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Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung klimafreundlicher Leistungen (AVV Klima)

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Allgemeine Verwaltungsvorschrift
zur Beschaffung klimafreundlicher Leistungen (AVV Klima)1
,2



Vom 19. Oktober 2021



Fundstelle: BAnz AT 22.10.2021 B1



Nach Artikel 86 Satz 1 des Grundgesetzes erlässt die Bundesregierung folgende Allgemeine Verwaltungsvorschrift:



§ 1
Anwendungsbereich und Zweck



(1) Diese Verwaltungsvorschrift gilt für die Vergabe öffentlicher Aufträge durch Dienststellen des Bundes in unmittelbarer Bundesverwaltung nach



1.
Teil 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245) in Verbindung mit der Vergabeverordnung (VgV) vom 12. April 2016 (BGBl. I S. 624) und Abschnitt 2 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A (VOB/A-EU) – Ausgabe 2019 – vom 31. Januar 2019 (BAnz AT 19.02.2019 B2),


2.
der Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte (Unterschwellenvergabeordnung – UVgO) – Ausgabe 2017 – vom 2. Februar 2017 (BAnz AT 07.02.2017 B1, AT 08.02.2017 B1) mit Ausnahme von verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen nach § 51 UVgO in Verbindung mit § 104 GWB und


3.
Abschnitt 1 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A (VOB/A) – Ausgabe 2019 – vom 31. Januar 2019 (BAnz AT 19.02.2019 B2).


Die Vorgabepflichten für das Vergabeverfahren nach § 4 Absatz 4 und 5 Nummer 2 gelten nur, wenn der voraussichtliche Auftragswert 10 000 Euro ohne Umsatzsteuer überschreitet. Die Verwaltungsvorschrift gilt nicht für die Beschaffung von Straßenfahrzeugen in der Bundesverwaltung, soweit speziellere Regelungen des Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetzes (SaubFahrzeugBeschG) in der Bundesverwaltung oder einer darauf beruhenden Verwaltungsvorschrift Anwendung finden.



(2) Diese Verwaltungsvorschrift verfolgt den Zweck, eine klimafreundliche Beschaffung durch Dienststellen des Bundes in unmittelbarer Bundesverwaltung sicher zu stellen. Insbesondere sollen die von zu beschaffenden Leistungen verursachten Treibhausgasemissionen im Vergabeverfahren hinreichend Berücksichtigung finden. Die Verwaltungsvorschrift dient der Erreichung der Ziele aus § 3 des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) und der Umsetzung von § 13 sowie auch § 15 KSG. Sie stellt zugleich das höchste erreichbare Energieeffizienzniveau der zu beschaffenden Leistung sicher und gewährleistet insoweit die einheitliche Anwendung von § 67 VgV und § 8c EU VOB/A. Die Verwaltungsvorschrift zielt darüber hinaus auf eine angemessene Berücksichtigung von weiteren Aspekten der Nachhaltigkeit bei der öffentlichen Beschaffung des Bundes ab.



(3) Das Bundesministerium der Verteidigung, das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und das Auswärtige Amt sowie das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur können in Ausführungsbestimmungen jeweils für ihren Geschäftsbereich Ausnahmen von dieser Verwaltungsvorschrift erlauben, soweit dies für die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr, des Zivil- und Katastrophenschutzes, der Bundespolizei und anderer Sicherheitskräfte, sowie den Dienstbetrieb der Auslandsdienststellen, die Bauwerksicherheit oder die Bundesinfrastruktur erforderlich ist.



(4) Die Vorgaben der Bundesregierung aus dem Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit in der jeweils geltenden Fassung sowie die Anforderungen aus § 45 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) bleiben unberührt.



§ 2
Prüf- und Berücksichtigungspflichten vor Einleitung des Vergabeverfahrens



(1) An die Feststellung eines Bedarfs gemäß § 6 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) hat sich die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung nach § 7 Absatz 2 BHO anzuschließen. In diese sind



1.
die Energieeffizienz über den gesamten Lebenszyklus der Leistung (Herstellung, Nutzung, Wartung sowie Abholung, Recycling oder Entsorgung nach Beendigung der Nutzung) und dabei insbesondere der Aspekt der energieeffizientesten Systemlösung sowie,


2.
soweit mit vertretbarem Aufwand möglich, eine Prognose der verursachten Treibhausgasemissionen während des gesamten Lebenszyklus


einzubeziehen. Die Prognose der verursachten Treibhausgasemissionen erfolgt in der Regel auf der Grundlage von Hilfestellungen des Umweltbundesamtes. Bei Lieferleistungen ist unbeschadet der Sätze 1 und 2 abzuwägen, ob anstelle des Neukaufs die Reparatur eines vorhandenen Produkts, der Kauf eines gebrauchten Produkts, Miete oder Leasing ein klima- und umweltfreundlicheres Mittel der Beschaffung darstellen. Darüber hinaus sollen auch Aspekte des Umweltschutzes, des schonenden Einsatzes natürlicher Ressourcen und der Kreislaufwirtschaft auf angemessene Weise berücksichtigt werden.



