasst. Diese Sensoren wurden im oberen (top), mittleren (middle) bzw. unteren (bottom) Bereich des Reaktionsgefäßes positioniert. Nach [7] (supporting Information)


Abb. 3:
Thermografische Aufnahmen eines Reaktionsgefäßes (Blickrichtung von der Seite (a) bzw. von schräg unten (b)) unmittelbar nach Mikrowellen-Exposition. Die Temperaturen innerhalb der Fadenkreuze sind als Einzel-werte (Pfeile) angegeben. Deutlich ist zu erkennen, wie stark die Temperaturen innerhalb der Flüssigkeit variieren. Nach [7] (supporting information)


Absorption von EMF in Emulsionen

Die Diskussionen um mögliche mikroskopische biologische Effekte von EMF sind nicht neu und spielen in der Diskussion um chemische Reaktionen in Zwei-Phasen Systemen eine Rolle. Dabei stellen Emulsionen ein interessantes Modell dar, da hier die Phasengrenzflächen stark vergrößert sind. Die Absorption elektromagnetischer Felder durch Wasser-in-Öl-Emulsionen ist

allerdings gering und kann näherungsweise durch die Maxwell-Garnett-Funktion beschrieben werden [8]. Sie gilt, ohne dass die Tröpfchengröße in die Formel eingeht, solange die Wellenlänge der elektromagnetischen Felder wesentlich größer ist als die Tröpfchengröße [λ >> r) und der Volumenanteil der wässrigen Phase nicht größer als 20% ist:



Hier ist εeff die effektive Permittivität, em die der unpolaren (Öl-) Matrix, εp die der polaren, dispersen (Tröpfchen-) Phase und f ihr Volumenanteil. Unter Berücksichtigung der Leitfähigkeit (σp) kann die frequenzabhängige Permittivität der wässrigen Phase für Frequenzen unterhalb 1 GHz berechnet werden:



In diesem Frequenzbereich ist der Realteil (ε‘p) näherungsweise konstant, der Imaginärteil ε"p = σp/(ε0ω) hingegen frequenzabhängig. Für die Permittivität der öligen Matrix spielt der Imaginärteil keine Rolle, da deren Leitfähigkeit hier als vernachlässigbar angesehen wird. Für die Frequenzabhängigkeit der Absorption durch die Emulsion kommt es also nur auf die Leitfähigkeit der wässrigen, dispersen Phase an.

Holtze et al. [9] untersuchten das Absorptionsverhalten von Wasser-in-Öl-Emulsionen im Frequenzbereich von 1 bis 1000 MHz und mit Tröpfchen unterschiedlicher Durchmesser. Es ergaben sich unterschiedliche Befunde für Emulsionen mit Tröpfchengrößen von 125 nm gegenüber denen mit 256 nm trotz ansonsten gleicher Bedingungen (chemische Zusammensetzung, Temperatur, Leitfähigkeit, Volumenanteil (7,2%)) (Abb. 4 und 5). Bei Tröpfchengrößen von 256 nm zeigten sich Werte für ε' und ε", die um Größenordungen über denen bei Tröpfchengrößen von 125 nm lagen und auch hinsichtlich der Frequenzabhängigkeit deutlich unterschiedlich waren. So zeigte sich bei 256 nm Tröpfchengröße ein deutliches Maximum für ε" bei etwa 200 MHz mit ca. 14, während die Emulsion mit Tröpfchengrößen von 125 nm bei gleicher Frequenz einen Wert für ε" von lediglich ca. 0,045 aufwies. Als Ursache für diesen 300-fachen Unterschied wird ein von „ionischen Piasnionen" hervorgerufener Polarisationseffekt angenommen [7].

