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Bekanntmachung einer Stellungnahme der Strahlenschutzkommission (Eingangsvoraussetzungen und Erwerb der erforderlichen Fachkunde bzw. Kenntnisse im Strahlenschutz in der Medizinischen Physik)

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Strahlenschutzkommission

Geschäftsstelle der
Strahlenschutzkommission
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D-53048 Bonn

http://www.ssk.de







Eingangsvoraussetzungen und Erwerb der erforderlichen Fachkunde bzw. Kenntnisse im Strahlenschutz
in der Medizinischen Physik



Stellungnahme der Strahlenschutzkommission







Verabschiedet in der 224. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 03.07.2008

Veröffentlicht in:

– Bundesanzeiger Nr. ... vom ....


– Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission, Band ...





Sachverhalt

Die Entwicklung der bildgebenden Untersuchungsverfahren und radiologischen Behandlungsmethoden gründet sich auf Beiträge aus Naturwissenschaft und Technik.



Sowohl im klinischen Alltag als auch in den Forschungseinrichtungen der Biowissenschaften ist die Mitarbeit des Physikers1 immer stärker gefragt. Im Zuge dieser Entwicklung hat sich in manchen Feldern der Krankenversorgung eine besonders enge Zusammenarbeit zwischen Arzt, Physiker und medizinischem Assistenzpersonal herausgebildet. Beispiele hierfür sind alle Bereiche, in denen ionisierende Strahlung angewendet wird. In Strahlentherapie, Nuklearmedizin, diagnostischer und interventioneller Radiologie unterstreicht die Strahlenschutzgesetzgebung mit der Forderung nach der verantwortlichen Mitarbeit eines Medizinphysik-Experten (MPE) die wichtige Rolle des Medizinphysikers als Partner des Arztes. In dieser Funktion als klinischer Mitarbeiter muss, analog zu den Regelungen der ärztlichen Berufsordnung, für jeden Medizinphysiker eine wissenschaftlich fundierte, theoretische und praktische Aus-, Weiter- und Fortbildung nach anerkannten Standards sichergestellt werden. Durch eine geregelte Aus-, Weiter- und Fortbildung wird der Medizinphysiker befähigt, die im klinischen Team ihm zufallenden Tätigkeiten und Verantwortungen zum Wohl des Patienten, insbesondere mit dem Ziel des Strahlenschutzes für Patient, Personal und Umwelt, wahrzunehmen.



Für den Strahlenschutz nach Röntgenverordnung (RöV) und Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) müssen analog zu den medizinischen Fachkunde- und Kenntnisregelungen Festlegungen zum Erwerb und Erhalt von Kenntnissen und Fachkunden für medizinphysikalische Tätigkeiten getroffen werden. Dies betrifft sowohl die Eingangsvoraussetzungen (Ausbildung), den Erwerb der Sachkunde, den erfolgreichen Besuch von Strahlenschutzkursen als auch die mindestens alle 5 Jahre zu erfolgende Aktualisierung von Fachkunden und Kenntnissen im Strahlenschutz.



Durch den Beschluss von Bologna [8] werden in der Ausbildung die Diplom-Studiengänge bis zum Jahr 2010 in Deutschland durch Bachelor- und Master-Studiengänge ersetzt, wobei zunehmend auch Master-Studiengänge in Medizinischer Physik angeboten werden.



Zeitnah muss dieser Entwicklung Rechnung getragen, und es müssen die Eingangsvoraussetzungen und der Erwerb von Strahlenschutzqualifikationen angepasst werden.



Die Eingangsvoraussetzung für den Erwerb der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz für Medizinphysik-Experten ist nach RöV / StrlSchV der erfolgreiche Abschluss sowohl eines Master- als auch eines Bachelor-Studiengangs (B.Sc. oder B.Eng.) jeweils in einer physikalisch-technischen Fachrichtung.