(2) Kommen mehrere Möglichkeiten der Beschaffung in Betracht, ist die wirtschaftlichste Handlungsalternative zu bestimmen. Dabei ist in Abwägung mit anderen relevanten Kriterien mit Bezug zum Beschaffungszweck solchen Liefer-, Dienst- oder Bauleistungen der Vorzug zu geben, mit denen das Ziel der Minderung von Treibhausgasemissionen über den gesamten Lebenszyklus der Leistung zu den geringsten Kosten erreicht werden kann. Mehraufwendungen bei der Beschaffung sollen nicht außer Verhältnis zu ihrem Beitrag zur Treibhausgasminderung stehen.



(3) Der monetären Bewertung der gemäß Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 prognostizierten Treibhausgasemissionen ist ein CO2-Preis, mindestens der nach § 10 Absatz 2 des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) gültige Fest- oder Mindestpreis, zugrunde zu legen.



(4) Bedarfsabfragen von Beschaffungsstellen erfolgen unter Hinweis darauf, dass



1.
der Bedarf mit klimafreundlichen Leistungen gedeckt werden soll,


2.
die Erwartungen an die Klimafreundlichkeit der Leistung in der Bedarfsmeldung durch die Bedarfsträger so konkret wie möglich bezeichnet werden sollen sowie


3.
in der Bedarfsmeldung von den Bedarfsträgern zu dokumentieren ist, falls Aspekte des Klimaschutzes nicht berücksichtigt werden.


§ 3
Nicht zu beschaffende Leistungen



Leistungen, deren Inverkehrbringen oder Verwendung nach den Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts oder des deutschen Rechts aus Gründen des Umwelt- oder Gesundheitsschutzes unzulässig sind, dürfen nicht beschafft werden. Die in Anlage 1 benannten Leistungen dürfen von den Dienststellen des Bundes nicht beschafft werden, es sei denn, dass die Beschaffung solcher Leistungen aus Gründen des öffentlichen Interesses dringend geboten ist.



§ 4
Vorgabepflichten für das Vergabeverfahren



(1) Bei der Beschaffung von Leistungen sind im Rahmen der Leistungsbeschreibung (§ 121 GWB, § 31 VgV, § 7 EU VOB/A, § 23 UVgO, § 7 VOB/A) im Hinblick auf die Klimarelevanz insbesondere die Ergebnisse der Prüfung nach § 2 Absatz 1 und 2 zu berücksichtigen. Bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung ebenfalls zu berücksichtigen ist:



1.
soweit vorhanden, die zum Zeitpunkt der Beschaffung höchste und durch auf dem europäischen Markt verfügbare, dem Bedarf entsprechende Produkte erreichte Energieeffizienzklasse im Sinne der Verordnung (EU) 2017/1369 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2017 zur Festlegung eines Rahmens für die Energieverbrauchskennzeichnung und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/30/EU (ABl. L 198 vom 28.7.2017, S. 1) und der gemäß Artikel 11 Absatz 4 und 5 und Artikel 16 der Verordnung (EU) 2017/1369 erlassenen Produktverordnungen,


2.
im Übrigen das höchste und durch auf dem europäischen Markt verfügbare Produkte erreichte Leistungsniveau an Energieeffizienz.


(2) Bei der Beschreibung der zu beschaffenden Leistung soll, soweit vorhanden und bei der konkreten Beschaffung verwendbar, auf vorhandene Gütezeichen verwiesen werden, die den Anforderungen nach § 34 VgV, § 7a EU Absatz 6 VOB/A oder des § 24 UVgO entsprechen. Es ist dabei darauf hinzuweisen, dass Leistungen, die den Kriterien des Gütezeichens entsprechen, insoweit ebenfalls den Anforderungen an die zu erbringende Leistung genügen. Insbesondere soll, soweit vorhanden und bei der konkreten Beschaffung verwendbar, die Vorlage



1.
des Umweltzeichens Blauer Engel (Geschäftsbedingungen und Vergabekriterien abrufbar unter www.blauer-engel.de) oder, soweit das Umweltzeichen Blauer Engel für die betreffende Leistung nicht vorhanden ist,


2.
des Europäischen Umweltzeichens gemäß der Verordnung (EG) Nr. 66/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 über das EU-Umweltzeichen (ABl. L 27 vom 30.1.2010, S. 1), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung (EU) 2017/1941 vom 24. Oktober 2017 (ABl. L 275 vom 25.10.2017, S. 9)


gemäß § 34 VgV, § 7a EU Absatz 6 VOB/A oder § 24 UVgO verlangt werden. Gleichwertige Gütezeichen sind anzuerkennen.



