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Bekanntmachung einer Empfehlung mit wissenschaftlicher Begründung der Strahlenschutzkommission - Abgeleitete Richtwerte für Maßnahmen zum Schutz von Personen bei Kontaminationen der Umwelt mit Alpha- und Betastrahlern -

Zurück zur Teilliste Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Bekanntmachung
einer Empfehlung mit wissenschaftlicher Begründung
der Strahlenschutzkommission
– Abgeleitete Richtwerte für Maßnahmen zum Schutz von Personen
bei Kontaminationen der Umwelt mit Alpha- und Betastrahlern –
vom 3. Dezember 2015



Vom 26. Februar 2016



Fundstelle: BAnz AT 01.07.2016 B3





Nachfolgend wird die Empfehlung mit wissenschaftlicher Begründung der Strahlenschutzkommission (SSK), verabschiedet in der 279. Sitzung der Kommission am 3./4. Dezember 2015, bekannt gegeben (Anlage).





Bonn, den 26. Februar 2016
RS II 2 - 17027/2



Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit



Im Auftrag
Dr. Böttger





Anlage



Abgeleitete Richtwerte
für Maßnahmen zum Schutz von Personen bei Kontaminationen der Umwelt mit Alpha- und Betastrahlern Empfehlung der Strahlenschutzkommission mit wissenschaftlicher Begründung



Verabschiedet in der 279. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 3./4. Dezember 2015



Abgeleitete Richtwerte
für Maßnahmen zum Schutz von Personen bei Kontaminationen der Umwelt mit Alpha- und Betastrahlern



Empfehlung der Strahlenschutzkommission



Inhaltsübersicht



1

Einleitung



2

Szenario



3

Expositionspfade



4

Strahlenschutzgrundsätze




4.1

Schutzstrategie





4.2

Eingreifrichtwert





4.3

Abgeleitete Richtwerte




5

Zu betrachtende Radionuklide



6

Empfehlungen




6.1

Abgeleitete Richtwerte für Maßnahmen in einer frühen Phase nach Feststellung der Kontamination   





6.2

Abgeleitete Richtwerte der Hautkontamination zur Veranlassung der Personendekontamination





6.3

Nachweis der Überschreitung der abgeleiteten Richtwerte





6.4  

Vorsorgliche Warnung




7

Weiterführende Hinweise



8  

Literatur





1 Einleitung



Bei Unfällen mit radioaktivem Material stehen bisher solche mit gammastrahlenden Radionukliden im Mittelpunkt der Betrachtungen. Dazu zählen Unfälle in Kernkraftwerken, aber auch solche mit umschlossenen radioaktiven Quellen aus medizinischen und industriellen Anwendungen. In solchen Fällen wird die Strahlenexposition durch Alpha- und Betastrahlung nicht ausdrücklich betrachtet, weil die Gammastrahlung ganz überwiegend die Expositionspfade und die Strahlendosen bestimmt.



Allerdings werden – vor allem im Rahmen der nuklearspezifischen Gefahrenabwehr – zunehmend auch Szenarien diskutiert, bei denen es zu Freisetzungen aus normalerweise umschlossenen und abgeschirmten Quellen mit Alpha- und Betastrahlern kommen kann. Besonderes Interesse finden Szenarien, bei denen eine Freisetzung in einer urbanen Umgebung stattfinden würde, weil dann möglicherweise viele Menschen betroffen wären.



Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) beauftragte mit Schreiben vom 21. Januar 2009 die Strahlenschutzkommission (SSK), eine Empfehlung zu abgeleiteten Richtwerten von alpha- und betastrahlenden Radionukliden zu erarbeiten. Im Auftragsschreiben des BMU wurde darauf hingewiesen, dass solche Richtwerte weitgehend fehlen. Nuklidspezifische abgeleitete Richtwerte sind nur in Einzelfällen in der Literatur behandelt und dann auch nur für bestimmte Expositionspfade (z. B. Inhalation von resuspendierten Radionukliden im Maßnahmenkatalog (SSK 2007a)).



Soweit in der Literatur abgeleitete Richtwerte für Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und von Einsatzkräften genannt sind, werden die zugehörigen Dosiswerte vielfach nicht aufgeführt und die Berechnung nicht beschrieben. Etliche Quellen nennen für Alphakontaminationen 100 Bq cm–2 und für Betakontaminationen 1 000 Bq cm–2 Werte für die Begrenzung von Gefahrenbereichen (IAEA 2006, IAEA 2007, NCRP 2010, Rojas-Palma et al. 2009, Boson et al. 2014).



Neben dem Fehlen von abgeleiteten Richtwerten treten bei Ereignissen, die zu Alpha- oder Betakontaminationen führen, spezifische Probleme auf:



Vorhandene Kontaminationen können mit den bei Einsatzkräften von Polizei und Feuerwehr üblichen Dosisleistungsmessgeräten in Fällen ohne begleitende Gammastrahlung nicht nachgewiesen werden. Die z. B. in der Feuerwehrdienstvorschrift 500 (AFKzV 2012) festgelegten Dosisleistungskriterien für Gefahrenbereiche sind somit nicht anwendbar. Notwendig sind Kontaminationsmessungen mit Kontaminationsmonitoren, die normalerweise zeitaufwändiger und anspruchsvoller durchzuführen sind als Dosisleistungsmessungen.


Nuklidspezifische Messungen, z. B. mit Alpha-Spektrometrie, sind sehr zeitaufwändig.


Eine übliche konventionelle Strahlenschutzüberwachung von Einsatzkräften mit Dosimetern ist bei Betastrahlung wegen weithin fehlender betaempfindlicher Dosismeter nicht gewährleistet.


Besonders schwierig ist das Management von Ereignissen, bei denen eine radioaktive Kontamination in einer urbanen Umgebung vorliegt, weil dann viele Menschen betroffen sein können und die weitere Nutzung (Wohnen, Arbeiten) des Gebietes erheblich beeinträchtigt sein kann. Solche Fälle werden bei dem nachfolgend betrachteten Szenario unterstellt.




2 Szenario



Besonderes viele Menschen können betroffen sein, wenn in einer urbanen Umgebung ein Ereignis eintritt, welches zu einer Verteilung von Radionukliden in der Umwelt führt.



Im hier betrachteten Szenario wird davon ausgegangen, dass keine Beeinflussung der verursachenden Quelle mehr möglich ist. Es wird unterstellt, dass eine Freisetzung mit nachfolgender Kontamination in eine urbane Umgebung stattgefunden hat. Es werden nur Freisetzungen in die Luft betrachtet, wobei angenommen wird, dass die entsprechende Wolke bereits abgezogen ist und dass ablagerungsfähige Radionuklide zu einer Bodenkontamination1 geführt haben.





3 Expositionspfade



Als Expositionspfade, für die abgeleitete Richtwerte bereitzustellen sind, werden die externe Strahlung von am Boden abgelagerten Radionukliden im Fall von betastrahlenden Radionukliden, die Inhalation resuspendierter Radionuklide sowie die Ingestion von kontaminierten Bodenbestandteilen durch Kinder betrachtet. Die Bodenaufnahme spielt bei Erwachsenen eine weitaus geringere Rolle als bei Kleinkindern: Deshalb wurden Rechnungen zur Ingestion von kontaminierten Bodenbestandteilen bei Kindern durchgeführt (siehe Anhang A-5 der wissenschaftlichen Begründung). Allerdings zeigt sich, dass dieser Expositionspfad nicht dominant ist.



Zusätzlich ist bei Personen der Bevölkerung und bei den mit Dekontaminationsarbeiten und ähnlichen Arbeiten beauftragten Einsatzkräften auch die Hautdosis durch eine Kontamination der Haut bzw. der Kleidung in Betracht zu ziehen, um gegebenenfalls darauf basierend Personendekontaminationen zu veranlassen.



Der Ingestionspfad durch kontaminierte Lebensmittel wird bei der Festlegung von abgeleiteten Richtwerten nicht einbezogen. Es wird davon ausgegangen, dass eine Warnung vor dem Verzehr möglicherweise kontaminierter Lebensmittel sehr sicher beachtet werden wird. Eine solche Warnung sollte sicherheitshalber, zunächst unabhängig von der Höhe der Kontamination, immer ausgesprochen werden.



Entsprechendes gilt für die unbeabsichtigte Ingestion durch Berühren kontaminierter Gegenstände. Auch hier wird unterstellt, dass der potenzielle Expositionspfad wegen entsprechender Warnungen und Verhaltensempfehlungen zunächst nicht zu betrachten ist.



Die oben beschriebene Annahme, dass die Freisetzung bereits abgeschlossen ist, bedeutet, dass sowohl die aus der vorbeiziehenden Aktivitätswolke rührende direkte Strahlung als auch die daraus resultierende Inhalationsdosis nicht mehr vermeidbar ist und daher in den hier entwickelten Modellen zur Berechnung abgeleiteter Richtwerte nicht weiter betrachtet wird. Durch Maßnahmen vermeidbar oder verminderbar ist lediglich noch die aus der verbleibenden Kontamination des Bodens rührende Strahlenexposition.





4 Strahlenschutzgrundsätze



4.1 Schutzstrategie



In der wissenschaftlichen Begründung wird eine Schutzstrategie skizziert, die bei den betrachteten Szenarien anwendbar ist.



Ziel der Schutzstrategie ist, die Strahlenexposition der Bevölkerung und der Einsatzkräfte so zu begrenzen, dass deterministische Strahlenwirkungen vermieden werden und das Risiko stochastischer Strahlenwirkungen gering bleibt. Durch die abgeleiteten Richtwerte werden Grundlagen geschaffen, um die unten festgelegten Eingreifrichtwerte und damit auch den für solche Notfallsituationen geltenden Referenzwert der verbleibenden effektiven Dosis im ersten Jahr von 100 mSv (SSK 2014) einzuhalten. Die Elemente der nachstehend skizzierten Schutzstrategie erfüllen die in Artikel 73 der Richtlinie 2013/59/Euratom (Euratom 2014) beschriebenen Vorgaben. Die Schutzstrategie umfasst zunächst die Eingrenzung der Gebiete, in denen Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung erforderlich sind. Diese Eingrenzung muss unter Umständen in mehreren Schritten durchgeführt werden:



vorsorgliche Absperrung einer Verdachtsfläche2, in der Maßnahmen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr notwendig sein können,


Abgrenzung des betroffenen Gebietes3 durch zunächst grobe Kontaminationsmessungen,


Abschätzungen des Umfangs weiterer Gebiete, für die spezielle Verhaltensempfehlungen (z. B. Verzicht auf den Verzehr möglicherweise kontaminierter Lebensmittel, Kinder nicht im Freien spielen lassen) und entsprechende Information und Warnung der Bevölkerung zweckmäßig sind. In Anhang A-5.5 der wissenschaftlichen Begründung wird ein Verfahren dargestellt, wie eine entsprechende Abschätzung des Warngebietes erfolgen kann.


Anschließend müssen Maßnahmen zur Beseitigung einer unmittelbaren Gefahr im so abgegrenzten Gebiet vorgenommen werden. Diese Maßnahmen umfassen beispielsweise die Aufforderung zum Aufenthalt in Gebäuden, Zugangsbeschränkungen, gegebenenfalls Evakuierung sowie Verhaltensempfehlungen (z. B. Ablegen von Oberbekleidung außerhalb von Aufenthaltsräumen, Beschränkungen des Aufenthaltes im Freien auf das zeitlich Notwendigste).



So bald wie möglich, aber dennoch planvoll, soll damit begonnen werden, die Kontamination zu fixieren. Das kann bei Kontaminationen mit alpha- oder betastrahlenden Radionukliden mit einfachen Mitteln wie z. B. durch Besprühen mit Wasser, gegebenenfalls mit einem Wasser-Glyzerin-Gemisch, geschehen.



Falls notwendig, sind unter Beachtung des ALARA-Prinzips später noch Dekontaminationsmaßnahmen vorzunehmen.



Für die Kontaminationskontrolle und gegebenenfalls Personendekontamination von möglicherweise kontaminierten Personen der Bevölkerung sowie für Einsatzkräfte sind dafür geeignete Einrichtungen (z. B. Notfallstationen) in Betrieb zu nehmen.



Über alle Schritte sind die Bevölkerung und die Einsatzkräfte direkt oder über die Medien zu informieren.



4.2 Eingreifrichtwert



Als Eingreifrichtwert für die Auslösung von Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung empfiehlt die SSK eine effektive Dosis von 10 mSv bei Annahme eines ungeschützten Aufenthalts im kontaminierten Gebiet mit einer Expositionszeit von sieben Tagen. Dieser Wert wurde entsprechend dem Eingreifrichtwert festgelegt, der in den „Radiologischen Grundlagen für Entscheidungen über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei Ereignissen mit Freisetzungen von Radionukliden“ (SSK 2014) für die Maßnahme „Aufenthalt in Gebäuden“ vorgesehen ist.



Aufenthaltsbeschränkungen bis hin zu einer Evakuierung sind zu erwägen, wenn die effektive Dosis über sieben Tage bei ungeschütztem Aufenthalt 100 mSv überschreiten kann. Da die Maßnahme „Aufenthalt in Gebäuden“ nur über ca. zwei Tage aufrechterhalten werden kann, sind Evakuierungsmaßnahmen auch zu erwägen, wenn das oben genannte Dosiskriterium trotz natürlicher Prozesse oder Abschirm- oder Fixierungsmaßnahmen absehbar nicht erreicht werden kann.



4.3 Abgeleitete Richtwerte



Bei abgeleiteten Richtwerten handelt es sich um messbare Größen, die zum Eingreifrichtwert der Dosis proportional sind. Bei Alpha- und Betastrahlern ist die Bodenkontamination als flächenbezogene Aktivität eine geeignete, mit Kontaminationsmonitoren messbare Größe. Die abgeleiteten Richtwerte werden in dieser Empfehlung nuklidspezifisch aufgeführt. Sie gelten für Erwachsene als repräsentative Personen.





5 Zu betrachtende Radionuklide



Aus der Vielzahl der alpha- oder betastrahlenden Radionuklide wurden für die vorliegende Fragestellung zunächst jene Radionuklide ausgewählt, die in Ereignisfällen realistischerweise in abgetrennter und hochkonzentrierter Form erwartet werden können. Nach dieser Vorauswahl wurden nur die Radionuklide, deren lange Halbwertszeit mittel- und langfristige Maßnahmen bis zu einem hinreichenden Abklingen erfordern, in die Auswahl einbezogen. Dementsprechend blieben Radionuklide mit einer Halbwertszeit von weniger als einem Tag unberücksichtigt, da diese im Zusammenhang mit mittel- und langfristig notwendigen Maßnahmen nicht relevant sind.



Gasförmig vorliegende Radionuklide wurden mit einer Ausnahme ausgeklammert, da diese nicht durch Ablagerung zu einer Flächenkontamination führen können. Speziell bei Rn-222, dem Zerfallsprodukt von Ra-226, wurden die bis zur Freisetzung vorhandenen Zerfallsprodukte und teilweise die im Integrationszeitraum neu gebildeten Tochternuklide bei der Berechnung der Strahlenexposition berücksichtigt. Ebenso wurde Tritium (H-3) nicht in die Radionuklidauswahl aufgenommen, weil es sich in seinen vorherrschenden chemischen Bindungsformen in der Umwelt anders verhält als die hier betrachteten Radionuklide in Partikelform. Tritium ist zudem wegen seiner im Vergleich mit anderen Betastrahlen niedrigen mittleren Zerfallsenergie (5,6 keV) nur wenig radiotoxisch.



Nach Berechnung der abgeleiteten Richtwerte mit Hilfe der spezifischen Aktivität des reinen Radionuklids wurde überprüft, welche Masse des jeweiligen Radionuklids notwendig wäre, damit bei einem der betrachteten Expositionspfade der Eingreifrichtwert überschritten wird. Bei sehr langlebigen Radionukliden können so große Massen erforderlich werden, dass diese in realistischen Szenarien nicht mehr als hier zu betrachtende Kontaminationsquellen zu unterstellen sind. Diese Radionuklide wurden ausgeklammert. U-234, U-235 und U-238 wurden trotz ihrer geringen spezifischen Aktivitäten in der Auswahl belassen, weil sie in großen Mengen als Uran natürlicher Isotopenzusammensetzung (U-nat4) oder in angereicherter (U-5%5) oder abgereicherter Form (U-dep6) vorhanden sind und auch häufig transportiert werden. Uran hat (wie auch andere Schwermetalle) neben der Radiotoxizität auch chemotoxische Wirkungen. Letztere sind stark von der Löslichkeit der jeweils vorliegenden chemischen Verbindung abhängig. Inhalation und – etwas weniger bedeutsam – Ingestion sind die hauptsächlichen Expositionspfade. Die chemotoxischen Wirkungen können bei gleicher inkorporierter Aktivität größer sein als die radiotoxischen Wirkungen. Beim Nachweis von Uran auch unterhalb der in dieser Empfehlung ermittelten abgeleiteten Richtwerte der Bodenkontamination sind daher immer auch Überprüfungen notwendig, ob auf Grund der Chemotoxizität Maßnahmen erforderlich sind. Die hierfür notwendigen Überlegungen sind nicht Gegenstand der vorliegenden Empfehlung.



Eine Reihe von Radionukliden in der betrachteten Auswahl bilden Tochternuklide. Diese Tochternuklide sind bei der Dosisberechnung über die betrachteten Expositionspfade jeweils zu berücksichtigen. Das Alter des Mutter-Töchter-Radionuklidgemisches ist bei den hier betrachteten Kontaminationsereignissen zunächst nicht bekannt; es ist aber anzunehmen, dass zwischen einer gegebenenfalls vorgenommenen Abtrennung des reinen Mutternuklides und der ereignisbedingten Bodenkontamination eine gewisse Zeit verstrichen ist. Um eine konservative Dosisabschätzung einschließlich der Beiträge der Tochternuklide zu erreichen, wurde für das Alter des Radionuklidgemisches ein Zeitpunkt gewählt, bei dem innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren seit Vorliegen des reinen Mutternuklids die Summe der Aktivitäten des Radionuklidgemisches maximal ist (siehe Anhang A-1 der wissenschaftlichen Begründung).



In einigen Fällen emittieren die Tochternuklide auch Gammastrahlung, die mit den bekannten Messverfahren nachweisbar ist. Diese Tatsache könnte einen Ausschluss dieser Radionuklidketten aus den weiteren Betrachtungen rechtfertigen. Diese Radionuklidketten wurden dennoch in der Auswahl belassen, wenn die Alpha- und/oder Betastrahlung des Mutter-/Töchter-Radionuklidgemisches einen nicht vernachlässigbaren Beitrag (> 50 %) zur gesamten Strahlenexposition leistet.





6 Empfehlungen



6.1 Abgeleitete Richtwerte für Maßnahmen in einer frühen Phase nach Feststellung der Kontamination



In den Tabellen 1 und 2 sind Werte der Bodenkontamination in Bq m–2 aufgeführt, die herangezogen werden können, um ein betroffenes Gebiet abzugrenzen und in diesem Gebiet Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung (Aufenthalt in Gebäuden, Zugangskontrolle, gegebenenfalls Evakuierung und zugeordnete Maßnahmen) auszulösen. Sie sind abgeleitet von einem Eingreifrichtwert der effektiven Dosis von 10 mSv bei einem Integrationszeitraum von sieben Tagen. Die Berechnung dieser abgeleiteten Richtwerte wird im Anhang der wissenschaftlichen Begründung ausführlich beschrieben. Den mit # gekennzeichneten Radionukliden liegen Mutter-Töchter-Radionuklidgemische zugrunde, die im Einzelfall von den säkularen Gleichgewichten abweichen können. Die berücksichtigten Tochternuklide sind in der wissenschaftlichen Begründung im Einzelnen angegeben.



Tabelle 1: Abgeleitete Richtwerte der Bodenkontamination (bei Radionuklidgemischen Gesamtkontamination) in Bq m–2 für Betastrahler, die in einem Integrationszeitraum von sieben Tagen zu einer effektiven Dosis in Höhe des Eingreifrichtwertes von 10 mSv führen (jeweils restriktivster Wert der Expositionspfade Inhalation nach Resuspension und externe Strahlung vom kontaminierten Boden)



  Radionuklid  

Halbwertszeit*

  Abgeleiteter Richtwert der  
Bodenkontamination
in Bq m–2

dominierender
  Expositionspfad  

P-32

14,3 d


2,3E+08

B

P-33

25,4 d


9,0E+10

R

S-35

87,4 d


6,8E+10

R

Ca-45

   163,0 d


3,5E+10

R

Ni-63

96,0 a


9,8E+10

R

Sr-89

50,5 d


2,5E+08

B

Sr-90#

29,1 a


3,0E+08

B

Y-90

64,0 h


3,3E+08

B

Pr-143

13,6 d


9,5E+08

B

Pm-147

2,6 a


2,6E+10

R

Er-169

9,3 d


1,5E+11

R

Tm-170

128,6 d


6,4E+08

B

Tl-204

3,8 a


1,5E+09

B

Bi-210

5,0 d


7,4E+08

B

Niedrigster abgeleiteter Richtwert

2,3E+08

B

Richtwert für Betakontamination

1,0E+08



R = Resuspension



B = Bodenstrahlung



Alle in Tabelle 1 aufgeführten abgeleiteten Richtwerte der Bodenkontamination liegen deutlich über dem von der IAEA (IAEA 2007) für Betastrahler vorgeschlagenen Wert von 1 000 Bq cm–2 (1,0E+07 Bq m–2). Wenn das betastrahlende Radionuklid noch nicht identifiziert ist (bzw. die beteiligten betastrahlenden Radionuklide) und dementsprechend noch keine nuklidspezifischen Messungen vorliegen, sollte für Entscheidungen über erste Maßnahmen bei Betakontaminationen 1,0E+08 Bq m–2 zugrunde gelegt werden.



Alle in Tabelle 2 aufgeführten abgeleiteten Richtwerte für die Bodenkontamination alphastrahlender Radionuklide liegen mit einer Ausnahme (Ac-227# mit 9,0E+05 Bq m–2) über dem von der IAEA für Alphastrahler vorgeschlagenen Richtwert von 100 Bq cm–2 (1,0E+06 Bq m–2). Wenn das alphastrahlende Radionuklid noch nicht identifiziert ist (bzw. die beteiligten alphastrahlenden Radionuklide noch nicht identifiziert sind), sollte für Entscheidungen über erste Maßnahmen bei Alphakontaminationen 1,0E+06 Bq m–2 zugrunde gelegt werden.



Tabelle 2: Abgeleitete Richtwerte der Bodenkontamination (bei Radionuklidgemischen Gesamtkontamination) in Bq m–2 für Alphastrahler, die in einem Integrationszeitraum von sieben Tagen zu einer effektiven Dosis in Höhe des Eingreifrichtwertes von 10 mSv führen (jeweils restriktivster Wert der Expositionspfade Inhalation nach Resuspension und externe Strahlung vom kontaminierten Boden)



  Radionuklid  

Halbwertszeit*

  abgeleiteter Richtwert der  
Bodenkontamination in Bq m–2

dominierender
  Expositionspfad  

Po-210

138,4 d


3,0E+07

R

Ra-223#

11,4 d


3,3E+07

R

Ra-226#

1 600 a


4,1 E+ 07

R

Ac-225#

10,0 d


5,1E+07

R

Ac-227#

21,8 a


9,0E+05

R

Th-227#

18,7 d


2,2E+07

R

Th-228#

1,9 a


1,2E+07

R

Th-229#

         7 340 a


2,5E+06

R

U-nat#



2,4E+07

R

U-5%#



1,6E+07

R

U-dep#



3,0E+07

R

Pu-238

87,7 a


1,2E+06

R

Pu-239/Pu-240

24 065 a/6 537 a

1,1E+06

R

Am-241

432,2 a


1,3E+06

R

Cm-242

162,8 d


2,2E+07

R

Cm-244

18,1 a


2,2E+06

R

Cf-252

2,6 a


6,4E+06

R

Niedrigster abgeleiteter Richtwert

9,0E+05

R

Richtwert für Alphakontamination

1,0E+06



R = Resuspension



Bei ersten orientierenden Messungen kann man nur feststellen, ob Alphastrahlung und/oder Betastrahlung auftritt. Liegt Alphastrahlung oder gleichzeitig Alpha- und Betastrahlung vor ohne Nuklididentifizierung, sollte für die Entscheidung über erste Maßnahmen der Richtwert für Alphakontamination von 1,0E+06 Bq m–2 verwendet werden. Werden beide Strahlenarten gleichzeitig nachgewiesen, kann man ohne Nuklididentifizierung nicht entscheiden, ob es sich um die Strahlung eines oder mehrerer voneinander unabhängiger Radionuklide wie z. B. Am-241 und Sr-90 oder einer Zerfallsreihe wie z. B. die von U-238 handelt. Liegt nur Betastrahlung ohne Nuklididentifzierung vor, sollte entsprechend der Richtwert für Betakontamination herangezogen werden.



Liegen später, wenn die Nuklidzusammensetzung des Radionuklidgemisches bereits bekannt ist, Hinweise vor, dass die Kontamination aus einem Gemisch der in den Tabellen 1 und 2 aufgeführten Einzel- bzw. Mutternuklide besteht, kann die Einhaltung des abgeleiteten Richtwertes durch die Anwendung einer Summenformel überprüft werden:



Formel



mit



Br

gemessener Kontaminationswert für das Radionuklid r,



ARWr  

abgeleiteter Richtwert für das Radionuklid r.



Es kann hier festgestellt werden, dass Kontaminationen von größeren Außenflächen, die die hier aufgeführten abgeleiteten Richtwerte (Tabelle 1 und 2) erreichen, nur unter extremen Bedingungen zu erwarten sind.



6.2 Abgeleitete Richtwerte der Hautkontamination zur Veranlassung der Personendekontamination



Die effektive Dosis reicht zur Beurteilung einer Strahlenexposition durch direkte Kontamination der Haut bei Unfällen oder anderen ungeplanten Freisetzungen von Radionukliden nicht aus. Zu dieser Exposition können neben betastrahlenden Radionukliden auch hochenergetische alphastrahlende Radionuklide beitragen. In der Schutzstrategie (Abschnitt 4.1) sind daher Kontaminationskontrollen und gegebenenfalls nachfolgende Personendekontaminationen vorgesehen. Es müssen deshalb Kriterien vorhanden sein, ab welchen Hautkontaminationen die Personendekontamination erfolgen soll.



Für deren Herleitung werden zwei Expositionssituationen (ICRP 2007, ICRP 2009a, ICRP 2009b) unterschieden:



a)
In der Notfall-Expositionssituation können sowohl die Bevölkerung als auch die Einsatzkräfte betroffen sein. Die Lagebeurteilung ist noch unsicher und die potenzielle Strahlenexposition kann hoch sein. Einsatzkräfte werden für Messungen, zur Fixierung der Kontamination und zur Unterstützung der Bevölkerungsschutzmaßnahmen benötigt.


Für die Bevölkerung gibt es derzeit keinen dosisbezogenen Eingreifrichtwert für die Auslösung einer Personendekontamination.


In der Richtlinie 2013/59/Euratom (Euratom 2014) wird eine sogenannte Notfalleinsatzkraft als Person mit in einer festgelegen Rolle in einem Notfall definiert, die bei ihrem Einsatz einer Strahlung ausgesetzt sein könnte. Diese Notfalleinsatzkraft soll wie eine beruflich strahlenexponierte Person betrachtet werden. Nach (ICRP 2007) und (Euratom 2014) soll die Organ-Äquivalentdosis der Haut von Notfalleinsatzkräften in Anlehnung an den Grenzwert für beruflich strahlenexponierte Personen nach Möglichkeit unter 500 mSv pro Ereignis liegen, gemittelt über jede beliebige Hautfläche von 1 cm2, unabhängig von der exponierten Fläche.


Dies kann nach (ICRP 2007) mit dem noch großen Abstand zu Schwellendosen für deterministische Strahlenwirkungen und dem aus der Hautdosis dieser Höhe resultierenden niedrigen Risiko für stochastische Strahlenwirkungen begründet werden.


b)
Nach ersten Erfolgen mit Maßnahmen zur Verringerung der Strahlenexposition (Abschirmen, Fixieren, Dekontaminieren) sowie als Folge natürlicher Prozesse und mit den dann genaueren Kenntnissen der radiologischen Lage gelangt man in eine bestehende Expositionssituation. Der Übergang muss nach Ansicht der SSK von den zuständigen Behörden formal festgestellt werden. Die Feststellung setzt eine gute Kenntnis der radiologischen Lage sowie eine hinreichend geringe Strahlenexposition im betroffenen Gebiet, die infolgedessen deutlich geringere Gesundheitsrisiken nach sich zieht, voraus (ICRP 2009a). Es wird unterstellt, dass Kontaminationskontrollen und Personendekontamination für die Bevölkerung in besonderen Einrichtungen (Notfallstation) dann nicht mehr notwendig sind. Es werden jedoch weiterhin Einsatzkräfte benötigt, die für Aufräumarbeiten, für weitere Dekontaminationsmaßnahmen und Ähnliches zur weiteren Minderung der Strahlenexposition nach dem ALARA-Prinzip eingesetzt werden. Die SSK empfiehlt in Übereinstimmung mit den Ausführungen der ICRP in (ICRP 2009a), dass diese Einsätze nach den Strahlenschutzgrundsätzen für geplante Expositionssituationen vorbereitet und ausgeführt werden.


Bei der getrennten Betrachtung der beiden Expositionssituationen und Bevölkerungsgruppen (Bevölkerung, Einsatzkräfte) und – wie in der wissenschaftlichen Begründung gezeigt wird – von drei Radionuklidgruppen müssten neun Richtwerte für die Personendekontamination festgelegt werden. Die Kontaminationsüberprüfungen an Personen und danach gegebenenfalls erforderliche Personendekontaminationen werden in Notfallstationen (AK V 2014, SSK 2007b) oder entsprechenden Einrichtungen durchgeführt. Die Personendekontamination ist eine relativ einfach durchzuführende Maßnahme (Kleiderwechsel, gründliche Waschung bzw. Dusche) ohne negative Folgen für die kontaminierten Personen.



Die SSK empfiehlt daher bei der Entscheidung über Dekontaminationsmaßnahmen, in Anlehnung an § 46 Absatz 2 StrlSchV von einem niedrigen einheitlichen dosisbezogenen Eingreifrichtwert in Höhe von 50 mSv Hautdosis sowohl für Personen der Bevölkerung als auch für Einsatzkräfte auszugehen, obwohl die biologische Wirkung von geringen Hautdosen als vernachlässigbar anzusehen ist (Preston et al. 2007). Somit können Einsatzkräfte auch bei einer etwaigen Überschreitung des abgeleiteten Richtwertes (siehe unten) und einer dann erfolgenden Personendekontamination gegebenenfalls weiterhin eingesetzt werden. Bei der in (Euratom 2014) vorgeschriebenen Strahlenschutzüberwachung muss darauf geachtet werden, dass 500 mSv möglichst nicht überschritten werden.



