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Bekanntmachung einer Stellungnahme der Strahlenschutzkommission (Strahlenschutzfragen bei der Nutzung neuer Energien - Zusammenfassung und Bewertung der Klausurtagung 2013 der SSK - vom 10. April 2014)

Zurück zur Teilliste Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Bekanntmachung
einer Stellungnahme der Strahlenschutzkommission
(Strahlenschutzfragen bei der Nutzung neuer Energien
– Zusammenfassung und Bewertung der Klausurtagung 2013 der SSK –
vom 10. April 2014)



Vom 1. September 2014



Fundstelle: BAnz AT 11.02.2015 B4





Nachfolgend wird die Stellungnahme der Strahlenschutzkommission (SSK), verabschiedet in der 269. Sitzung der Kommission am 10. April 2014, bekannt gegeben.



Bonn, den 1. September 2014
RS II 2 - 17027/2



Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit



Im Auftrag
Dr. Böttger





Anlage





Strahlenschutzfragen bei der Nutzung neuer Energien



Zusammenfassung und Bewertung der Klausurtagung 2013 der Strahlenschutzkommission
Stellungnahme der Strahlenschutzkommission
Verabschiedet in der 269. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 10. April 2014



Inhaltsübersicht



Einführung

Vorträge

2.1  

Themenbereich nichtionisierende Strahlung

2.2  

Themenbereich ionisierende Strahlung

Schlussfolgerungen





1 Einführung



Bereits im Jahr 2009 hatte sich die Strahlenschutzkommission (SSK) in ihrer Klausurtagung mit den gemeinsamen Aspekten der Risikobewertung ionisierender und nichtionisierender Strahlen befasst. Das Thema war primär vor dem Hintergrund der kontroversen öffentlichen Berichterstattung über tatsächliche und vermeintliche Risiken der ionisierenden und nichtionisierenden Strahlung gewählt worden.



Auch die Klausurtagung 2013 stand im Zeichen übergeordneter Aspekte des Strahlenschutzes, die sowohl die Bereiche der ionisierenden als auch jene der nichtionisierenden Strahlung betreffen. Als Thema waren die Strahlenschutzaspekte gewählt worden, die sich durch die Energiewende einschließlich der dadurch bewirkten zunehmenden Nutzung neuer und erneuerbarer Energiequellen ergeben. Der Ausbau der erneuerbaren Energien macht einen massiven Um- und Ausbau der Stromnetze notwendig. Hierbei werden Hochspannungs-Gleichstromübertragungsleitungen (HGÜ) zum Einsatz kommen. Deshalb hat sich die SSK mit biologischen Effekten der Emissionen von HGÜ-Leitungen bereits befasst und hierzu 2013 eine Empfehlung verabschiedet. Gleichzeitig hat sie den Statusbericht „Elektromagnetische Felder neuer Technologien“ aktualisiert.



In dem facettenreichen Tagungsprogramm wurden Referate gehalten, die sich mit den Auswirkungen der Wind- und Solarenergie, ihrer Volatilität und den großen Entfernungen zu den Verbrauchszentren ergeben. Dies betrifft die Auswirkung auf die Übertragungsnetze, den Neu- und Ausbau von Leitungen, das (intelligente) Leistungsmanagement bei der Erzeugung, Weiterleitung und dem Verbrauch (Smart Grid, Smart Meter, Smart Home) bis hin zu den Möglichkeiten der Energiegewinnung als Nebenprodukt körperlicher Aktivitäten. Es wurden jedoch auch Aspekte des Schutzes vor ionisierender Strahlung behandelt, die sich aus der Energiewende durch die Nutzung geothermischer Energiequellen, die Energiegewinnung aus Biomasse, aber auch indirekt durch Windkraftanlagen oder den möglichen Anstieg von Radon in Innenräumen als Folge von Energiesparmaßnahmen ergeben. Außerdem wurden Strahlenschutzaspekte bei der Geothermie und der Gewinnung von fossilen Energieträgern, insbesondere Erdgas durch Fracking, vorgestellt.





2 Vorträge



2.1
Themenbereich nichtionisierende Strahlung


In seinem Übersichtsreferat ging N. Leitgeb auf die Auswirkungen der Energiewende ein. Die Herausforderung besteht in der Beherrschung des zeitlich stark schwankenden und vom Bedarf entkoppelten Energieangebotes. Eine mit der forcierten Energiegewinnung aus erneuerbaren Energiequellen verbundene Konsequenz sind die großen Entfernungen der Verbrauchszentren in Mitteleuropa zu den Erzeugungsstätten, d. h. einerseits den Windkraftwerken in der Nord- und Ostsee und andererseits den solaren Großkraftwerken im Süden Europas und in Nordafrika. Dies macht den Ausbau leistungsstarker Übertragungskapazitäten erforderlich, die auch durch Hochspannungs-Gleichstrom-Freileitungen realisiert werden sollen. Aus diesem Grund werden erstmals auch elektrische Gleichfelder zu bewerten sein, die bisher von der Grenzwertregelung ausgenommen sind. Darüber hinaus erfordert die Volatilität des Energieangebotes neue Strategien für ein effizientes Lastmanagement und den Einsatz der Übertragungsnetze. Dies erfordert nicht nur die Schaffung zusätzlicher Leitungskapazitäten, die länderübergreifende Vermaschung nationaler Übertragungsnetze und die Erschließung neuer Speichermöglichkeiten durch vorübergehende Konversion in andere Energieformen, sondern auch eine intelligentere Steuerung der elektrischen Lastflüsse, sowohl was die Nutzung vorhandener Übertragungskapazitäten (Smart Grids), als auch was die Beeinflussung des Verbraucherverhaltens anlangt (Smart Metering, Smart Home). Um Lastspitzen und Überkapazitäten beherrschen zu können, wird die Nutzung drahtloser Informationserfassungs- und Informationsübertragungstechnologien unverzichtbar sein. Darüber hinaus wurde auch auf die Rolle der Elektromobilität hingewiesen, deren Auswirkung sowohl die Verbrauchszunahme als auch die Verfügbarkeit dezentraler Speichereinheiten mit insgesamt erheblicher Speicherkapazität betrifft. Aus der Sicht des Strahlenschutzes ergeben sich somit als eine der Folgen der Energiewende neue Fragestellungen, zum einen hinsichtlich der zu erwartenden Zunahme von elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Umgebungsfeldern und zum anderen bezüglich der adäquaten Risikobewertung und -kommunikation.