Ein Bachelor-Absolvent in einer physikalisch-technischen Fachrichtung erfüllt damit die Eingangsvoraussetzungen für den Erwerb von Kenntnissen im Strahlenschutz in Medizinischer Physik. Analog wird eine Person, die die Kenntnisse im Strahlenschutz für Medizinische Physik besitzt, in der Weiterbildung der Medizinischen Physik Medizinphysik-Assistent (MPA) genannt. Mit diesen Eingangsvoraussetzungen hat ein MPA auch die Möglichkeit, sich im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen (Master-Studium) zum MPE weiter zu qualifizieren.



Eine Person mit den erforderlichen Kenntnissen im Strahlenschutz kann unter ständiger Aufsicht eines MPE medizinphysikalisch im Sinne des Strahlenschutzes tätig werden. Medizinphysikalische Tätigkeiten sind zum Beispiel Dosismessungen oder technische Mitwirkung bei der Bestrahlungsplanung.



Verschiedenste Gremien, wie der Bundesgesundheitsrat, die Strahlenschutzkommission, die Weltgesundheitsorganisation und andere nationale und internationale Verbände und Organisationen haben auf die Notwendigkeit einer rechtlich geregelten Aus- und Weiterbildung in Medizinischer Physik mit einem qualifizierten Abschluss hingewiesen. In diesem Zusammenhang sind zu erwähnen:



die Empfehlung der WHO zur einheitlichen gesetzlichen Regelung zur Aus- und Weiterbildung in Medizinischer Physik und zur Anerkennung des Berufes des Medizinphysikers [1],
die Grundsätze für die Weiterbildung zum Medizinphysiker mit Fachanerkennung, die in Übereinstimmung mit den Empfehlungen des Bundesgesundheitsrates 1980 [2] formuliert und 1986 durch entsprechende Richtlinien zur Durchführung der Weiterbildung veröffentlicht wurden [3],
das Votum des Bundesgesundheitsrates vom Juni 1986 und der entsprechenden Ausschüsse von Bundesrat und Bundestag sowie der Konferenz der Gesundheitsminister der Länder zur Weiterbildung in Medizinischer Physik [4]. Dieses Votum stellt die Forderung an die Länder, „an ihren Universitäten schwerpunktmäßig Weiterbildungszentren für die Medizinische Physik einzurichten“ und „die rechtliche Voraussetzung für die Prüfung des Nachweises eines qualifizierten Abschlusses der Weiterbildung in Medizinischer Physik“ zu schaffen.
die Empfehlungen der Strahlenschutzkommission von 1990 zur staatlichen Anerkennung der Weiterbildung in Medizinischer Physik [5],
die Empfehlung der Strahlenschutzkommission von 1997 [7] zur Aus- und Weiterbildung des Medizinphysikers mit Definition der Qualifikation und des Ausbildungsgangs,
die Bologna-Kriterien der Europäischen Bildungsminister [8],
die Stellungnahme der EFOMP (European Federation of Organisations for Medical Physics) zur erforderlichen Anzahl von Medizinphysikern in den Kliniken [9],
die Empfehlung der Strahlenschutzkommission mit der geäußerten Sorge über den Mangel an Medizinphysikern [10],
die Stellungnahme der EFOMP zu Vorteilen und notwendiger Ausstattung von Abteilungen für Medizinische Physik [11],
die Erklärung der wissenschaftlichen Fachgesellschaften zur Lage der Medizinischen Physik im Bereich der Strahlentherapie [12],
die Erklärung der Fachgesellschaften zur Lage der Medizinischen Physik im Bereich der diagnostischen Radiologie und Nuklearmedizin [13],
die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik e. V. (DGMP) zur Einrichtung von Master-Studiengängen in Medizinischer Physik / Biomedizinischer Physik [14],
die Malaga Declaration [15] sowie
die Akkreditierung von Bachelor- und Master-Studiengängen[16].