Bei einigen alphastrahlenden Radionukliden bzw. deren Zerfallsketten kann der Expositionspfad Ingestion auf dem Wege der Berührung der Haut bzw. Kleidung mit der Hand und der folgenden unabsichtlichen Kontamination des Mundes zu einer Ingestionsdosis führen. Für diesen Pfad empfiehlt die SSK einen dosisbezogenen Eingreifrichtwert von 1 mSv effektive Dosis. Soweit die für diesen Expositionspfad abgeleiteten Richtwerte niedriger sind als die aus der externen Bestrahlung der Haut abgeleiteten, ist die Ingestionsdosis bestimmend.



Auf dieser Grundlage sind die in Tabelle 3 wiedergegebenen abgeleiteten Richtwerte der flächenbezogenen Aktivität auf der Haut bzw. der Kleidung ermittelt worden, bei deren Überschreitung eine Personendekontamination vorgenommen werden sollte. Die Herleitung wird in der wissenschaftlichen Begründung (Anhang A-4) dargestellt.



Tabelle 3: Abgeleitete Richtwerte der gemessenen flächenbezogenen Aktivität auf der Haut bzw. der Kleidung (in Bq cm–2), bei deren Überschreitung eine Personendekontamination vorgenommen werden sollte. Grundlage: Dosisbezogener Eingreifrichtwert der Hautdosis von 50 mSv bzw. effektive Dosis von 1 mSv durch unabsichtliche Ingestion



Expositionssituation

Radionuklidgruppe

Richtwert

Notfall-Expositionssituation und anschließende bestehende Expositionssituation

Betastrahler außer Ac-227#

100 Bq cm–2


Alphastrahler oder Zerfallsreihen mit Alphaenergien > 6,5 MeV sowie Ac-227#

1 Bq cm–2


Alphastrahler oder Zerfallsreihen mit Alphaenergien < 6,5 MeV

1 000 Bq cm–2




Zu den Alphastrahlern oder Zerfallsreihen mit Alphaenergien > 6,5 MeV gehören folgende Radionuklide: Ra-223#, Ra-226#, Ac-225#, Ac-227#, Th-227#, Th-228#, Th-229#. Das betastrahlende Radionuklid Ac-227# kann zu dieser Gruppe gerechnet werden, weil die Zerfallsketten mit etlichen energiereichen Alphastrahlern weitgehend übereinstimmen. Alle Radionuklide dieser Gruppe haben gammastrahlende Tochternuklide, die höchsten Hautdosisbeiträge stammen allerdings von den hochenergetischen alphastrahlenden Tochternukliden (z. B. Po-212, Po-213, Po-215, At-217).



Zu den Alphastrahlern oder Zerfallsreihen mit Alphaenergien < 6,5 MeV gehören folgende Radionuklide und Radionuklidgemische: Po-210, Pu-238, Pu-239/Pu-240, Am-241, Cm-242, Cm-244, Cf-252, U-nat#, U-5%#, U-dep#.



Spätestens beim Übergang von einer Notfall-Expositionssituation in eine bestehende Expositionssituation, gegebenenfalls früher, sollte eine weitgehende Kenntnis der radiologischen Lage vorliegen (ICRP 2009a). Die in Tabelle 3 genannten Richtwerte können dann gegebenenfalls in Kenntnis der beteiligten Radionuklide an die aktuelle Lage angepasst werden.



Die unmittelbar von Maßnahmen betroffene Bevölkerung hat mehr noch als die nicht oder kaum Betroffenen außerhalb des Maßnahmengebietes sehr spezifische Fragen. Viele solcher Fragen (z. B. Bedeutung von Messwerten, Vorgehen bei Kontamination von Gegenständen und Fahrzeugen) sind vorhersehbar. Solche Fragen werden sehr wahrscheinlich in Notfallstationen und ähnlichen Einrichtungen gestellt werden. Die SSK regt daher an, vorab ein Kommunikationskonzept zu entwickeln, mit dem die in direktem Kontakt mit den Betroffenen stehenden Einsatz- und Betreuungskräfte befähigt werden, solche Fragen in angemessener Weise zu beantworten. Ein solches Konzept muss so gestaltet werden, dass die Einsatz- und Betreuungskräfte sehr kurzfristig eingewiesen werden können.



6.3 Nachweis der Überschreitung der abgeleiteten Richtwerte



In der Einleitung wurden bereits einige Hinweise auf die messtechnischen Probleme bei der Messung der flächenbezogenen Aktivität bei alpha- und betastrahlenden Radionukliden gegeben. In der wissenschaftlichen Begründung wird eine Messstrategie diskutiert, die bei Vorliegen einer Kontamination mit alpha- und betastrahlenden Radionukliden angewendet werden kann. Diese Diskussion beinhaltet auch eine Übersicht über vier in Deutschland bei den Einheiten des Katastrophenschutzes gängige Kontaminationsmonitore.



Im vorigen Abschnitt wurden die abgeleiteten Richtwerte sowohl der Bodenkontamination als auch der Kontamination der Haut bzw. der Kleidung dargestellt. Im Gesamtergebnis ist festzustellen, dass diese Werte teilweise sehr hoch sind. Die in der wissenschaftlichen Begründung enthaltene Untersuchung zur Messtechnik zeigt, dass bei den betastrahlenden Radionukliden der quantitative Nachweis bereits in Höhe des jeweils niedrigsten Richtwertes der Bodenkontamination wegen erheblicher dann auftretender Messbereichsüberschreitungen nicht möglich ist. Bei Alphastrahlern dürfte jedoch der Nachweis der Richtwertüberschreitung bei entsprechender Geräteeinstellung gelingen.



In Bezug auf die Kontaminationsmessungen zur Auslösung einer Personendekontamination zeigt sich, dass bei den untersuchten Betastrahlern und Alphastrahlern mit einer Alphaenergie > 6,5 MeV ein quantitativer Nachweis mit allen vier betrachteten Kontaminationsmonitoren möglich ist. Bei Alphastrahlern mit einer Alphaenergie < 6,5 MeV kann der abgeleitete Richtwert von 1 000 Bq cm–2 nur von zwei der betrachteten Kontaminationsmonitore quantitativ nachgewiesen werden, bei den beiden anderen Typen kommt es zu Messbereichsüberschreitungen.



Offensichtlich hat sich die Messgeräteentwicklung darauf konzentriert, den Nachweis sehr kleiner radioaktiver Kontaminationen und Konzentrationen zu ermöglichen. Dagegen gibt es beim entsprechenden Nachweis hoher Kontaminationen und Konzentrationen Defizite.



Die SSK empfiehlt daher, die Überlegungen zu den hier anzuwendenden Messstrategien in Zusammenarbeit mit den Messgeräteherstellern, den Messinstitutionen, Fachverbänden und Anwendern fortzusetzen. Im Vordergrund sollten dabei die folgenden Themen stehen:



Quantitativer Nachweises hoher Kontaminationen, u. a. an Staub- und Wischproben,


Erfassung der Verfügbarbarkeit von Beta-Ortsdosisleistungsmessgeräten und betaempfindlichen elektronischen Personendosimetern, z. B. im Katalog der Hilfsmöglichkeiten der GRS,


Erstellung von Handlungsanweisungen für den Umgang mit den verschiedenen Messgeräten bei den Messaufgaben, die bei dem hier betrachteten Szenario durchzuführen sind (siehe Kapitel 11 und Anhang A-7 der wissenschaftlichen Begründung).


Bei der Schulung und Information von Einsatzkräften sollte künftig verstärkt auch auf die Möglichkeit von Kontaminationen hingewiesen werden, die wegen fehlender oder nur sehr geringer Gammastrahlung nicht durch die gängigen Dosisleistungsmessgeräte nachweisbar sind.



6.4 Vorsorgliche Warnung



Bei der Beschreibung der Schutzstrategie (Abschnitt 3.3 der wissenschaftlichen Begründung) wird ausgeführt, dass nicht auszuschließen ist, dass in einem Gebiet, welches über das Verdachtsgebiet hinausreicht, Kontaminationen auftreten können, die über den Ingestionspfad zu nicht unerheblichen Strahlendosen führen können. Beispielsweise könnten beim Durchzug einer Aktivität führenden Wolke offene Lebensmittel kontaminiert werden. Es sollte daher eine vorsorgliche Warnung an die Bevölkerung ergehen, auf den Genuss solcher Lebensmittel zu verzichten, Berührungen mit möglicherweise kontaminierten Gegenständen zu vermeiden und Kinder bis auf Weiteres nicht im Freien spielen zu lassen. Entfernungsangaben wie bei der Verdachtsfläche lassen sich ohne Kenntnis der Radionuklide und der Höhe der Kontamination nicht herleiten.



Die SSK empfiehlt in Anlehnung an einen Vorschlag in (IAEA 2013), eine solche vorsorgliche Warnung in einem Sektor von 45 Grad in Driftrichtung der Wolke zunächst bis zu einer Entfernung von 8 km auszusprechen.



Anhang A-5.5 der wissenschaftlichen Begründung skizziert ein Verfahren, mit dem nach Festlegung eines Maßnahmengebietes die Ausdehnung des zu warnenden Gebietes abgeschätzt werden kann.





7 Weiterführende Hinweise



Diese Empfehlung wird in der wissenschaftlichen Begründung ergänzt durch Hinweise zu Schutzmaßnahmen, zur Information der Bevölkerung, zum Schutz der Einsatzkräfte und zu medizinischen Aspekten.





8 Literatur



AFKzV 2012

Ausschuss Feuerwehrangelegenheiten, Katastrophenschutz und zivile Verteidigung (AFKzV). Feuerwehrdienstvorschrift FwDV 500 „Einheiten im ABC-Einsatz“, Stand Januar 2012.

http://www.idf.nrw.de/projekte/pg_fwdv/pdf/fwdv500_jan2012.pdf (zuletzt aufgerufen am 7. Dezember 2015)

AK V 2014

Arbeitskreis V (AK V) „Feuerwehrangelegenheiten, Rettungswesen, Katastrophenschutz und Zivile Verteidigung“ der Innenministerkonferenz (IMK). Rahmenempfehlungen zu Einrichtung und Betrieb von Notfallstationen (RE-NFS), Stand: 20. August 2014.

http://www.innenministerkonferenz.de/IMK/DE/termine/to-beschluesse/14-12-11_12/anlage4zu34.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt aufgerufen am 7. Dezember 2015)

Boson et al. 2014

Boson J, Ulvsand T, Plamboeck AH. Regarding action levels for contamination by alpha and beta emitting radionuclides. Health Phys. 2014 Aug;107(2):178 – 182

Euratom 2014

Richtlinie 2013/59/Euratom des Rates vom 5. Dezember 2013 zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung und zur Aufhebung der Richtlinien 89/618/Euratom, 90/641/Euratom, 96/29/Euratom, 97/43/Euratom und 2003/122/Euratom (ABl. L 13 vom 17.1.2014, S. 1)

IAEA 2013

International Atomic Energy Agency (IAEA). Actions to protect the public in an emergency due to severe conditions at a light water reactor. IAEA EPR NPP PPA 2013, Vienna 2013

IAEA 2006

International Atomic Energy Agency (IAEA). Manual for First Responders to a Radiological Emergency, EPR-FIRST RESPONDERS 2006. Vienna, IAEA, Oktober 2006

IAEA 2007

International Atomic Energy Agency (IAEA). Arrangements for Preparedness for a Nuclear or Radiological Emergency. IAEA Safety Guide GS-G-2.1, Vienna, IAEA, 2007, ISBN:92-0-109306-3

ICRP 2007

International Commission on Radiological Protection (ICRP). The 2007 Recommendations of the International Commission on Radiological Protection. ICRP Publication 103, Ann. ICRP 37(2-4), ISBN 13: 978-0-37 7020-3048-2

ICRP 2009a

International Commission on Radiological Protection (ICRP). Application of the Commission’s Recommendations for the Protection of People in Emergency Exposure Situations. ICRP Publication 109, Ann. ICRP 39(1), 2009

ICRP 2009b

International Commission on Radiological Protection (ICRP). Application of the Commission’s Recommendations to the Protection of People Living in Long-term Contaminated Areas after a Nuclear Accident or a Radiation Emergency. ICRP Publication 111, Ann. ICRP 39 (3), 2009

NCRP 2010

National Council on Radiation Protection and Measurements (NCRP). Management of Persons Contaminated with Radionuclides – Handbook. NCRP Report 161 (Volume 1), Bethesda, MD, USA, NCRP, ISBN-13: 978-0-929600-99-4, 2010

Preston et al. 2007

Preston DL, Ron E, Tokuoka S, Funamoto S, Nishi N, Soda M, Mabuchi K, Kodama K. Solid cancer incidence in atomic bomb survivors: 1958-1998. Radiat Res. 2007 Jul;168(1):1 – 64

Rojas-Palma et al. 2009

Rojas-Palma C, Liland A, Jerstad AN, Etherington G, del Rosario Pérez M, Rahola T, Smith K (eds). TMT Handbook – Triage, Monitoring and Treatment of People Exposed to Ionising Radiation Following a Malevolent Act. ISBN 978-82-90362-27-5, 2009

SSK 2007a

Strahlenschutzkommission (SSK). Übersicht über Maßnahmen zur Verringerung der Strahlenexposition nach Ereignissen mit nicht unerheblichen radiologischen Auswirkungen. Überarbeitung des Maßnahmenkatalogs Band 1 und 2, Empfehlung der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 220. Sitzung der SSK am 5./6. Dezember 2007. Berichte der Strahlenschutzkommission, Heft 60, Berlin: H. Hoffmann GmbH-Fachverlag, Berlin, 2010, ISBN 978-3-87344-163-7

SSK 2007b

Strahlenschutzkommission (SSK). Medizinische Maßnahmen bei Kernkraftwerksunfällen, Empfehlung der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 210. Sitzung der SSK am 28./29. September 2006. Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission, Band 4 (3. überarbeitete Auflage), H. Hoffmann GmbH-Fachverlag, Berlin, 2007, ISBN 978-3-87344-131-6

SSK 2014

Strahlenschutzkommission (SSK). Radiologische Grundlagen für Entscheidungen über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei Ereignissen mit Freisetzungen von Radionukliden, Empfehlung der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 268. Sitzung der SSK am 13./14. Februar 2014. urn:nbn:de:101:1-2014111925770

StrlSchV

Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzverordnung – StrlSchV) vom 20. Juli 2001 (BGBl. I S. 1714; 2002 I S. 1459), die zuletzt durch Artikel 5 der Verordnung vom 11. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2010) geändert worden ist





Abgeleitete Richtwerte
für Maßnahmen zum Schutz von Personen bei Kontaminationen der Umwelt mit Alpha- und Betastrahlern



Wissenschaftliche Begründung der Empfehlung der Strahlenschutzkommission



Inhaltsübersicht



1

Einleitung





2

Szenario





3

Für die Fragestellung relevante Strahlenschutzgrundsätze






3.1

Referenzwert






3.2

Anzuwendende Eingreifrichtwerte und abgeleitete Richtwerte






3.3

Schutzstrategien






3.4  

Übergang von der Notfall-Expositionssituation zu einer bestehenden Expositionssituation





4

Zu betrachtende Radionuklide





5  

Expositionspfade





6

Repräsentative Personen





7

Abgeleitete Richtwerte für Maßnahmen in der Frühphase






7.1

Maßnahmen „Ermittlung des betroffenen Gebietes“ und „Aufenthalt in Gebäuden“






7.2

Richtwerte zur Personendekontamination







7.2.1

Dosisbezogene Eingreifrichtwerte für die Personendekontamination







7.2.2

Abgeleitete Richtwerte für die Personendekontamination





8

Hinweise zu Schutzmaßnahmen





9

Hinweise zur Information der Bevölkerung





10

Hinweise zum Schutz der Einsatzkräfte





11

Hinweise zu Messungen





12

Hinweise zu medizinischen Aspekten





Anhänge: Berechnungsmodelle



A-1

Gemeinsame Aspekte der Herleitung von Eingreifrichtwerten

         

             


Ermittlung der durch radioaktiven Zerfall entstehenden Radionuklidgemische




Verfahren bei der Berechnung der Dosis durch externe Bestrahlung




Verfahren bei der Berechnung der Dosis durch Inkorporation




Datenbasis




Spezialfall: Uran




A-2

Modellierung der Strahlenexposition durch Inhalation von resuspendierten Radionukliden





A-2.1

Resuspension und luftgetragene Konzentration





A-2.2

Zur Höhe und Zeitabhängigkeit von Resuspensionsprozessen in der Frühphase





A-2.3

Dosisberechnung





A-2.4

Ergebnisse der Berechnungen „Inhalation durch resuspendierte Radionuklide“




A-3

Modellierung der Strahlenexposition durch externe Strahlung vom kontaminierten Boden





A-3.1

Dosisberechnung bei Radionukliden ohne radioaktive Tochternuklide





A-3.2

Dosisberechnung bei Mutter-Tochter-Radionuklidgemischen





A-3.3

Ergebnisse der Berechnungen „Externe Strahlung vom Boden“




A-4

Strahlenexposition bei Hautkontamination





A-4.1

Abschätzung der Hautdosis





A-4.2

Ingestionsdosis als Folge eines Aktivitätstransfers Haut – Hand – Mund





A-4.3

Richtwerte




A-5

Unabsichtliche Ingestion





A-5.1

Fragestellung





A-5.2

Grundlagen der Abschätzung





A-5.3

Abschätzung





A-5.4

Ergebnisse der Berechnungen „Ingestion von kontaminierten Bodenbestandteilen durch Kleinkinder“





A-5.5

Warnung vor der unbeabsichtigten Ingestion




A-6

Zur Detektierbarkeit der alphastrahlenden Radionuklide und Radionuklidgemische über die Messung der Gamma-Ortsdosisleistung




A-7

Hinweise zu Kontaminationsmessgeräten




Literatur





1 Einleitung



Bei Unfällen mit radioaktivem Material stehen bisher solche mit gammastrahlenden Radionukliden im Mittelpunkt der Betrachtungen. Dazu zählen Unfälle in Kernkraftwerken, aber auch solche mit umschlossenen radioaktiven Quellen aus medizinischen und industriellen Anwendungen. In solchen Fällen wird die Strahlenexposition durch Radionuklide, die ausschließlich Alpha- oder Betastrahler sind, nicht ausdrücklich betrachtet, weil in aller Regel die gleichzeitig vorhandenen gammastrahlenden Radionuklide ganz überwiegend die Strahlendosis bestimmen.



Allerdings werden – vor allem im Rahmen der nuklearspezifischen Gefahrenabwehr – zunehmend auch Szenarien diskutiert, bei denen es zu Freisetzungen aus normalerweise umschlossenen und abgeschirmten Quellen mit Alpha- und Betastrahlern kommen würde. Besonderes Interesse finden Szenarien, bei denen eine Freisetzung in einer urbanen Umgebung stattfinden würde, weil dann möglicherweise viele Menschen betroffen wären.



Kontaminationen mit ausschließlich alpha- und betastrahlenden Radionukliden können ohne den Einsatz spezieller Messverfahren nur schwer detektiert werden. Sie können aber bei entsprechenden Aktivitäten auf verschiedenen Expositionspfaden zu schwerwiegenden Gesundheitsschäden führen.



Auch wenn Gammastrahlung nachgewiesen wird, kann ein erheblicher Teil der Strahlenexposition durch gleichzeitige Alpha- oder Betastrahlung verursacht werden.



Damit stellt sich die Frage nach möglichen Schutz- und Abwehrmaßnahmen sowie nach geeigneten Richtwerten zur Entscheidung darüber:



wie lange sich Bewohner in einem mit Alpha- oder Betastrahlern kontaminierten Gebiet aufhalten dürfen,


bis zu welcher Kontamination Einsatzkräfte im Gebiet arbeiten dürfen und bei welchen Kontaminationen und mit welcher Begründung das Gebiet zu räumen ist sowie


wann das Gebiet wieder genutzt werden darf.


Den „Radiologischen Grundlagen für Entscheidungen über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei Ereignissen mit Freisetzungen von Radionukliden“ (SSK 2014) liegt im Wesentlichen ein Szenario mit einem Unfall in einem Kernkraftwerk zugrunde, bei dem es nach einer Kernschmelze und einer nachfolgenden Freisetzung zu einer Kontamination der Umwelt kommt. Die dort empfohlenen Richtwerte für Schutzmaßnahmen beziehen sich daher auf ein Radionuklidgemisch mit überwiegend durchdringender Gammastrahlung. Deren Anwendung ist in den hier diskutierten Fällen nicht zielführend.



In der internationalen Literatur finden sich nur wenige Quellen, die sich mit Richtwerten für Maßnahmen bei großflächigen Kontaminationen mit alpha- oder betastrahlenden Radionukliden befassen.



Im Zusammenhang mit konzeptionellen Darstellungen zu Schutzmaßnahmen macht die IAEA Angaben zu Richtwerten für Alpha- und Betastrahler (IAEA 2006, IAEA 2007) für die Einrichtung von Sicherheitszonen nach einem radiologischen Ereignis. Als Richtwerte der Bodenkontamination für die Abgrenzung einer inneren Sicherheitszone7 werden für Alphastrahler 100 Bq cm–2 (1 MBq m–2) und für Beta-/Gammastrahler 1 000 Bq cm–2 (10 MBq m–2) genannt. Entsprechende Angaben finden sich auch im TMT-Handbuch (Rojas-Palma et al. 2009) und im NCRP-Report 161 II (NCRP 2010). Allerdings fehlen Angaben, welche Eingreifrichtwerte und Expositionsszenarien diesen Richtwerten zugrunde liegen (Boson et al. 2014)



Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat die Fragen aufgegriffen und die Strahlenschutzkommission (SSK) mit Schreiben vom 21. Januar 2009 gebeten, unter Berücksichtigung einer Ausarbeitung des Bundesamtes für Strahlenschutz eine Empfehlung zu erarbeiten, in der abgeleitete Richtwerte aufgeführt werden, die zur Auslösung von Maßnahmen herangezogen werden können. Die SSK hat eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern der Ausschüsse „Notfallschutz“ und „Radioökologie“ mit der Ausarbeitung der Empfehlung beauftragt.



Die SSK hat hierzu zunächst folgende Fragen bearbeitet:



Welche Szenarien sind zu betrachten?


Welche Radionuklide sind zu berücksichtigen, welche radiologischen Eigenschaften besitzen sie?


Welche Expositionspfade dominieren in einer urbanen Umgebung und wie können sie modelliert werden?


Was sind bei den verschiedenen Szenarien jeweils die zu betrachtenden Referenzpersonen?


Welche Strahlenschutzgrundsätze sind bei der Ableitung von Richtwerten zu berücksichtigen?


Welche Schutzmaßnahmen können ergriffen werden, welche zugeordneten Eingreifrichtwerte sind anzusetzen und welche abgeleiteten Richtwerte (messbare Größen) entsprechen dem oder den Eingreifrichtwerten?


Im Weiteren hat die SSK sich mit den Anforderungen an die Messtechnik zur Eingrenzung eines betroffenen Gebietes und mit Fragen des Schutzes von Einsatzkräften befasst und Hinweise zur praktischen Umsetzung von Schutzmaßnahmen zusammengestellt.





2 Szenario



Kontaminationen der urbanen Umgebung mit ausschließlich alpha- oder betastrahlenden Radionukliden können aus verschiedenen Quellen herrühren, beispielsweise aus dem Verlust der Umschließung und Verteilung der Radionuklide durch Unfall, unbeabsichtigten Verlust oder Diebstahl ohne Kenntnis des Gefahrenpotenzials, Verteilung von radioaktiven Stoffen als Staub und/oder als Bruchstücke und Splitter auf Grund einer vorsätzlichen Handlung.



Bei vielen der genannten Kontaminationsereignissen ist keine Beeinflussung der verursachenden Quelle mehr möglich. Es wird unterstellt, dass eine Freisetzung mit nachfolgender Kontamination stattgefunden hat. Falls die Freisetzung in die Luft erfolgt ist, wird angenommen, dass die entsprechende Wolke abgezogen ist und dass ablagerungsfähige Radionuklide zu einer flächenhaften Kontamination von Böden und anderen Flächen (im Weiteren als Bodenkontamination bezeichnet) geführt haben. Somit münden die beispielhaft genannten Kontaminationsereignisse in dasselbe Szenario.



Diese Annahme bedeutet auch, dass sowohl die aus der vorbeiziehenden Aktivitätswolke rührende Inhalationsdosis als auch die daraus resultierende externe Dosis (Beta-Submersion) als nicht mehr vermeidbar angesehen werden muss. Durch weitere Maßnahmen vermeidbar oder verminderbar ist lediglich noch die aus der verbleibenden Kontamination rührende Strahlenexposition.



Qualitative Betrachtungen zeigen, dass das bei einem solchen Szenario kontaminierte Gebiet, in dem Maßnahmen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr notwendig sind, von der Größe her begrenzt ist. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass in einem weiteren Umfeld Warnungen der Bevölkerung notwendig sein können, um unbeabsichtigte Inkorporationen von alpha- oder betastrahlenden Radionukliden möglichst zu vermeiden.



Die Existenz einer solchen Kontamination kann nicht ohne weitere Anzeichen festgestellt werden. Anzeichen können beispielsweise sein: zufällige Messergebnisse, Hinweise, Auftreten von entsprechenden gesundheitlichen Symptomen und deren zutreffende Interpretation. Messergebnisse dürften bei den unterstellten alpha- oder betastrahlenden Radionukliden zustande kommen, wenn entsprechende Verdachtsgründe vorliegen.



Es kann daher auch nicht ausgeschlossen werden, dass zwischen einer Freisetzung und ihrer Erkennung Zeit verstreicht. Damit können Maßnahmen zur Reduzierung der Kontamination gegebenenfalls auch erst später einsetzen.





3 Für die Fragestellung relevante Strahlenschutzgrundsätze



3.1 Referenzwert



Als Referenzwert in Notfall-Expositionssituationen (ICRP 2009a) oder bestehenden Expositionssituationen (ICRP 2009b) wird ein Dosiswert verstanden, bei dessen Überschreitung Expositionen nicht zugelassen werden sollten und bei dessen Unterschreitung weiterhin eine Optimierung des Schutzes durchgeführt werden sollte (Euratom 2014). Für Kontaminationsereignisse sollte der Referenzwert für die Bevölkerung8 in der Planung abhängig vom Ereignistyp im Bereich von 20 mSv bis 100 mSv verbleibende effektive Dosis pro Jahr gewählt werden, gegebenenfalls auch darunter, sofern es bei dem zugrunde liegenden Szenario möglich erscheint. Die obere Schwelle von 100 mSv im ersten Jahr ist radiologisch begründet, weil diese Dosis deutlich unterhalb der Schwellen für deterministische Effekte liegt und weil erst oberhalb dieses Dosiswertes statistisch signifikante, stochastische Effekte in einer so exponierten Bevölkerung möglich sind (ICRP 2007). Niedrigere Referenzwerte haben geringere Risiken für stochastische Effekte zur Folge.



Der Referenzwert ist für eine repräsentative Person (gegebenenfalls auch mehrere, wenn für die weiteren Personen spezielle Schutzmaßnahmen nötig erscheinen) zu wählen. Als repräsentative Person wird nach ICRP-Publikation 101 (ICRP 2006) ein Individuum betrachtet, das zu der am stärksten exponierten Personengruppe gehört. Früher wurde diese Personengruppe als kritische Personengruppe bezeichnet. Die ICRP hat nach den Ausführungen in (ICRP 2007) das Konzept nicht verändert, vermeidet jedoch das Wort „kritisch“ in diesem Zusammenhang. In Kapitel 6 werden die hier betrachteten repräsentativen Personen näher erläutert.



3.2 Anzuwendende Eingreifrichtwerte und abgeleitete Richtwerte



Um speziell in der Frühphase schnell anwendbare Entscheidungskriterien zur Abwehr einer unmittelbaren Gefahr verfügbar zu haben, sollen nach (ICRP 2007) und (ICRP 2009a) Auslösewerte (Trigger) festgelegt werden. Hierbei kann es sich z. B. um zu erwartende Strahlendosen handeln, die dann als dosisbezogene Eingreifrichtwerte formuliert werden. Es kann sich auch um davon abgeleitete operationelle Größen (OIL, Operational Intervention Level) handeln (z. B. Dosisleistungswerte oder Werte der flächenbezogenen Aktivität).



Hier wird davon ausgegangen, dass die in den Radiologischen Grundlagen (SSK 2014) genannten Eingreifrichtwerte als Auslösewerte angewendet werden.



Die effektive Dosis ist die Größe, die von der ICRP (ICRP 2007) zur Bewertung der Einhaltung der Schutzziele im Dosisbereich bis etwa 100 mSv im Jahr eingesetzt wird, in dem ausschließlich stochastische Wirkungen zu erwarten sind. Diese Größe ist in Situationen, in denen zu erwarten ist, dass die organspezifischen Schwellendosen für deterministische Wirkungen erreicht oder überschritten werden, nicht anwendbar. In Dosisbereichen, in denen mit deterministischen Wirkungen gerechnet werden muss, ist die Beurteilungsgröße die organspezifische Energiedosis (englisch absorbed dose). Einige Schwellenwerte für deterministische Wirkungen sind in (ICRP 2007) zur Anwendung in Notfall-Expositionssituationen aufgeführt. Da bei Anwendung des oben angegebenen Eingreifrichtwertes (und des weiter unten behandelten Eingreifrichtwertes für die Evakuierung) durch die Auslösung von Maßnahmen erreicht wird, dass der Referenzwert der verbleibenden effektiven Dosis von 100 mSv im ersten Jahr nicht überschritten wird und deterministische Wirkungen vermieden werden, brauchen in der vorliegenden Empfehlung organspezifische Energiedosen als Auslösekriterien für Maßnahmen nicht betrachtet zu werden.



Vom Eingreifrichtwert 10 mSv effektive Dosis in sieben Tagen werden Werte (abgeleitete Richtwerte) der Bodenkontamination in Bq m–2 für die verschiedenen Radionuklide bzw. Radionuklidgemische hergeleitet. Werden größere Flächen in der Umwelt in Höhe des abgeleiteten Richtwertes kontaminiert, resultiert daraus für eine Person, die sich sieben Tage permanent im Freien aufhält, eine effektive Dosis von 10 mSv. Nuklidspezifische abgeleitete Richtwerte der Bodenkontamination werden in Kapitel 7 aufgeführt.