Diese Daten wurden in einen biologischen Kontext gestellt [10], da die Tröpfchengrößen von 256 nm in der Größenordnung von Synapsen liegen, die für die Signalübertragung im Nervensystem zuständig sind. Da die überaus hohen Absorptionen auch im Frequenzbereich des Mobilfunks lagen (bei 1 GHz ist ε" um den Faktor >100 erhöht), wurde über lokale Temperaturerhöhungen von 100 °C und mehr spekuliert [10]. Diese biologische Interpretation beruht auf der Übertragung der von Holtze et al. [9] gemessenen Daten und Probenspezifikationen. Diese Arbeit wurde in einer Veröffentlichung von Pelster [8] einer kritischen Analyse unterzogen. Dort werden die veröffentlichten mit theoretisch zu erwartenden Daten verglichen. Der Autor kommt u. a. zu folgenden Schlussfolgerungen: die beobachteten Absorptionen bei einer Tröpfchengröße von 256 nm sind inkonsistent und verletzen den Energieerhaltungssatz, da die durch die Tröpfchen absorbierte Energie die insgesamt in der Emulsion absorbierte Energie deutlich übersteigt. Letzteres gilt unabhängig von der speziellen Modellierung der Emulsionseigenschaften. Auch für die so drastischen Unterschiede zwischen den Daten für die beiden Tröpfchengrößen sei keine stichhaltige Erklärung erkennbar, da die anerkannten Modelle für Absorptionen elektromagnetischer Felder mit Wellenlängen, die um viele Größenordnungen über der Tröpfchengröße liegen, solche Unterschiede nicht erwarten lassen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Sedimentationseffekte die Messungen beeinflusst haben oder dass die Ergebnisse durch andere als die angegebenen Volumenanteile der dispersen Phase zustande gekommen sein könnten. Entsprechende Hinweise dafür finden sich auch in der der Publikation von Holtze [9] zugrunde liegenden Doktorarbeit (siehe hierzu die Ausführungen in [8]).

Obwohl die Absorption der zugeführten Energie der hochfrequenten elektromagnetischen Felder hauptsächlich durch die wässrige Phase verursacht wird, bedeutet dies jedoch nicht eine lokale mikroskopische Temperaturerhöhung der Tröpfchen, da die Gradienten durch das umgebende Medium in kürzester Zeit ausgeglichen werden (s. nächstes Kapitel). Für Emulsionen mit Durchmessern der wässrigen Tröpfchen im Bereich von 256 nm liegen die maximal zu erwartenden Temperaturunterschiede zwischen den Tröpfchen und der sie umgebenden Ölmatrix deutlich unterhalb von 10-6 °C (siehe nächstes Kapitel).





Abb. 4:
Frequenzabhängige komplexe Permittivität einer Emulsion mit einer mittleren Tröpfchengröße von 125 nm. Nach [9]



Abb. 5: 
Frequenzabhängige komplexe Permittivität einer Emulsion mit einer mittleren Tröpfchengröße von 256 nm. Nach [9]


Absorption von EMF in biologischen Geweben

Anders als in den beschriebenen zweiphasigen Emulsionen sind biologische Gewebe durch wesentlich höhere Wasseranteile gekennzeichnet, wodurch - je nach Gewebetyp und Wassergehalt - grundsätzlich höhere Werte für Permittivitäten und Absorptionen elektromagnetischer Felder resultieren [3]. Im Frequenzbereich von 1 MHz bis 1 GHz werden die höchsten Absorptionen dementsprechend bei Geweben mit hohem Wasseranteil gemessen (z.B. Muskel, Leber), die geringsten bei solchen mit geringem Wasseranteil (Fettgewebe, Knochen). Auch Gehirngewebe absorbiert weniger als andere Organe, da es relativ hohe Anteile an lipophilen Bestandteilen (vor allem Zellmembranen) enthält.