Forschung, Untersuchung und Behandlung in allen Bereichen der Medizin müssen auf hohem Niveau an Qualität und Sicherheit erfolgen. Dazu sind Medizinphysiker eng eingebunden und unverzichtbar. Die notwendige und qualifizierte Mitarbeit wird am ehesten durch eine staatlich geregelte Aus-, Weiter- und Fortbildung erreicht. Als einziges Bundesland hat bisher Berlin 1987 ein „Gesetz über die Führung der Berufsbezeichnung Medizinphysiker/in“ [6] erlassen. In Ländern wie den Niederlanden, Großbritannien, Schweden, Schweiz, Österreich und Spanien liegen detaillierte staatliche Regelungen für die Aus-, Weiter- und Fortbildung des Medizinphysikers vor.



Der Bachelor-Studiengang soll die theoretischen sowie experimentellen Grundlagen und insgesamt eine breite Allgemeinbildung in Physik vermitteln. Er kann für bestimmte Tätigkeitsfelder durchaus berufsqualifizierend sein, oder er kann dazu dienen, den qualifizierten Wechsel zu anderen Disziplinen zu ermöglichen. Das Berufsbild eines Bachelor-Absolventen mit den erforderlichen Kenntnissen im Strahlenschutz soll bewusst an den in vielen Ländern bestehenden Beruf des Dosimetristen in der Strahlenphysik anknüpfen. Ein MPA kann und wird im Strahlenschutz in Kliniken, Behörden und anderen Institutionen mit speziellen Aufgaben betraut werden.



Die Einführung eines geregelten Berufsbildes des Medizinphysik-Assistenten wird besonders in größeren Abteilungen eine wirtschaftliche Verbesserung der Organisationsstruktur des Strahlenschutzes unter Verantwortung eines Medizinphysik-Experten erlauben.



Mit dem Abschluss als Bachelor (B.Sc. oder B.Eng.), z. B. mit biomedizinischer, medizinphysikalischer bzw. physikalisch-technischer Fachrichtung, können Medizinphysik-Assistenten mit den erforderlichen Kenntnissen im Strahlenschutz unter ständiger Aufsicht eines Medizinphysik-Experten beispielsweise in der Messtechnik, bei der Qualitätssicherung, in Teilbereichen der Bestrahlungsplanung, bei Kontaminations- und Inkorporationsmessungen und bei Strahlenschutzmaßnahmen tätig werden.



Nur nach dem Abschluss als Master (M.Sc. oder M.Eng.), z. B. mit biomedizinischer, medizinphysikalischer bzw. physikalisch-technischer Fachrichtung, und des erforderlichen Sachkundeerwerbs kann ein MPE selbständig klinische und wissenschaftliche Tätigkeiten auf dem Gebiet der Medizinischen Physik im Sinne der RöV und StrlSchV übernehmen. Die Tätigkeiten eines MPE sind beispielhaft in der „Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin“ (nach StrlSchV) aufgezählt.



Empfehlungen
2.1
Eingangsvoraussetzungen für die erforderliche Fachkunde und die erforderlichen Kenntnisse im Strahlenschutz in Medizinischer Physik

Nach den Bologna-Kriterien sind Abschlüsse, die zur Berufsausübung qualifizieren, der Bachelor (B.Sc. oder B.Eng.) und der Master (M.Sc. oder M.Eng.). Die SSK empfiehlt, dass der Erwerb der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz für Medizinphysik-Experten auf der Basis eines Master-Abschlusses (M.Sc oder M.Eng.) in Verbindung mit einem Bachelor-Abschluss (B.Sc. oder B.Eng.), jeweils in physikalisch-technischer Ausrichtung, beruhen sollte. Die bisher noch üblichen berufsberechtigenden Abschlüsse nach einem Diplom-Studium an einer Hochschule bzw. einer Berufsakademie sollen in einer Übergangsregelung als Eingangsvoraussetzung zum Erwerb der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz für Medizinphysik-Experten berechtigen.