Vom Grundsatz her sind beim Referenzwert alle möglichen Expositionspfade zu betrachten. In den in dieser Empfehlung betrachteten Szenarien eines Ereignisses, welches zu einer Kontamination einer urbanen Umgebung mit alpha- oder betastrahlenden Radionukliden führt, kommen aber nur bestimmte Expositionspfade in Betracht. In Kapitel 5 wird auf diejenigen Expositionspfade eingegangen, die bei den hier betrachteten Szenarien maßgeblich sind.



Die üblichen Ortsdosisleistungsmessungen kommen bei Alpha- und Betastrahlern nicht in Betracht; damit ist die Ortsdosisleistung als Auslösekriterium für Maßnahmen ungeeignet. Als direkt mit Kontaminationsmonitoren messbare Größe ist praktisch nur die Oberflächenkontamination und damit in der Praxis die Bodenkontamination geeignet (zu Messstrategien siehe Kapitel 11). Beim betrachteten Szenario ist luftgetragene Aktivität und damit der Inhalationspfad durch Wiederaufwirbelung abgelagerter Aktivität (Resuspension) denkbar. Dieser Pfad wird deshalb auch betrachtet. Allerdings werden keine abgeleiteten Richtwerte für die Aktivitätskonzentration in der Luft bereitgestellt, weil sie eine größere Variabilität in Abhängigkeit von Faktoren wie Windgeschwindigkeit als die Bodenkontamination aufweisen. Ergebnisse von Messungen der Aktivitätskonzentration in der Luft im aktuellen Fall werden nur als ergänzende Information betrachtet.



3.3 Schutzstrategien



Ziel der Schutzstrategie ist, die Strahlenexposition der Bevölkerung und der Einsatzkräfte so zu begrenzen, dass deterministische Strahlenwirkungen vermieden werden und das Risiko stochastischer Strahlenwirkungen gering bleibt. Durch die abgeleiteten Richtwerte werden Grundlagen geschaffen, um die unten festgelegten Eingreifrichtwerte und damit auch den für solche Notfallsituationen geltenden Referenzwert der verbleibenden effektiven Dosis im ersten Jahr von 100 mSv (SSK 2014) einzuhalten. Die Elemente der nachstehend skizzierten Schutzstrategie erfüllen die in Artikel 73 der Richtlinie 2013/59/Euratom (Euratom 2014) beschriebenen Vorgaben.



Die Schutzstrategie für das betrachtete Szenario enthält mehrere Elemente.



a)
Sobald man Hinweise auf das Vorliegen einer Kontamination hat, ist eine Verdachtsfläche, in der Maßnahmen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr notwendig sein könnten, zu bestimmen. Diese sollte sich beispielsweise gemäß (IAEA 2006) zunächst über einen Bereich von etwa 400 m rund um den Quellort erstrecken. Dieser Bereich ist vorsorglich gegen den Zutritt von Personen, die nicht Einsatzkräfte sind, abzusperren. Sofern es nicht besondere Umstände wie beispielsweise polizeiliche Ermittlungen erforderlich machen, darf die Bevölkerung das als Verdachtsfläche bestimmte Gebiet ohne Einschränkungen verlassen. Eine erste Eingrenzung einer Verdachtsfläche kann gegebenenfalls auch mit entsprechenden Prognosewerkzeugen wie dem Programm LASAIR (Walter und Heinrich 2011) erfolgen.


b)
Daneben ist nicht auszuschließen, dass in einem weiteren Gebiet Kontaminationen auftreten, die über den Ingestionspfad zu nicht unerheblichen Strahlendosen führen können. Beispielsweise könnten beim Durchzug einer Aktivität führenden Wolke offene Lebensmittel kontaminiert werden. Es sollte daher eine vorsorgliche Warnung an die Bevölkerung ergehen, auf den Genuss solcher Lebensmittel zu verzichten, Berührungen mit möglicherweise kontaminierten Gegenständen zu vermeiden und Kinder bis auf Weiteres nicht im Freien spielen zu lassen. Entfernungsangaben wie bei der Verdachtsfläche lassen sich ohne Kenntnis der Radionuklide und der Höhe der Kontamination nicht herleiten. Die SSK empfiehlt in Anlehnung an einen Vorschlag in (IAEA 2013), eine solche vorsorgliche Warnung in einem Sektor von 45 Grad in Driftrichtung der Wolke zunächst bis zu einer Entfernung von 8 km auszusprechen (siehe hierzu Anhang A-5.5). Die IAEA-Empfehlung bezieht sich auf einen schweren Kernkraftwerksunfall, bei dem höhere Freisetzungen und ein anderes Nuklidspektrum vorliegen. Folglich ist dort das zu warnende Gebiet größer.


c)
Es folgt die Eingrenzung des betroffenen Gebietes mit Hilfe von Messungen (siehe Kapitel 11). Als betroffenes Gebiet werden Flächen bezeichnet, in denen aus radiologischen Gründen Maßnahmen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr notwendig sind, sowie Flächen, in denen weitere Schutzmaßnahmen zur Minderung der Strahlenexposition angezeigt sein können. Es kann sein, dass das so festgelegte betroffene Gebiet größer ist als die zunächst angenommene Verdachtsfläche. Als Kriterium für die Abgrenzung des Teilgebietes, in dem Maßnahmen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr notwendig sind, dienen die in diesem Bericht abgeleiteten Kontaminationswerte.


Sobald Messungen vorliegen, können auch die zu warnenden Gebiete, in denen die unter Buchstabe b angesprochene vorsorgliche Warnung vor der unabsichtlichen Ingestion erfolgen sollte, besser beschrieben werden. Anhang A-5 beschreibt Möglichkeiten, um solche Gebiete abzugrenzen.


d)
Die Maßnahmen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr umfassen:


Aufforderung zum Aufenthalt in Gebäuden mit den Hinweisen, Fenster und Türen zu verschließen und Lüftungs- und Klimaanlagen möglichst abzuschalten,


sofortige Evakuierung, wenn die erwartete effektive Dosis ohne Schutzmaßnahmen den Wert von 100 mSv in sieben Tagen (ebenfalls über den zehnfachen Wert des abgeleiteten Richtwertes für Bodenkontamination abzuschätzen) überschreitet,


Aufenthaltsbeschränkungen bis hin zu einer Evakuierung, wenn die effektive Dosis über sieben Tage bei ungeschütztem Aufenthalt 100 mSv überschreiten kann. Da die Maßnahme „Aufenthalt in Gebäuden“ nur über ca. zwei Tage aufrechterhalten werden kann, sind Evakuierungsmaßnahmen auch zu erwägen, wenn das oben genannte Dosiskriterium trotz natürlicher Prozesse oder Abschirm- oder Fixierungsmaßnahmen absehbar nicht erreicht werden kann und


Absperrung des Gebietes (Zugangskontrolle) und nach Verlassen des abgesperrten Gebietes Angebot einer Kontaminationskontrolle und nötigenfalls einer Dekontamination der Bevölkerung.


e)
Die Maßnahmen sind durch Verhaltensempfehlungen als Teil der fortlaufenden Information und Warnung der Bevölkerung zu ergänzen (z. B. Aufenthalt außerhalb geschlossener Räume zeitlich auf das Notwendigste beschränken, gegebenenfalls dabei Tragen von Mundschutz, Ablage der draußen getragenen Kleider und Schuhe möglichst außerhalb der Wohnung, Waschen von im Freien unbedeckten Körperteilen).


f)
Möglichst bald nach Feststellung des betroffenen Gebietes ist dort mit den Dekontaminationsarbeiten zu beginnen. Je früher damit angefangen wird, desto größer ist der Dekontaminationseffekt. Dies soll jedoch planvoll mit Prioritäten nach der Höhe der Kontamination unter Berücksichtigung von Faktoren wie Bevölkerungsdichte oder Verkehrsaufkommen erfolgen. Zur Verringerung der Exposition durch resuspendierte Radionuklide können kontaminierte Flächen – insbesondere nach trockener Deposition und anhaltend trockenen Witterungsverhältnissen – mit Wasser oder anderen Flüssigkeiten besprüht werden, um eine stärkere Fixierung der Kontamination zu erreichen (Koch et al. 2012, Koch et al. 2013).


Weitere Maßnahmen betreffen die Einrichtung von Notfallstationen (SSK 2007b, AK V 2014), in denen der Bevölkerung Kontaminationskontrollen und medizinische Beratungen angeboten werden, sowie von Dekontaminationsstellen für das Einsatzpersonal und für die eingesetzten Geräte und Fahrzeuge.



3.4 Übergang von der Notfall-Expositionssituation zu einer bestehenden Expositionssituation



Insbesondere die Dekontaminationsmaßnahmen des betroffenen Gebietes haben das Ziel, möglichst bald von einer Notfall-Expositionssituation zu einer bestehenden Expositionssituation übergehen zu können. Das heißt zunächst, dass die anfangs vorhandene Unsicherheit im Hinblick auf die radiologische Lage nunmehr gering ist. Es heißt weiter, dass getroffene Maßnahmen wie Verbleiben in Gebäuden, Evakuierung usw. zurückgenommen werden können, das gesellschaftliche Leben im betroffenen Gebiet, gegebenenfalls mit gewissen Einschränkungen oder Aufenthaltsbeschränkungen, fortgeführt werden kann und dass das Risiko gesundheitlicher Schäden erheblich geringer geworden ist.



Als Zielgröße ist wiederum ein Referenzwert festzulegen, der als verbleibende effektive Dosis pro Jahr anzugeben ist. Dieser muss sich an den aktuell vorliegenden Gegebenheiten orientieren und ist mit den von den Maßnahmen Betroffenen (Stakeholdern) zu vereinbaren. Abgesehen davon, dass er unterhalb des Niveaus liegen sollte, das durch den Eingreifrichtwert für den „Aufenthalt in Gebäuden“ (10 mSv in sieben Tagen) charakterisiert ist, sollte er bei dem hier diskutierten Szenario im unteren Bereich des Intervalls von 1 mSv bis 20 mSv verbleibende effektive Dosis pro Jahr liegen. Da Maßnahmen auch in einer bestehenden Expositionssituation nach dem ALARA-Prinzip erfolgen sollten, ist der Referenzwert von Zeit zu Zeit der Kontaminationslage anzupassen.



Die folgende Abbildung stellt beispielhaft ein Entscheidungsschema zur Rücknahme einer Maßnahme dar. Die Maßnahme, hier das wegen einer unübersichtlichen radiologischen Lage vorsorglich angeordnete Verlassen des betroffenen Gebietes, wird – gegebenenfalls mit gleichzeitiger Durchführung weiterer Optimierungsmaßnahmen – aufgehoben, wenn der mit Stakeholdern vereinbarte Referenzwert für die Rückkehr erreicht werden kann.



Abbildung: Vorsorglichens Verlassen des betroffenen Gebiets



Abbildung 1: Beispielhaftes Schema zur Ableitung von Referenzwerten, hier am Beispiel eines Rückkehrwertes. Der im Schema genannte Wert von 20 mSv pro Jahr für die effektive Dosis ist nicht als regelgestützte (z. B. in SSK 2014) Festlegung zu verstehen.





4 Zu betrachtende Radionuklide



Aus der Vielzahl der alpha- oder betastrahlenden Radionuklide wurde für die vorliegende Fragestellung eine Auswahl getroffen. Ziel der Auswahl der Radionuklide war es, eine Einschränkung



auf die realistischerweise in abgetrennter und hochkonzentrierter Form vorkommenden Radionuklide und


auf Radionuklide mit einer so langen Halbwertszeit, dass mittel- und langfristige Maßnahmen bis zu deren Abklingen erforderlich werden können,


zu erreichen.



Dazu wurde wie folgt vorgegangen:



Es wurden zunächst diejenigen Radionuklide ausgewählt, die in den Messanleitungen für die Überwachung der Radioaktivität (BMU 1993) in Abschnitt IV Nummer 6.1 als Alphastrahler oder in Abschnitt IV Nummer 6.2 als Betastrahler aufgeführt sind.


Zur Berücksichtigung des tatsächlichen Umgangs mit den Radionukliden wurde überprüft, welche der in den beiden vorangegangenen Schritten ausgewählten Radionuklide im „Radionuclide and Radiation Protection Data Handbook“ (Delacroix et al. 2002) mit physikalischen Daten und Informationen zu Schutzmaßnahmen aufgeführt sind.


Durch eine Internetrecherche wurde versucht zu eruieren, für welche der bis dahin ermittelten alpha- und betastrahlenden Radionuklide technische (einschließlich Brennstoffkreislauf), medizinische, militärische oder Forschungs-Anwendungen existieren. Hierbei nicht gefundene Radionuklide wurden nicht weiter betrachtet.


Gasförmig vorliegende Radionuklide wurden mit einer Ausnahme ausgeklammert, da diese nicht durch Ablagerung zu einer Flächenkontamination führen können. Speziell bei Rn-222 in der Zerfallskette von Ra-226 wurden die bis zur Freisetzung vorhandenen Zerfallsprodukte und teilweise die im Integrationszeitraum neu gebildeten Tochternuklide bei der Berechnung der Strahlenexposition berücksichtigt. Ebenso wurde Tritium (H-3) nicht in die Radionuklidauswahl aufgenommen, weil es sich in seinen vorherrschenden chemischen Bindungsformen in der Umwelt anders verhält als die hier betrachteten Radionuklide in Partikelform. Tritium ist zudem wegen seiner im Vergleich mit anderen Betastrahlern niedrigen mittleren Zerfallsenergie (5,6 keV) nur wenig radiotoxisch.


Radionuklide mit einer Halbwertszeit von weniger als einem Tag blieben unberücksichtigt, da diese in Zusammenhang mit mittel- und langfristig notwendigen Maßnahmen nicht relevant sind.


Nach Berechnung der Eingreifrichtwerte wurde mit Hilfe der spezifischen Aktivität des reinen Radionuklids überprüft, welche Masse des jeweiligen Radionuklids notwendig wäre, damit bei einem der betrachteten Expositionspfade der Eingreifrichtwert überschritten wird. Bei sehr langlebigen Radionukliden können so große Massen erforderlich werden, dass diese in realistischen Szenarien nicht mehr als hier zu betrachtende Kontamination zu unterstellen sind, da die Masse entweder nicht mehr als Kontamination verteilbar ist, oder da eine entsprechend große Masse des Radionuklids nicht zu beschaffen wäre. Diese Betrachtung führte zur Ausklammerung der Radionuklide Cl-36, Zr-93, Tc-99, I-129, La-138, Nd-144, Th-230, U-233, U-236, Np-237, Pu-242 und Pu-244. Obwohl die vorstehende Argumentation auch für U-234, U-235 und U-238 gilt, wurden diese Radionuklide in der Auswahl belassen, weil sie in großen Mengen als Uran natürlicher Isotopenzusammensetzung (U-nat9) oder in angereicherter (U-5%10) oder abgereicherter Form (U-dep11) vorhanden sind und auch häufig transportiert werden. Weitere Betrachtungen im Hinblick auf die Beschaffbarkeit der Radionuklide wurden nicht angestellt.



Aus diesen Überlegungen ergaben sich die in Tabelle 1 aufgeführten Radionuklide, unterteilt in Alphastrahler und Betastrahler, für die abgeleitete Richtwerte zu berechnen sind.



Die in Tabelle 1 mit „#“ markierten Radionuklide bilden beim Zerfall radioaktive Tochternuklide. Diese müssen bei der Ermittlung der Strahlenexposition berücksichtigt werden. Die mathematischen Verfahren werden im Anhang erläutert; siehe insbesondere Anhang A-1. Für die hier betrachteten Expositionsszenarien wird davon ausgegangen, dass die Tochternuklide dann wesentlich zur Strahlenexposition beitragen, wenn sich aufgrund ihrer Halbwertszeit in einem Betrachtungszeitraum von weniger als zehn Jahren ein Maximum der Gesamtaktivität einstellen kann. Falls sich das Maximum der Gesamtaktivität erst nach über zehn Jahren einstellt, wird das Alter des Radionuklidgemisches mit zehn Jahren angenommen. Für gasförmige Tochternuklide mit einer Halbwertszeit von mehr als einer Minute (Rn-222) wird angenommen, dass sie sich bis zur Freisetzung in einem geschlossenen Behälter befunden haben. Ihre kurzlebigen Tochternuklide sind dann ebenfalls vorhanden und tragen bei einer Freisetzung gebunden an Schwebstoffe zur Strahlenexposition bei. Speziell bei der Zerfallsreihe von Ra-226 wird angenommen, dass nach der Freisetzung die Emanation von Rn-222 nur teilweise (50 %) stattfindet. Dieser Teil des Edelgases wird vom Ort der Entstehung mit der Luft weggetragen und liefert dann keine Dosisbeiträge mehr. Der verbleibende Teil trägt mit den kurzlebigen Tochternukliden von Rn-222 neben den längerlebigen Radionukliden Pb-210, Bi-210 und Po-210 auch zur Dosis bei. Dosisrelevant sind neben den bereits genannten jedoch – unterschiedlich je nach Expositionspfad – nur Pb-214 und Bi-214.



In einigen Fällen emittieren die Tochternuklide auch Gammastrahlung, die mit den bekannten Messverfahren nachweisbar ist. Diese Tatsache könnte einen Ausschluss dieser Radionuklidketten aus den weiteren Betrachtungen rechtfertigen. Die Radionuklidketten wurden in der Auswahl belassen, weil die Alpha- und Betastrahlung gegebenenfalls einen nicht vernachlässigbaren Beitrag zur Strahlenexposition leistet.



Tabelle 1: Betrachtete Radionuklide und Zerfallsreihen (bei den mit # gekennzeichneten Radionukliden handelt es sich um Mutter-Töchter-Radionuklidgemische, die im Einzelfall von den säkularen Gleichgewichten abweichen können; siehe Anhang A-1)



  Radionuklid  

Berücksichtigte Tochternuklide

  Gammadetektierbar  

Betastrahler

P-32



P-33



S-35



Ca-45



Ni-63



Sr-89



Sr-90#

Y-90


Y-90



Pr-143



Pm-147



Er-169



Tm-170



Tl-204



Bi-210



Alphastrahler

Po-210



Ra-223#

Rn-219, Po-215, Pb-211, Bi-211, Po-211, Tl-207

Ja

Ra-226#

Rn-222, Po-218, At-218, Pb-214, Bi-214, Po-214, Pb-210, Bi-210, Po-210

Ja

Ac-225#

Fr-221, At-217, Bi-213, Po-213, Tl-209, Pb-209

Ja

Ac-227#

Th-227, Ra-223, Rn-219, Po-215, Pb-211, Bi-211, Po-211, Tl-207

Das Mutternuklid Ac-227 ist Betastrahler, gleichzeitig mit geringer Emissionswahrscheinlichkeit (< 2 %) Alphastrahler (Tochter Fr-223). Ac-227 wird bei den Alphastrahlern
eingeordnet, weil zahlreiche Tochternuklide im radioaktiven   
Gleichgewicht energiereiche Alphastrahler sind.

Ja

Th-227#

Ra-223, Rn-219, Po-215, Pb-211, Bi-211, Po-211, Tl-207

Ja

Th-228#

Ra-224, Rn-220, Po-216, Pb-212, Bi-212, Po-212, Tl-208

Ja

Th-229#

Ac-225, Fr-221, At-217, Bi-213, Po-213, Tl-209, Pb-209

ja

U-2341



U-235#

Th-231

Ja

U-238#

Th-234, Pa-234m

Ja

Pu-238



Pu-239



Pu-240



Am-241


Ja

Cm-242



Cm-244



Cf-252





1
Uranisotope (U-234, U-235# und U-238#) als Bestandteile von natürlichem (U-nat) bzw. angereichertem (U-5%) oder abgereichertem Uran (U-dep). Durch den Zusatz # bei der Urangemischbezeichnung (z. B. U-nat#) wird im Weiteren angezeigt, dass Tochternuklide in die Berechnung eingeflossen sind.




5 Expositionspfade



Nach ICRP 103 (ICRP 2007) und ICRP 109 (ICRP 2009a) sind bei der Bewertung von Expositionssituationen alle möglichen Expositionspfade zu betrachten und zunächst auf ihre Relevanz für das Expositionsszenario zu bewerten.



Bei alphastrahlenden Radionukliden entfällt praktisch der Expositionspfad externe Strahlung von kontaminierten Oberflächen wegen der sehr geringen Reichweite von Alphastrahlen in Materie, z. B. auch in Luft.



Damit ist abgesehen von einer möglichen Ingestion eine Exposition über Resuspension und nachfolgende Inhalation maßgeblich. Hinzu kommt, dass die Dosiskoeffizienten für Inhalation von alphastrahlenden Radionukliden generell deutlich höher sind als für Beta-/Gammastrahler. Demgegenüber liefert für höher energetische Betastrahler auch die externe Betastrahlung einen wesentlichen Dosisbeitrag, da die Reichweite der Betapartikel in Luft mehrere Meter betragen kann und diese Partikel zu einer Exposition der strahlenempfindlichen Bestandteile der Haut12 führen können. Somit sind in diesem Fall sowohl Inhalation als auch externe Bestrahlung als relevante Expositionspfade in Betracht zu ziehen, und es hängt von den Nuklideigenschaften und der durch Resuspension erzeugten luftgetragenen Aktivitätskonzentration ab, welcher den dominierenden Beitrag zur effektiven Dosis einer sich im Bereich der kontaminierten Flächen aufhaltenden Person liefert.



Im Falle einer Alpha- oder Betakontamination in einem urbanen Gebiet können daher die folgenden Expositionspfade in der Frühphase nach einem Unfall relevant sein:



Inhalation von resuspendierten radioaktiven Stoffen


Dieser Pfad ist prinzipiell sowohl bei Alpha- als auch Betakontaminationen zu betrachten. Bei diesem Expositionspfad ist die Exposition des Erwachsenen wegen der höheren Atemrate ausschlaggebend.


Externe Strahlung von kontaminiertem Boden


Bei betastrahlenden Kontaminationen ist die Hautdosis bestimmend. Die Exposition durch Betastrahlung wird beeinflusst z. B. durch Abschirmung durch Bekleidung und durch Abschirmung durch die praktisch immer vorhandene Bodenrauigkeit gegenüber einer planen Fläche. Bei Kindern kann sich durch die geringere Körpergröße gegenüber Erwachsenen, die in dieser Empfehlung als repräsentative Personen nach ICRP 101 (ICRP 2006) betrachtet werden, eine Dosiserhöhung ergeben. Der Einfluss der Körpergröße wird im Weiteren noch diskutiert. Die anderen Effekte (Bodenrauigkeit, Abschirmung durch Bekleidung) werden hier nicht betrachtet. Sie führen eher zu einer Dosisreduktion.


Unabsichtliche Ingestion


Dieser Expositionspfad wurde bereits bei der Schutzstrategie (Abschnitt 3.3) angesprochen. Der Zusammenhang zwischen der Bodenkontamination/Gegenstandskontamination und der oralen Aufnahme der Kontamination kann durch einen Aktivitätstransferfaktor beschrieben werden, im einfachsten Fall durch einen Proportionalitätsfaktor. Es gibt eine sehr große Anzahl denkbarer Beschreibungen eines solchen Transfers, deren Parameter allerdings sehr unsicher sind (z. B. Fläche des Übergangs Bodenkontamination zur Hand, Häufigkeit des entsprechenden Kontaktes, Effizienz des Kontaminationsübergangs, Pfad des Aktivitätsübergangs von der Hand über Zwischenträger (andere Körperteile, Gesichtsfläche) in den Mund, deren Häufigkeit und wiederum die Effizienz des Transfers). Die Einsetzung von mehr oder weniger plausiblen Zahlenwerten zeigt, dass der Gesamttransfer Bodenkontamination – Ingestion eine sehr große Variabilität aufweist, der jedoch bei Annahme möglicher, aber ungünstiger Bedingungen zu hohen Ingestionsdosen führen kann.


Wie bereits in Abschnitt 3.3 ausgeführt wurde, sollte dieser Expositionspfad durch entsprechende an die Bevölkerung (und die Einsatzkräfte) gerichtete Warnungen soweit wie möglich unterbunden werden.


Dosis durch direkte Kontamination der Haut


Sowohl die Bevölkerung, die sich in einem kontaminierten Gebiet aufgehalten hat, als auch Einsatzkräfte in diesem Gebiet können durch Kontakt mit kontaminierten Flächen, Materialien, Gegenständen und Personen ihre Kleidung oder ihre Haut kontaminieren.


Direkte Inhalation von Radionukliden sowie externe Bestrahlung aus der vorbeiziehenden Wolke während der Freisetzungsphase


Dieser Expositionspfad wurde bei der Diskussion des zu betrachtenden Szenarios ausgeschlossen (siehe auch Kapitel 2).


Ingestion von kontaminierten Lebensmitteln


Dieser Pfad kann in der Frühphase nach einer Kontamination vernachlässigt werden, da einerseits im urbanen Gebiet eine ins Gewicht fallende Erzeugung von Nahrungsmitteln in aller Regel nicht vorhanden ist und andererseits dieser Expositionspfad durch eine vorsorgliche Warnung vor dem Verzehr möglicherweise kontaminierter Lebensmittel unterbunden werden kann. Man kann davon ausgehen, dass eine solche Warnung ihre Wirkung voll entfaltet.


In entfernteren Gebieten treten möglicherweise erhöhte Kontaminationen von Pflanzen und Böden auf, die der Lebensmittel- und Futtermittelerzeugung dienen. Das Inverkehrbringen von kontaminierten Lebens- und Futtermitteln wird durch das Strahlenschutzvorsorgegesetz (StrVG) bzw. durch europäische Vorschriften (Euratom 1989) geregelt. Letztere legen Höchstwerte der spezifischen Aktivität in den genannten Erzeugnissen fest, bei deren Überschreitung sie nicht mehr in den Verkehr gebracht werden dürfen. Die Einhaltung der Verbote wird durch die für die Überwachung der Lebensmittel zuständigen Behörden kontrolliert. Damit kann gewährleistet werden, dass die Strahlenexposition auf diesem Expositionspfad gering bleibt. Je nach den Umständen können auch niedrigere Höchstwerte festgelegt werden.




6 Repräsentative Personen



Im betrachteten Szenario wird unterstellt, dass eine Kontamination mit alpha- und betastrahlenden Radionukliden bereits vorliegt, und die Frage nicht diskutiert, wie eine solche Kontamination entstehen kann.



Die Strahlendosis, die Personen durch direkte Inhalation während einer Freisetzung erhalten würden, ist nicht mehr (oder nur wenig, etwa durch interne Dekontamination) vermeidbar. Dennoch müssen die betroffenen Personen in eine Schutzstrategie einbezogen werden, indem man beispielweise Maßnahmen zur Identifizierung der Personen und ihre medizinische Behandlung in die Planung einbezieht.



Bei der Ableitung von Kontaminationswerten werden Dosisabschätzungen für Erwachsene zugrunde gelegt.



Beim Expositionspfad Inhalation (durch resuspendierte Radionuklide) sind Erwachsene als repräsentative Personen wegen der im Vergleich mit Kindern höheren Atemrate zu betrachten. Diese kompensiert in der betrachteten Radionuklidauswahl unter Berücksichtigung der Beiträge von Tochternukliden mit einer Ausnahme (Y-90) gegebenenfalls höhere Dosiskoeffizienten bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen.



Beim Expositionspfad „Externe Strahlung vom Boden“ können Kleinkinder, etwa in der Altersklasse von ein bis fünf Jahren, wegen des geringeren Abstandes zum Boden oder wegen ihres Spielverhaltens höhere Dosen erhalten als Erwachsene. Eine grobe Abschätzung des Einflusses der Körpergröße kann anhand von Abbildung 5.4 der SSK-Veröffentlichung Band 43 (SSK 2004) vorgenommen werden. Dort ist die Ortsdosisleistung geteilt durch die flächenbezogene Aktivität vor einer kontaminierten Fläche als Funktion der maximalen Betaenergie für verschiedene Abstände aufgetragen. Unterstellt man beispielsweise für Kinder im Alter von ein bis zwei Jahren einen Abstand von 20 cm und für Erwachsene einen Abstand von 100 cm von der unendlich ausgedehnten kontaminierten Fläche, so ergibt sich bei einer maximalen Betaenergie von ca. 2 MeV (Y-90!) eine um den Faktor zwei höhere Dosisleistung für Kinder.



Nur betastrahlende Radionuklide mit hohen Emissionsenergien (> 1 MeV) liefern einen signifikanten Beitrag zur externen Dosis. In diesem Energiebereich liegt der Dosisunterschied zwischen Erwachsenen und Kindern (abgeschätzt aus Körpergrößen und Abständen vom Boden) in der Größenordnung eines Faktors zwei bis drei. Da unterstellt werden kann, dass sich Kleinkinder insbesondere in urbanen Umgebungen mehr als Erwachsene in Häusern aufhalten, und andere Faktoren, wie z. B. die Abschirmung durch Bekleidung und die Bodenrauigkeit, nicht berücksichtigt werden, kann davon ausgegangen werden, dass der Richtwert für Erwachsene auch für Kinder abdeckend ist.





7 Abgeleitete Richtwerte für Maßnahmen in der Frühphase



7.1 Maßnahmen „Ermittlung des betroffenen Gebietes“ und „Aufenthalt in Gebäuden“



In Tabelle 2 (Betastrahler) und Tabelle 3 (Alphastrahler) werden die Ergebnisse der Rechnungen zur Ermittlung der abgeleiteten Richtwerte in Bq m–2 auf der Grundlage der Bodenkontamination, die die Abgrenzung des Maßnahmengebietes ermöglichen sowie die Maßnahme „Aufenthalt in Gebäuden“ auslösen soll, angegeben. Der Rechengang ist in den Anhängen beschrieben. In den letzten Spalten der beiden Tabellen ist angegeben, welcher Expositionspfad (Bodenstrahlung, Inhalation resuspendierter Radionuklide) zu den niedrigsten Werten des abgeleiteten Richtwertes führt.



Wie in Kapitel 4 bereits ausgeführt, beziehen sich die Richtwerte bei Mutter-Töchter-Radionuklidgemischen auf die Summe der Einzelaktivitäten von Mutter und Töchtern zum Zeitpunkt der maximalen Aktivität bzw. nach zehn Jahren (siehe auch Anhang A-1).



Im Anhang A-5 wird beispielhaft für die unabsichtliche Ingestion die Strahlenexposition von Kleinkindern aufgrund der Ingestion von Bodenbestandteilen abgeschätzt. Wie bereits ausgeführt wurde, kann und sollte dieser Expositionspfad durch eine Warnung an die Bevölkerung, Kinder bis auf Weiteres nicht im Freien spielen zu lassen, wirksam unterbrochen werden.