Biologische Gewebe sind allerdings komplexe räumliche Strukturen, die nicht nur durch die anatomischen Gegebenheiten (Zellen, subzelluläre Bestandteile, Membranen, Zellfortsätze), sondern auch durch entsprechende dielektrische Inhomogenitäten gekennzeichnet sind. Diese sind wiederum Folge der Anordnungen unterschiedlich polarer Moleküle (z.B. in Membranen) und der unterschiedlichen Leitfähigkeiten innerhalb und außerhalb von Zellen. Prinzipiell wäre es demnach denkbar, dass derart unterschiedliche anatomische Strukturen im um- oder nm-Bereich elektromagnetische Felder lokal unterschiedlich stark absorbieren, wodurch im mikroskopischen Maßstab Temperaturdifferenzen bzw. -gradienten entstehen könnten. Für einzelne Teilchen (Moleküle oder Ionen) unterhalb ca. 1 nm ist der phänomenologische Temperaturbegriff nicht direkt anwendbar, da er auf einer makroskopischen Definition beruht, nämlich die mittlere kinetische Energie von Teilchen in einer Boltzmann-Verteilung.

Bereits 1943 konnten Schäfer und Schwan [11] aufgrund einfacher physikalischer Betrachtungen von Kugeln nachweisen, dass die Möglichkeit räumlicher lokaler Temperaturunterschiede im mikroskopischen Maßstab nicht realistisch ist. Solche mikroskopischen „hot spots" mit biologisch relevanten Temperaturunterschieden sind bereits aufgrund einfacher Wärmedissipation (Wärmeableitung) nicht plausibel. Hinzu kommt in biologischen Geweben die Wärmeabführung durch eine physiologisch steuerbare Durchblutung. Dies ist in der Wärmeleitungsgleichung nach Pennes berücksichtigt, welche lautet:



Hier ist k die thermische Leitfähigkeit und T die Temperatur des Gewebes, ρ die Dichte, C die Wärmekapazität, mb die Blutperfusionsrate und SAR die zugeführte elektromagnetische Leistung. Der erste Term der Gleichung beschreibt die Wärmediffusion, der zweite den Abtransport durch Durchblutung, und der dritte den Energieeintrag durch elektromagnetische Felder. Unter Vernachlässigung des zweiten Terms (im Sinne eines worst-case-Szenarios) [12] ergibt sich nach Integration für die Temperaturerhöhung (ΔT) einer Kugel die folgende Gleichung:



Der zweite Term auf der rechten Seite der Gleichung hat die Dimension einer Zeit und charakterisiert die Zeitkonstante der Temperaturänderung einer Kugel als Funktion ihres Radius r:



Für mikroskopische Volumina im nm- und μm-Bereich und für makroskopische Volumina wurde berechnet [12], zu welchen Temperaturerhöhungen es unter den genannten Bedingungen bei einer absorbierten Leistung von SAR = 10 W/kg innerhalb der relevanten Zeitkonstanten x (siehe Abb. 6) kommen kann.



Abb. 6: 
Zusammenhang zwischen dem Radius und der Zeitkonstanten τ (nach [12]). Zur Verdeutlichung sind die ungefähren Größen von relevanten biologischen Strukturen durch Pfeile markiert. Für ρ, C und k wurden repräsentative Werte biologischer Gewebe eingesetzt


Für Kugeln mit dem Radius von 1 nm (entspricht einer Zeitkonstanten von τ = 8 ps) können demnach maximale Temperaturerhöhungen von ΔT = 2 x 10-14 °C auftreten, für solche mit einem Radius von 1 um (in der Größenordnung von Zellen) liegt bei τ = 8 μs die maximale Temperaturerhöhung bei 2 x 10-8 °C. Selbst bei 1000-fach erhöhter lokaler Absorption sind die Temperatureffekte bei einer Kugel von 1 nm vernachlässigbar (max. 2 x 10-11°C). Anschaulich formuliert ist bei so kleinen Strukturen das Oberflächen- zu Volumenverhältnis so groß, dass über die Oberfläche die Wärme sehr schnell abgeführt wird. Erst bei makroskopischen Objekten sind relevante Temperatureffekte zu erwarten (bei einem Radius von 1 cm ist τ = 800 s bei ΔT = 2 °C). Eine lokale, mikroskopische Temperaturerhöhung ist daher unplausibel, solange nicht mit extrem hohen momentanen SAR-Werten exponiert wird, wie die Autoren schreiben („The temperature fluctuations by .selective' heating of small structures are clearly very small unless extreme momentary values of SAR are imposed") [12].