Aus der Sicht der Bundesnetzagentur präsentierte S. Hagenberg den Stand der Netzentwicklungsplanung, für die das Energiewirtschaftsgesetz und das Netzausbaubeschleunigungsgesetz wesentliche Vorgaben liefern. Aus dem Bundesbedarfsplangesetz 2013 ergeben sich die konkreten Planungsziele bezüglich Netzverstärkung bzw. Netzoptimierung und bezüglich des Neubaus von Übertragungsleitungen, die dem NOVA-Prinzip (Netz-Optimierung vor Verstärkung vor Ausbau) angepasst sind. Insgesamt umfasst die Planung 36 Vorhaben, darunter 16 länderübergreifende bzw. grenzüberschreitende Projekte. Die ca. 2 800 km Neubau-Leitungen betreffen vor allem drei Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen, für die zunächst im Rahmen der Bundesfachplanung ausgehend von den beiden festgelegten Endpunkten jeweils ein ca. 1 km breiter Korridor festgelegt wird, der dann im Rahmen des späteren Planfeststellungsverfahrens zu einer Trasse konkretisiert wird. Ein wichtiger Aspekt sind dabei auch die erforderlichen Konverterstationen für die Umwandlung von Gleich- in Wechselstrom und umgekehrt.



J. Kirchhoff ging in seinem Referat auf die Problematik kleinerer Wechselrichter in Fotovoltaik-Anlagen ein. Er verwies dabei auf die Rückwirkungen auf bestehende Übertragungsnetze und merkte an, dass derzeit für leitungsgebundene Störungen, die im Bereich von 2 kHz bis 150 kHz liegen, die normativen Randbedingungen noch nicht festgelegt sind. Während die Auswirkungen der durch die Pulsbreitenmodulation hervorgerufenen Flickerstörungen und Oberschwingungen gering sind, stellt die zunehmende kapazitive Belastung der regionalen Übertragungsnetze durch die Entstörfilter der Stromrichter und der Schaltnetzteile in Elektrogeräten ein zunehmendes Problem dar. Ein weiterer Aspekt ist der Einfluss elektromagnetischer Rückwirkungen auf die Genauigkeit von Elektrizitätszählern.



C. Dörnemann stellt aus Sicht des Netzbetreibers Amprion das Projekt einer Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitung (HGÜ) vor, die derzeit für Übertragungsleistungen von ca. 2 GW bis 3 GW ausgelegt ist. Diese HGÜ soll die Übertragungskapazität zwischen Nord- und Süddeutschland durch verlustarmen Transport erhöhen. Dabei soll die Leitung möglichst auf bestehenden Freileitungstrassen teilweise auch in Form von Hybridleitungen, also auf Masten mit Wechselstrom- und Gleichstromsystemen, realisiert werden. Die Notwendigkeit der Verbindung wurde 2012 im Netzentwicklungsplan als Korridor A Süd (Osterath-Philippsburg) dargestellt und mit der Verabschiedung des Bundesbedarfsplans (hier Projekt Nummer 2) als vordringlich verankert. Danach wird dieses sogenannte Ultranet um einen weiteren Abschnitt nach Norddeutschland ergänzt (Korridor A Nord), um Nordrhein-Westfalen sowohl aus dem Süden bzw. Norden leistungsstark einzubinden. Es wurde auf den Einfluss der Ionenwolken hingewiesen, die sich aufgrund der gleichbleibenden Polarität der HGÜ-Leitungen ausbilden und die Wahrnehmbarkeit elektrischer Felder erheblich erhöhen können. Bei Hybridleitungen sind die Kopplungen der Gleich- und Wechselstromsysteme und der erhöhte Gleichstromanteil in den Leistungstransformatoren zu beherrschen.



Die messtechnische Basis für Übertragungsnetze mit Smart Metern wurde von I. Wolff behandelt. Smart Meter sollen es ermöglichen, auch in Verteilnetzen Lastregelungen vorzunehmen, wobei die Geräte nicht nur den Energieverbrauch für die Energieversorger erfassbar machen sollen, sondern auch weitere Optionen bieten, wie z.B. für den Kunden Energieverbrauchsverläufe und -statistiken bereit zu stellen, volatile Energieverrechnung zu ermöglichen, um Energieverbrauch aus Spitzenlastzeiten zu verdrängen, aber auch durch bidirektionale Energieflusserfassung vorhandene Speicherkapazitäten nutzbar zu machen. Dazu soll im Haushalt das lokale Energiemanagement die optimale Nutzung der Endgeräte sicherstellen. Als Probleme werden die noch unzureichende Interoperabilität der Endgeräte und der Datenschutz angeführt, der u. a. auch sichere Datenverbindungen von und zum Smart Meter, innerhalb von Home Area Networks (HANs) und zum Versorger erfordert. Eine Herausforderung für drahtlose Anbindungen von Smart Metern ist die zuverlässige Kommunikation auch aus Kellerbereichen und Untergeschossen heraus. Die Kosten/Nutzen-Analyse ergibt, dass intelligente Messsysteme derzeit erst ab einem Verbrauch von 6 MWh pro Jahr gerechtfertigt erscheinen.



R. Lehnert gab einen Überblick über die Kommunikationstechnik für das sogenannte Smart Grid. Für die Datenübertragung über längere Entfernung stehen bereits in den Erdseilen von Hochspannungsleitungen integrierte Glasfasern mit hoher Übertragungskapazität zur Verfügung. Als schwieriger erweist sich die Übertragung im Mittel- und Niederspannungsnetz. Auch wenn zur Versorgungskontrolle pro Kunde nur kleine Datenmengen anfallen, aggregieren sich die Daten in Verteilnetzen rasch zu einigen Mbit/s. Bei leitungsgebundener Übertragung über das vorhandene Verteilnetz (Powerline Communications) ergeben sich Probleme des Signal/Rausch-Abstandes aufgrund eingekoppelter Störspannungen durch Schaltnetzteile oder Kommutatoren von Elektromotoren. Für kurze Übertragungsstrecken bis ca. 500 m ermöglicht Breitband-PLC Communication (PLC) Übertragungsraten bis zu 600 Mbit/s im Frequenzbereich bis 85 MHz. Doppelt so hohe Reichweiten, jedoch mit geringeren Übertragungsraten, können mit Schmalband-PLC erreicht werden. Einen Kompromiss stellt die Mittelband-PLC im Bereich von 9 kHz bis 500 kHz dar. Herausforderungen stellen dabei die Zuverlässigkeit der Energieversorgung auch bei bzw. nach Netzausfall, die Sicherheit gegen Hackerangriffe und die Zuverlässigkeit und Datensicherheit der Kommunikation dar. Noch offen ist die optimale Struktur des Kommunikationsnetzes im Smart Grid z.B. hinsichtlich der Größe, der hierarchischen Gliederung und der Aufteilung in zentrale und dezentrale Komponenten. Die Lösung wird in einem Technologie-Mix gesehen.