Tabelle 2: Abgeleitete Richtwerte der Bodenkontamination in Bq m–2 durch Betastrahler, die in einem Integrationszeitraum von sieben Tagen zu einer effektiven Dosis in Höhe des Eingreifrichtwertes von 10 mSv führen (jeweils restriktivster Wert der Expositionspfade Inhalation nach Resuspension und externe Strahlung durch am Boden abgelagerte Radionuklide)



  Radionuklid  

Halbwertszeit*

  abgeleiteter Richtwert der  
Bodenkontamination in Bq m–2

dominierender
  Expositionspfad  

P-32

14,3 d


2,3E+08

B

P-33

25,4 d


9,0E+10

R

S-35

87,4 d


6,8E+10

R

Ca-45

163,0 d


3,5E+10

R

Ni-63

96,0 a


9,8E+10

R

Sr-89

50,5 d


2,5E+08

B

Sr-90#

29,1 a


3,0E+08

B

Y-90

64,0 h


3,3E+08

B

Pr-143

13,6 d


9,5E+08

B

Pm-147

2,6 a


2,6E+10

R

Er-169

9,3 d


1,5E+11

R

Tm-170

  128,6 d


6,4E+08

B

Tl-204

3,8 a


1,5E+09

B

Bi-210

5,0 d


7,4E+08

B

Niedrigster abgeleiteter Richtwert

2,3E+08

B

Richtwert für Betakontamination

1,0E+08





R = Resuspension



B = Bodenstrahlung



Alle abgeleiteten Richtwerte der Bodenkontamination liegen deutlich über dem von der IAEA für Betastrahler vorgeschlagenen Wert von 1 000 Bq cm–2 (1,0E+07 Bq m–2). Wenn das betastrahlende Radionuklid noch nicht identifiziert ist (bzw. die beteiligten betastrahlenden Radionuklide noch nicht identifiziert sind), sollte für Entscheidungen über erste Maßnahmen bei Betakontaminationen 1,0E+08 Bq m–2 zugrunde gelegt werden.



Es kann hier festgestellt werden, dass bei entsprechenden Ereignissen Kontaminationen von größeren Außenflächen, die die hier abgeleiteten Richtwerte erreichen, nur unter extremen Bedingungen zu erwarten sind.



Tabelle 3: Abgeleitete Richtwerte der Bodenkontamination in Bq m–2 durch Alphastrahler, die in einem Integrationszeitraum von sieben Tagen zu einer effektiven Dosis in Höhe des Eingreifrichtwertes von 10 mSv führen (jeweils restriktivster Wert der Expositionspfade Inhalation nach Resuspension und externe Strahlung durch am Boden abgelagerte Radionuklide)



  Radionuklid  

Halbwertszeit*

  abgeleiteter Richtwert der  
Bodenkontamination in Bq m–2

dominierender
  Expositionspfad  

Po-210

138,4 d


3,0E+07

R

Ra-223#

11,4 d


3,3E+07

R

Ra-226#

1 600 a


4,1E+07

R

Ac-225#

10,0 d


5,1E+07

R

Ac-227#

21,8 a


9,0E+05

R

Th-227#

18,7 d


2,2E+07

R

Th-228#

1,9 a


1,2E+07

R

Th-229#

    7 340 a


2,5E+06

R

U-nat#



2,4E+07

R

U-5%#



1,6E+07

R

U-dep#



3,0E+07

R

Pu-238

87,7 a


1,2E+06

R

Pu-239/Pu-240

24 065 a/6 537 a

1,1E+06

R

Cm-242

162,8 d


2,2E+07

R

Cm-244

18,1 a


2,2E+06

R

Cf-252

2,6 a


6,4E+06

R

Niedrigster abgeleiteter Richtwert

9,0E+05

R

Richtwert für Alphakontamination

1,0E+06





R = Resuspension



Alle abgeleiteten Richtwerte für die Bodenkontamination alphastrahlender Radionuklide liegen mit einer Ausnahme (Ac-227# mit 9,0E+05 Bq m–2) über dem von der IAEA vorgeschlagenen Richtwert von 100 Bq cm–2 (1,0E+06 Bq m–2). Wenn das alphastrahlende Radionuklid noch nicht identifiziert ist (bzw. die beteiligten alphastrahlenden Radionuklide noch nicht identifiziert sind), sollte für Entscheidungen über erste Maßnahmen bei Alphakontaminationen 1,0E+06 Bq m–2 zugrunde gelegt werden.



Die Angaben der Richtwerte für Betakontamination in Tabelle 2 und Alphakontamination in Tabelle 3 sind als untere Schranken für die jeweiligen nuklidspezifischen abgeleiteten Richtwerte der flächenbezogenen Aktivität der Nuklidgruppen Alphastrahler und Betastrahler festgelegt worden. Die abgeleiteten Richtwerte beruhen auf Dosisberechnungen, bei denen jeweils die gesamte Dosis durch den Zerfall eines Radionuklids bzw. seiner Zerfallsreihe berücksichtigt wird. Das bedeutet, dass der Richtwert für Alphakontamination auch die in der Zerfallsreihe fallweise auftretenden Betastrahler beinhaltet.



Bei ersten orientierenden Messungen kann man nur feststellen, ob Alphastrahlung und/oder Betastrahlung auftritt. Werden beide Strahlenarten gleichzeitig nachgewiesen, kann man ohne Nuklididentifizierung nicht entscheiden, ob es sich um die Strahlung mehrerer voneinander unabhängiger Radionuklide wie z. B. Am-241 und Sr-90 oder einer Zerfallsreihe wie z. B. die von U-238 handelt. Deshalb sollte in diesem Fall für die Entscheidung über erste Maßnahmen der restriktivere Richtwert für Alphastrahlung von 1,0E+06 Bq m–2 verwendet werden.



Liegen später, wenn die Nuklidzusammensetzung des Radionuklidgemisches bereits bekannt ist, Hinweise vor, dass die Kontamination aus einem Gemisch der in den Tabellen 2 und 3 aufgeführten Einzel- bzw. Mutternuklide besteht, kann die Einhaltung des abgeleiteten Richtwertes durch die Anwendung einer Summenformel überprüft werden:



Formel



Br

gemessener Kontaminationswert für das Radionuklid r,



ARWr  

abgeleiteter Richtwert für das Radionuklid r.



Die Summenformel kann nur angewendet werden, wenn die Nuklidzusammensetzung des Radionuklidgemisches bereits bekannt ist.



Es kann auch hier festgestellt werden, dass bei entsprechenden Ereignissen Kontaminationen von größeren Außenflächen, die die hier abgeleiteten Richtwerte erreichen, nur unter extremen Bedingungen zu erwarten sind.



Für eine Diskussion der Messstrategien zur Ermittlung einer Richtwertüberschreitung wird auf Kapitel 11 verwiesen.



7.2 Richtwerte zur Personendekontamination



Personen, die von einem Ereignis mit Radioaktivitätsfreisetzung betroffen sind, und Einsatzkräfte, die sich zur Durchführung von Rettungs-, Absperr-, Mess- und Dekontaminationsaufgaben im oder am Rande des betroffenen Gebietes aufhalten, können durch Kontakt mit kontaminierten Flächen, Materialien, Gegenständen oder Personen ihre Kleidung oder ihre Haut kontaminieren. Alpha- und Betateilchen können eine Strahlenexposition der Haut hervorrufen, wenn sie auf der Körperoberfläche abgelagert sind und dort für längere Zeit verbleiben.



Das Risiko einer Strahlenexposition durch Kontamination kann durch geeignete Schutzmaßnahmen (siehe Kapitel 10) verringert werden. Während der größte Teil einer äußeren Kontamination durch Ablegen der Kleidung nach einem Einsatz entfernt werden kann, können auf unbedeckten Hautpartien Kontaminationen verbleiben. Die lokale Dosis durch direkte Kontamination der Haut wird daher als potenzieller Expositionspfad betrachtet. Besonders betroffen sind hierbei üblicherweise unbedeckte Hautpartien wie das Gesicht sowie Hautpartien, in deren Umgebung Handschuhe oder Schutzkleidung durch mechanische Einwirkungen beschädigt wurden.



Wenn eine Kontamination der Haut oder der Kleidung vorliegt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Teil der Aktivität durch Berühren der kontaminierten Haut und anschließendem Berühren der Mundregion in den Verdauungstrakt gelangt und so zu einer Ingestionsdosis führt.



Wie bei den Schutzstrategien (Abschnitt 3.3) bereits beschrieben, sollen der Bevölkerung und den Einsatzkräften Möglichkeiten zur Kontaminationskontrolle und gegebenenfalls zur kontrollierten Dekontamination in Notfallstationen oder anderen entsprechenden Einrichtungen angeboten werden.



Hierbei sind zwei Situationen zu unterscheiden:



Nach Bekanntwerden einer Kontamination in einer Höhe, die die Festlegung eines betroffenen Gebietes und Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung erforderlich macht, ist man in einer Notfall-Expositionssituation nach ICRP (ICRP 2006, ICRP 2009a). Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die Kenntnis der Situation noch sehr unsicher ist, und dass die potenziellen Strahlendosen hoch sein können. In den betrachteten Szenarien äußert sich die Unsicherheit neben der ungenauen Kenntnis der Höhe der Kontamination und den Grenzen des betroffenen Gebietes insbesondere auch durch die Unkenntnis der Art der beteiligten Radionuklide. Frühzeitige Maßnahmen zur Schadenseindämmung und -reduzierung (z. B. durch Fixierung der Kontamination), aber auch die oben genannten Maßnahmen zur Kontaminationskontrolle und Personendekontamination, finden in dieser Notfall-Expositionssituation statt.


Nach Abklärung der Situation, der Durchführung von Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung und den ersten Erfolgen bei der Bindung der Kontamination, die durch natürliche Prozesse wie die Abnahme der Resuspensionsrate mit der Zeit unterstützt wird, kommt man in eine bestehende Expositionssituation. In dieser Situation werden insbesondere weitere Maßnahmen zur Dosisreduzierung nach dem ALARA-Prinzip erfolgen. Hierbei werden Einsatzkräfte aller Art (z. B. für Absperrung, Aufräumarbeiten, Sanierung des kontaminierten Gebietes) mitwirken.


7.2.1 Dosisbezogene Eingreifrichtwerte für die Personendekontamination



Für die Auslösung der Personendekontamination werden Entscheidungskriterien in Form von Messwerten der flächenbezogenen Aktivität auf der Haut bzw. der Kleidung benötigt. Zur Herleitung dieser abgeleiteten Richtwerte sind zunächst die dosisbezogenen Eingreifrichtwerte für die verschiedenen Personengruppen (Bevölkerung, Einsatzkräfte) festzulegen.



In der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) ist in Übereinstimmung mit den Empfehlungen der ICRP (ICRP 1991, ICRP 2006) ein gesonderter Grenzwert für die lokale Organ-Äquivalentdosis der Haut festgelegt, da bei inhomogener Bestrahlung durch nicht durchdringende Strahlung der Grenzwert der effektiven Dosis nicht ausreichend vor lokalen Gewebereaktionen schützt. Begrenzt wird nach § 46 Absatz 2 StrlSchV die Organ-Äquivalentdosis der Haut in 0,07 mm Gewebetiefe und gemittelt über 1 cm2 auf 50 mSv in einem Jahr für Einzelpersonen der Bevölkerung und nach § 55 Absatz 2 StrSchV auf 500 mSv in einem Jahr für beruflich strahlenexponierte Personen. Die zitierten Paragraphen der Strahlenschutzverordnung beziehen sich auf geplante Expositionssituationen. Diese Bestimmungen sind auch in der Richtlinie 2013/59/Euratom (Euratom 2014) enthalten.



Nach (ICRP 2007) und (Euratom 2014) soll die Organ-Äquivalentdosis der Haut von Notfalleinsatzkräften13 in Anlehnung an den Grenzwert für beruflich strahlenexponierte Personen nach Möglichkeit unterhalb von 500 mSv pro Ereignis liegen, gemittelt über jede beliebige Hautfläche von 1 cm2, unabhängig von der exponierten Fläche.



Für die Bevölkerung wird in den genannten Unterlagen (ICRP 2007, Euratom 2014) kein Wert für die Begrenzung der Hautdosis in der Notfall-Expositionssituation genannt. In (IAEA 2005) wird vorgeschlagen, dass in einer Notfallsituation eine dringliche Personendekontamination vorgenommen werden soll, wenn dadurch eine in einigen Tagen sonst auflaufende Hautdosis von 100 mSv vermieden werden kann. Dieser Wert soll sowohl das Risiko einer Kontaminationsverschleppung und unwissentlichen Inkorporation als auch die Nachweismöglichkeit unter Notfallbedingungen berücksichtigen und ausreichend Abstand zu deterministischen Schäden der Haut gewährleisten.



Nach dem Übergang in eine bestehende Expositionssituation soll nach den Vorschlägen der ICRP (ICRP 2007) die Organ-Äquivalentdosis der Haut nach den Strahlenschutzregelungen wie in einer geplanten Expositionssituation (siehe oben) limitiert werden.



Die im Weiteren beschriebenen Berechnungen der lokalen Hautdosis und der daraus abgeleiteten Richtwerte zeigen, dass dabei drei Gruppen von Radionukliden zu unterscheiden sind: Betastrahler, Alphastrahler und zugehörige Zerfallsketten mit Alphaenergien < 6,5 MeV (vergleiche Anhang A-4.1) sowie Alphastrahler mit Alphaenergien > 6,5 MeV bzw. Zerfallsketten, die alphastrahlende Radionuklide mit Alphaenergien > 6,5 MeV enthalten.



Man kann unterstellen, dass in einer bestehenden Expositionssituation regelmäßige Kontaminationskontrollen und Personendekontaminationen der Bevölkerung in Notfallstationen wegen des dann erheblich geringeren Kontaminationsniveaus in der Umwelt in aller Regel nicht mehr benötigt werden. Für Einsatzkräfte mit entsprechenden Aufgaben, z. B. Aufräum- und Dekontaminationsarbeiten, Aufspüren und Dekontamination von hot spots, sind zumindest bis zum Abschluss dieser Arbeiten weiterhin die entsprechenden Maßnahmen zur Kontaminationskontrolle und gegebenenfalls Dekontamination notwendig. Nach den obigen Ausführungen gilt für diese Personengruppe ein dosisbezogener Eingreifrichtwert von 50 mSv pro Jahr für die lokale Organ-Äquivalentdosis der Haut.



Die Personendekontamination ist eine Maßnahme, die einen geringen Aufwand – sorgfältige Waschung der betroffenen Hautstelle, gegebenenfalls Duschen (SSK 2006, SSK 2007b) – erfordert und den betroffenen Personen nicht schadet. Daher empfiehlt die SSK, einen einheitlichen dosisbezogenen Eingreifrichtwert für die Personendekontamination von 50 mSv, obwohl die biologische Wirkung von geringen Hautdosen als vernachlässigbar anzusehen ist (Preston et al. 2007). Ein niedriger Richtwert trägt somit dem Grundsatz, dass eine Maßnahme mehr Nutzen als Schaden stiften soll, Rechnung. Ein einheitlicher Richtwert dient darüber hinaus der Vereinfachung, weil sonst wegen der möglichen Kombinationen von Expositionssituationen (2), Personengruppen (2) und Nuklidgruppen (3) mehrere abgeleitete Richtwerte zur Auslösung der Hautdekontamination festgelegt werden müssten. Der dosisbezogene Eingreifrichtwert von 50 mSv dient somit nur der Auslösung der Personendekontamination und ist nicht als eine generelle Limitierung anzusehen.



Dieser dosisbezogene Eingreifrichtwert für die Personendekontamination liegt damit für Notfalleinsatzkräfte deutlich niedriger als der oben angegebene Wert von 500 mSv, lässt damit aber auch nach Durchführung einer Personendekontamination Raum für weitere Einsätze, die zur Wahrnehmung der Aufgaben im Notfall notwendig sein können. Durch die in der Richtlinie 2013/59/Euratom (Euratom 2014) vorgeschriebene Strahlenschutzüberwachung der Einsatzkräfte muss darauf geachtet werden, dass mehrfache Expositionen möglichst nicht zur Überschreitung der Hautdosis von 500 mSv führen.



Der empfohlene dosisbezogene Eingreifrichtwert für die Auslösung der Personendekontamination liegt weiterhin im Bereich des Jahresgrenzwertes für die normale Bevölkerung in einer geplanten Expositionssituation. Das ist in einer Notfall-Expositionssituation aber vertretbar. Nach (ICRP 2007) und (IAEA 2005) wäre sicher auch ein höherer Richtwert für die Einleitung der Dekontamination beim Ausschleusen aus dem betroffenen Bereich denkbar, da es sich um ein einmaliges Ereignis handelt und auch der höhere Richtwert von 500 mSv für beruflich strahlenexponierte Personen immer noch ausreichend Abstand zum Auftreten von lokalen Gewebeeffekten gewährleistet.



In Bezug auf eine mögliche Ingestionsdosis auf dem Pfad Haut/Kleidung-Hand-Mund empfiehlt die SSK, dass hierfür ein Richtwert von 1 mSv für die effektive Dosis in allen Expositionssituationen zur Anwendung gebracht werden soll.



7.2.2 Abgeleitete Richtwerte für die Personendekontamination



Im Anhang A-4 wird die Berechnung der lokalen Hautdosis und der daraus abgeleiteten (nuklidspezifischen) Richtwerte als Auslösekriterien für die Personendekontamination beschrieben.



Aus den Festlegungen für die Richtwerte der Hautdosis können damit folgende Auslösekriterien für die Personendekontamination hergeleitet werden.



Tabelle 4: Abgeleitete Richtwerte der gemessenen flächenbezogenen Aktivität auf der Haut bzw. der Kleidung (in Bq cm–2), bei deren Überschreitung eine Personendekontamination vorgenommen werden sollte. Grundlage: Dosisbezogener Eingreifrichtwert der Hautdosis von 50 mSv bzw. effektive Dosis von 1 mSv durch unabsichtliche Ingestion.



Expositionssituation

Radionuklidgruppe

Richtwert

Notfall-Expositionssituation und anschließende bestehende Expositionssituation

Betastrahler außer Ac-227#

100 Bq cm–2


Alphastrahler oder Zerfallsreihen
mit Alphaenergien > 6,5 MeV sowie Ac-227#

1 Bq cm–2


Alphastrahler oder Zerfallsreihen
mit Alphaenergien < 6,5 MeV

1 000 Bq cm–2




Zu den Alphastrahlern oder Zerfallsreihen mit Alphaenergien > 6,5 MeV gehören folgende Radionuklide: Ra-223#, Ra-226#, Ac-225#, Ac-227#, Th-227#, Th-228#, Th-229#. Das betastrahlende Radionuklid Ac-227# kann zu dieser Gruppe gerechnet werden, weil die Zerfallsketten mit etlichen energiereichen Alphastrahlern weitgehend übereinstimmen (siehe auch Hinweis in Tabelle 1). Alle Radionuklide dieser Gruppe haben gammastrahlende Tochternuklide, die höchsten Hautdosisbeiträge stammen allerdings von den hochenergetischen alphastrahlenden Tochternukliden (z. B. Po-212, Po-213, Po-215, At-217).



Zu den Alphastrahlern oder Zerfallsreihen mit Alphaenergien < 6,5 MeV gehören folgende Radionuklide und Radionuklidgemische: Po-210, Pu-238, Pu-239/Pu-240, Am-241, Cm-242, Cm-244, Cf-252, U-nat#, U-5%#, U-dep#.



Die hier abgeleiteten Richtwerte der Hautkontamination unterscheiden sich trotz der zum Teil ähnlichen Zahlenwerte in der modellmäßigen Herleitung erheblich von den Werten der Oberflächenkontamination der Anlage III Tabelle 1 Spalte 4 StrlSchV. Die Werte nach § 44 Absatz 2 und 3 StrlSchV gelten außerhalb von Strahlenschutzbereichen auf und außerhalb des Betriebsgeländes für die Oberflächenkontamination von Gegenständen sowie u. a. für Kleidung. Sie sollen verhindern, dass als Ergebnis von Tätigkeiten in geplanten Expositionssituationen eine unkontrollierte Verbreitung von Kontaminationen in öffentliche Bereiche vorkommen kann. Ihnen liegen außer einem anderen Dosiskriterium (10 μSv im Jahr für die effektive Dosis) auch andere Expositionsszenarien mit großflächiger Kontamination von Gegenständen und langen Expositionszeiten zugrunde. Bei den in der Anlage III Tabelle 1 StrlSchV behandelten Szenarien wird die Hautdosis durch hochenergetische Alphastrahler nicht berücksichtigt.



Die hier vorgenommene Herleitung von Richtwerten bezieht sich ausschließlich auf Notfallexpositionssituationen und auf bestehende Expositionssituationen. Die beiden Sätze von Kontaminationswerten sind weder in ihrer Zielsetzung noch in der Wahl der zugrunde liegenden Expositionsszenarien und Modellparameter vergleichbar.





8 Hinweise zu Schutzmaßnahmen



Das grundlegende Szenario geht davon aus, dass eine Kontamination mit alpha- oder betastrahlenden Radionukliden bereits erfolgt ist. Diese Kontamination befindet sich am Boden sowie an Gegenständen, die sich in der Nähe des Freisetzungsortes bzw. im Bereich der Ablagerung aus der entstandenen Schadstoffwolke befanden. Sofern die Freisetzung außerhalb von Gebäuden stattgefunden hat, wird dort die Kontamination am höchsten sein. Es können in einer solchen Situation auch Flächen und Gegenstände innerhalb von Gebäuden kontaminiert werden, sei es durch zum Zeitpunkt der Freisetzung offenstehende Gebäudeöffnungen (z. B. Fenster, Türen, Lüftungsöffnungen) oder sei es durch Kontaminationsverschleppung (z. B. durch kontaminierte Schuhe und Kleidung). Allerdings dürfte in solchen Fällen die Innenraumkontamination beträchtlich geringer sein als die draußen vorliegende Kontamination. Schließlich können sich resuspendierte Radionuklide in der Luft befinden.



In dieser Situation gibt es zwei wichtige Zielsetzungen:



Kontaminierte Personen, insbesondere solche mit offenen Wunden, müssen identifiziert, gegebenenfalls dekontaminiert und, soweit notwendig, medizinisch versorgt werden (siehe Kapitel 12 zu medizinischen Maßnahmen).


Das betroffene Gebiet muss abgegrenzt und die drohende künftige Strahlenexposition muss – nach dem ALARA-Prinzip – reduziert werden.


Die Reduzierung der Strahlenexposition erfolgt durch Beseitigung der Kontamination (Dekontamination im engeren Sinn) und/oder durch Aufbringung die Kontamination abschirmender oder fixierender Stoffe, Letztere zur Unterbindung der Resuspension. Eine bereits sehr effektive Maßnahme zur Resuspensionsunterdrückung ist bei trockenem Wetter das Besprühen von Oberflächen mit Wasser, die schon sehr früh nach der Erkennung der Kontamination eingesetzt werden kann (Koch et al. 2012).



In (Nisbet et al. 2009) werden die wesentlichen Optionen zur Dekontamination des betroffenen Gebietes beschrieben. Die meisten Dekontaminationsmaßnahmen sind am wirksamsten, wenn sie kurz nach der Kontamination durchgeführt werden. Zur Dekontamination von Straßen und Gehsteigen kommen im Wesentlichen das Abspritzen mit Wasser (Feuerwehrspritzen) sowie die Reinigung mit saugenden Straßenkehrmaschinen in Betracht. Bei der Dekontamination von Gebäuden (Dächer, Wände) können unter Beachtung des Atemschutzes gegebenenfalls Hochdruckreiniger eingesetzt werden. Wenn bei Dekontaminationsmaßnahmen mit Alpha- oder Betastrahlern kontaminiertes Wasser in die Kanalisation fließt, ist das in der Regel unbedenklich. Es kann Situationen geben, z. B. starker Frost, wo der Einsatz von Wasser sehr erschwert ist.



Falls die oben beschriebenen Maßnahmen nicht ausreichen, sind längerfristige – meist sehr aufwändige – Maßnahmen notwendig, z. B. das Umdrehen von Pflastersteinen oder der Abtrag von Oberflächen.



Grasflächen können gemäht werden und das kontaminierte Mähgut kann außerhalb besiedelter Flächen bis auf Weiteres zwischengelagert werden. Analoges gilt für kontaminierte Schneeflächen.



In der Regel werden bei der Dekontamination kontaminierte Abfälle14 erzeugt, die zu behandeln oder zu beseitigen sind.



Weiterhin wird zur Verhinderung der Resuspension, aber auch zur Dekontamination in (Nisbet et al. 2009, Maßnahmenblatt 49) die Behandlung mit filmbildenden Mitteln diskutiert, die mit Bürsten oder als Spray aufgebracht werden. Die Bindemittel binden die an der Oberfläche vorhandenen radioaktiven Stoffe in einen abziehbaren Film. Denkbar ist auch die Ausbringung von Restfaserbindemitteln auf Acrylatbasis15. Die Bindemittel mit den daran gebundenen Radionukliden können später abgezogen und dann als radioaktiv kontaminierter Abfall entsorgt werden. Die Verfahren sind mit Ausnahme der Bindemittel auf Acrylatbasis nur für kleine Flächen geeignet und sollen eingesetzt werden, solange sich die Kontamination noch an der Oberfläche befindet. Sie sind nur bei trockenem Wetter einsetzbar und teilweise beschränkt auf glatte Flächen. Auf Fragen der Verfügbarkeit und Kosten wird hier nicht eingegangen.





9 Hinweise zur Information der Bevölkerung



Die Bevölkerung wird durch Meldungen in den Medien sowie durch persönliche Kommunikation erfahren, dass ein Freisetzungsereignis stattgefunden hat. Sowohl unmittelbar betroffene Bevölkerung als auch in der Umgebung lebende nicht oder kaum betroffene Bevölkerung wird sich Sorgen machen, ob die Kontamination möglicherweise gesundheitliche Beeinträchtigungen für sie und für ihre Angehörigen nach sich ziehen könnte. Sie werden sich auch fragen, ob dadurch andere für sie wichtige Belange berührt sein können, z. B. Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit und der Berufsausübung sowie potenzielle Vermögensschäden. Selbst sicher nicht betroffene Bevölkerung wird sich für das Ereignis und die Reaktionen darauf interessieren. Vermittelt werden die Informationen durch die Medien. Dabei stellen Rundfunk, Fernsehen und Internet besonders schnell Informationen bereit, wobei die Einsatzleitungen nur sehr begrenzt auf die Inhalte, was die Korrektheit und Angemessenheit angeht, Einfluss nehmen können. Es ist daher wichtig, sich auf die besonderen Anforderungen durch diese Medien einzustellen und sich dabei als verlässliche Informationsquelle darzustellen. Hinweise hierzu enthält der Leitfaden zur Information der Öffentlichkeit bei kerntechnischen Notfällen (SSK 2007a), das TMT-Handbuch (Rojas-Palma et al. 2009), die Broschüre „Krisenkommunikation für Verantwortliche im Katastrophenschutz“ (EPA 2007) und das „Manual for First Responders“ (IAEA 2006).



Notwendig ist auch, dass die Interessierten, insbesondere die unmittelbar Betroffenen, die Möglichkeit haben, sich mit ihren Fragen an die für die Öffentlichkeitsarbeit zuständige Stelle zu wenden. Die Anforderungen an diese Stelle und deren Sprecher werden an anderer Stelle ausführlich beschrieben (z. B. EPA 2007, Rojas-Palma et al. 2009). Auf die enorme Bedeutung der mit der Öffentlichkeitsarbeit verbundenen Aufgaben wird hingewiesen.



Die unmittelbar von Maßnahmen betroffene Bevölkerung hat mehr noch als die nicht oder kaum betroffene Bevölkerung außerhalb des Maßnahmengebietes sehr spezifische Fragen. Viele solcher Fragen (z. B. Bedeutung von Messwerten, Vorgehen bei Kontamination von Gegenständen und Fahrzeugen) sind vorhersehbar. Solche Fragen werden sehr wahrscheinlich in Notfallstationen und ähnlichen Einrichtungen gestellt werden. Die SSK regt daher an, vorab ein Kommunikationskonzept zu entwickeln, mit dem die in direktem Kontakt mit den Betroffenen stehenden Einsatz- und Betreuungskräfte befähigt werden, solche Fragen in angemessener Weise zu beantworten. Ein solches Konzept muss so gestaltet werden, dass die Einsatz- und Betreuungskräfte sehr kurzfristig eingewiesen werden können.





10 Hinweise zum Schutz der Einsatzkräfte



Zur Durchführung verschiedener Maßnahmen werden Einsatzkräfte, die normalerweise keine beruflich strahlenexponierten Personen sind, benötigt, z. B. zur Rettung verletzter Personen, zur Durchführung von Messungen, zu Absperrmaßnahmen, zur Überwachung des betroffenen Gebietes, zur Durchführung von Dekontaminationsmaßnahmen (Personen und Geräte, Gelände) und zur Behandlung und Beseitigung kontaminierter Abfälle.



Soweit Polizei und Feuerwehr tätig sind, liegen Vorschriften vor (Polizei 2006, AFKzV 2012), die den Einsatz in kontaminierten Gebieten regeln. Diese Vorschriften beziehen sich allerdings im Wesentlichen auf Kontaminationen durch Gammastrahler. In solchen Fällen lässt sich die externe Strahlung mit Dosisleistungsmessgeräten einfach erfassen und dadurch beispielsweise der Gefahrenbereich mit einer Dosisleistung > 25 μSv h–1 abgrenzen. Im Falle einer Kontamination von Flächen mit Alpha- oder Betastrahlern ohne relevanten Beitrag durch Gammastrahlung ist eine solche Abgrenzung durch ein Dosisleistungskriterium schwierig. Die Kontamination kann dann durch mobile alpha-/betaempfindliche Kontaminationsmessgeräte erfasst werden. Die in diesem Bericht abgeleiteten nuklidspezifischen Richtwerte einer Kontamination von Außenflächen für die Schutzmaßnahme „Aufenthalt in Gebäuden“ liegen für Alphastrahler bei Werten oberhalb von 1,0E+6 Bq m–2, häufig aber deutlich höher, und für Betastrahler bei noch höheren Werten oberhalb von 1,0E+8 Bq m–2. Solche Kontaminationswerte sind somit um mindestens zwei und überwiegend um mehrere Zehnerpotenzen oberhalb der Nachweisempfindlichkeit gängiger handgeführter Kontaminationsmessgeräte für Alpha- und Betastrahlung und sind somit mit solchen Messgeräten einfach nachweisbar.