(3) Zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit kann vom Bewerber oder Bieter die Zertifizierung mit einem Umweltmanagementsystem gefordert werden, sofern ein Bezug zum Auftragsgegenstand besteht und ein hinreichender Verbreitungsgrad der Zertifizierung bei dem zu erwartenden Bieter- beziehungsweise Bewerberkreis erwartet werden kann.



(4) Für die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots im Rahmen der Zuschlagsentscheidung sind neben den Anschaffungskosten die voraussichtlichen Kosten, die mit der zu beschaffenden Leistung während ihres Lebenszyklus in Verbindung stehen (Lebenszykluskosten) zu berücksichtigen, insbesondere die Kosten für den Energieverbrauch, die Wartungskosten und die Kosten am Ende der Nutzungsdauer. Nach Maßgabe des § 59 Absatz 2 Nummer 5 und Absatz 3 VgV beziehungsweise § 16d EU Absatz 2 Nummer 5 VOB/A sind darin als Kosten, die durch externe Effekte der Umweltbelastung entstehen, auch die Kosten der verursachten Treibhausgasemissionen während des gesamten Lebenszyklus der Leistung zu berücksichtigen. Der monetären Bewertung der Treibhausgasemissionen ist ein CO2-Preis, mindestens der nach § 10 Absatz 2 BEHG gültige Fest- oder Mindestpreis, zugrunde zu legen. Die Bestimmung der verursachten Treibhausgasemissionen erfolgt in der Regel auf der Grundlage von Hilfestellungen des Umweltbundesamtes. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht,



1.
wenn die Ermittlung der voraussichtlichen Lebenszykluskosten unter Einbeziehung der verursachten Treibhausgasemissionen während des gesamten Lebenszyklus nicht mit vertretbarem Aufwand möglich ist oder


2.
wenn ihre Berücksichtigung als Zuschlagskriterium nicht sachgerecht wäre, weil die Leistung in dieser Hinsicht unter Beachtung von Absatz 1 bereits erschöpfend beschrieben ist.


(5) Zur Überprüfung der nach den Absätzen 1 und 4 gestellten Vorgaben fordert der öffentliche Auftraggeber unter der Beachtung der Belange von mittelständischen Interessen folgende, von allen Bewerbern und Bietern gleichermaßen zu erbringende Informationen:



1.
konkrete Angaben zum Energieverbrauch über den gesamten Lebenszyklus der Leistung, es sei denn, die auf dem Markt angebotenen Produkte unterscheiden sich bei dem Energieverbrauch nur geringfügig,


2.
soweit hierüber Erkenntnisse vorliegen oder auf zumutbare Weise erlangt werden können, konkrete Angaben zur Emission von Treibhausgasen über den gesamten Lebenszyklus der Leistung sowie


3.
in geeigneten Fällen der Beschaffung


a)
eine Analyse minimierter Lebenszykluskosten oder


b)
die Ergebnisse einer der Analyse nach Buchstabe a vergleichbaren Methode zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit.


(6) Sofern möglich und angemessen und ein sachlicher Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand besteht, sind Ausführungsbedingungen für den Auftragnehmer festzulegen, um die in § 1 Absatz 2 benannten Zwecke zu fördern.



(7) Sofern jeweils möglich und angemessen, ein sachlicher Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand besteht und das Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung beachtet bleibt, sind, entweder gemeinsam oder einzeln, im Rahmen der Eignungskriterien (§ 122 GWB; §§ 42 ff. VgV; §§ 6 ff. EU VOB/A; §§ 31 ff. UVgO; § 6a VOB/A), der Zuschlagskriterien (§ 127 GWB; § 58 VgV; § 16d EU VOB/A; § 43 UVgO; § 16d VOB/A) und der Ausführungsbedingungen (§ 128 GWB; § 61 VgV; § 45 UVgO) ergänzend weitere Aspekte der Nachhaltigkeit, insbesondere der Kreislaufwirtschaft und des Ressourcenschutzes, zu berücksichtigen.



§ 5
Inkrafttreten; Übergangs- und Schlussbestimmung



Diese Verwaltungsvorschrift tritt am 1. Januar 2022 in Kraft. Für Vergabeverfahren, die vor dem 1. Januar 2022 begonnen haben, gilt die zum gleichen Datum außer Kraft tretende Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung energieeffizienter Leistungen (AVV-EnEff) vom 18. Mai 2020 (BAnz AT 26.05.2020 B1) fort.



Berlin, den 19. Oktober 2021



Die Bundeskanzlerin
Dr. Angela Merkel



Der Bundesminister
für Wirtschaft und Energie
Peter Altmaier






Anlagen (nichtamtliches Verzeichnis)

Anlage 1: Leistungen, die nicht beschafft werden dürfen

Anlage 2: Erläuterungen