R. Glasberg präsentierte ein visionäres Szenario einer Smart Home Umgebung. Unter den Begriffen Smart Home, Connected Home, Intelligentes Wohnen, etc. verbergen sich eine Reihe von Ansätzen für modernes Leben, Wohnen und Arbeiten im privaten Wohnbereich. All diesen Begrifflichkeiten gemein ist die Notwendigkeit, den Bewohnern intelligente Systeme und Technologien zur Verfügung zu stellen, die ihre individuellen Bedürfnisse nach Entertainment und Lifestyle, Gesundheit und Ernährung, Arbeit und Kommunikation sowie Energieeinsparung und Sicherheit in ihrem privaten Wohnbereich befriedigen.



Davon ausgehend lassen sich folgende Schritte ableiten:



Die Bedürfnisse der Bewohner/Bewohnerinnen werden durch eine Vielzahl von Sensoren und smarten Geräten erfasst, die eine intuitive Ansteuerung ermöglichen. Dabei ermöglichen benutzerfreundliche, einheitlich gestaltete und barrierefreie Oberflächen einen einfachen Zugriff auf die gewünschten Anwendungen.


Die aufgenommenen Daten und Anweisungen werden unter Berücksichtigung des aktuellen Zustandes und der Antizipation potenzieller Zustände verarbeitet.


Es folgt eine Aktion auf die aufgenommenen Daten und Anweisungen. Hierzu dient ein ausgereiftes Netzwerk, welches ein simples und sicheres Zusammenspiel der Geräte aus den Bereichen der Unterhaltungselektronik (CE), der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT), Elektrohaushalt (Herd, Kühlschrank, etc.) und Haustechnik (Alarmanlagen, Heizungs- und Lichtsteuerung, etc.) über Schnittstellen mit Hilfe von drahtgebundenen bzw. drahtlosen Technologien ermöglicht. In diesem Zusammenhang können die technischen Funktionalitäten vollständig in Wohnumgebung und Mobiliar integriert werden.


Das Smart Home stellt somit eine Wohnumgebung dar, in der intelligente Technik den Menschen umfassend unterstützt und – eingebettet in die unterschiedlichsten Geräte – umgibt, in Netzwerke integriert ist und über diverse benutzerfreundliche Schnittstellen angesprochen werden kann. Das Aussehen der Endgeräte wird künftig optisch ansprechender und deren Bedienung intuitiver. Bedienungsbarrieren könnten entfallen. Die großen Boxen und Geräte verschwinden, d. h. die Geräte werden smarter und viele Funktionen wandern ab ins „Netz“. Somit würde das moderne Haus von „morgen“ wieder dem Haus von „gestern“ ähneln – mit viel weniger im Raum stehender Technik.



Die sehr erfreulichen sich beim Smart Home ergebenden technischen Möglichkeiten werfen aber auch Fragen auf. So sind neben den positiven Aspekten, die sich durch ein solches Umfeld zum Beispiel für ältere Menschen ergeben, auch Themen wie Sicherheit und Privatsphäre, Beherrschbarkeit der Technologie durch den Menschen sowie Fragen zur auftretenden Strahlung zu berücksichtigen, um den Smart Home Gedanken zum Erfolg zu verhelfen. Eine Vielzahl von Szenarien unter Berücksichtigung diverser Parameter wie Gerätelandschaft, Anwendungsverhalten, Lebensumstände uvm. ist zu untersuchen, um die anstehenden Fragen zum Strahlenschutz zu beantworten. Beiträge aus Psychologie, Soziologie und anderen Disziplinen ergänzen dabei die aktuelle Forschung.



K. Dembowski gab einen Überblick über die Möglichkeiten des Energy Harvesting, also der Energiegewinnung als Nebenprodukt körperlicher und/oder physiologischer Aktivitäten oder aus der Umgebung durch induktive, kapazitive, thermische, fotoelektrische, turbinenbasierte oder absorbierende Systeme. Diese erlauben mit intelligentem Energiemanagement und passenden Funkverfahren eine Vielzahl neuer Anwendungen von integrierten autarken Biosensoren, über Geräte für das kontinuierliche Gesundheitsmonitoring und Fitnessmanagement, für die Hausautomatisierung bis hin zu mobilen Unterhaltungs- und Kommunikationsendgeräten.



J. Linßen diskutierte die Aspekte der Netzintegration von Elektrofahrzeugen und deren Auswirkung auf die Energieversorgung. Es zeigte sich, dass die Auswirkungen eines Elektrofahrzeug-Bestandes von 6 Millionen im Jahr 2030 auf das gesamte Energieversorgungssystem in Deutschland nicht signifikant sind. Die notwendige Ladeinfrastruktur und das resultierende Ladeverhalten der privaten Nutzer deuten darauf hin, dass eine zeitlich verteilte Ladung mit Potenzial zur Ladelastverschiebung zu erwarten ist. Typische Ladeleistungen im Verteilnetz bei Niederspannung sind im Bereich zwischen 3,3 kW bis 9,9 kW. Bei aus dem Mittelspannungsnetz gespeisten Schnellladestationen können bis hin zu Hundert kW erreicht werden. In Stromerzeugungsszenarien für das Jahr 2030 wird durch die volatile Energieerzeugung mit ca. 30 TWh bis 50 TWh Überschuss-Strommengen gerechnet, die ohne zusätzliche steuerbare Verbraucher nicht genutzt werden können. Reine Batteriefahrzeuge und PlugIn-Hybridversionen bieten jedoch nicht nur die Möglichkeit, diese Überschuss-Strommengen zu nutzen und Angebotsspitzen abzubauen, sondern auch im Bedarfsfall durch Rückspeisung Netzdienstleistungen zu erbringen. Allerdings kann sich die zusätzliche Batteriebelastung durch das Rückspeisen negativ auf die Lebensdauer des Akkus auswirken.



T. Kurz behandelte ein bisher wenig diskutiertes Problem von Fotovoltaik-Anlagen, nämlich die Möglichkeit der Blendung, die aufgrund der großen Flächen in einem breiteren Einfallswinkelbereich und somit über längere Zeitabschnitte erfolgen kann. Die Blendmöglichkeiten können vor Errichtung der Anlage bewertet werden, um erhebliche Belästigungen von Anrainern und Verkehrsteilnehmern zu vermeiden.