Im Fall einer Kontamination von Flächen mit alpha- und betastrahlenden Radionukliden ohne stärkeren Beitrag durch Gammastrahlung resultieren die dominierenden Expositionspfade bei Tätigkeiten des Einsatzpersonals aus Inhalation von Radionukliden nach Resuspension und aus externer Bestrahlung der Haut bei höherenergetischen Betastrahlern. Die in den Tabellen 2 und 3 aufgeführten abgeleiteten Richtwerte der Kontamination von Außenflächen für die vorübergehende Maßnahme „Aufenthalt in Gebäuden“ basieren auf der Annahme, dass eine Person sich in einem so kontaminierten Gebiet über sieben Tage ungeschützt aufhält und dadurch eine Strahlenexposition entsprechend einer effektiven Dosis von 10 mSv erhält. Einer Dosis von 10 mSv in sieben Tagen entspricht eine mittlere Dosisleistung von 60 μSv pro Stunde. Bei der Dosis durch inkorporierte radioaktive Stoffe handelt es sich genau genommen um eine Folgedosis, die sich erst im weiteren zeitlichen Verlauf aufsummiert, die aber üblicherweise der Inkorporationszeit zugerechnet wird. Eine solche mittlere Dosisleistung durch externe Betastrahlung und durch Inhalation nach Resuspension würde während eines zehnstündigen Einsatzes zu einer effektiven Dosis unterhalb von 1 mSv führen.



Solche mehr oder weniger zeitlich konstanten Expositionsbedingungen gelten allerdings nicht für die Inhalation nach Resuspension. Die im Anhang A-2 näher behandelte Modellierung der Strahlenexposition durch Inhalation von resuspendierten Radionukliden, bei der auch neuere experimentelle Untersuchungen zur Höhe und Zeitabhängigkeit (Koch et al. 2012, Koch et al. 2013) der Resuspension durch Windeinwirkung in der Frühphase nach Eintritt einer Kontamination einbezogen worden sind, verdeutlicht die ausgeprägte Zeitabhängigkeit von Resuspensionsprozessen. Dadurch bedingt würde die Exposition von Einsatzpersonal durch Inhalation resuspendierter Radionuklide hauptsächlich in den ersten Stunden nach einem Kontaminationsereignis erfolgen. Sie kann jedoch durch leicht durchführbare Maßnahmen zur Reduzierung einer Resuspension von kontaminierten Flächen und durch einfache Atemschutzmaßnahmen erheblich reduziert werden. Hingegen würde sich eine externe Bestrahlung der Haut im Fall von betastrahlenden Radionukliden über längere Zeiten erstrecken und nur durch radioaktiven Zerfall (Halbwertszeit) und durch den Einfluss von Witterungsprozessen oder durch Dekontaminationsmaßnahmen abnehmen. Dieser Fall entspricht daher eher der Situation einer mittleren Dosisleistung von 60 μSv h–1 bei einer Kontamination entsprechend den hier abgeleiteten Eingreifwerten.



Durch einfach durchführbare Verhaltensweisen des Einsatzpersonals und durch leicht umsetzbare Schutzmaßnahmen kann eine Strahlenexposition von Einsatzpersonal deutlich reduziert werden:



Am leichtesten durchführbar sind Maßnahmen zur Reduzierung einer Resuspension von kontaminierten Oberflächen. In den Berichten (Koch et al. 2012, Koch et al. 2013) ist die Wirksamkeit einfacher Maßnahmen zur Fixierung einer Kontamination für eine Vielzahl repräsentativer Oberflächen, z. B. aus dem urbanen Gebiet, untersucht worden. Demnach wird durch eine Befeuchtung mit Wasser und noch effektiver mit einem gesundheitlich unbedenklichen Wasser-Glycerin-Gemisch die Resuspension um rund einen Faktor 10 bzw. einen Faktor 100 reduziert. Die schnelle Abnahme einer Resuspension durch Windeinwirkung nach Ablagerung von Staub auf Oberflächen macht frühe Maßnahmen zur Fixierung empfehlenswert. Das gilt auch im Hinblick auf die Reduzierung von Resuspensionsprozessen durch Personen oder Fahrzeuge, die sich auf kontaminierten Flächen bewegen, da auch beim Auftreten oder Befahren induzierte Luftströmungen eine Staubablösung bewirken.



Zum Eigenschutz des Personals sind gängige Maßnahmen des Hygieneschutzes zu empfehlen. Dazu zählen das Tragen leichter Kontaminationsschutzkleidung, die vor einer Kontaminationsübertragung auf die Haut schützt, und das Tragen eines einfachen und wenig belastenden Atemschutzes. Einen guten Atemschutz, ohne den körperlichen Einsatz zu erschweren, leistet schon das Tragen einer gängigen Halbmaske vom Typ FFP 2, zumindest bei Kontaminationssituationen, bei denen die hier abgeleiteten Eingreifwerte nicht wesentlich überschritten sind.



Einsatzkräfte, die sich zur Durchführung von Rettungs-, Absperr-, Mess- und Dekontaminationsaufgaben im oder am Rande des betroffenen Gebietes aufhalten, können durch Kontakt mit kontaminierten Flächen, Materialien, Gegenständen oder Personen ihre Kleidung oder ihre Haut kontaminieren. Alpha- und Betateilchen können eine Strahlenexposition der Haut hervorrufen, wenn sie auf der Köperoberfläche abgelagert sind und dort für längere Zeit verbleiben.



Durch geeignete Schutzmaßnahmen (z. B. Tragen von Kontaminationsschutzkleidung) lässt sich das Risiko einer Strahlenexposition durch Kontamination verringern. Durch das Befolgen von Verhaltensanweisungen, die die Möglichkeit einer Inkorporation verringern (z. B. während des Einsatzes nicht essen, trinken oder rauchen, Vermeidung der Berührung des Mundes), kann das Risiko einer Strahlenexposition auf diesem Pfad ebenfalls reduziert werden. Alphastrahlung durchdringt aufgrund ihrer geringen Reichweite in Materie nicht die Kleidung. Bei Betastrahlung hängt die Abschirmwirkung von Kleidung von der Maximalenergie der Betastrahlung ab. Betastrahlung mit höheren Maximalenergien im Bereich von 2 MeV, wie bei Y-90 oder P-32, wird durch robuste Schutzkleidung etwa um den Faktor 3 bis 5 reduziert (Jensen 1992). Bei niedrigen Betaenergien unterhalb von 0,5 MeV liegt die Reduktion durch Kleidung bei mehr als 100.



Durch Ablegen der Kleidung kann der größte Teil einer äußeren Kontamination nach einem Einsatz entfernt werden. Unbedeckte Hautpartien müssen auf verbliebene Kontaminationen überprüft werden, um eine lokale Strahlenbelastung der Haut zu vermeiden. Richtwerte für die Kontaminationskontrolle finden sich in Abschnitt 7.2; ihre Herleitung wird im Anhang A-4 beschrieben.



Ein Großteil der Einsatzkräfte stammt aus Berufsbereichen, in denen sie praktisch nie mit der Strahlung radioaktiver Stoffe in Berührung kommen und für die die erwähnten Vorschriften für Feuerwehr und Polizei nicht zur Anwendung kommen (z. B. Straßenreinigung, Bauarbeiten). Gemäß Feuerwehr-Dienstvorschrift FwDV 500 (AFKzV 2012) gilt für nicht beruflich strahlenexponiertes Einsatzpersonal der Feuerwehren ein Dosisrichtwert16 zum Schutz von Sachwerten von 15 mSv für die effektive Dosis pro Einsatz. Für die Polizei gilt gemäß Leitfaden LF 450 „Gefahren durch chemische, radioaktive und biologische Stoffe“ (Polizei LF 450 2006) ein Dosisrichtwert von 6 mSv für die effektive Dosis pro Einsatz (und Jahr) beim Einsatz zum Schutz von Sachwerten. Bei Einsätzen zur Abwehr von Gefahren für Menschen und zur Verhinderung einer wesentlichen Schadensausweitung gelten nach beiden Vorschriften 100 mSv für die effektive Dosis je Einsatz und Kalenderjahr. Eine bei einem sehr seltenen radiologischen Ereignis aus dem Einsatz resultierende effektive Dosis im Bereich dieser Dosisrichtwerte von 6 mSv oder 15 mSv stellt keine unverhältnismäßige Gesundheitsgefährdung dar. Strahlenexpositionen in dieser Höhe liegen im Bereich der mittleren natürlichen Strahlenexposition im Verlauf von drei bis sieben Jahren. Auch für alle anderen in der Frühphase eingesetzten erwachsenen Kräfte, wie Personal der Straßenreinigung, Transportpersonal und mit Aufräumarbeiten, Dekontamination und Reparaturen befasstes Personal, gilt, dass eine zusätzliche Dosis im Bereich dieser Richtwerte mit keinem unangemessenen Strahlenrisiko verbunden wäre. Bei solchen Einsatzbedingungen sind selbstverständlich die nationalen und internationalen Grundsätze der Rechtfertigung und Optimierung des Strahlenschutzes zu beachten. Gerade im Fall von Kontaminationsereignissen mit alpha- und betastrahlenden Radionukliden ohne wesentlichen Beitrag von Gammastrahlung ist durch die oben angesprochenen Schutzmaßnahmen eine Exposition im Bereich von 6 mSv oder 15 mSv für die effektive Dosis kaum zu erwarten.



Bei Einsätzen ist zwischen akuten Maßnahmen unmittelbar nach Eintritt der radiologischen Situation und längerfristigen Maßnahmen, die eine weitere Reduktion der durch das Ereignis verursachten Strahlenexpositionen zum Ziel haben, zu unterscheiden:



Akute Maßnahmen sind: Personenrettung, Verhinderung einer Schadensausweitung (etwa durch Einhausung der Quelle), frühe Maßnahmen zur Unterdrückung der Resuspension. Die Expositionssituation ist anfänglich dadurch gekennzeichnet, dass noch keine vollständigen Informationen zur Kontaminationslage und die beteiligten Radionuklide vorliegen. In dieser Situation ist die Erfassung der Strahlenexposition der Einsatzkräfte besonders schwierig, da die bei den Feuerwehren und bei der Polizei vorhandenen Dosimeter nur die aus Gammastrahlung resultierende Dosis anzeigen. Dosimeter für Betastrahlung sind nur in speziellen Institutionen und vermutlich auch erst zu späteren Zeitpunkten in geringer Stückzahl verfügbar. Somit kann eine Dosiserfassung nur indirekt und nachträglich durch Analysen erfolgen unter Einbeziehung von Messungen der eingetretenen Flächenkontamination mit Kontaminationsmonitoren und Wischproben sowie gegebenenfalls Messungen der Luftaktivität und der Erfassung von Einsatzzeiten, -aufgaben und -orten.



Unter die längerfristigen Maßnahmen fallen insbesondere die Dekontamination und vielfältige Aufräumarbeiten. Obwohl sie so früh wie möglich eingeleitet werden sollten, um einen guten Dekontaminationseffekt zu erzielen, sollte solchen Maßnahmen eine Planung auch unter Strahlenschutzgesichtspunkten zum Schutz der Einsatzkräfte vorangehen. Die längerfristigen Arbeiten sollten nach „normalen“ Strahlenschutzregeln durchgeführt werden. Das bedeutet u. a. die Anwendung von Dosisgrenzwerten sowohl für beruflich strahlenexponierte Personen als auch für nicht beruflich strahlenexponierte Personen. Einsatzkräfte werden sich über die potenziellen Gefährdungen vergewissern wollen, die sich aus den verschiedenen Einsatzarten (z. B. Personenrettung, Messungen, Absperrmaßnahmen, Gebietsüberwachungsmaßnahmen, Durchführung von Dekontaminationsmaßnahmen, medizinische Maßnahmen) für sie ergeben können. Viele Einsatzkräfte haben genauso begrenzte Kenntnisse von radiologischen Gefährdungen wie die allgemeine Bevölkerung. Es ist daher wichtig, die Einsatzkräfte vor dem Einsatz über die Gefährdungen (z. B. Inkorporation radioaktiver Stoffe, Umgang mit kontaminierten Personen) und vor allem über die erforderlichen Schutzmaßnahmen (z. B. generelle Hygienemaßnahmen, Tragen von Atemschutz, Begrenzung der Einsatzzeiten, Wechseln der Arbeitskleidung nach dem Einsatz, Verbot von Essen und Trinken während des Einsatzes) zu unterrichten. Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass die Einsatzleitung unter Einbeziehung von Strahlenschutzexperten die Einsatzkräfte vorab und begleitend entsprechend informiert und in geeigneter Weise deren Strahlenexposition beim Einsatz erfasst.





11 Hinweise zu Messungen



Bei ungewöhnlichen Zwischenfällen, wie etwa Autobränden oder Explosionen im öffentlichen Raum, kann das Auftreten einer großflächigen Kontamination mit Alpha- oder Betastrahlern in vielen Fällen nur erkannt werden, wenn Hinweise auf radioaktive Stoffe vorliegen, z. B. wenn Hinweise auf Quellen oder Abschirmmaterialien entdeckt werden oder wenn orientierende Messungen am Ort des Ereignisses durchgeführt werden. Messungen bei solchen Ereignissen fallen in den Aufgabenbereich von Feuerwehr, Polizei und Katastrophenschutzbehörden des betroffenen Bundeslandes. Die dort verfügbaren messtechnischen Ressourcen und Kenntnisse sind jedoch nicht auf den Nachweis großflächiger Kontaminationen mit nicht durchdringender Strahlung ausgerichtet. Das Augenmerk der Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei konzentriert sich beim Ersteinsatz zunächst auf die unmittelbare Gefahrenabwehr und Schadensbegrenzung. Wenn überhaupt Messungen zum Ausschluss einer Freisetzung von radioaktiven Stoffen durchgeführt werden, sind dies bisher in der Regel Messungen der Gammaortsdosisleistung. Es sollte daher durch Schulung und Information der Einsatzkräfte künftig verstärkt auch auf die Möglichkeit von Kontaminationen hingewiesen werden, die nicht durch Dosisleistungsmessgeräte nachweisbar sind. Eine Reihe der hier betrachteten alphastrahlenden Radionuklide kann aufgrund der von den Tochternukliden ausgehenden Ortsdosisleistung detektiert werden und gegebenenfalls durch eine nachfolgende Gammaspektrometrie identifiziert werden. Auch beim Nachweis von Gammastrahlung sollte daher immer zusätzlich geprüft werden, ob die in dieser Empfehlung ausgewiesenen Alpha- oder Betastrahler in relevanten Aktivitäten vorliegen. Dazu müsssen zur Messung von Alphastrahlung geeignete Kontaminationsmessgeräte verfügbar sein.



Die folgenden Ausführungen beschreiben die mit Messungen verfolgten Ziele und die derzeitig vorhandenen Möglichkeiten, diese Ziele zu erreichen.



Die erste Zielsetzung für Messungen ist zunächst der Ausschluss einer radioaktiven Kontamination bei ungewöhnlichen Zwischenfällen. Neben den üblichen Messungen der Gamma-Ortsdosisleistung können orientierende Messungen mit mobilen alpha-/betaempfindlichen Kontaminationsmessgeräten mit gasgefüllten Detektoren oder Dünnschicht-Plastikszintillationsdetektoren durchgeführt werden, die bei den CBRN17-Erkundungswagen (CBRN ErkW) und den Strahlenspürtrupps von Polizei und Feuerwehr sowie in den Landesmessstellen und sonstigen fachkundigen Stellen der Länder vorhanden sind. An neueren Geräten kann die Diskriminatorschwelle für Alpha- oder Betastrahlung eingestellt werden, sodass eine Unterscheidung der beiden Strahlenarten möglich ist. Für handelsübliche Geräte ist der Nachweis von Kontaminationen im Bereich von etwa einem Becquerel pro cm2 bei kurzen Messzeiten möglich. Da es sich hier zunächst um einen qualitativen Nachweis einer Kontamination handelt, sind die Anforderungen an die Messungen gering. Als wesentliche Einflussgrößen müssen dabei die ortstypische Nullzählrate über mit Sicherheit unkontaminiertem Untergrund und ein hinreichend geringer Abstand von ca. 1 cm zwischen Detektor und zu messender Oberfläche beachtet werden.



Wird eine Kontamination erkannt, ergibt sich im nächsten Schritt als zweite Zielsetzung für Messungen die Ermittlung der räumlichen Ausdehnung des betroffenen Gebietes. Dazu ist zunächst anhand der hier abgeleiteten Richtwerte ein Wert der Flächenkontamination festzulegen, der gemäß Abschnitt 3.3 Buchstabe c als Entscheidungsgrenze zwischen „Maßnahme erforderlich“ und „Maßnahme nicht erforderlich“ dient.



Solange das Radionuklid(-gemisch) nicht identifiziert ist, können für die ersten Messungen die in Abschnitt 7.1 genannten Richtwerte für die Bodenkontamination mit Alpha- und Betastrahlern herangezogen werden. Zur Umrechnung von Impulsen pro Sekunde in die flächenbezogene Aktivität in Bq cm–2 können für diese Messung die Herstellerangaben für Kalibrierfaktoren für Gesamt-Alpha oder Gesamt-Beta verwendet werden (vergleiche dazu Anhang A-7). Falls diese Kalibrierfaktoren nicht vorliegen, kann zunächst mit einem Kalibrierfaktor für ein geeignetes Ersatznuklid, z. B. Am-241 für Alphastrahler oder Cl-36 für Betastrahler, ausgewertet werden. Die Messergebnisse können nach der Radionuklididentifizierung mit dem passenden Kalibrierfaktor für das Radionuklid umgerechnet werden.



Die Auswahl der Messorte kann sich am Anfang der Messungen an Ausbreitungsrechnungen (z. B. mit LASAIR) orientieren und sich zunächst auf die Abgrenzung der Gebiete, in denen Maßnahmen erforderlich sind, konzentrieren. Gesucht werden die Messorte, an denen der Richtwert gerade erreicht wird und durch die eine geschlossene Linie um den Freisetzungsort gezogen werden kann. Als Messmethode kommen die schon beschriebenen mobilen Kontaminationsmessgeräte zum Einsatz. Um die Messergebnisse quantitativ vergleichbar zu machen, müssen die Messungen über ebenen, möglichst glatten und trockenen Oberflächen und im gleichbleibenden Abstand von etwa 1 cm zur Oberfläche durchgeführt werden. Das Messverfahren lässt sich verbessern, wenn die Messgeräte auf Rollvorrichtungen mit festem Bodenabstand montiert werden, und wenn zur räumlichen Zuordnung der Messorte GPS-Koordinaten erfasst werden.



Falls bereits Informationen über das Radionuklid (die Radionuklide) vorliegen, kann die Ermittlung des betroffenen Gebiets in der ersten Phase hilfsweise bei einigen Radionukliden durch die Ermittlung der Gammaortsdosisleistung in 1 m Höhe über dem Boden unterstützt werden. Für alle hier betrachteten Alphastrahler mit Gammastrahlern in ihren Zerfallsreihen sind in Anhang A-6 Werte der über kontaminierten Flächen zu erwartenden Gamma-Dosisleistung abgeschätzt worden.



Wenn ein mobiler Wischtest-Messplatz zur Verfügung steht, können die Messungen mit den Handgeräten durch punktuelle Wischtestproben ergänzt werden.



Parallel zu diesen Messungen ist als nächste Zielsetzung die Identifizierung des Radionuklids (der Radionuklide) einzuleiten. Da einige der hier diskutierten Radionuklide über Tochternuklide zerfallen, die Gammastrahlen emittieren, sollte zunächst versucht werden, eine In-Situ-Gammaspektroskopie durchzuführen. Falls damit kein Radionuklidnachweis möglich ist, muss eine Probe aus der näheren Umgebung der Freisetzung in einem Labor nuklidspezifisch ausgewertet werden. Art und Menge der Probenahme müssen vorher mit dem Labor abgestimmt werden. Die radiochemischen Probenaufbereitungsverfahren für die alpha- und betaspektrometrischen Messungen sind langwierig. Es dauert in der Regel mehrere Tage, bis ein Messwert vorliegt. Dies liegt mit daran, dass die verfügbaren Messverfahren für den Nachweis von sehr geringen Aktivitäten im Rahmen der Umgebungsüberwachung entwickelt wurden. Verfahren für den schnellen Nachweis höherer Alpha- und Betaaktivitäten wie Methan-Durchflusszähler sind bei den Ländern derzeit meist nicht mehr verfügbar. Die SSK empfiehlt daher, einfache und schnelle Messmethoden zum Nachweis von Alpha- oder Betastrahlung an Staubproben und Wischproben bei Vorliegen hoher Aktivitätswerte zu entwickeln und bei den fachkundigen Stellen der Länder vorzuhalten. Ergänzend sollte vor Ort eine Messung auf Neutronenstrahlung durchgeführt werden, um die Auswahl der in Frage kommenden Radionuklide einzugrenzen18 (IAEA 2006, Rojas-Palma et al. 2009). Dosimetrisch spielen die Neutronen bei den hier betrachteten Nukliden und Expositionspfaden keine Rolle.



Eine engmaschige Vermessung des betroffenen Gebietes innerhalb der ermittelten Abgrenzung ist zunächst von untergeordneter Bedeutung für die Einleitung und Durchführung von Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung.



Bei explosionsartigen Freisetzungen können bis etwa 100 m vom Freisetzungsort größere Quellfragmente abgelagert worden sein. Für den Schutz der Einsatzkräfte bei den Aufräumarbeiten und zur Vermeidung einer Verschleppung sollte die nähere Umgebung des Freisetzungsortes danach abgesucht werden.



Zum Auffinden von Quellfragmenten bei explosionsartigen Freisetzungen sollte eine engmaschige systematische Suche mit mobilen Kontaminationsmonitoren durchgeführt werden. Dabei steht das rasche Auffinden von Orten mit relativen Maxima der Zählraten im Vordergrund.



Nach Einleitung von Maßnahmen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr für die betroffenen Personen müssen Aufräum- und Dekontaminationsmaßnahmen innerhalb des abgegrenzten Gebietes durchgeführt werden, um langfristig die Nutzbarkeit wiederherzustellen. Um das Gebiet wieder freigeben zu können, muss das Unterschreiten von zuvor im Rahmen von Optimierungsüberlegungen festgelegten Zielwerten der Restkontamination durch Messungen bestätigt werden. Dazu ist eine Kontrolle des Erfolgs von Dekontaminationsmaßnahmen im betroffenen Gebiet erforderlich.



Für diese Messungen steht mehr Zeit zur Verfügung als in der Phase unmittelbar nach der Freisetzung. Die Methode und die Strategie für diese Messungen können sorgfältig auf die Situation abgestimmt werden. Diese Messungen können mit mobilen Kontaminationsmonitoren rasterartig über das betroffene Gebiet verteilt durchgeführt werden. Ergänzend sollten Wischtestproben auf glatten Oberflächen, z. B. auf Autodächern oder Kühlerhauben, quantitativ ausgewertet werden. Dabei ist durch geeignete Wahl des Messrasters anzustreben, dass keine „hot spots“, die z. B. durch zusammenlaufendes Dekontaminationswasser oder durch Dachrinnenüberlauf entstehen können, im Gebiet übersehen werden. Geeignet zum Ausmessen großer Flächen sind fahrbare Bodenmonitor-Systeme mit großflächigen Zählrohren, wie sie z. B. in kerntechnischen Anlagen und in Kernbrennstoff verarbeitenden Betrieben zur Verfügung stehen.



Als weiteres Verfahren zur Kontrolle der Aktivitätskonzentration der Außenluft und des Erfolgs von Maßnahmen zur Unterdrückung der Resuspension von Radionukliden kann die Auswertung von Luftproben eingesetzt werden. Mit mobilen Geräten, wie sie für Katastrophenschutzmessungen bei den Spürtrupps verfügbar sind, können im betroffenen Gebiet Luftfilter mit Luftaerosol beaufschlagt und im Labor ausgewertet werden.



Über die hier aufgeführten Messungen zur Lageermittlung hinaus werden während des gesamten Ereignisverlaufes Kontaminationsmessungen an Personen der Bevölkerung und des Einsatzpersonals zur Bestimmung der Kontamination durchzuführen sein.



Für diese Messungen stehen kurzfristig nur handgeführte alpha-/betaempfindliche Kontaminationsmonitore zur Verfügung. Die Messungen müssen dicht über der Oberfläche des Körpers ausgeführt werden, um Alpha- oder Betastrahlung nachweisen zu können. Besondere Aufmerksamkeit muss bei Personen auf die Hände und das Gesicht zur Vermeidung von Inkorporationen und auf die Fußsohlen zur Vermeidung von Kontaminationsverschleppung sowie nach Ablegen der Schutzkleidung auf die unbedeckte Haut gerichtet werden.



Diese Messungen können beschleunigt werden, wenn es gelingt, einen transportablen Personenmonitor zu beschaffen und vor Ort einzurichten.



Kontaminationsmessungen an Gegenständen werden in dieser Unterlage nicht betrachtet.



Bei Arbeiten im kontaminierten Gebiet ist eine Dosisüberwachung der Einsatzkräfte durchzuführen. Die potenzielle effektive Dosis durch Inhalation kann indirekt über die Messung der Bodenkontamination oder der Luftkonzentration unter Verwendung von Einsatzdaten (durchgeführte Arbeiten, Einsatzorte, Einsatzzeiten) abgeschätzt werden. Zusätzlich können bei Verdacht auf ein nennenswertes Inkorporationsrisiko Ausscheidungsmessungen durchgeführt werden, um die effektive Dosis durch Inkorporationen zu ermitteln. Die Dosis über den Expositionspfad Inhalation lässt sich leicht, wie bereits in Kapitel 10 beschrieben, durch einfache Atemschutzmaßnahmen verringern.



Bei Kontaminationen mit Betastrahlern ist die Direktstrahlung ein wesentlicher Expositionspfad. Die Beta-Ortsdosisleistung sollte zur Ermittlung der Einsatzdosis daher gemessen werden. Übliche Ortsdosisleistungsmessgeräte und Personendosimeter, wie sie zur Ausstattung der Spürtrupps von Polizei und Feuerwehr gehören, sind hierfür nicht geeignet, da sie nur die Gammastrahlung registrieren. Beta-Ortsdosisleistungsmessgeräte und betaempfindliche elektronische Personendosimeter sind im Handel verfügbar und in geringer Stückzahl bei einigen Institutionen vorhanden.



Da die bei einer großflächigen Kontamination mit Alpha- oder Betastrahlern im öffentlichen Raum auftretenden Messaufgaben mit den üblicherweise bei den Katastrophenschutzkräften und den Messstellen der Länder vorhandenen Ausrüstungen nicht optimal zu bewältigen sein werden, müssen unter Umständen andere Einrichtungen mit geeigneten Ressourcen und geeigneter Fachkompetenz um Hilfe gebeten werden. Hierfür kommen in Betracht



die Messeinheit der Zentralen Unterstützungsgruppe des Bundes (ZUB) für gravierende Fälle nuklearspezifischer Gefahrenabwehr,


die Kerntechnische Hilfsdienst (KHG) GmbH,


benachbarte Kernkraftwerke, Kernbrennstoff verarbeitende Betriebe, Forschungszentren oder sonstige Stellen (z. B. TÜV), insbesondere wenn sie über Erfahrungen im Bereich Betrieb, Stilllegung und Rückbau kerntechnischer Anlagen und Einrichtungen verfügen.


Die Tabelle 5 gibt eine Übersicht über die Messaufgaben.



Tabelle 5: Übersicht über Messaufgaben zur Ermittlung von Kontaminationen durch alpha- und betastrahlende Radionuklide in städtischen Gebieten



  Zielsetzung der Messung  

  Geeignete Messmethodik  

Zeitpunkt

  Bemerkungen  

Ausschluss einer radioaktiven Kontamination bei ungewöhnlichen Zwischenfällen

Handmessung mit Ortsdosisleistungsmessgeräten sowie mit mobilen Alpha-/Betakontaminationsmonitoren

sofort nach einem Ereignis, das zu einer Freisetzung geführt haben könnte

qualitativer Nachweis, ob Alpha-, Beta- oder Gammastrahlung vorhanden ist

Ermittlung der räumlichen Ausdehnung des betroffenen Gebietes

Handmessungen mit Ortsdosisleistungsmessgeräten sowie mit mobilen Alpha-/Betakontaminationsmonitoren

Unmittelbar nach einer    
erkannten Freisetzung

Auswahl der Messorte zu Beginn an Ausbreitungsrechnungen orientieren

Identifizierung des Radionuklids

Gamma-In-Situ-Spektroskopie und Probenahme und Alpha- und Betaspektroskopie im Labor

nach den Sofortmaßnahmen zum Schutz der betroffenen Personen

Ergebnis unter Umständen erst Tage/Wochen später verfügbar

Auffinden von Quellfragmenten bei explosionsartigen Freisetzungen

engmaschige Screeningmessung mit mobilen Kontaminationsmonitoren

vor Beginn der Aufräumarbeiten

Auffinden lokaler Maxima im näheren Umfeld des Freisetzungsortes

Kontrolle des Erfolgs von Dekontaminationsmaßnahmen im betroffenen Gebiet

mobile Kontaminationsmonitore, fahrbare Bodenmonitore, Wischtestproben, Luftfilterproben

nach Durchführung der Aufräum- und Dekontaminationsmaßnahmen

sorgfältige Planung zum Ausschluss von verbliebenen „hot spots“ erforderlich

Kontaminationsmessungen an Personen

Messungen mit handgeführten Alpha-/Betakontaminationsmonitoren

begleitend zu den Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung und während der Aufräum- und Dekontaminationsarbeiten bei den Einsatzkräften

Messungen müssen dicht über der Oberfläche des Körpers durchgeführt werden, wichtig sind Hände, Gesicht, Füße

Dosisüberwachung bei den Einsatzkräften

Messung der Beta-Ortsdosisleistung und der Betakomponente der Personendosis, Ausscheidungsmessung bei Verdacht auf nennenswerte Inkorporation

begleitend zu den Einsätzen, bei Aufräum- und Dekontaminationsmaßnahmen

aufgrund der geringen Anzahl verfügbarer Messgeräte sind die Messungen exemplarisch an einzelnen Arbeitsplätzen und bei einzelnen Personen durchzuführen; Ausscheidungsmessung nur anlassbezogen



Die SSK regt an, Handlungsanweisungen für den Umgang mit den verschiedenen Messgeräten bei den hier beschriebenen Messaufgaben in Zusammenarbeit mit den Messgeräteherstellern zu erstellen (siehe hierzu auch die Ausführungen im Anhang A-7).