Die oben genannten Betrachtungen beruhen auf der Annahme von homogenen und isotropen Medien, die für komplexe biologische Strukturen sicher nicht gegeben sind. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass diese Inhomogenitäten Temperaturunterschiede um mehr als 10 Größenordnungen (entspricht ca. 0,1 °C) hervorrufen könnten.





Gepulste Felder

Die bisherigen Betrachtungen konzentrierten sich auf die Möglichkeit der Existenz räumlich begrenzter mikrothermischer Effekte. Für die Mobilfunkanwendungen spielt aber auch die zeitliche Dimension eine Rolle, da die Sender (Basisstationen und Endgeräte) EMF nicht kontinuierlich abgeben („continuous wave"), sondern gepulst (GSM-Standard) bzw. mit variierenden Frequenzen und unterschiedlichen Sendeleistungen (UMTS). Der entscheidende Parameter ist der so genannte Crest-Faktor, der das Verhältnis von Spitzen- zu Effektivwerten beschreibt. Er liegt bei GSM-Endgeräten rechnerisch bei einem Faktor von 8 (Pulsimg 1 : 8) und bei UMTS-Geräten bei Faktoren bis zu 10. Gepulste Felder sind auch bei Fernsehsendern und Radaranlagen vorhanden, letztere mit wesentlich höheren (bis über 1000) Crest-Faktoren.

Die Frage nach möglichen Unterschieden der biologischen Wirkungen von gepulsten gegenüber ungepulsten EMF (bei gleichen SAR-Werten), lässt sich zurzeit nicht eindeutig beantworten. Es gibt eine Fülle widersprüchlicher Befunde [13], wenngleich die überwiegende Anzahl der Studien gegen die Existenz solcher Unterschiede spricht, so dass eine Gesamtbeurteilung nach derzeitigem Wissensstand nicht möglich ist. In ihrer Bewertung des 2008 abgeschlossenen Deutschen Mobilfunk-Forschungsprogramms [14] kommt die SSK bezüglich der zum Teil widersprüchlichen Befunde aus Laborstudien zu folgender Einschätzung: „Es wäre noch zu klären, ob berichtete unterschiedliche Wirkungen zwischen gepulster GSM-Exposition und ungepulster CW-Exposition ein Zufallsergebnis oder auf pulsungsspezifische thermische Effekte zurückzuführen sind."

Gegen grundsätzlich unterschiedliche Wirkmechanismen von gepulsten gegenüber ungepulsten Feldern im Kontext mikroskopischer Größenordnungen sprechen allerdings Überlegungen von Laurence et al. [15]. Ähnlich wie zuvor [12] berechneten die Autoren die zu erwartenden Temperaturanstiege im Bereich der Größenordnung von Molekülen und Zellen und kamen zu sehr ähnlichen Werten für x und AT. Anders als bei [12] gehen die Autoren jedoch auch auf gepulste Felder ein. Die Ergebnisse weisen auch bei ungünstigsten Annahmen nicht darauf hin, dass es im mikroskopischen Maßstab zu relevanten Temperaturerhöhungen kommt. Auch die Möglichkeit biologischer Effekte durch Demodulation gepulster Felder in dem hier betrachteten Frequenzbereich wird als wenig wahrscheinlich angesehen [16].

Im Rahmen der Betrachtungen zur Mikrodosimetrie ergeben sich demnach keine konsistenten Hinweise dafür, dass gepulste elektromagnetische Felder in realistischen Expositionsszenarien im betrachteten Frequenzbereich grundsätzlich andere Wirkungen als ungepulste Felder haben.





Literatur
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 SSK: Deutsches Mobilfunk-Forschungsprogramm, Stellungnahme der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 223. Sitzung der SSK am 13. Mai 2008, veröffentlicht durch Bekanntmachung vom 15. Juli 2008 (BAnz. Nr. 176a vom 19. November 2008)
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 Foster, K.R., Repacholi, M.H.: Biological effects of radio-frequency fields: does modulation matter? Radiât Res 162: 219-225;" 2004