H. Brüggemeyer stellte den Stand des Wissens zu Emissionen von elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Feldern bei Fotovoltaik-Anlagen im privaten Bereich vor. Diese Anlagen erzeugen beim Betrieb magnetische Gleichfelder, Felder des 50 Hz-Wechselstroms, Felder im kHz-Bereich und Störsignale bis 300 MHz. Die Felder im kHz- bis MHz-Bereich entstehen durch die Wechselrichter und können abhängig vom Typ um mehr als eine Größenordnung unterschiedlich sein. Bei fachgerechter elektrischer Installation sind die magnetischen Gleichfelder in der unmittelbaren Umgebung der stromführenden Leitungen in der Größenordnung von ca. einem Zehntel des Erdmagnetfeldes. Die erzeugten Felder im Wechselstrom- und im kHz- bis MHz-Bereich sind in der Regel in der Größenordnung von Schaltnetzteilen, wie sie auch bei vielen Haushaltsgeräten eingesetzt werden. Bei der EMV(Elektromagnetische Verträglichkeit)-Prüfung und der Reduktion der Emission der Wechselrichter werden noch Optimierungsmöglichkeiten gesehen.



2.2
Themenbereich ionisierende Strahlung


In seinem Einführungsvortrag stellte W. Weiss den Diskussionsstand im wissenschaftlichen Komitee der Vereinten Nationen zu Strahlenwirkungen (United Nations Scientific Committee on the Effects of Atomic Radiation, UNSCEAR) zur Thematik „Strahlenexpositionen aus der Energieerzeugung“ vor.



UNSCEAR hat sich bereits seit den 1980er Jahren mit Strahlenexpositionen von Arbeitern und der allgemeinen Bevölkerung im Zusammenhang mit unterschiedlichen Formen der Stromerzeugung befasst. Aus diesen Arbeiten resultierten z.B. Abschätzungen von Strahlenexpositionen im Kohlebergbau, im Bergbau mineralischer Rohstoffe und bei der Gewinnung von Erdöl und Erdgas. Diese Arbeiten wurden von UNSCEAR seither in zeitlichen Abständen von jeweils 5 bis 10 Jahren fortgeschrieben. Die derzeit aktuellste Publikation stammt aus dem Jahr 2008.



In den vergangenen 3 Jahren hat UNSCEAR einen neuen Überblick der verfügbaren Informationen über Strahlenexpositionen, die im gesamten Lebenszyklus von Technologien der Energieerzeugung auftreten, erarbeitet. Ziel dieses Überblicks ist es, eine fundierte Grundlage für internationale Entscheidungsträger, Regierungen, wissenschaftliche Gremien und die Öffentlichkeit zusammenzustellen, in der die Strahlenbelastungen, die bei der Erzeugung von elektrischer Energie aus allen wichtigen Trägern von Primärenergie entstehen, verglichen werden. Betrachtet wurden neben der Kernenergie die Energieträger Kohle, Torf, Gas und Öl sowie Biomasse, Geothermie; außerdem Solarenergie, Windkraft und Wasserkraft.



Methodisch basiert das Herangehen von UNSCEAR auf der Dosisabschätzung für Bevölkerungsgruppen während des gesamten Brennstoffkreislaufs von Kernenergie, Kohle, Öl und sonstigen Technologien (Gewinnung und industrielle Erzeugung des Brennstoffs, Stromerzeugung, Stilllegung von Produktionsanlagen). Als Vergleichsgröße wird die effektive Kollektivdosis normiert auf die erzeugte elektrische Leistung (manSv/GWa) benutzt, die in einem Zeitraum von 100 Jahren auftreten kann. Die in die Kollektivdosis einbezogenen Bevölkerungsgruppen werden je nach Entfernung vom Standort der als Strahlenquelle wirkenden Anlage in „lokal“, „regional“ und „global“ klassifiziert.



Dosisabschätzungen werden für den Bau einer Anlage, die Brennstoffgewinnung und Brennstoffherstellung, die Energieerzeugung, die Behandlung und Beseitigung von Abfällen und den Rückbau von Anlagen vorgenommen.



Obwohl Wind- und Sonnenenergie bei der Produktion von elektrischer Energie keine Strahlenexpositionen bewirken, treten bei der Beschaffung der dafür benötigten Rohstoffe in bestimmten Feldern auch Strahlenexpositionen auf, die bei einer vergleichbaren Betrachtung berücksichtigt werden müssen. Der Hauptanteil der Strahlenexposition bei der Nutzung von Solarenergie resultiert nach den Analysen von UNSCEAR aus der Gewinnung und Verarbeitung von Seltenen Erden, Mineralien, die weltweit zu beruflichen Strahlenexpositionen von 2 manSv/GWa führen.



Es wird erwartet, dass die neuen Arbeiten von UNSCEAR 2014 abgeschlossen und veröffentlicht werden.



Insgesamt ergibt sich aus den Arbeiten von UNSCEAR, dass auch bei der Nutzung „neuer“ Energien Strahlenexpositionen von Beschäftigten und Bevölkerungsgruppen auftreten und Strahlenschutz auch weiterhin ein im Zusammenhang mit der Energieerzeugung zu beachtendes Thema bleibt.



Bei der Entscheidungsfindung über den Einsatz von Energiesystemen sind vier zentrale Aspekte von Bedeutung:



die langfristige Versorgungssicherheit beim Einsatz einer Energieerzeugungstechnik,


die mit einer bestimmten Energieerzeugungstechnik verbundenen Kosten,


die Auswirkungen der Energieerzeugung auf Umwelt und Klima (z.B. ionisierende Strahlung oder CO2-Emissionen) sowie


die Risikowahrnehmung der Bevölkerung sowie die Akzeptanz für eine bestimmte Energieerzeugungsform.


Der Bericht von UNSCEAR zielt insbesondere darauf ab, zu Fragen des Strahlenschutzes Faktenwissen als Grundlage für die Diskussion der beiden letztgenannten Punkte bereit zu stellen. Angesichts der bereits jetzt absehbaren Faktenlage sollte sich der Strahlenschutz darauf einstellen, sich in Fragen der Risikoeinschätzung beim Einsatz unterschiedlicher Energiesysteme aktiv in die öffentliche Diskussion einzubringen.



Die Fachbeiträge zu Einzelthemen wurden in zwei Themenblöcken gegliedert. Im ersten Themenblock wurden radiologische Aspekte, die bei der Produktion von Elektroenergie aus den Energieträgern Erdwärme und Biomasse unmittelbar auftreten, beleuchtet. Der zweite Themenblock befasste sich mit radiologischen Fragen, die mittelbar mit der Nutzung neuer Energien verbunden sind.