12 Hinweise zu medizinischen Aspekten



Wenn bei einem Ereignis mit Freisetzungen von alpha- oder betastrahlenden Radionukliden Personen verletzt werden, können kontaminierte Wunden entstehen. Darüber hinaus können Personen, die sich in der radioaktiven Wolke aufgehalten haben, über den Inhalationspfad strahlenexponiert werden. Abschätzungen zufolge, die sich an den vorne abgeleiteten Richtwerten der Bodenkontamination orientieren, kann die daraus rührende Inhalationsdosis im Vergleich zur Dosis aus der Inhalation resuspendierter Partikel wesentlich größer sein, je nach Freisetzungsart, Radionuklid und dessen Aktivität gegebenenfalls sogar die Gefahr deterministischer Wirkungen nach sich ziehen.



Sowohl radioaktiv verunreinigte Wunden als auch die innere Strahlenexposition durch die nicht vermeidbare Inhalation erfordern spezielle medizinische Maßnahmen.



Zunächst einmal ist es wichtig, dass derart Betroffene möglichst vollständig erfasst und einer speziellen medizinischen Diagnostik und gegebenenfalls dann einer medizinischen Behandlung zugeführt werden.



Die Grundsätze der jeweiligen Diagnostik und Behandlung werden in (SSK 2006, Kapitel 6), dargestellt. Detaillierte Darstellungen findet man im TMT-Handbuch (Rojas-Palma et al. 2009) sowie im NCRP-Report 161 (NCRP 2010). Hormann und Fischer (2009) beschreiben Maßnahmen zur internen Dekontamination. Generell gilt, dass diese Maßnahmen frühzeitig nach der Inkorporation durchgeführt werden müssen, um effizient zu sein.



Es ist ungewiss, ob die zuerst behandelnden medizinischen Einrichtungen die entsprechenden Kenntnisse haben. Wünschenswert ist, bereits im Planungsstadium für solche Ereignisse zu erreichen, dass in den Feuerwehr- und Rettungsleitstellen sowie in den Umweltämtern die Institutionen bekannt sind, die über die entsprechende Kompetenz für Beratungen, Untersuchungen und Behandlungen verfügen. Beispielsweise sind das REMPAN-Zentrum und die Regionalen Strahlenschutzzentren des Institutes für Strahlenschutz der Berufsgenossenschaft „Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse“ und der Berufsgenossenschaft „Rohstoffe und chemische Industrie“ (aktuelle Liste erreichbar über den Webcode 12178646) als Leitstellen zu entsprechenden Einrichtungen zu nennen.





Anhänge
Berechnungsmodelle



A-1 Gemeinsame Aspekte der Herleitung von Eingreifrichtwerten



Ermittlung der durch radioaktiven Zerfall entstehenden Radionuklidgemische



Viele der hier betrachteten Radionuklide bilden beim Zerfall radioaktive Tochternuklide. Für die in Kapitel 2 zur Diskussion gestellten Szenarien muss man davon ausgehen, dass ein solches Radionuklid nicht in frisch abgetrennter reiner Form vorliegt, sondern in einem Gemisch mit seinen Tochternukliden.



Die radioaktiven Tochternuklide müssen bei der Ermittlung der Strahlenexposition berücksichtigt werden, soweit sie nicht aufgrund ihrer Halbwertszeit oder ihres physikalischen Verhaltens ausgeschlossen werden können.



Für die hier betrachteten Expositionsszenarien wird davon ausgegangen, dass sie dann wesentlich zur Strahlenexposition beitragen, wenn sich aufgrund ihrer Halbwertszeit in einem Betrachtungszeitraum von weniger als zehn Jahren ein Gleichgewicht oder ein Maximum der Gesamtaktivität einstellen kann.



Abbildung A-1 zeigt am einfachen Beispiel der Zerfallsreihe von Sr-90, wie sich das Tochternuklid Y-90 aufbaut und dann zur Aktivität beiträgt. Nach etwa 30 Tagen erreicht die Gesamtaktivität ein Maximum; von diesem Zeitpunkt an befinden sich Mutter- und Tochternuklid im säkularen Gleichgewicht.



Abbildung



Abbildung A-1: Gesamtaktivitätsverlauf eines Sr-90/Y-90-Radionuklidgemisches berechnet mit Decay Calculator (WISE 2012)



Als ein weiteres Beispiel mit einer Vielzahl von Tochternukliden zeigt Abbildung A-2 die Entwicklung beim Radionuklid Ac-227. Nach ca. 190 Tagen erreicht die Gesamtaktivität ein Maximum.



Abbildung



Abbildung A-2: Gesamtaktivitätsverlauf in der Zerfallsreihe von Ac-227 berechnet mit Decay Calculator (WISE 2012) Die Gesamtaktivität AG(t) zum Zeitpunkt t ist dann



Formel

(A-1)



mit



Ar(t)   

Aktivität des r-ten Radionuklids der Zerfallskette zum Zeitpunkt t



pr(t)

relativer Anteil des r-ten Radionuklids an der Gesamtaktivität.



Die Aktivität Ar(t) des r-ten Radionuklids der Zerfallskette zum Zeitpunkt t erhält man nach (Eckerman und Ryman 1993, Health Canada 1999, Skrable et al. 1974) mit



Formel

(A-2)



dabei ist



Formel



und



A1(0)

Aktivität des Mutternuklids zum Zeitpunkt 0



fj, j+1     

relativer Anteil der Zerfälle, die vom Glied j zum Glied j+1 der Zerfallskette führen



λj

Zerfallskonstante des Radionuklids j.



Zum Zeitpunkt t = 0 liegt nur das reine Mutternuklid vor und Ar(t) = 0 für r > 1t. Nach einer Zerfallszeit Ta stellt sich ein Mischungsverhältnis mit den radioaktiven Tochternukliden ein. Daran schließt sich eine Expositionszeit Te an. Die Zeit von Ta bis Ta + Te wird hier im Folgenden für die Dosisberechnungen als maßgebliche Expositionszeit für die Bestimmung von Eingreifrichtwerten bei Alpha- oder Betakontaminationen betrachtet.



Das Alter Ta des zugrunde gelegten Mutter-Töchter-Radionuklidgemisches wird hier auf das Alter bei der maximalen Aktivität Tmax festgelegt. Somit wird für jede Zerfallsreihe ein individuelles Alter gewählt. In der Radionuklidauswahl befinden sich auch Radionuklide, bei denen das Aktivitätsmaximum erst nach sehr langer Zeit erreicht wird. In diesem Fall wird ein Radionuklidgemisch-Alter von zehn Jahren zugrunde gelegt.



In der Zerfallsreihe können gammastrahlende Radionuklide vorhanden sein. Die betreffenden Radionuklide wurden hier dennoch berücksichtigt, weil die Strahlenexposition durch Alpha- oder Betastrahlung gegebenenfalls in der gleichen Größenordnung oder höher sein kann als die durch Gammastrahlung (siehe hierzu auch Anhang A-6).



Für gasförmige Tochternuklide mit einer Halbwertszeit von mehr als einer Minute (Rn-222) wird angenommen, dass sie sich bis zur Freisetzung in einem geschlossenen Behälter befunden haben. Ihre kurzlebigen Tochternuklide sind dann ebenfalls vorhanden und tragen bei einer Freisetzung gebunden an Schwebstoffe zur Strahlenexposition bei. Speziell bei der Zerfallsreihe von Ra-226 wird angenommen, dass nach der Freisetzung die Emanation von Rn-222 nur teilweise (50 %) stattfindet. Dieser Teil des Edelgases wird vom Ort der Entstehung mit der Luft weggetragen und liefert dann keine Dosisbeiträge mehr. Der verbleibende Teil trägt mit den kurzlebigen Tochternukliden von Rn-222 neben den längerlebigen Radionukliden Pb-210, Bi-210 und Po-210 auch zur Dosis bei. Dosisrelevant sind neben den bereits genannten jedoch – unterschiedlich je nach Expositionspfad – nur Pb-214 und Bi-214.



Verfahren bei der Berechnung der Dosis durch externe Bestrahlung



Für die Berechnung der Dosis über den Expositionspfad externe Bestrahlung der Haut durch am Boden abgelagerte radioaktive Stoffe wurden die Dosisleistungskoeffizienten nach (Eckerman und Ryman 1993) verwendet. Diese Dosisleistungskoeffizienten berücksichtigen den Beitrag der Betastrahlung zur Hautdosis und zur effektiven Dosis. Der Beitrag der radioaktiven Tochternuklide ist bei diesen Dosisleistungskoeffizienten nicht berücksichtigt und muss daher gesondert erfasst werden.



Nach (Eckerman und Ryman 1993) lässt sich die effektive Dosis E durch externe Bestrahlung von einer kontaminierten Fläche mit der anfänglichen Flächenkontamination des Mutternuklids B1(0) durch Integration von Gleichung A-2 berechnen mit



Formel

(A-3)



mit



gb,r,E

Dosisleistungskoeffizient (effektive Dosis) für externe Bestrahlung vom kontaminierten Boden für das Radionuklid r,



wofür man auch schreiben kann



Formel

(A-4)



mit



Br(t)

Flächenkontamination des r-ten Radionuklids der Zerfallskette zum Zeitpunkt t.



Die Integrale können mit dem Programm READEM aus dem Programmpaket DCFPAK (Eckerman und Leggett 1996) berechnet werden.



In den hier betrachteten Fällen sollen abweichend davon wie oben beschrieben Kontaminationen betrachtet werden, bei denen zum Zeitpunkt Ta ein Gemisch aus Mutternuklid und Tochternukliden vorliegt und die Exposition bis zum Zeitpunkt Ta + Te stattfindet. Die effektive Dosis für die Expositionszeit Te ist dann



Formel

(A-5)



Da zum Zeitpunkt Ta unter den hier betrachteten Umständen die Flächenkontamination B1(0) des Mutternuklides zum Zeitpunkt t = 0 nicht bekannt ist, sondern nur die gesamte Flächenkontamination BG(Ta), setzt man äquivalent zu Gleichung A-1



Formel

(A-6)



sodass sich die effektive Dosis ergibt zu



Formel

(A-7)



Die relativen Anteile pr der einzelnen Radionuklide an der gesamten Flächenkontamination können ebenfalls mit dem Programm READEM aus dem Programmpaket DCFPAK (Eckerman und Leggett 1996) berechnet werden.



Mit der gleichen Methode kann die Hautdosis bei direkter Kontamination der Haut durch ein Gemisch aus Mutter- und Tochternukliden berechnet werden. Dosisleistungskoeffizienten für die Kontamination der Haut sind in (SSK 2004) angegeben.



Verfahren bei der Berechnung der Dosis durch Inkorporation



Werden Radionuklide aus einem Umweltmedium durch Inhalation oder Ingestion, im Weiteren als Inkorporation bezeichnet, über ein Zeitintervall von t = 0 bis t = Te aufgenommen, kann man für ein Radionuklid ohne radioaktive Tochternuklide die daraus resultierende effektive Dosis schreiben als



Formel

(A-8)



Dabei ist



gInk,r,E

der Dosiskoeffizient (effektive Dosis) für Inhalation oder Ingestion für das Radionuklid r = r,



U

die als konstant betrachtete Zufuhrrate des Umweltmediums,



Cr(0)

die Aktivität der zeitabhängigen spezifischen Aktivität Cr(t) des Radionuklids r im Umweltmedium zum Zeitpunkt 0.



Zerfällt das Radionuklid im Zeitintervall von t = Ta bis t = Te über eine Reihe von Tochternukliden, so ergibt sich die effektive Dosis durch Inkorporation EInk(Te) äquivalent zu Gleichung A-7 aus der folgenden Gleichung



Formel

(A-9)



Dabei ist



CG(Ta)

die gesamte spezifische Aktivität der Radionuklide im Umweltmedium zum Zeitpunkt Ta, dem Beginn des Expositionszeitraums (vergleiche Gleichung A-7).



Datenbasis



Die Zerfallsreihen mit den Tochternukliden und den Übergangswahrscheinlichkeiten wurden der Tabelle A.1 des Federation Guide No. 12 (Eckerman und Ryman 1993) sowie der Nuclear Wallet Card (Tuli 2011) entnommen:



Für die Berechnung der Expositionspfade Inhalation nach Resuspension und Ingestion von kontaminierten Bodenbestandteilen wurden die Dosiskoeffizienten nach (BMU 2001) verwendet. Die Zahlenwerte dieser Dosiskoeffizienten entsprechen denen in der aktuellen ICRP-Publikation 119 (ICRP 2012). Sie berücksichtigen den Beitrag der radioaktiven Zerfallsprodukte zur Dosis ab dem Zeitpunkt der Inkorporation.



Für einige der hier betrachteten kurzlebigen Tochternuklide enthält die Zusammenstellung der Dosiskoeffizienten (BMU 2001) keine Einträge. In solchen Fällen werden diese Tochternuklide bei den Berechnungen nicht berücksichtigt.



Für den Expositionspfad „Externe Bestrahlung“ durch am Boden abgelagerte Radionuklide (auf die Haut) wurden die Dosisleistungskoeffizienten des oben zitierten Federation Guide No. 12, Tabelle III.3 herangezogen. Die dort angegebenen Dosisleistungskoeffizienten berücksichtigen sowohl die Gamma- als auch die Betastrahlung. Die Werte liegen auch den Programmpaketen DCFPAK, Programm READEM, (Eckerman und Leggett 1996) und DC PAK3 (Eckerman und Leggett 2008) zu Grunde und werden bei deren Ergebnissen mit ausgegeben.



Die Dosisleistungskoeffizienten für den Expositionspfad Hautkontamination wurden dem SSK-Band 43 (SSK 2004), Tabelle 7.1, entnommen. Hierbei werden im Wert Ic die jeweiligen Beiträge der Alphastrahlung (Alpha-Energien > 6 MeV), Beta- und Gammastrahlung zusammengefasst.



Spezialfall: Uran



Die Uranisotope kommen praktisch nicht einzeln in abgetrennter Form vor. Natürliches Uran ist chemisch abgetrenntes Uran in der natürlichen Isotopenzusammensetzung. Ein Becquerel natürliches Uran entspricht 0,489 Alpha-Zerfällen pro Sekunde von U-238, 0,489 Alpha-Zerfällen pro Sekunde von U-234 und 0,022 Alpha-Zerfällen pro Sekunde von U-235. U-238 ist mit den Tochternukliden Th-234 sowie Pa-234m nach ca. 100 Tagen im radioaktiven Gleichgewicht. Bei U-235 liegt das radioaktive Gleichgewicht mit dem Tochternuklid Th-231 nach gut zehn Tagen vor. Die weiteren Radionuklide in den beiden Zerfallsketten müssen aus dosimetrischer Sicht nicht weiter betrachtet werden. Das Gleiche gilt für alle Tochternuklide in der Zerfallskette von U-234.



In U-5% ist der Anteil von U-235 im Urangemisch auf 5 % erhöht. Generell nehmen durch die Anreicherung die Anteile der Isotope mit niedrigerer Massezahl zu; damit erhöht sich die spezifische Aktivität (Bq kg–1), die maßgeblich durch U-234 bestimmt ist. Im abgereicherten Uran (U-dep = Uran depleted, häufig auch mit DU bezeichnet) ist der Anteil von U-238 erhöht, während die Anteile der Isotope mit niedrigerer Massenzahl erniedrigt ist. Die spezifische Aktivität ist gegenüber U-nat geringer.



Folgende Aktivitätsanteile von U-234, U-235# und U-238# wurden für die Berechnung der Dosiskonversionsfaktoren von U-nat, U-5% und U-dep angenommen (Werte auf zwei Nachkommastellen gerundet):



Uran-Isotop

U-nat

U-nat

U-5%

U-5%

U-dep

U-dep

Zerfallsketten  

Masseanteil in %

Aktivitätsanteil in %

Masseanteil in %

Aktivitätsanteil in %

Masseanteil in %

Aktivitätsanteil in %

U-234

0,0055

24,96


0,045


70,55


0,0009

5,23


U-235#

0,72


2,25


5,00


5,40


0,20


0,80


U-238#

99,28


72,79


94,96


24,05


99,80


93,97




Bei der Ermittlung der Aktivitätsanteile wurde radioaktives Gleichgewicht der beteiligten Uranisotope mit den Tochternukliden berücksichtigt.





A-2 Modellierung der Strahlenexposition durch Inhalation von resuspendierten Radionukliden



Ist es durch ein Freisetzungsereignis zu einer Kontamination von Oberflächen, z. B. in urbanem Gebiet, gekommen, so können auch Resuspensionsprozesse zu einer Strahlenexposition von Personen beitragen. Dabei werden auf Oberflächen abgelagerte Stoffe durch äußere Ursachen wie Windströmung, mechanische Einwirkung infolge induzierter Vibration oder lokal erzeugte Luftströmungen durch Schritte von Personen oder durch Fahrzeuge teilweise wieder luftgetragen. Soweit die dabei entstehenden luftgetragenen Partikel aerodynamische Durchmesser < 10 μm aufweisen, werden sie als lungengängig eingestuft und können über Inhalation zur Strahlenexposition von Personen führen. In der Regel gilt, dass der Beitrag dieses Expositionspfades nur zu einem geringen Anteil zur Gesamtexposition nach Ablagerung beiträgt. Das ist darauf zurückzuführen, dass bei Unfallereignissen in aller Regel gammastrahlende Radionuklide ausschlaggebend sind und nach einer Ablagerung auf Oberflächen die Direktstrahlung einen wesentlich höheren Beitrag liefert.



Andere Verhältnisse können insbesondere dann vorliegen, wenn es zu einer Freisetzung von alpha- und/oder betastrahlenden Radionukliden kommt ohne bedeutsamen Anteil von Gammastrahlung.



Für die nach einer Ablagerung von Radionukliden auf befestigten Oberflächen und auf Bewuchs und unbefestigten Bodenflächen durch Resuspensionsprozesse erneut entstehende Luftkonzentration ist maßgeblich, welcher Anteil der abgelagerten Aktivität (in Bq m–2) pro Zeiteinheit in den luftgetragenen Zustand übergeht und in der Umgebungsluft zu einer Aktivitätskonzentration (in Bq m–3) führt. Die zunächst in der oberflächennahen Umgebungsluft resultierende Aktivitätskonzentration unterliegt den turbulenten Diffusionsprozessen und dem Einfluss des vorherrschenden Windes und kann damit auch in bis dahin weniger oder gar nicht kontaminierte Gebiete verfrachtet werden.



A-2.1 Resuspension und luftgetragene Konzentration



Für die Beschreibung von Resuspensionsprozessen werden üblicherweise zwei unterschiedliche Größen verwandt: die Resuspensionsrate und der Resuspensionsfaktor. Für die unmittelbare Erfassung von Resuspensionsprozessen ist die Resuspensionsrate die geeignetere Größe. Sie erfordert jedoch noch weitere Schritte, um für den Bereich der kontaminierten Flächen oder auch für außerhalb liegende Gebiete die luftgetragene Aktivitätskonzentration zu bestimmen.



Die Resuspensionsrate RR in s–1 ist bezogen auf eine vorliegende Flächenkontamination mit radioaktiven Stoffen wie folgt definiert:



Formel

(A-10)



Sie gibt an, welcher Anteil der auf einer gegebenen Fläche vorliegenden Kontamination pro Zeiteinheit in den luftgetragenen Zustand übergeht. Somit hat man ein direktes Maß für einen von der Fläche freigesetzten Quellterm. Bei experimentellen Untersuchungen mit entsprechend kontaminierten Oberflächen, z. B. in einem Windkanal, werden diese Größe und ihre Abhängigkeit von Einflussgrößen wie Windanströmung, Partikelgröße, Oberflächeneigenschaften und der Zeit ermittelt. Die Resuspensionsrate RR wird häufig auch in der Einheit [h–1] angegeben, so bedeutet beispielsweise eine RR = 10–4 h–1, dass von der kontaminierten Fläche innerhalb einer Stunde ein Anteil von 10–4 der Kontamination luftgetragen wird. Die Höhe der Resuspensionsrate hängt insbesondere von der Stärke einer auf die kontaminierte Oberfläche einwirkenden Luftströmung (Windgeschwindigkeit), von lokalen Strömungseinwirkungen durch Fußgänger oder Fahrzeuge oder vom Einwirken mechanischer Kräfte, die zu Vibrationseffekten führen, ab. Nach einer Ablagerung partikelförmiger Stoffe ist in Experimenten beobachtet worden, dass die Resuspensionsrate mit der Zeit deutlich abnimmt. Dies wird dadurch erklärt, dass im zeitlichen Verlauf sukzessive die jeweils schwächer gebundenen Partikel von der Oberfläche abgelöst werden und außerdem Prozesse ablaufen, die eine stärkere Haftung an die Oberfläche bewirken.



Dem gegenüber ist der Resuspensionsfaktor RF in m–1 wie folgt definiert:



Formel

(A-11)



Der Resuspensionsfaktor wird üblicherweise aus Feldmessungen bestimmt, bei denen eine großräumige und mehr oder weniger homogen verteilte Flächenkontamination zur luftgetragenen Konzentration in Relation gesetzt wird. In der Regel liegen solchen Messungen recht lange Mittelungszeiten zugrunde, sodass der so bestimmte Resuspensionsfaktor einen gemittelten Gleichgewichtszustand erfasst, der sich über längere Zeitdauern aus wirksamen Umweltbedingungen wie vorherrschenden Windgeschwindigkeiten, Wetterbedingungen oder anderen mechanischen Bedingungen wie Vibrationen oder Abrieb ergibt. Entsprechende Messungen nach einem Kontaminationsereignis, z. B. infolge des Tschernobyl-Unfalls, sind meist erst in einer späteren Phase durchgeführt worden, sodass für die Frühphase nur wenige Messergebnisse zum Resuspensionsfaktor in der Umwelt vorliegen.



Eine für die vorliegende Problemstellung sehr gute Übersicht über einschlägige Messergebnisse zum Resuspensionsfaktor und dessen Zeitabhängigkeit leistet der NRPB-Bericht (Walsh 2002). Darin werden als Resümee für nicht-aride Wetterbedingungen, wie sie im nord-westlichen Teil von Europa (z. B. Großbritannien, Deutschland) vorherrschen, folgende Parameterwerte und Zeitabhängigkeit für den Resuspensionsfaktor (in m–1) nach einem akuten großräumigen Kontaminationsereignis empfohlen:



Formel

(A-12)



Dabei ist



t

die Zeit nach der Deposition in der Einheit Tage [d]



TB

Bezugszeit in der Dimension von t (TB = 1 d)19



RF (0)

der vorgeschlagene Wert des Resuspensionsfaktors am 1. Tag (= 1,2 10–6 m–1)



RF (T)

der vorgeschlagene Wert des Resuspensionsfaktors als langfristiger Wert (= 10–9 m–1) (Dieser Anteil des Resuspensionsfaktors wird erst nach ca. T = 2,5 Jahre quantitativ relevant).



Diese von Garland vorgeschlagene Beziehung basiert auf Feldmessungen, die in der Regel erst zu späteren Zeiten (Wochen, Monate, Jahre) nach einem großräumigen Kontaminationsereignis durchgeführt wurden, und auf Messungen mit größeren Windkanälen, die auch die Frühphase von den ersten Stunden bis zu mehreren Monaten erfassten (Garland 1979, Garland 1982).



Da, wie bereits ausgeführt, gemessene Resuspensionsfaktoren RF in der Regel über längere Zeiten und damit über unterschiedliche Wettersituationen wie Windgeschwindigkeiten, Temperatur- und Feuchtebedingungen gemittelt sind, wird ein für kurzfristig vorliegende Umweltbedingungen geltender Resuspensionsfaktor somit zeitlichen Variationen unterliegen.



Auch für den Fall begrenzter Flächen, die durch Ablagerung freigesetzter Schadstoffe kontaminiert worden sind, lässt sich ein Resuspensionsfaktor definieren, falls man die durch Messungen oder geeignete Modellierung ermittelte luftgetragene (Aktivitäts-)Konzentration in Relation zur flächenbezogenen Konzentration setzt. Die Bestimmung der durch eine kontaminierte Oberfläche infolge von Resuspension verursachten Luftkonzentration kann dann unter Berücksichtigung der Randbedingungen mit Hilfe der Resuspensionsrate RR erfolgen. Entscheidend sind hierbei Kenntnisse zur Höhe der Resuspensionsrate in Abhängigkeit von Einflussgrößen wie Windgeschwindigkeit, Zeit seit Eintreten der Kontamination, weiterer Einwirkungen durch sich dort bewegende Personen oder Fahrzeuge und gegebenenfalls Vibrationsstärken durch mechanische Einwirkungen. Daher werden hier zunächst Kenntnisse zur Höhe und Zeitabhängigkeit der Resuspensionsrate behandelt.



A-2.2 Zur Höhe und Zeitabhängigkeit von Resuspensionsprozessen in der Frühphase



Eine für die ersten Minuten und Stunden unmittelbar nach der Ablagerung partikelförmiger Stoffe einschlägige Literatur stellt der Artikel von Loosmore (2003) dar. Darin werden von anderen Autoren gemessene Daten aus einigen Windkanalexperimenten zur Messung von Resuspensionsraten ausgewertet und mit verschiedenen, auch empirischen Modellen angepasst. Die gemessenen und angepassten Daten beziehen sich auf lungengängige Partikel mit aerodynamischen Durchmessern < 10 μm. Trotz der Streuung der zusammengestellten Daten sind diese konform mit einer zeitlichen Abnahme der Resuspensionsrate RR(t) entsprechend der Beziehung:



Formel

(A-13)



Diese Datenauswertung von Loosmore stützt somit die von Walsh (2002) vorgeschlagene Zeitabhängigkeit von Resuspensionsprozessen bei Windeinwirkung, wie sie in Gleichung (A-12) für den Resuspensionsfaktor angegeben ist, insbesondere auch für Zeiten kurz nach Eintritt einer Kontamination im Freien.



Eine deutliche Verbesserung der Datenlage zu resuspendierten Anteilen pro Einwirkung oder Einwirkungszeit (Resuspensionsrate RR) stellen kürzlich publizierte Untersuchungen dar (Koch et al. 2012). Zielsetzung war die experimentelle Bestimmung von Resuspensionsdaten partikelgebundener radioaktiver Stoffe von relevant kontaminierten Oberflächen bei radiologischen Notfällen zur Beurteilung der Exposition von Einsatzpersonal und betroffenen Personen durch Resuspension. Bei den Messungen stand die Resuspension von lungengängigen Partikeln mit aerodynamischen Durchmessern < 10 μm im Vordergrund.



Die gemessenen Resuspensionsraten zeigten über die untersuchten Messdauern von zwei bis drei Stunden nach Einsetzen der Windeinwirkung ebenfalls eine Zeitabhängigkeit entsprechend den Gleichungen (A-12) und (A-13) mit ν nahe Eins. Die Abhängigkeit von der einwirkenden Geschwindigkeit u der Luftströmung über die staubbelegte Testfläche ergab einen Anstieg der Resuspensionsrate mit der Potenz 2,5 (RR ~ u2,5). Der Einfluss weiterer Testbedingungen wie Beschaffenheit der staubbelegten Oberflächen oder verschiedener eingesetzter Stäube war demgegenüber gering.



Mit den gemessenen Resuspensionsraten sind in dem Bericht (Koch et al. 2012) auch Szenarien analysiert worden, bei denen größere Flächen, z. B. im urbanen Bereich, mit radioaktivem Staub kontaminiert worden sind. Für mittlere atmosphärische Ausbreitungsbedingungen und eher hoch gewählte Windgeschwindigkeit sind daraus luftgetragene Konzentrationen ermittelt und damit ein zugehöriger Resuspensionsfaktor RF bestimmt worden.



Zusammenfassend stützen diese Ergebnisse den in (Walsh 2002) vorgeschlagenen und in Gleichung (A-12) wiedergegebenen Resuspensionsfaktor RF. Die Zeitabhängigkeit proportional zu 1/t ist kurz nach der Ablagerung wirksam. Daraus folgt, dass durch Windresuspension in der ersten Stunde etwa so viel abgelagerter Staub resuspendiert wird wie in den folgenden 23 Stunden zusammengenommen. Somit können frühzeitig durchgeführte Maßnahmen zur Unterdrückung der Resuspension wie Befeuchten von kontaminierten Oberflächen eine sehr effektive Reduktion einer Exposition auf dem Inhalationspfad infolge Resuspension bewirken.



Für die Ableitung von Eingreifrichtwerten in diesem Bericht sind die Parameterwerte und die zeitliche Abhängigkeit des in Gleichung (A-12) von Walsh empfohlenen Resuspensionsfaktors zugrunde gelegt worden. Der dort für den ersten Tag zeitlich konstant angenommene Wert RF(0) = 1,2 · 10–6 m–1 kann aufgrund von Messergebnissen zu Resuspensionsraten in (Koch et al. 2012) und dort durchgeführter Modellrechnungen für Kontaminationssituationen als konservativer Wert eingestuft werden.



A-2.3 Dosisberechnung



Die nuklidspezifische effektive Dosis durch Inhalation resuspendierter radioaktiver Schwebstoffpartikel Er in mSv errechnet sich als Produkt aus der zeitintegrierten Radionuklidkonzentration der Luft, der Atemrate und dem nuklidspezifischen Dosiskoeffizienten, wobei die Radionuklidkonzentration in der Luft aus der Anfangsaktivität am Boden Br(0) in Bq m–2 multipliziert mit dem oben diskutierten Resuspensionsfaktor (Gleichung A-12) bestimmt wird:



Formel

(A-14)



Außer den oben bereits erläuterten Formelzeichen bedeuten:



Atemrate in m3 d–1 (altersgruppenabhängig)



Te

Expositionsdauer in d



TB

Formaler Parameter zur Dimensionskorrektur in d (TB = 1 d)



r

Index für einzelnes Radionuklid (ohne berücksichtigte Tochternuklide)



λr

Zerfallskonstante für das Radionuklid r in d–1



gh,r,E

Dosiskoeffizient (effektive Dosis) für Inhalation in Sv Bq–1.



Der Faktor 1 000 beinhaltet die Umrechnung von Sv in mSv.



Das Integral



Formel

(A-14a)



ist bei einer Integrationszeit von sieben Tagen gegenüber dem Integral



Formel

(A-14b)



vernachlässigbar.



Für die Dosiskoeffizienten werden die jeweils maximalen Werte für normale Bevölkerung der Altersklassen Erwachsene und bis einjährige Kleinkinder nach (BMU 2001) verwandt. Sie berücksichtigen die im Folgezeitraum entstehenden Tochternuklide.