Ferner empfiehlt die SSK, dass ein Abschluss als Bachelor (B.Sc. oder B.Eng.) eine Eingangsvoraussetzung für den Erwerb von erforderlichen Kenntnissen in Medizinischer Physik sein soll. Diese Weiterbildung führt zum Berufsbild des Medizinphysik-Assistenten (MPA). Ein Erwerb der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz für Medizinphysik-Experten (MPE) kann anschließend nach dem Erwerb eines Master-Abschlusses unter Nachweis der erforderlichen Sachkunde und mit den Bescheinigungen über die erforderlichen Strahlenschutzkurse erreicht werden.



Der für die Erteilung der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz für Medizinphysik-Experten erforderliche Sachkundeerwerb kann auch in das Curriculum eines dezidierten, von den zuständigen Behörden hierfür anerkannten Masterstudienganges integriert sein.



Die SSK empfiehlt, im Rahmen der anstehenden Änderung von Röntgen- und Strahlenschutzverordnung in den jeweiligen Begriffsbestimmungen den Text über die Eingangsvoraussetzungen des Medizinphysik-Experten anzupassen.



2.2
Erwerb der erforderlichen Kenntnisse im Strahlenschutz in Medizinischer
Physik

Die SSK empfiehlt, dass die erforderlichen Kenntnisse im Strahlenschutz in Medizinischer Physik weiterhin durch den Nachweis der Eingangsvoraussetzungen und durch von den zuständigen Behörden anerkannter Kurse nachgewiesen werden müssen.



Literaturverzeichnis

[1]

Education and Training of Medical Physicists. WHO-Report RHL/72.2, Rev.1, 1972

[2]

Grundsätze der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik e.V. zur Weiterbildung zum Medizinphysiker mit Fachanerkennung. Deutsche Gesellschaft für Medizinische Physik e.V., 1980

[3]

Weiterbildung zur Erlangung der Fachanerkennung für Medizinische Physik. Deutsche Gesellschaft für Medizinische Physik e.V., 1986

[4]

Voten des Bundesgesundheitsrates. Bundesgesundheitsblatt 29 Nr. 8, S. 251 (1986)

[5]

Staatliche Anerkennung der Weiterbildung in Medizinischer Physik, Empfehlungen der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 101. Sitzung am 13./14. Dezember 1990. BAnz Jahrg. 43, Nr. 55, S. 1957 – 1958 vom 20.3.1991

[6]

Gesetz über die Führung der Berufsbezeichnung Medizinphysiker/Medizinphysikerin vom 26. November 1987. GVB1. Berlin 43 Nr. 70, S. 2673 (1987)

[7]

Aus- und Weiterbildung zum Medizinphysiker, Empfehlungen der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 149. Sitzung der SSK am 17.11.1997, veröffentlicht im BAnz Nr. 38 vom 25.02.1998

[8]

Der Europäische Hochschulraum, Gemeinsame Erklärung der Europäischen Bildungsminister, 19. Juni 1999, Bologna

[9]

EFOMP-Policy Statement No. 4: “Criteria for the Number of Physicists in a Medical Physics Department” (1991)

[10]

Bedarf an Medizinphysik-Experten im Strahlenschutz, Empfehlungen der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 186. Sitzung der SSK am 11./12.09.2003, veröffentlicht im BAnz Nr. 83 vom 04.05.2004

[11]
 
EFOMP-Policy Statement No. 5: “Departments of Medical Physics - Advantages, Organ
isation and Management” (1993)

[12]

Zur Lage der Medizinischen Physik im Bereich der Strahlentherapie – eine gemeinsame Erklärung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik (DGMP) und der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO), 2001

[13]

Zur Lage der Medizinischen Physik im Bereich der diagnostischen Radiologie und Nuklearmedizin - Eine gemeinsame Erklärung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik (DGMP), der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) und der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin (DGN), 2003

[14]

Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik e. V. (DGMP) zur Einrichtung von Master-Studiengängen in Medizinischer Physik / Biomedizinischer Physik vom 8. Mai 2006

[15]

Malaga Declaration – EFOMP’s Position on Medical Physics in Europe, 2006

[16]

Ländergemeinsame Strukturvorgaben gemäß § 9 Abs. 2 HRG für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10.10.2003