In ihrem Vortrag „Radioaktivität in der tiefen Geothermie – Erfahrungsbericht aus 13 Jahren“ stellten M. Köhler und D. Degering Ergebnisse von Untersuchungen vor, die sie an unterschiedlichen Anlagen der Geothermie erarbeitet haben. Die derzeit in Deutschland zur Energiegewinnung genutzten Fluide aus tiefen Aquiferen sind durch unterschiedliche Konzentrationsbereiche von gelösten Radionukliden gekennzeichnet. Während das Molassebecken des Voralpenraums bei Salzgehalten von 0,4 g/l bis 12 g/l überwiegend Ra-226-Konzentrationen unter 1 Bq/l aufweist, liegen die Radiumkonzentrationen im Norddeutschen Becken zwischen 3 Bq/l und 30 Bq/l Ra-226 (bei Salzgehalten von 10 g/l bis 333 g/l). Die höchsten Radiumkonzentrationen wurden bisher in den geothermisch genutzten Grundwasserleitern des Oberrheingrabens gemessen. Bei Salzgehalten zwischen 11 g/l und 130 g/l wurden Ra-226-Konzentrationen von 30 Bq/l bis 50 Bq/l ermittelt.



Durch die Förderung von heißen, hochsalinaren Fluiden aus diesen tiefen Aquiferen kommt es zu Ablagerungen von radium- und Pb-210-haltigen Scales in Rohren und Wärmeaustauschern. Durch Arbeiten an den Anlagen und Handhabungsverluste fallen auch sekundär kontaminierte Reststoffe, wie Folien, Schutzhandschuhe und Filtersäcke sowie kontaminierter Boden, an. Die spezifischen Aktivitäten dieser Reststoffe reichen von weniger als 10 Bq/g Ra-226 bis zu fast 800 Bq/g Ra-226. Noch höhere spezifische Aktivitäten wurden für Pb-210 gemessen (bis ca. 5 000 Bq/g).



Die potenzielle Strahlenexposition der Beschäftigten in den Anlagen der Geothermie wurde mit 1,5 mSv/a bis 3 mSv/a abgeschätzt. Die in der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) genannte Schwelle des Anzeigebedarfs von 6 mSv/a wird nicht erreicht. Die im Zusammenhang mit der Entsorgung von Reststoffen zu beachtenden Anforderungen an den Strahlenschutz der Bevölkerung können eingehalten werden. Hauptproblem bei der Entsorgung der Reststoffe ist die Bereitschaft von Entsorgern, radioaktiv kontaminierte Abfälle anzunehmen. Bisher stehen Entsorgungswege für das Einschmelzen von Metallteilen und eine direkte Deponierung zur Verfügung. Eine Entsorgung brennbarer Abfälle konnte noch nicht realisiert werden.



„Strahlenschutzaspekte bei der Nutzung tiefer geothermaler Energie“ standen im Mittelpunkt des Vortrags von S. Feige und D. Weiß. Ihr Vortrag knüpfte inhaltlich an den vorhergehenden Beitrag an und stellte die Erfahrungen der Anwendung probabilistischer Instrumente einer Dosisabschätzung vor, mit denen die Strahlenexpositionen des Anlagenpersonals und von Personen der Bevölkerung abgeschätzt und bewertet werden sollen. Der probabilistische Ansatz soll u. a. helfen, Fragen zur Unsicherheit, mit der eine Strahlenbelastung unterhalb (oberhalb) einer Klassengrenze liegt, zu beantworten und klären, welche unsicheren Parameter zur Wahrscheinlichkeitsverteilung der Gesamtdosis beitragen. Der verwendete Rechencode analysiert in einer Ereignisbaumanalyse Unsicherheiten, die entweder direkt benannt oder in separaten Unterprogrammen berechnet werden, er verarbeitet Erfahrungen aus statistischen Reihenuntersuchungen und kann dabei unterschiedliche Verteilungsmuster einer Datenmenge (normal, gleich, log-verteilt) berücksichtigen. Die Behandlung von Unsicherheiten mittels Monte-Carlo-Simulation ist möglich.



Zur inhaltlichen Ausgestaltung sind zunächst Szenarien zu Expositionsbedingungen detailliert zu beschreiben und es ist eine Wissensbasis „Messwerte“ aufzubauen. Im Vortrag wurde der Aufbau der Wissensbasis anhand von Beispielen zur Aufnahme der Varianz von Messwerten und zur Erfassung von Informationen zur statistischen Verteilung von Daten am Beispiel der Radium-Aktivitätskonzentrationen des Thermalwassers der Anlage Neustadt-Glewe dargestellt. Aufgrund der hohen Komplexität der Szenarien ist die bisher verfügbare Datenlage noch ergänzungsbedürftig. Eine vorläufige exemplarische anlagenspezifische probabilistische Sicherheitsanalyse (PSA) ergab, dass mit 98,8-prozentiger Wahrscheinlichkeit in der untersuchten Anlage die Strahlenexposition von Beschäftigten unter 6 mSv/a liegt. Die Sensitivitätsanalyse zeigte, dass Anlageninspektionen und Filterwechsel in besonderem Maße zur Exposition beitragen.



Ein Vergleich von Expositionspfaden zeigte, dass Radon-Expositionen im Zusammenhang mit der Nutzung tiefer Geothermie eher geringe Beiträge liefern. Die externe Exposition ist aufgrund der überwiegend als Punkt- oder Linienquelle vorkommenden Anlagenkontamination sehr ungleichförmig. Sie kann bei Arbeiten unmittelbar an Anlagenteilen deutlich erhöht sein. Eine personendosimetrische Überwachung führt trotzdem zu unauffälligen Expositionen. Durch ein kontinuierliches Monitoring können externe Expositionen bei Arbeiten in solchen Anlagen realistisch erfasst und Strahlenschutzmaßnahmen fortlaufend angepasst werden.



Die Dosis aus der Inhalation von Staub ist für feuchte Rückstände vernachlässigbar, kann aber beim Umgang mit oder beim Arbeiten in der Nähe von trockenen Rückständen relevant sein. Diese Dosis ist schwierig zu ermitteln, da Technologiewechsel (z.B. HD-Reinigung vs. Sandstrahlen), unterschiedliche Arten und Häufigkeiten bei der Reinigung von Filtern zu stark veränderlichen Expositionsbedingungen führen. Die Annahme einer generellen Staubkonzentration am Arbeitsplatz ist nicht belastbar. Hinreichender Schutz kann durch einen verlässlichen Einsatz persönlicher Schutzausrüstung (Mundschutz) aber angenommen werden.



Da die Geothermie in der neuen Richtlinie 2013/59/Euratom als eine der Industrien benannt ist, deren radiologische Relevanz in den Mitgliedstaaten geprüft werden soll, werden die hier vorgestellten Arbeiten von den Autoren als eine Grundlage dieser Prüfung gesehen. Die Bedeutung solcher Prüfungen wird zunehmen, wenn die derzeit prognostizierte Entwicklung der Geothermie Realität werden sollte. Bei geschätzten Mengen von 5 t/a bis 6 t/a im Jahr 2020 könnte sich das Mengenaufkommen an NORM-Rückständen (zunehmender Einsatz von Inhibitoren unberücksichtigt!) bis 2050 auf einige 100 t/a erhöhen.