Das Integral in Gleichung (A-14b) kann durch die Exponential-Integralfunktion



Formel

(A-15)



bestimmt und numerisch ausgewertet werden (Walsh 2002). Sowohl der Integrand als auch die Exponential-Integralfunktion E1(x) sind für x = 0 nicht definiert (Abramowitz und Stegun 1964). Als Aushilfsmaßnahme wird daher dem Ansatz von Walsh (2002) folgend angenommen, dass die Abhängigkeit des Resuspensionsfaktors von der Zeit (t–1) am ersten Tag vernachlässigt wird.



Mit dieser Näherung und einigen Substitutionen kann man schreiben:



Formel

(A-16)



Formel

(A-16a)



Der Ausdruck auf der rechten Seite von Gleichung A-16 wird im Weiteren mit ExpInt (λ, Te) abgekürzt.



So ergibt sich die Gleichung für die effektive Dosis Er in mSv durch ein Einzelnuklid r zu



Formel

(A-17)



Für Mutter-Töchter-Radionuklidgemische einer Zerfallsreihe kann die Dosis hier aufgrund der numerischen Integration nicht durch die vollständige Summation über die Zerfälle aller Tochternuklide wie in Gleichung A-2 berechnet werden. Bei kurzlebigen Tochternukliden im radioaktiven Gleichgewicht mit einem längerlebigen Mutternuklid kann man aber näherungsweise ansetzen, dass sich die Aktivitäten der Tochternuklide mit der Halbwertszeit des Mutternuklides verändern.



Diese Näherung führt für das hier gewählte Alter des Radionuklidgemisches Tmax (siehe hierzu Anhang A-1) und die hier gewählte Integrationszeit (Te = 7 d) nur zu geringen Abweichungen vom exakten Wert. Daher wird die Zerfallskonstante des r-ten Radionuklids durch die Zerfallskonstante des Mutternuklids λ1 ersetzt und über die Dosisbeiträge aller zum Zeitpunkt Ta vorliegenden Radionuklide der Zerfallskette summiert. Damit ergibt sich die gesamte Inhalationsdosis E in mSv durch resuspendierte Radionuklide aus



Formel

(A-18)



mit



r

Index über die zu berücksichtigenden Mutter- und Tochternuklide



pr(Tmax)

Anteil des Radionuklids r an der gesamten Bodenkontamination BG(Ta) zum Zeitpunkt Ta.



Es gelten weiterhin die oben sowie im Anhang A-1 erläuterten Bezeichnungen.



A-2.4 Ergebnisse der Berechnungen „Inhalation durch resuspendierte Radionuklide“



Radionuklid

Maximale normierte Dosis
mSv (effektive Dosis) bezogen auf in 1 Bq m–2

Abgeleiteter Richtwert der Bodenkontamination in Bq m–2 bezogen auf 10 mSv (effektive Dosis)

Betastrahler

P-32

2,4E–10

4,2E+10

P-33

1,1E–10

9,0E+10

S-35

1,5E–10

6,8E+10

Ca-45

2,9E–10

3,5E+10

Ni-63

1,0E–10

9,8E+10

Sr-89

6,0E–10

1,7E+10

Sr-90#

6,3E–09

1,6E+09

Y-90

7,3E–11

1,4E+11

Pr-143

1,7E–10

5,9E+10

Pm-147

3,9E–10

2,6E+10

Er-169

6,7E–11

1,5E+11

Tm-170

5,4E–10

1,8E+10

Tl-204

3,1E–11

3,3E+11

Bi-210

5,5E–09

1,8E+09

Alphastrahler

Po-210

3,3E–07

3,0E+07

Ra-223#

3,0E–07

3,3E+07

Ra-226#

2,5E–07

4,1E+07

Ac-225#

2,0E–07

5,1E+07

Ac-227#

1,1E–05

9,0E+05

Th-227#

4,6E–07

2,2E+07

Th-228#

8,5E–07

1,2E+07

Th-229#

4,0E–06

2,5E+06

U-234

7,4E–07

1,4E+07

U-235#

3,3E–07

3,0E+07

U-238#

3,1E–07

3,2E+07

U-nat#

4,2E–07

2,4E+07

U-5%#

6,1E–07

1,6E+07

U-dep#

3,4E–07

3,0E+07

Pu-238

8,6E–06

1,2E+06

Pu-239

9,4E–06

1,1E+06

Pu-240

9,4E–06

1,1E+06

Am-241

7,5E–06

1,3E+06

Cm-242

4,6E–07

2,2E+07

Cm-244

4,5E–06

2,2E+06

Cf-252

1,6E–06

6,4E+06





A-3 Modellierung der Strahlenexposition durch externe Strahlung vom kontaminierten Boden



A-3.1 Dosisberechnung bei Radionukliden ohne radioaktive Tochternuklide



Die effektive Dosis durch externe Strahlung vom kontaminierten Boden wird wie folgt berechnet:



Formel

(A-19)



mit



Er

Effektive Dosis durch das Radionuklid r in mSv,



Br(0)

Bodenkontamination für das Radionuklid r zum Zeitpunkt t = 0 in Bq m–2,



gb,r,E

Dosisleistungskoeffizient (effektive Dosis) bei externer Bestrahlung vom kontaminierten Boden für das Radionuklid r in Sv s–1 Bq–1 m2, aus (Eckerman und Ryman 1993),



λr

Zerfallskonstante des Radionuklids r in d–1,



Te

Dauer der Exposition in d,



1 000

Umrechnungsfaktor von Sv in mSv,



86 400

Umrechnungsfaktor von s in d.



A-3.2 Dosisberechnung bei Mutter-Tochter-Radionuklidgemischen



Die Herleitung der effektiven Dosis bei Mutter-Töchter-Radionuklidgemischen wurde bereits in Anhang A-1 dargestellt.



A-3.3 Ergebnisse der Berechnungen „Externe Strahlung vom Boden“



Radionuklid

Maximal normierte Dosis
in mSv (effektive Dosis) bezogen auf 1 Bq m–2

Abgeleiteter Richtwert der Bodenkontamination in Bq m–2 bezogen auf 10 mSv (effektive Dosis)

Betastrahler

P-32

4,4E–08

2,3E+08

P-33

2,0E–11

5,0E+11

S-35

7,8E–12

1,3E+12

Ca-45

2,2E–11

4,5E+11

Ni-63

siehe*

Sr-89

4,0E–08

2,5E+08

Sr-90#

3,4E–08

3,0E+08

Y-90

3,1E–08

3,3E+08

Pr-143

1,0E–08

9,5E+08

Pm-147

1,7E–11

5,9E+11

Er-169

3,2E–11

3,1E+11

Tm-170

1,6E–08

6,4E+08

Tl-204

6,5E–09

1,5E+09

Bi-210

1,4E–08

7,4E+08

Alphastrahler

Po-210

4,8E–12

2,1E+12

Ra-223#

3,0E–08

3,3E+08

Ra-226#

7,4E–08

1,4E+08

Ac-225#

2,1E–08

4,8E+08

Ac-227#

3,5E–08

2,8E+08

Th-227#

4,0E–08

2,5E+08

Th-228#

1,2E–07

8,1E+07

Th-229#

1,9E–08

5,4E+08

U-234

3,5E–10

2,8E+10

U-235#

4,7E–08

2,1E+08

U-238#

2,4E–08

4,1E+08

U-nat#

1,9E–08

5,3E+08

U-5%#

8,7E–09

1,1E+09

U-dep#

2,3E–08

4,3E+08

Pu-238

3,8E–10

2,6E+10

Pu-239

1,7E–10

5,8E+10

Pu-240

3,6E–10

2,8E+10

Am-241

1,4E–08

7,1E+08

Cm-242

4,2E–10

2,4E+10

Cm-244

3,9E–10

2,6E+10

Cf-252

3,2E–10

3,2E+10





A-4 Strahlenexposition bei Hautkontamination



Eine Hautkontamination kann zu einer externen Dosis in der strahlenempfindlichen Schicht der Basalzellen der Epidermis führen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass ein Teil der Kontamination durch Berühren mit der Hand und dem anschließenden Mundkontakt in den Ingestionstrakt gelangt und dort eine Ingestionsdosis nach sich zieht. Für die beiden Pfade sind in Abschnitt 7.2 dosisbezogene Eingreifrichtwerte für die Personendekontamination empfohlen worden. Der Eingreifrichtwert für die externe Hautdosis beträgt 50 mSv (Organ-Äquivalentdosis) und der für die Ingestionsdosis 1 mSv effektive Dosis.



A-4.1 Abschätzung der Hautdosis



Zur Abschätzung wird angenommen, dass sich die Aktivität nur auf der Hautoberfläche befindet. Für die Berechnungen wird von einer Tiefe von 50 μm bis 100 μm der als strahlenempfindlich geltenden Schicht der Basalzellen der Epidermis ausgegangen. Radioaktive Stoffe können in die Hornschicht eindringen, die Aktivitätskonzentration nimmt jedoch exponentiell mit einer Halbwertsdicke von 2 μm ab (SSK 1989). Das Eindringen beeinflusst die Dosis der strahlenempfindlichen Hautschicht nur unwesentlich. Ein Eindringen der Kontamination in die Hornschicht wird daher hier nicht betrachtet.



Die Hornschicht der Haut erneuert sich ständig. Nach (Apostoaei und Kocher 2010) und (Grove und Kligman 1983) liegt die Erneuerungszeit für Zellen der gesunden Epidermis zwischen 17 d und 36 d. Dadurch nimmt die Aktivität auf der Haut auch ohne Dekontaminationsmaßnahmen rasch ab. Durch regelmäßige Reinigung der Haut, z. B. durch tägliches Duschen, wird die auf der Haut verbleibende Aktivität zusätzlich verringert. Nach einem Modell aus (Apostoaei und Kocher 2010) wird eine Kontamination der Haut durch tägliches Duschen bei jedem Duschvorgang auf einen Bruchteil



αj = 1 – (γj + β)



verringert, dabei ist



αj

der auf der Haut verbleibende Aktivitätsbruchteil nach der j-ten Dusche (αj bezieht sich auf die jeweils vor dem Duschvorgang auf der Haut befindliche Aktivität),



γj

der Bruchteil der Aktivität, der bei der j-ten Dusche entfernt wird,



β

der Bruchteil der Aktivität, der bei einem Duschvorgang durch Abschuppung entfernt wird, β = 0,033.



Der insgesamt auf der Haut verbleibende Aktivitätsbruchteil nach dem j-ten Duschen ist dann α1 · α2 · α3 ... · αj.



Die auf der Haut verbleibende Aktivität wird wesentlich von den Parametern γj bestimmt. Nimmt man für die erste Reinigung nach einem Einsatz oder einer Kontamination eine effiziente Reinigung an und für die weiteren Reinigungen normales Duschen, verbleibt mit dem in (Apostoaei und Kocher 2010) angegebenen Parametersatz



γ1 = 0,8, γ2 = 0,35, γ3 = 0,1, γ4 = 0,02, γ5 = 0,02 ...



und mit der Annahme 1 x täglich Duschen auf der Haut nach drei Tagen bereits weniger als 10 % und nach vier Wochen weniger als 2 % der Anfangsaktivität.



Man kann zeigen, dass die Gesamtzahl der Zerfälle eines Radionuklides auf der Haut damit unter Berücksichtigung des Dekontaminationseffektes auch nach mehreren Monaten nicht größer ist wie die Anzahl der Zerfälle in drei Tagen, wenn keine Dekontamination angenommen wird. Für die Dosisberechnung wird daher hier vereinfachend eine Verweildauer von drei Tagen ohne Abnahme der Aktivität durch Hauterneuerung und Dekontamination zugrunde gelegt.



Die lokale Organdosis der Haut HS in 0,07 mm Tiefe (in mSv) ergibt sich für Einzelnuklide zu



Formel

(A-20)



mit



Ar

flächenbezogene Aktivität des Radionuklids r auf der Haut zu Beginn der Kontamination (in Bq cm–2),



λr

Zerfallskonstante des Radionuklids r in d–1,



Te

Verweildauer der Aktivität auf der Haut in d, hier Te = 3 d



Ic,r

Haut-Äquivalentdosisleistungskoeffizient nach (SSK 2004) in μSv h–1 Bq–1 cm2, dabei ist Ic,r = Icα,r + Icβ,r + Icγ,r für die Beiträge der drei Strahlenarten zur Äquivalentdosisleistung durch das Radionuklid r,



0,024

Umrechnungsfaktor von μSv in mSv und von h in d.



Falls das Radionuklid auf der Haut über eine Zerfallskette mit Tochternukliden zerfällt, kann die lokale Organdosis der Haut (in mSv) nach dem im Anhang A-1 dargestellten Verfahren mit Gleichung A-7 berechnet werden:



Formel

(A-21)



mit



p1(Ta)

relativer Anteil des Mutternuklids an der Gesamtaktivität zu Beginn der Kontamination,



AG(Ta)

gesamte flächenbezogene Aktivität auf der Haut zu Beginn der Kontamination (in Bq cm–2),



Ta

Alter des Radionuklidgemisches zum Zeitpunkt des Expositionsbeginns in d.



Betrachtungen von Rohloff und Heinzelmann (1996) und Eatough (1997) haben gezeigt, dass Alphapartikel mit Energien > 6 MeV durchaus bis zu den empfindlichen Zellen der Basalschicht der Epidermis eindringen können und daher bei der Dosisberechnung berücksichtigt werden müssen (siehe hierzu auch ICRP 2010, Annex G). Einige der hier diskutierten Radionuklide zerfallen über kurzlebige Tochternuklide, die Alphapartikel hoher Energie aussenden, wie z. B. Po-212 mit 8,8 MeV. Die Dosisleistungskoeffizienten für die Haut nach (SSK 2004) werden nach Strahlenarten getrennt aufgeführt. Danach kann die Hautdosis durch hochenergetische Alphastrahlung ab etwa 6,5 MeV die Hautdosis durch typische Betastrahler um mehr als zwei Größenordnungen übersteigen.



Mit Ar = 1 Bq cm–2 bzw. AG(Ta) = 1 Bq cm–2 kann HS als Dosiskonversionsfaktor in mSv Bq–1 cm2 aufgefasst werden. Mit dem in Abschnitt 7.2 empfohlenen dosisbezogenen Eingreifrichtwert von 50 mSv ergibt sich der abgeleitete Richtwert BS in Bq cm–2 zu



Formel

(A-22)



Die Ergebnisse dieser Berechnungen sind in Tabelle A-5.1 dargestellt.



A-4.2 Ingestionsdosis als Folge eines Aktivitätstransfers Haut-Hand-Mund



Wenn eine Kontamination der Haut oder der Kleidung vorliegt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Teil der Aktivität durch Berühren der kontaminierten Haut und anschließendem Berühren der Mundregion in den Verdauungstrakt gelangt und so zu einer Ingestionsdosis führt. Es ist daher zu prüfen, ob die Ingestionsdosis bei der Festlegung von Richtwerten als Auslösekriterium für die Personendekontamination berücksichtigt werden muss.



Hierzu wird mit einem einfachen Modell und mit den für die hier vorliegende Fragestellung angepassten Modellparametern die (effektive) Ingestionsdosis Eg ermittelt: Das Modell wird in Anlehnung an jenes (Deckert et al. 2000) formuliert (Ausnahme: Expositionszeit), welches zur Herleitung der Oberflächenkontaminationen nach Anlage III Tabelle 1 Spalte 4 StrlSchV benutzt wurde.



Nicht berücksichtigt ist hier, dass von Einsatzkräften während der Arbeit Mundschutz getragen wird (werden sollte), der die Ingestion erschweren würde. Der radioaktive Zerfall und der Aufbau von Tochternukliden während der Exposition werden ebenfalls nicht berücksichtigt.



Formel

(A-23)



mit



AG

gesamte flächenbezogene Aktivität über alle Radionuklide r in Bq cm–2 (zur Berechnung des Dosiskonversionsfaktors auf 1 Bq cm–2 gesetzt)



pr

Anteil des Radionuklids r am Mutter-Töchter-Radionuklidgemisch; bei Einzelnukliden wird r und pr auf 1 gesetzt



gg,r,E

Ingestionsdosiskoeffizient (effektive Dosis) für Erwachsene für das Radionuklid r in Sv Bq–1



f

Transferfaktor: Haut(/Kleidung)-Hand-Mund (= 0,01)



I

Kontaktrate mit kontaminierter Fläche (= 1,25 cm2 h–1)



ΔT

Expositionszeit (= 72 h entsprechend drei Tagen). Die Dauer der Exposition wird in Abschnitt A-4.1 begründet



1 000

Umrechnung von Sv in mSv.



Mit AG = 1 Bq cm–2 kann Eg als Dosiskonversionsfaktor in mSv Bq–1 cm2 betrachtet werden. Bezogen auf den Eingreifrichtwert für die Ingestionsdosis von 1 mSv effektive Dosis kann der abgeleitete Richtwert BG berechnet werden als Kehrwert von EG.



Das Ergebnis dieser Berechnungen ist ebenfalls in Tabelle A-4.1 zusammengestellt.



A-4.3 Richtwerte



Die Betrachtungen zur Hautdosis und zur Ingestionsdosis aufgrund der Kontamination der Haut und die daraus resultierenden Richtwerte zur Personendekontamination werden in Tabelle A-4.1 nuklidspezifisch und in Tabelle A-4.2 nuklidgruppenspezifisch zusammengefasst.



Man kann in Tabelle A-4.1 drei Nuklidgruppen unterscheiden:



Betastrahler.


Alphastrahler oder Zerfallsreihen mit Alphaenergien > 6,5 MeV. Das betastrahlende Radionuklid Ac-227# kann zu dieser Gruppe gerechnet werden, weil die Zerfallsketten mit etlichen energiereichen Alphastrahlern weitgehend übereinstimmen. Alle Radionuklide dieser Gruppe haben gammastrahlende Tochternuklide, die höchsten Hautdosisbeiträge stammen allerdings von den hochenergetischen alphastrahlenden Tochternukliden (z. B. Po-212, Po-213, Po-215, At-217).


Alphastrahler oder Zerfallsreihen mit Alphaenergien < 6,5 MeV.


Die letzte Tabellenspalte enthält nuklidspezifische Richtwerte, die aus Rundung auf ganze Zehnerpotenzen aus der vorletzten Spalte gewonnen wurden. Der jeweils niedrigste Richtwert in den drei Radionuklidgruppen soll für die Entscheidung über die Personendekontamination angewendet werden (siehe Tabelle A-4.2).



Tabelle A-4.1: Zusammenstellung der nuklidspezifischen Berechnungen der Richtwerte der Hautkontamination. HS bezeichnet den Dosiskonversionsfaktor für die Berechnung der Hautdosis, BS den abgeleiteten Richtwert der flächenbezogenen Aktivität in Bezug auf die externe Strahlenexposition der Haut, Eg den Dosiskonversionsfaktor für die Ingestion auf dem Haut-Hand-Mund-Pfad und Bg den abgeleiteten Richtwert in Bezug auf die Ingestion.



Radionuklid

HS

Bs

Eg

Bg

BS bzw. Bg Minimum der Spalten 3 und 5

Bs bzw. Bg (Spalte 6) gerundet


in mSv bezogen auf 1 Bq cm–2

in Bq cm–2 bezogen auf 50 mSv für die Haut

in mSv bezogen auf 1 Bq cm–2

in Bq cm–2 bezogen auf 1 mSv effektive Dosis

in Bq cm–2 bezogen auf 50 mSv Hautdosis bzw. 1 mSv effektive Dosis

in Bq cm–2 bezogen auf 50 mSv Hautdosis bzw. 1 mSv effektive Dosis

1

2

3

4

5

6

7

Betastrahler

P-32

1,07E–01

4,66E+02

2,16E–06

4,63E+05

4,66E+02

100


P-33

5,39E–02

9,27E+02

2,16E–07

4,63E+06

9,27E+02

1 000


S-35

2,28E–02

2,20E+03

1,17E–07

8,55E+06

2,20E+03

1 000


Ca-45

5,58E–02

8,96E+02

6,39E–07

1,56E+06

8,96E+02

1 000


Ni-63

Siehe*

1,35E–07

7,41E+06

10 000 000


Sr-89

1,13E–01

4,43E+02

2,34E–06

4,27E+05

4,43E+02

100


Sr-90#

1,08E–01

4,63E+02

1,38E–05

7,24E+04

4,63E+02

100


Y-90

8,00E–02

6,25E+02

2,43E–06

4,12E+05

6,25E+02

1 000


Pr-143

1,00E–01

4,99E+02

1,08E–06

9,26E+05

4,99E+02

100


Pm-147

4,03E–02

1,24E+03

2,34E–07

4,27E+06

1,24E+03

1 000


Er-169

6,33E–02

7,90E+02

3,33E–07

3,00E+06

7,90E+02

1 000


Tm-170

1,14E–01

4,38E+02

1,17E–06

8,55E+05

4,38E+02

100


Tl-204

1,01E–01

4,96E+02

1,08E–06

9,26E+05

4,96E+02

100


Bi-210

9,43E–02

5,30E+02

1,17E–06

8,55E+05

5,30E+02

1 000


Alphastrahler oder Zerfallsreihen mit Alphaenergien > 6,5 MeV

Ra-223#

8,87E+00

5,64E+00

1,50E–05

6,66E+04

5,64E+00

10


Ra-226#

4,03E+00

1,24E+01

1,01E–04

9,88E+03

1,24E+01

10


Ac-225#

1,77E+01

2,82E+00

3,66E–06

2,73E+05

2,82E+00

1


Ac-227#

7,28E+00

6,86E+00

1,36E–04

7,36E+03

6,86E+00

10


Th-227#

8,25E+00

6,06E+00

1,39E–05

7,19E+04

6,06E+00

10


Th-228#

1,30E+01

3,84E+00

1,84E–05

5,43E+04

3,84E+00

1


Th-229#

1,46E+01

3,43E+00

6,90E–05

1,45E+04

3,43E+00

1


Alphastrahler oder Zerfallsreihen mit Alphaenergien < 6,5 MeV

Po-210

3,72E–08

1,35E+09

1,08E–03

9,26E+02

9,26E+02

1 000


U-234

4,03E–04

1,24E+05

4,41E–05

2,27E+04

2,27E+04

10 000


U-235#

8,06E–02

6,20E+02

2,13E–05

4,69E+04

6,20E+02

1 000


U-238#

4,64E–02

1,08E+03

1,45E–05

6,89E+04

1,08E+03

1 000


U-nat#

3,47E–02

1,44E+03

2,21E–05

4,53E+04

1,44E+03

1 000


U-5%#

1,33E–02

3,75E+03

3,58E–05

2,80E+04

3,75E+03

1 000


U-dep#

4,39E–02

1,14E+03

1,61E–05

6,20E+04

1,14E+03

1 000


Pu-238

2,09E–04

2,39E+05

2,07E–04

4,83E+03

4,83E+03

1 000


Pu-239

5,83E–05

8,57E+05

2,25E–04

4,44E+03

4,44E+03

1 000


Pu-240

2,02E–04

2,48E+05

2,25E–04

4,44E+03

4,44E+03

1 000


Am-241

1,08E–03

4,63E+04

1,80E–04

5,56E+03

5,56E+03

10 000


Cm-242

2,15E–02

2,33E+03

1,08E–05

9,26E+04

2,33E+03

1 000


Cm-244

1,30E–04

3,86E+05

1,08E–04

9,26E+03

9,26E+03

10 000


Cf-252

5,39E–02

9,27E+02

8,10E–05

1,23E+04

9,27E+02

1 000






Tabelle A-4.2: Anzuwendene Richtwerte der gemessenen flächenbezogenen Aktivität auf der Haut bzw. der Kleidung (in Bq cm–2), bei deren Überschreitung eine Personendekontamination vorgenommen werden sollte. Grundlage: Dosisbezogener Eingreifrichtwert der Hautdosis von 50 mSv bzw. effektive Dosis durch Ingestion auf dem Haut-Hand-Mund-Pfad von 1 mSv.



Expositionssituation

Radionuklidgruppe

Richtwert


Betastrahler außer Ac-227#

100 Bq cm–2


Notfall-Expositionssituation und anschließende bestehende Expositionssituation

Alphastrahler oder Zerfallsreihen
mit Alphaenergien > 6,5 MeV sowie Ac-227#

1 Bq cm–2



Alphastrahler oder Zerfallsreihen mit Alphaenergien < 6,5 MeV

1 000 Bq cm–2






A-5 Unabsichtliche Ingestion



A-5.1 Fragestellung



Unter einer unabsichtlichen Ingestion wird hier ein Vorgang verstanden, bei dem eine Boden- oder Gegenstandskontamination vorhanden ist und Aktivität ganz oder teilweise über einen mehr oder weniger komplexen Transfer in den Mund gelangt. Dies kann zum Beispiel durch Handkontakt mit dem kontaminierten Boden oder Gegenstand und anschließender Berührung der Mundregion und einem weiteren Transfer eines Teils der Gesichtskontamination in den Mund geschehen. Ein anderes Beispiel ist ein im kontaminierten Sandkasten spielendes Kind, das sich Sand in den Mund steckt. Auch offen gelagerte Lebensmittel (z. B. Obst), die während des Wolkendurchzugs kontaminiert wurden und dann verzehrt werden, können so eine Ingestionsdosis bewirken.



Ganz allgemein kann ein Modell formuliert werden, das den Zusammenhang zwischen der Kontamination B und der Ingestionsdosis Eg beschreibt:



Eg = TF · B



mit TF als Transferfaktor.



Der Transferfaktor kann von einer Vielzahl von Variablen abhängig sein, z. B. von der Haftung der Kontamination auf dem Boden oder Gegenstand, von der Häufigkeit und Fläche des Kontaktes, von der Häufigkeit des Kontaktes mit der Mundregion und natürlich auch von den Radionuklideigenschaften (z. B. Zusammensetzung des Radionuklidgemisches, Halbwertszeiten, Dosiskoeffizienten). Eine generelle Abschätzung der Größe des Transferfaktors ist nicht möglich.



Im folgenden Beispiel wird ein Kind betrachtet, welches sich beim Spielen in einem frisch kontaminierten Sandkasten Sand in den Mund steckt.



Betrachtet wird eine Situation eines durch Alpha-/Betastrahler kontaminierten Gebietes. Zu prüfen ist, ob die Dosis resultierend aus der oralen Aufnahme von Bodenbestandteilen etwa im Vergleich zu anderen Expositionspfaden besondere Beachtung verdient.



Die Expositionssituation ist dadurch charakterisiert, dass bei der Referenzperson (kontaminierte) Bodenbestandteile versehentlich in den Mund gelangen, etwa durch verschmutzte Hände. Als Referenzperson wird ein spielendes Kind festgelegt. Es wird angenommen, dass Kinder im Alter von einem bis zwei Jahren die am höchsten exponierte Gruppe darstellen. Diese Annahme wird in (Bachmann et al. 2007) unterstützt und ausgeführt, dass in der Literatur unumstritten sei, dass Kinder im Alter von einem bis drei Jahren verhaltensbedingt wesentlich mehr Bodenmaterial aufnehmen als Kinder im Alter von vier bis acht Jahren.



A-5.2 Grundlagen der Abschätzung



Es wird hier unterstellt, dass die Expositionsdauer einen Tag beträgt. Während dieses Zeitraums klingen die Radionuklide ab. Es kann unterstellt werden, dass nach einem Tag die in Abschnitt A-5.5 beschriebene Warnung beachtet wird. Zur Abschätzung der effektiven Dosis durch ein Radionuklid ohne (zu berücksichtigende) Tochternuklide kann folgende Formel benutzt werden:



Formel

(A-24)



mit



Eg,Bo,r

Effektive Dosis aus Bodenaufnahme (Ingestion) des Radionuklids in mSv



UBo

Bodenaufnahmerate in kg h–1



gg,r,E

Dosiskoeffizient (effektive Dosis) für Ingestion für das Radionuklid r in Sv Bq–1



CBo,r(t)

Spezifische Aktivität des Radionuklids r im Boden in Bq kg–1 zum Zeitpunkt t



Te

Expositionsdauer in d



λr

Zerfallskonstante für das Radionuklid r in d–1



TSp

Tägliche Exposition in h d–1



AF0,5,r

Aufkonzentrierungsfaktor, der das mittlere Verhältnis der spezifischen Aktivität des Radionuklids r der Feinkornfraktion und der Gesamtprobe beschreibt (siehe unten). Er ist dimensionslos.



1 000

Umrechnungsfaktor von Sv in mSv.



Die spezifische Aktivität des Bodens CBo,r(t) kann überschlägig aus der Bodenkontamination Br(t) (in Bq m–2), dividiert durch die Dicke der Bodenschicht d (in m), in der die Aktivität verteilt ist, sowie durch die Dichte des Bodens ρBo abgeschätzt werden:



Formel

(A-25)



Formel

(A-26)



Eine wichtige Größe in der obigen Abschätzung ist die Bodenaufnahmerate UBo. Generell gilt, dass die Datenbasis der bekannten Untersuchungen schmal ist (Bachmann et al. 2007). In der zitierten Unterlage wird eine Bodenaufnahmerate von 500 mg d–1 für die Gruppe der Kinder im Alter von einem bis drei Jahren unterstellt. Dieser Wert stützt sich auf Daten aus den USA; der gewählte Wert wird als konservativ betrachtet.



In einer deutschen Untersuchung (Bothe 2004) wird die Bodenaufnahmerate für spielende Kinder im Mittel bis etwa 100 mg d–1 angegeben. Dieser Wert bezieht sich auf eine mittlere Spielzeit im Freien pro Tag. Diese Angabe ist von der Größenordnung her kompatibel mit anderen Quellen (zitiert in Bothe 2004).



In den Berechnungsgrundlagen-Bergbau (BfS 2010) wird für Kinder in der Altersgruppe ein bis zwei Jahre eine Boden-Aufnahmerate von 50 mg h–1 (5 · 10–5 kg h–1) als höchstem Wert von verschiedenen Altersgruppen angesetzt. Die Aufenthaltszeit auf Spielflächen wird dort mit 1 000 h a–1 (knapp drei Stunden täglich) angenommen.



Hingewiesen sei auf eine französische Unterlage aus dem französischen CODIRPA-Projekt, wonach von Bodenaufnahmeraten in der Größenordnung von 30 mg d–1 bis 100 mg d–1 ausgegangen wird (ASN 2010).



Auf jeden Fall ist die Bodenaufnahme stark an das Spielen auf Böden gekoppelt und damit jahreszeitabhängig. Die bodenschutzrechtlichen Berechnungsmethoden (Bachmann et al. 2007) gehen deshalb von einer Exposition an 240 Tagen im Jahr aus.