H. Schulz stellte in seinem Beitrag die „Radioaktivität in Stoffströmen kalorischer Kraftwerke, insbesondere bei Biomasse/Holzkraftwerken“ die Radioaktivität von Biomasse in den Mittelpunkt. Biomasse im Sinne der Biomasseverordnung (BiomasseV vom 21. Juni 2001) sind Energieträger aus Phyto- und Zoomasse, einschließlich Folge- und Nebenprodukte sowie Rückstände und Abfälle, deren Energiegehalt aus Phyto- und Zoomasse stammt. In kalorischen Kraftwerken wird die Energie dieser Biomasse durch Verbrennung freigesetzt und zur Produktion von Elektroenergie genutzt.



Die aus Biomasse produzierte Energie deckte im Jahr 2011 nach Angaben der Agentur für erneuerbare Energien 6,1 % des Stromverbrauchs in Deutschland. Der größte Teil dieser Energie wird aus Biogas produziert. Der zweitgrößte Anteil des aus Biomasse gewonnenen Stroms entfällt auf die Verbrennung von Altholz, Restholz und dem Anteil Biomasse im Müll, der in Müllverbrennungsanlagen mitverbrannt wird. 2011 waren 256 Biomasse-/Holz-(Heiz-)Kraftwerke am Netz, wobei mehr als die Hälfte der installierten Leistung aller Holzkraftwerke von nur 40 Großanlagen erbracht wird.



Bei der Verbrennung kommt es zu einem unterschiedlichen Massen- und Aktivitätstransfer aus der Biomasse in Asche und Abgase. So wird das im Holz enthaltene Radon bei der Verbrennung praktisch vollständig als Gas frei gesetzt. Bei einer Verbrennung von 100 t/h Biomasse mit einem Radium/Radongehalt von 5 Bq/kg werden stündlich 5E+05 Bq Rn-222 emittiert. Bei einer mittleren Radonexhalation von Böden von 54 Bq/(m2 h) entspricht das einer Fläche von ca. 1 ha. Radiologische Effekte ergeben sich folglich nicht.



Der Aktivitätstransfer in die Asche kann zu Anreicherungs- (NORM) und Abreicherungsprozessen führen. So reichern sich bei der Verbrennung von Holzpellets mit einem Wassergehalt < 10 % und einem Aschegehalt < 0,5 % (bei hochwertigen Pellets bis 0,1 % möglich) Radionuklide der natürlichen Zerfallsreihen mehr als 200-fach bis 1 000-fach in der Asche an. Das ist deutlich mehr als bei der Verbrennung von Braunkohle, bei der der Aschegehalt und damit die Anreicherung nur etwa das 20-fache beträgt.



Im Unterschied zu Kohlen, bei denen die Radionuklide der natürlichen Zerfallsreihen in einem Aktivitätsgleichgewicht vorliegen, kommen in Biomasse die Nuklide der Zerfallsreihen in unterschiedlichen spezifischen Aktivitäten vor. Die im Vortrag präsentierten Messergebnisse zeigten, dass vor allem das Radionuklid Pb-210 mit spezifischen Aktivitäten über 10 Bq/kg vorkommen kann. Darüber hinaus wurde in Biomasse/Holz auch Cs-137, das bei Kernwaffentests und dem Tschernobyl-Unfall freigesetzt wurde, mit spezifischen Aktivitäten im Bereich 0,2 Bq/kg bis 2 Bq/kg gemessen.



Untersuchungsbefunde aus einem Biomassekraftwerk ergaben in einer Mischprobe aus Rostasche und Elektrofilterasche spezifische Aktivitäten von ca. 30 Bq/kg U-238, 50 Bq/kg Ra-226 und ca. 4 000 Bq/kg Pb-210 sowie ca. 500 Bq/kg Cs-137. Analoge Untersuchungsergebnisse aus einem anderen Biomassekraftwerk ergaben in Mischproben aus Elektrofilterasche und Zyklonasche spezifische Aktivitäten von ca. 50 Bq/kg U-238, Ra-226, 2 900 Bq/kg bis 4 900 Bq/kg Pb-210 und 300 Bq/kg bis 800 Bq/kg Cs-137. Deutlich geringere spezifische Aktivitäten wurden in der Rostasche des untersuchten Kraftwerks gefunden. Hier lagen die U-238, Ra-226 und Pb-210 Aktivitäten zwischen 10 Bq/kg und 50 Bq/kg, Cs-137 bei ca. 90 Bq/kg.



Unter Verweis auf Untersuchungen aus Norwegen stellte der Vortragende fest, dass die radiologischen Konsequenzen der Holzverbrennung bisher nicht vollständig ausgelotet sind und regte weitere Untersuchungen zur Verwertung von Aschen aus Biomasse an. Die Deponierung der möglicherweise radioaktiv kontaminierten Aschen bzw. ihre Verwertung (z.B. als Dünger im Wald) ist kritisch zu hinterfragen.



Der zweite Themenblock begann mit einem Vortrag von B. Hoffmann über den „Einfluss baulicher Energiesparmaßnahmen auf die Radonkonzentration in Innenräumen“. Durch die neuen Richtlinie 2013/59/Euratom vom 5. Dezember 2013 werden Regelungen zu Radon in Innenräumen getroffen und für Wohnungen, öffentlich zugängliche Gebäude und Arbeitsplätze in Gebäuden nationale Referenzwerte für die Radonkonzentration von maximal 300 Bq/m3 festgelegt. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, einen Radonaktionsplan aufzustellen, mit dem u. a. Radongebiete (radon prone areas) ausgewiesen werden und durch geeignete Anforderungen in den nationalen Bauvorschriften ein Radoneintritt bei neuen Gebäuden verhindert wird. Seit 2010 ist außerdem die EU-Richtlinie Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (2010/31/EU) in Kraft, die fordert, dass spätestens ab 2021 alle neu errichteten Gebäude Niedrigstenergiegebäude sind.



Das Thema Energiesparmaßnahmen in Gebäuden ist allerdings seit längerem ein Schwerpunkt im Zusammenhang mit der Energiepolitik. Das spiegelt sich in diversen rechtlichen Rahmenbedingungen, wie z.B. die Verordnungen über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden (Energieeinsparverordnung, EnEV, Directive on Energy Performance of Buildings – EPBD, Construction Products Regulation – CPR) und in einer Veränderung der Bauweisen von (Wohn-)Gebäuden wider. Bis 2050 soll es in Deutschland – gemäß den Klimaschutzzielen der Bundesregierung – einen klimaneutralen Gebäudebestand geben.