Eine weitere wichtige Größe in der Formel (A-25) ist die Dicke der Bodenschicht, in der die Aktivität verteilt ist. Je dünner diese Schicht angenommen wird, desto höher ist die spezifische Aktivität. Für diesen Parameter wurden keine empirischen Befunde gefunden. Die zunächst auf der Oberfläche vorhandene Kontamination wird beim Spielen mit der Zeit in die obere Schicht des Sandes vermischt. Hier wird angenommen, dass die Aufnahme kontaminierten Sandes am ersten Tag nach der Kontamination erfolgt, wenn sich die abgelagerte Aktivität praktisch noch an der Oberfläche befindet.



Der Aufkonzentrierungsfaktor AF0,5,r berücksichtigt, dass die spezifische Aktivität der Feinkornfraktion des Bodens höher ist als die der Gesamtprobe. Es wird angenommen, dass überwiegend die Feinkornfraktion oral aufgenommen wird. Der Aufkonzentrierungsfaktor ist dimensionslos und es gilt nach der Berechnungsgrundlage Bergbau (BfS 2010) AF0,5,r = 2 für alle Radionuklide r.



Die für die Berechnung notwendigen Dosiskoeffizienten für Ingestion können für die hier relevanten Radionuklide aus (BMU 2001) entnommen werden.



Bei Mutter-Töchter-Radionuklidgemischen ergibt sich die effektive Dosis durch Bodenaufnahme Eg,Bo in mSv entsprechend den Ausführungen in Anhang A-1 zu



Formel

(A-27)



Es gelten die oben sowie in Anhang A-1 genannten Bezeichnungen.



A-5.3 Abschätzung



Zur Abschätzung der kontaminationsbedingten Strahlenexposition werden folgende Annahmen getroffen:



Bodeningestionsrate nach (Bachmann et al. 2007, BfS 2010):

UBo = 50 mg h–1(= 5 E–5 kg h–1)



Tägliche Spieldauer im Freien (im Sandkasten):

Tsp = 2,7 h–1



Expositionszeitraum:

Te = 1 d



Dichte Sand:

ρBo = 1 800 kg m–3



Dicke der aktivitätsführenden Sandschicht:

D = 0,001 m



Bodenkontamination am Beginn des Expositionszeitraums:

BG(Ta) = 1 Bq m–2.



Es werden die Dosiskoeffizienten für Ingestion für die effektive Dosis für die Altersgruppe ein bis zwei Jahre (BMU 2001) benutzt. Die meisten Annahmen gehen proportional in das Ergebnis ein (Schichtdicke Sand umgekehrt proportional).



Mit den oben angenommenen Parametern ist die Bodenfläche, deren Aktivität vom Kind aufgenommen wird, im Bereich von 1 cm2.



Für die zu treffende Maßnahme „Warnung der Bevölkerung mit dem Hinweis, Kinder nicht draußen spielen zu lassen“ gibt es keinen Eingreifrichtwert. Es wird zur Vereinfachung der Rechnung ein Dosisbezugswert von 1 mSv festgelegt.



Der Expositionspfad kann mit relativ einfach zu realisierenden Maßnahmen unterbrochen werden (z. B. sofortige Sperrung von Spielplätzen, gegebenenfalls messtechnische Überprüfung der Kontamination und vorrangige Dekontamination, etwa durch den Austausch von Sand).



A-5.4 Ergebnisse der Berechnungen „Ingestion von kontaminierten Bodenbestandteilen durch Kleinkinder“



Radionuklid

Maximale normierte Dosis in mSv bezogen auf 1 Bq m–2

Abgeleiteter Richtwert der Bodenkontamination in Bq m–2 bezogen auf 1 mSv effektive Dosis am 1. Tag

Betastrahler

P-32

2,8E–09

3,5E+08

P-33

2,7E–10

3,7E+09

S-35

1,3E–10

7,6E+09

Ca-45

7,4E–10

1,3E+09

Ni-63

1,3E–10

7,8E+09

Sr-89

2,7E–09

3,7E+08

Sr-90#

7,1E–09

1,4E+08

Y-90

2,7E–09

3,7E+08

Pr-143

1,3E–09

7,7E+08

Pm-147

2,9E–10

3,5E+09

Er-169

4,1E–10

2,4E+09

Tm-170

1,5E–09

6,7E+08

Tl-204

1,3E–09

7,7E+08

Bi-210

1,4E–09

7,3E+08

Alphastrahler

Po-210

1,3E–06

7,5E+05

Ra-223#

2,7E–08

3,7E+07

Ra-226#

9,0E–08

1,1E+07

Ac-225#

4,5E–09

2,2E+08

Ac-227#

8,1E–08

1,2E+07

Th-227#

2,5E–08

4,0E+07

Th-228#

2,4E–08

4,2E+07

Th-229#

4,4E–08

2,3E+07

U-234

2,0E–08

5,1E+07

U-235#

1,0E–08

9,9E+07

U-238#

7,4E–09

1,4E+08

Unat#

1,1E–08

9,5E+08

U5%#

1,6E–08

6,1E+08

Udep#

8,0E–09

1,2E+09

Pu-238

6,1E–08

1,6E+07

Pu-239

6,4E–08

1,6E+07

Pu-240

6,4E–08

1,6E+07

Am-241

5,6E–08

1,8E+07

Cm-242

1,2E–08

8,7E+07

Cm-244

4,4E–08

2,3E+07

Cf-252

7,8E–08

1,3E+07



Aus dem Vergleich der Bodenkontaminationen dieses speziellen Beispiels mit denen in den vorhergehenden Anhängen sieht man, dass je nach Radionuklid bzw. Radionuklidgemisch geringere Kontaminationen ausreichen, um den Dosisbezugswert von 1 mSv über diesen Expositionspfad zu überschreiten.



Der niedrigste abgeleitete Richtwert nach diesem Szenario ist in dieser Liste der von Po-210 mit 7,5 105 Bq m–2 pro 1 mSv am ersten Tag. Es sind weitere Ingestionsszenarien denkbar, die möglicherweise zu noch höheren Ingestionsdosen führen.



A-5.5 Warnung vor der unbeabsichtigten Ingestion



Bei einem begründeten Verdacht oder bei Kenntnis einer Kontamination mit alpha- oder betastrahlenden radioaktiven Stoffen sollte die Bevölkerung zu Vorsichtsmaßnahmen aufgefordert werden. Solche Vorsichtsmaßnahmen können sein (IAEA 2013):



Kein Verzehr von offen gelagerten und deshalb möglicherweise kontaminierten Lebensmitteln.


Möglichst wenig Kontakt mit im Freien vorhandenen Gegenständen.


Mundberührungen vermeiden, ehe man sich die Hände gewaschen hat.


Kinder nicht draußen spielen lassen.


Verzicht auf Aktivitäten mit starker Staubentwicklung.


Auf jeden Fall sollte eine solche Warnung sehr frühzeitig ausgesprochen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen. Zu diesem Zeitpunkt wird wahrscheinlich noch keine genaue Kenntnis über die Art und Höhe der Kontamination vorliegen.



In der Warnmeldung sollte ein Vorbehalt der Zurücknahme oder Ausweitung der Warnung enthalten sein.



Auch wenn noch keine genaue Kenntnis über das vorliegende Radionuklid/Nuklidgemisch vorliegt, ist es wünschenswert, eine Vorstellung über die Größe des zu warnenden Gebietes zu gewinnen. Als Bezugsgröße wird die Bodenkontamination unterstellt, bei der Maßnahmen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr nötig werden. Damit verglichen werden die oben dargestellten abgeleiteten Richtwerte der Bodenkontamination für unabsichtliche Ingestion. Dabei zeigt sich, dass bei einer ganzen Reihe von Radionukliden kein größeres Warngebiet notwendig wird. Bei einer weiteren Reihe von Radionukliden ist der abgeleitete Richtwert für das Ingestionsszenario geringer als die genannte Bezugsgröße. Dann ist das zu warnende Gebiet größer als das Gebiet der unmittelbaren Gefahrenabwehr. Der Unterschied liegt bei einigen Radionukliden bei etwa dem Faktor 100.



Die Bodenkontaminationen an verschiedenen Orten stehen näherungsweise bei trockener Ablagerung im Verhältnis der Ausbreitungsfaktoren χ für diese Orte. Bei nasser Ablagerung nimmt man das Verhältnis der Summen von Fallout (F)- und Washout (W)-Faktoren an diesen Orten:



Formel

(A-28)



Abbildung



Abbildung A-5.1: Abschätzung des Warngebietes mit Hilfe einer grafischen Darstellung des Ausbreitungsfaktors (nach SSK 2002)



Abbildung A-5.1 demonstriert, dass bei häufigen meteorologischen Verhältnissen (Windgeschwindigkeit in 10 m Höhe von 3 m s–1) eine Kompensation um den Faktor 100 bei etwa 8 km vorliegt. Es wird daher vorgeschlagen, die erste Warnung bis zu Entfernungen von 8 km vorzunehmen.



Um Windrichtungsschwankungen sowie die Diffusion in horizontaler Richtung zu berücksichtigen, sollte in einem Sektor von bis zu etwa 45 Grad vorsorglich gewarnt werden. Die größten Windrichtungsschwankungen treten erfahrungsgemäß bei Schwachwindlagen sowie stabilen und labilen Turbulenzzuständen der Atmosphäre auf. Der Winkel von 45 Grad trägt diesen Faktoren Rechnung.



Wenn eine Messung der freigesetzten Aktivität, vorzugsweise in der Nähe der Quelle, vorliegt und man das Radionuklid bzw. Radionuklidgemisch kennt, kann man das gleiche Verfahren wie in Abbildung A-5.1 dargestellt benutzen. Man muss dazu das Verhältnis des Ergebnisses der Kontaminationsmessung zum Ingestions-Richtwert nach Abschnitt A-5.5 auf das Verhältnis der Ausbreitungsfaktoren übertragen. Hierzu muss man den Ausbreitungsfaktor am Messort bestimmen.



Ein entsprechendes Verfahren lässt sich auch relativ einfach mit einem Ausbreitungsprogramm (z. B. LASAIR (Walter und Heinrich 2011)) anwenden.





A-6 Zur Detektierbarkeit der alphastrahlenden Radionuklide und Radionuklidgemische über die Messung der Gamma-Ortsdosisleistung



Die meisten der hier betrachteten alphastrahlenden Einzelnuklide sowie alle betrachteten alphastrahlenden Radionuklidgemische emittieren auch Gammastrahlung, die prinzipiell mit den üblichen Ortsdosisleistungsmessgeräten erfasst werden kann. Deshalb wurde geprüft, ob die Gammastrahlung zur Festlegung der Grenzen des betroffenen Gebietes ausgenutzt werden kann.



Hierzu wurden die Gamma-Dosisleistungen berechnet und dabei davon ausgegangen, dass die Ortsdosis bei durchdringender Strahlung ein Schätzwert der effektiven Dosis für eine Person ist, die sich am betrachteten Ort aufhält. Hierzu wurden die zu Beginn der Exposition vorliegenden (initialen) Dosisleistungen DL in μSv h–1 für die hier betrachteten Radionuklide und Radionuklidgemische mit folgender Formel berechnet:



Formel

(A-29)



mit



r

Index über alle Radionuklide des betrachten Radionuklidgemisches, bei Einzelnukliden ist r = 1



BG

Gesamte Bodenkontamination

Formel




Br

Bodenkontamination durch das Radionuklid r in Bq m–2



pr

Anteil des Radionuklids r an der gesamten Bodenkontamination Bges durch alle Radionuklide r des Radionuklidgemisches, bei Einzelnukliden auf 1 gesetzt (ohne Dimension)



gBo,r,E

Dosisleistungskoeffizient (effektive Dosis) für externe Gammastrahlung für das am Boden abgelagerte Radionuklid r in Sv m2 Bq–1 s–1, tabelliert in (BMU 2001) (Erwachsene)



3 600

Umrechnung von s in h



106

Umrechnung von Sv in μSv.



Für BG wurde einerseits jeweils die in Tabelle 3 aufgeführte Bodenkontamination eingesetzt, bei der der Eingreifrichtwert (ERW) von 10 mSv (effektive Dosis) in sieben Tagen bei Daueraufenthalt im Freien erreicht wird, und andererseits eine Bodenkontamination in Höhe von 1 MBq m–2. Diese letzte Festlegung orientiert sich am IAEA-Richtwert für alphastrahlende Radionuklide (siehe Abschnitt 7.1).



Die Rechenergebnisse sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst. Sie machen deutlich, dass trotz einer geringen Ortsdosisleistung eine erhebliche Kontamination mit Alphastrahlern vorliegen kann. Es kann auch sein, dass sich die Werte der gemessenen Ortsdosisleistungen nicht oder nur wenig von der Hintergrundstrahlung (Nulleffekt) unterscheiden, die in urbanen Gebieten in Abhängigkeit vom Oberflächenmaterial (z. B. Beton, Asphalt, Granit) eine beträchtliche Schwankungsbreite zwischen 0,06 μSv h–1 und 0,4 μSv h–1 aufweisen kann.



   Nuklid   

Initiale
  Gammadosisleistung  
in μSv h–1 bei ERW

Initiale
   Gammadosisleistung   
in μSv h–1 bei 1 MBq m–2

Initiale
   Gammadosisleistung   
≥ 0,1 μSv h–1 bei ERW

Initiale
   Gammadosisleistung   
≥ 0,1 μSv h–1 bei 1 MBq m–2

Initiale
   Gammadosisleistung   
≥ 0,3 μSv h–1 bei 1 MBq m–2

Ra-223#

4,3E+00

1,3E–01

+

+


Ra-226#

1,3E+01

4,1E–01

+

+

+

Ac-225#

6,4E+00

1,3E–01

+

+


Ac-227#

1,2E–01

1,4E–01

+

+


Th-227#

3,5E+00

1,6E–01

+

+


Th-228#

8,0E+00

6,8E–01

+

+

+

Th-229#

2,9E–00

1,3E–01

+

+


U-nat#

6,5E–01

3,5E–02

+



U-5%#

3,8E–01

2,5E–01

+

+


U-dep#

8,5E–01

3,0E–02

+



Pu-238

2,9E–03

2,5E–03




Pu-239

1,2E–03

1,2E–03




Am-241

1,1E–01

8,1E–02

+



Cm-242

6,0E–02

2,7E–03




Cm-244

5,6E–03

2,5E–03




Cf-252

1,3E–02

2,0E–03








A-7 Hinweise zu Kontaminationsmessgeräten



Zur Messung von Oberflächenkontaminationen können orientierende Messungen mit mobilen alpha-/betaempfindlichen Kontaminationsmessgeräten mit gasgefüllten Detektoren oder Dünnschicht-Plastikszintillationsdetektoren durchgeführt werden. Messwerte von Kontaminationsmessgeräten werden üblicherweise als Impulse pro Zeiteinheit angezeigt. Die Messgerätehersteller stellen für eine Reihe der hier betrachteten Radionuklide und häufiger vorkommende Zerfallsreihen wie z. B. U-nat sowie auch für Gesamt-Alpha- oder Gesamt-Beta-Aktivität Kalibrierfaktoren zur Umrechnung in die flächenbezogene Aktivität in Bq cm–2 bereit. Diese Kalibrierfaktoren sind in der Regel mit Prüfstrahlern ermittelt. Falls diese Kalibrierfaktoren nicht vorliegen, kann zunächst mit einem Kalibrierfaktor für ein geeignetes Ersatznuklid, z. B. Am-241 für Alphastrahler oder Cl-36 für Betastrahler, ausgewertet werden. Für Betastrahler mit einer maximalen Betaenergie von mehr als 0,1 MeV liegt die Abweichung dabei unterhalb eines Faktors drei. Für die hier betrachteten Alphastrahler liegt die Abweichung unterhalb eines Faktors fünf. Prinzipiell können für alle weiteren Radionuklide sowie für Zerfallsreihen Kalibrierfaktoren rechnerisch abgeleitet werden (Heinzelmann und Schnepel 1992). Daher können auch für exotische Radionuklide und Zerfallsreihen, für die keine Prüfstrahler verfügbar sind, Kalibrierfaktoren abgeleitet werden.



In Tabelle A-7.1 sind für handelsübliche Kontaminationsmessgeräte Beispiele für Kalibrierfaktoren nach Herstellerangaben und für die mit den hier abgeleiteten Richtwerten zu erwartenden Zählraten zusammengestellt. Da diese Geräte zum Nachweis geringer Kontaminationen entwickelt wurden, kann es bei bestimmten Richtwerten zu Messbereichsüberschreitungen kommen. Die SSK weist darauf hin, dass die auf dem Markt vorhandenen Messgeräte nicht für alle hier vorgeschlagenen Richtwerte in der Lage sind, Kontaminationen in Höhe der Richtwerte quantitativ zuverlässig zu bestimmen. Zum Teil kann dem durch Verwendung von Messsonden mit kleinen Eintrittsfenstern und geringerer Empfindlichkeit begegnet werden.



Die von Kontaminationsmessgeräten angezeigte Zählrate ist vor allem bei Alphastrahlung sehr stark abhängig vom Abstand zur kontaminierten Fläche, von deren Oberflächenbeschaffenheit und von der Verteilung der Aktivität auf der Fläche, sodass die Ergebnisse von Alpha-Messungen unter Einsatzbedingungen mit großen Unsicherheiten behaftet sind.



Es ist außerdem zu beachten, dass die von den Geräteherstellern angegebenen Kalibrierfaktoren für Radionuklide mit Zerfallsreihen sich in der Regel auf die Aktivität des Mutternuklids beziehen. Die hier abgeleiteten Richtwerte sind hingegen auf die in den Berechnungen zum Zeitpunkt der Freisetzung unterstellte Gesamtaktivität aus Mutter- und Tochternukliden bezogen. So wird beispielsweise bei der Zerfallsreihe Sr-90# der Richtwert erreicht, wenn die Mutteraktivität von Sr-90 die Hälfte des Richtwertes erreicht, da das Tochternuklid Y-90 noch einmal die gleiche Anzahl an Betazerfällen beiträgt.



Tabelle A-7.1: Beispiele für Kalibrierfaktoren nach Herstellerangaben und für die bei den Richtwerten zu erwartenden Zählraten für handelsübliche Kontaminationsmessgeräte (Automess 2004, Berthold 2012, SEA 2014)




Berthold LB124 SCINT Detektorfläche 170 cm2

Automess 6150AD-k Detektorfläche 170 cm2

CoMo 170 Detektorfläche 170 cm2

Automess 6150AD-17a Detektorfläche 6,2 cm2


  Betriebsart  
Alpha

  Betriebsart  
Beta/Gamma

  Betriebsart  
Alpha

  Betriebsart  
Alpha/Beta/Gamma

  Betriebsart  
Alpha

  Betriebsart  
Beta/Gamma

Betriebsart Alpha/Beta/Gamma

Kalibrierfaktoren

Gesamt-Alpha

Gesamt-Beta

Am-241

Cl-36

Am-241

Cl-36

Am-241

Cl-36

in s Bq cm–2

0,059

0,017

0,074

0,026

0,029

0,014

1,3

0,7

Gerätespezifische Maximalzählrate in Imp sec–1

 ca. 5 000 

 ca. 50 000 

 ca. 20 000 

 ca. 20 000

 ca. 5 000 

 ca. 50 000 

 ca. 10 000 

 ca. 10 000 

Maximal nachweisbare     
Flächenkontamination in Bq cm–2

ca. 300

ca. 850

ca. 1 500

ca. 500

ca. 150

ca. 700

ca. 13 000

ca. 7 000

Beispiele für Netto-Zählraten in Imp sec–1
für Richtwerte für erste Maßnahmen nach Abschnitt 7.1

Beta-Strahler:
10 000 Bq cm–2

> MBc

> MB

> MB

> MB

Alpha-Strahler:
100 Bq cm–2

1 700

1 400

3 400

77

für nuklidspezifische Richtwerte nach Abschnitt 7.1

P-32:
23 000 Bq cm–2

> MB

> MB

> MB

> MB

Po-210:
3 000 Bq cm–2

> MB

> MB

> MB

2 300

4 300

für Richtwerte der Hautkontamination nach Abschnitt 7.2

1 000 Bq cm–2

> MB

14 000

> MB

770

100 Bq cm–2

5 900

3 800

7 100

140

1 Bq cm–2

17

14

34

1



a Geiger-Müller-Zählrohr ohne einstellbare Diskriminatorschwelle zur Unterscheidung von Alpha- und Beta/Gammastrahlung.



b Nichtlinearer Bereich bis ca. 80 000 Imp sec–1



c > MB: Messbereichsüberschreitung



Literatur



Abramowitz und Stegun 1964      

Abramowitz M, Stegun IA: Handbook of Mathematical Functions. Applied Mathematics Series, Volume 55 (Washington: National Bureau of Standards; reprinted 1968 by Dover Publications, New York, 1964), Chapter 5

AFKzV 2012

Ausschuss Feuerwehrangelegenheiten, Katastrophenschutz und zivile Verteidigung (AFKzV). Feuerwehrdienstvorschrift FwDV 500 „Einheiten im ABC-Einsatz“, Stand Januar 2012. http://www.idf.nrw.de/projekte/pg_fwdv/pdf/fwdv500_jan2012.pdf (zuletzt aufgerufen am 7. Dezember 2015)

AK V 2014

Arbeitskreis V (AK V) „Feuerwehrangelegenheiten, Rettungswesen, Katastrophenschutz und Zivile Verteidigung“ der Innenministerkonferenz (IMK). Rahmenempfehlungen zu Einrichtung und Betrieb von Notfallstationen (RE-NFS), Stand: 20. August 2014

http://www.innenministerkonferenz.de/IMK/DE/termine/to-beschluesse/14-12-11_12/anlage4zu34.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt aufgerufen am 7. Dezember 2015)

Apostoaei und Kocher 2010

Apostoaei AJ, Kocher DC. Radiation doses to skin from dermal contamination. Defense Threat Reduction Agency, DTRA-TR-09-16; Fort Belvoir, USA, 2010. http://www.dtra.mil/Portals/61/Documents/NTPR/4-Rad_Exp_Rpts/23_DTRA-TR-09-16_Radiation_Doses_to_Skin_from_Dermal_Contamination.pdf (zuletzt aufgerufen 7. Dezember 2015)

ASN 2010

Autorité de Sûreté Nucléaire (ASN). CODIRPA-Group de Travail „Hypothèses“: Données contextuelles et hypothèses pour mener les évaluations prédictives des conséquences radiologiques et dosimétriques en début de phase de transition post-accidentelle. Rapport des travaux 2007 – 2009. Paris, 20. Januar 2010

Automess 2004

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http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/strlsch_messungen_alpha_stra_kerndat.pdf (zuletzt aufgerufen am 21. Oktober 2014),

http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/strlsch_messungen_beta_stra_kerndat.pdf (zuletzt aufgerufen am 21. Oktober 2014)

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Boson et al. 2014

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dt. Übersetzung: Information der Öffentlichkeit über Strahlenrisiken – Krisenkommunikation für Verantwortliche im Katastrophenschutz. Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Bonn 2008

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Euratom 2014

Rat der Europäischen Union. Richtlinie 2013/59/Euratom des Rates vom 5. Dezember 2013 zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung und zur Aufhebung der Richtlinien 89/618/Euratom, 90/641/Euratom, 96/29/Euratom, 97/43/Euratom und 2003/122/Euratom (ABl. L 13 vom 17.1.2014, S. 1)

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Koch et al. 2012

Koch W, Lödding H, Lange F. Experimentelle Bestimmung von Resuspensionsdaten partikelgebundener radioaktiver Stoffe von relevanten kontaminierten Oberflächen bei radiologischen Notfällen zur Beurteilung einer Exposition von Einsatzpersonal und betroffenen Personen durch Resuspension. Ergebnisbericht zum Vorhaben 3609S70005. Fraunhofer ITEM Hannover, BfS-RESFOR-43/12, 2012, urn:nbn:de:0221-201201167025

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Koch W, Lödding H, Lange F. Ermittlung der Resuspension partikelgebundener radioaktiver Kontamination von urbanen Oberflächen unter Berücksichtigung unterschiedlicher Wettereinflüsse und Gegenmaßnahmen. Abschlussbericht zum Vorhaben 3611S60012. Fraunhofer ITEM Hannover, 2013, urn:nbn:de:0221-2013100911061

Küppers et al. 2010

Küppers C, Steinhoff M, Schulze F, Ustohalova V, Gellermann R, Müller A. Klärung technischer und rechtlicher Fragestellungen bei der Beseitigung radioaktiv kontaminierter Abfälle landwirtschaftlicher Produkte nach Ereignissen mit nicht unerheblichen radiologischen Konsequenzen. Abschlussbericht zum Vorhaben 3608S04572, Öko-Institut e. V. Darmstadt, 2010

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(Nicht veröffentlicht – nur für den Dienstgebrauch durch die Polizei; auch in anderen Bundesländern durch entsprechende Erlasse eingeführt)

Preston et al. 2007

Preston DL, Ron E, Tokuoka S, Funamoto S, Nishi N, Soda M, Mabuchi K, Kodama K. Solid cancer incidence in atomic bomb survivors: 1958 – 1998. Radiat Res. 2007 Jul;168 (1):1 – 64

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SEA 2014

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SSK 1989

Strahlenschutzkommission (SSK). Maßnahmen nach Kontamination der Haut mit radioaktiven Stoffen. Empfehlung der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 92. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 22. September 1989, BAnz. Nr. 45a vom 6. März 1990; Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission, Band 18, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart Jena New York, 1992

SSK 2002

Strahlenschutzkommission (SSK). Leitfaden für den Fachberater Strahlenschutz der Katastrophenschutzleitung bei kerntechnischen Notfällen, verabschiedet in der 182. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 4. – 6. Dezember 2002. Berichte der Strahlenschutzkommission, Heft 37, Elsevier, Urban und Fischer, München, 2004

SSK 2004

Strahlenschutzkommission (SSK). Berechnungsgrundlagen für die Ermittlung von Körperdosen bei äußerer Strahlenexposition. Stellungnahme der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 197. Sitzung der SSK am 16./17. Dezember 2004. Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission, Band 43, 2., überarbeitete Auflage, H. Hoffmann GmbH – Fachverlag, Berlin, 2006

SSK 2006

Strahlenschutzkommission (SSK). Der Strahlenunfall – Ein Leitfaden für Erstmaßnahmen. Empfehlung der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 210. Sitzung der SSK am 28./29. Sepetmber 2006. Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission, Band 32, 2. Auflage, H. Hoffmann GmbH – Fachverlag, Berlin, 2008

SSK 2007a

Strahlenschutzkommission (SSK). Leitfaden zur Information der Öffentlichkeit bei kerntechnischen Notfällen, Empfehlung der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 220. Sitzung der SSK am 5./6. Dezember 2007. BAnz. Nr. 152a vom 8. Oktober 2008, Berichte der Strahlenschutzkommission, Heft 61, H. Hoffmann GmbH – Fachverlag, Berlin, 2009

SSK 2007b

Strahlenschutzkommission (SSK). Medizinische Maßnahmen bei Kernkraftwerksunfällen, Empfehlung der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 210. Sitzung der SSK am 28./29. September 2006. Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission, Band 4, 3. überarbeitete Auflage, H. Hoffmann GmbH – Fachverlag, Berlin 2007

SSK 2014

Strahlenschutzkommission (SSK). Radiologische Grundlagen für Entscheidungen über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei Ereignissen mit Freisetzungen von Radionukliden. Empfehlung der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 268. Sitzung der SSK am 13./14. Februar 2014. urn:nbn:de:101:1-2014111925770

StrlSchV

Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzverordnung – StrlSchV) vom 20. Juli 2001 (BGBl. I S. 1714; 2002 I S. 1459), die zuletzt durch Artikel 5 der Verordnung vom 11. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2010) geändert worden ist

StrVG 1986

Gesetz zum vorsorgenden Schutz der Bevölkerung gegen Strahlenbelastungen (Strahlenschutzvorsorgegesetz – StrVG) vom 19. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2610), das zuletzt durch Artikel 91 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist

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Tuli JK. Nuclear Wallet Card. National Nuclear Data Center for The U.S. Nuclear Data Program, October 2011, http://rehs.rutgers.edu/pdf_files/RU-ORSS-Nuclear%20Wallet%20Cards%208th%20Edition.pdf (zuletzt aufgerufen am 7. Dezember 2015)

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Walter und Heinrich 2011

Walter H, Heinrich G. Quick and clean: Dirty bomb scenarios evaluated with the decision support system LASAIR. Proceedings of the International Conference on Radioecology & Environmental Radioactivity (ICRER), Hamilton, Canada, 2011

WISE 2012

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4 Natürliches Uran (U-nat) ist chemisch abgetrenntes Uran in der natürlichen Isotopenzusammensetzung. Ein Becquerel natürliches Uran entspricht 0,489 Alpha-Zerfällen pro Sekunde von U-238, 0,489 Alpha-Zerfällen pro Sekunde von U-234 und 0,022 Alpha-Zerfällen pro Sekunde von U-235. Dies entspricht Massenanteilen von 99,275 % U-238, 0,72 % U-235 und 0,005 % U-234. U-238 ist mit den Tochternukliden Th-234 sowie Pa-234m nach ca. 100 Tagen im radioaktiven Gleichgewicht. Bei U-235 liegt das radioaktive Gleichgewicht mit dem Tochternuklid Th-231 nach gut 10 Tagen vor. Die weiteren Radionuklide in den beiden Zerfallsketten brauchen aus dosimetrischer Sicht nicht weiter betrachtet werden. Das Gleiche gilt für alle Tochternuklide in der Zerfallskette von U-234. Durch das angehängte #-Zeichen wird darauf verwiesen, dass die jeweiligen Tochternuklide der Uranisotope berücksichtigt werden.

9 Natürliches Uran (U-nat) ist chemisch abgetrenntes Uran in der natürlichen Isotopenzusammensetzung. Ein Becquerel natürliches Uran entspricht 0,489 Alpha-Zerfällen pro Sekunde von U-238, 0,489 Alpha-Zerfällen pro Sekunde von U-234 und 0,022 Alpha-Zerfällen pro Sekunde von U-235. Dies entspricht Massenanteilen von 99,275 % U-238, 0,72 % U-235 und 0,005 % U-234. U-238 ist mit den Tochternukliden Th-234 sowie Pa-234m nach ca. 100 Tagen im radioaktiven Gleichgewicht. Bei U-235 liegt das radioaktive Gleichgewicht mit dem Tochternuklid Th-231 nach gut zehn Tagen vor. Die weiteren Radionuklide in den beiden Zerfallsketten brauchen aus dosimetrischer Sicht nicht weiter betrachtet werden. Das Gleiche gilt für alle Tochternuklide in der Zerfallskette von U-234. Durch das angehängte #-Zeichen wird darauf verwiesen, dass die jeweiligen Tochternuklide der Uranisotope berücksichtigt werden.