Von Seiten des Strahlenschutzes wurde im Zusammenhang mit diesen Energiesparmaßnahmen schon früh die These aufgestellt, dass die mit diesen Rahmensetzungen angestrebte Abdichtung der Gebäudehülle zum Anstieg der Radonkonzentration führt, die aktive Klimatisierung der Passivhäuser diesem Anstieg aber entgegenwirkt. Diese These wurde in verschiedenen Untersuchungen, die in Deutschland z.B. von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und dem BfS/BMUB gefördert wurden, aber auch in Untersuchungen in der Schweiz und in Tschechien geprüft.



Anhand von Beispielen von Einzelgebäuden, bei denen nach thermischen Sanierungen oder Neuerrichtung von Niedrigstenergiegebäuden Radonuntersuchungen ausgeführt wurden, erläuterte der Vortragende die Problematik und wies auf Faktoren hin, die die Radonkonzentration in Gebäuden beeinflussen können. In der Regel führen eine verbesserte Abdichtung gegenüber dem Baugrund, eine Abdichtung von Keller- und Geschossdecken und mechanische Lüftungsanlagen zu einer Verringerung der Radonkonzentration. Eine kellerlose Bauweise oder veränderte Kellernutzung, eine abnehmende Luftwechselrate, die Dämmung des Daches, aber auch „Luftbrunnen“ zur Erdwärmenutzung und die Nutzung von naturbelassenen Baustoffen wie Lehm führen zu einer Erhöhung der Radonkonzentration.



Untersuchungen aus verschiedenen europäischen Ländern (Österreich, Finnland, Schweiz), bei denen Radonkonzentrationen in Gebäuden den Zeiträumen der Errichtung dieser Gebäude zugeordnet wurden, zeigen nur in der Schweiz einen Anstieg der mittleren Radonkonzentrationen bei jüngeren Gebäuden. In Deutschland wurden in einer von der DBU geförderten Studie in den Jahren 2001 bis 2004 262 Wohnungen untersucht. Eine Zunahme der Radonkonzentration wurde bei ca. 30 % der Häuser festgestellt. Da die untersuchten Gebäude im Landkreis Aue-Schwarzenberg und damit in einem Gebiet mit intensivem Altbergbau auch auf Uran lagen, war die Repräsentativität der Studie eingeschränkt.



Um besser belastbare Erkenntnisse zu gewinnen, begann das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) im Januar 2012 eine Studie zur „Untersuchung des Einflusses baulicher Energieeinsparmaßnahmen auf die Radonkonzentration in Innenräumen“. Im Los 1 dieser Studie sollten 400 Häuser untersucht werden, um eine hinreichende Statistik zu erhalten. Trotz intensiver Bemühungen des Forschungsnehmers konnten aber nur ca. 170 Teilnehmer für die Untersuchung gewonnen werden. Die Untersuchungen wurden daher abgebrochen, die Messungen werden derzeit vom BfS durchgeführt. Im Los 2 der Studie werden bis Dezember 2014 noch 4 Einfamilienhäuser vor und nach einer thermischen Sanierung untersucht und die Entwicklung der Radonkonzentrationen modelliert.



Ziel aller Maßnahmen muss eine Optimierung zwischen Energieverbrauch einerseits und Radonkonzentration (und anderen Innenraumschadstoffen) andererseits sein. Dies kann zum Beispiel anhand einer Berechnung des notwendigen Volumenstroms an Frischluft für eine Zielkonzentration Radon bei gegebenem Luftwechsel und Volumen sowie eine Berechnung des Energieverbrauches nach der europäischen Norm EN ISO 13790:2008 erfolgen.



Der Vortrag „Treatment of NORM-contaminated flowback and produced water from shale gas exploration and production“ von D. Trivedi befasste sich mit der Radioaktivität im Zusammenhang mit der Fracking-Technologie.



Schiefergas wurde erstmals im Jahr 1821 aus den Marcellus-Schiefern in Pennsylvania/NY gewonnen. Seit ca. 2005 wird in den USA in großem Maßstab Schiefergas gefördert. Es wurden ca. 40 000 Gasbrunnen errichtet und derzeit werden ca. 23 % der gesamten US-Gasproduktion aus Schiefergas gewonnen. Es wird eingeschätzt, dass sich die weltweiten Vorkommen gewinnbarer Gasvorräte bei der Nutzung von Schiefergas um ca. 40 % erhöhen. Die nutzbaren Vorräte in Deutschland und Großbritannien werden mit 566 Mrd. m3 bzw. 227 Mrd. m3 angegeben. Damit könnte der nationale Bedarf für 6 Jahre bzw. 2 Jahre vollständig gedeckt werden.



Die Fracking-Technologie besteht in der Hochdruckinjektion von Wasser (mit Additiven), um einen Gasstrom aus impermeablen Gesteinen anzuregen. Typischerweise werden 10 000 m3 bis 20 000 m3 Wasser pro Bohrung zum Fracken benötigt. Davon werden 15 % bis 80 % innerhalb einiger Wochen als sogenannter „Flowback“ zurückgefördert. Darüber hinaus werden durch die Brunnen über die gesamte Betriebsdauer auch Formationswässer als „Produktionswasser“ zutage gefördert.



Schiefer enthalten häufig höhere Uran- und Thoriumgehalte als poröse Speichergesteine von Erdgas. Sie führen darüber hinaus salinare Lagerstättenwässer, in denen Ra-226 deutlich besser gelöst wird als Uran und Thorium. Die Radiumkonzentrationen sind proportional zum Salzgehalt und können bis zu mehreren 100 Bq/l reichen. Wird das Lagerstättenwasser zutage gefördert, kann Radium mit Barium, Strontium und Kalzium mitgefällt werden und bildet dann sogenannte NORM-Scales.



Materialien mit natürlich vorkommenden Radionukliden (NORM) unterliegen in Großbritannien nur dann einer regulatorischen Kontrolle/Überwachung, wenn sie aus rechtlich benannten industriellen Aktivitäten (NORM-Industrien) stammen und die spezifische Aktivität der dort vorliegenden Materialien oberhalb von Schwellenwerten liegt. Die Schwellenwerte für „out of scope“ wurden basierend auf einer Dosisschwelle von 0,3 mSv/a ermittelt und liegen für wässrige Flüssigkeiten/Fluide zwischen 0,1 Bq/l (Po-210, Ac-227+, Ra-228+) und 10 Bq/l (U-238+). Die Summenregel ist anzuwenden. Das – in stark salzhaltigen Fluiden in beträchtlichem Maße enthaltene – K-40 ist nicht eingeschlossen und bleibt daher außer Betracht.



Die in Großbritannien rechtlich benannten industriellen Aktivitäten enthalten das Bohren von Fördersonden nicht. Bohrklein und andere Bohrabfälle sind daher außerhalb des Regelungsbereiches des Strahlenschutzes und unterliegen dem Abfallrecht unabhängig von ihrer Radioaktivität. Allerdings ist es das Ziel von Fracking, Erdgas zu produzieren, und Erdgasgewinnung ist eine benannte NORM-Industrie. Daher fällt das Management des Flowbacks in den Geltungsbereich der Strahlenschutzregelungen und erfordert eine Erlaubnis, wenn die Aktivitätskonzentrationen oberhalb der Freigrenzen liegen. Diese Freigrenzen wurden allerdings unter Bezug auf eine potenzielle Dosis von 10 µSv/a festgelegt. Sie liegen bei 0,001 Bq/l für Po-210, Pb-210, Ac-228 und bei 0,01 Bq/l für Ra-226 und Ra-228. Sie werden bei natürlichen Wässern praktisch stets überschritten, insbesondere, da die Summenregel anzuwenden ist. Ziel für wässrige Ableitungen aus NORM-Industrien ist es daher, die Konzentrationen so gering zu halten, dass die Schwellenwerte „out of scope“ eingehalten sind. Werden diese Schwellen überschritten, ist eine Erlaubnis zur Entsorgung erforderlich.



In Anbetracht mehrerer Milliarden m3 an Produktionswasser mit einigen hundert TBq, die bei der Erschließung und Nutzung einiger großer Gas- und Ölfelder in Großbritannien anfallen können, gibt es einen erheblichen Bedarf an langfristigem Management dieser Wässer. Benötigt werden geeignete Technologien für eine Entsorgung von behandeltem Wasser, Entsorgungsanforderungen für Abfälle und Anforderungen an den Durchsatz von Anlagen. Die Technologien müssen einen vorgegebenen Dekontaminationsfaktor erreichen, sie müssen robust sein und der von ihnen produzierte Abfall muss (chemisch und mechanisch) stabil sein. Die Ableitungen müssen die gesetzlichen Schwellenwerte einhalten.



Am Beispielfall Preese Hall zeigte der Vortragende, welche Konsequenzen diese Randbedingungen haben. So ergibt sich aus den Wasseranalysen ein nötiger Dekontaminationsfaktor von mindestens 90. Andererseits sollte die Anreicherung der abgetrennten Radionuklide in den durch die Dekontamination erzeugten Abfällen nicht zu hoch sein, da nur wenige Anlagen in Großbritannien NORM-Abfall annehmen, der nicht von den Anforderungen des Strahlenschutzes freigestellt ist. Die Entsorgungskosten dieser Anlagen sind sehr hoch. Es wird daher angestrebt, dass feste Abfälle aus einer Wasserbehandlung von Anforderungen des Strahlenschutzes freigestellt sind. Feste Abfälle aus NORM-Industrien mit Aktivitätskonzentrationen unter 5 Bq/g können in Gesamtmengen bis 50 GBq pro Jahr auf Deponien beseitigt werden. Mehr als 50 GBq pro Jahr können beseitigt werden, wenn durch eine einzelfallbezogene Dosisabschätzung die Einhaltung der Dosisschwelle gezeigt werden kann. Die Abfälle mit weniger als 5 Bq/g können auch in Mengen bis 100 GBq pro Jahr in Verbrennungsanlagen entsorgt werden.



Abfälle aus NORM-Industrien mit bis zu 10 Bq/g können ebenfalls auf Deponien beseitigt werden, wenn durch eine einzelfallbezogene Dosisabschätzung die Einhaltung der Dosisschwelle gezeigt werden kann, allerdings nicht, wenn der Abfallbesitzer über eine Erlaubnis zur Handhabung von Abfall mit mehr als 10 Bq/g verfügt. In solchem Fall und bei einer Überschreitung der Aktivitätsschwelle von 10 Bq/g ist nur noch die Entsorgung in einer speziell zugelassenen Entsorgungsanlage möglich. Die beurteilungsrelevante NORM-Konzentration ist die Summe der Aktivitätskonzentrationen der Radionuklide der Uran-Zerfallsreihen (U-238, U-235) und der Th-232-Zerfallsreihe, die die jeweils höchste Aktivität aufweisen. Für NORM-Scales der Öl- und Gasindustrie ist das in der Regel Ra-226 + Ra-228.



Mögliche Technologien zur Dekontamination von Produktionswasser und Flowback sind Ionenaustausch, Eindampfen, chemische Fällung und Umkehrosmose. Da Radium in salinaren Lösungen stark an Barium gekoppelt ist und nicht so sehr an Strontium und Kalzium, kann es durch Mitfällung mit BaSO4 aus solchen Lösungen entfernt werden. Befinden sich mehr als 1 mg/l Barium in der Lösung, können durch Mitfällung bis zu 1 000 Bq/l Ra-226 entfernt werden. Auf dieser Grundlage wurden durch das National Nuclear Laboratory (NNL) modular aufgebaute Fällungsanlagen entwickelt, die einen Durchsatz von 0,5 m3 pro Stunde besitzen, transportabel sind und an spezifische Eigenschaften einer zu behandelnden Lösung angepasst werden können. Ein Erfahrungstransfer zur Behandlung von Fracking-Wasser ist möglich.



Die Nutzung neuer Energien, aber auch andere moderne Technologien erfordern den Einsatz neuer Materialien. In einer globalisierten Welt sind die damit verbundenen Produktionsprozesse weltweit verteilt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit die mit der Nutzung neuer Energien verbundenen Technologien mit Strahlenexpositionen verbunden sind und wie eine Strahlenexposition in fernen Regionen politisch transparent dargestellt werden kann. Zu diesem Themenkreis stellten G. Schmidt und R. Gellermann in ihrem Vortrag „Kernenergie vs. Windenergie: Reale Dosisbelastungen und virtuelle Dosis“ Überlegungen vor. Im ersten Teil des Vortrags diskutierte G. Schmidt Möglichkeiten zur Bemessung von Strahlenexpositionen, die im gesamten Lebenszyklus eines Produktes auftreten. Er stellte fest, dass nur Kollektivdosiswerte ein aussagefähiges Maß für Gesamtauswirkung einer Produktionskette liefern.



Um tatsächlich aussagefähige Kenngrößen zu ermitteln, ist es nötig, alle relevanten Wirkungen in Raum und Zeit zu berücksichtigen. Ein „Abschneiden“ von Expositionen ist nur statthaft, wenn ihr Wirkbeitrag vergleichsweise zu anderen Beiträgen vernachlässigbar ist. Bei der Angabe von Ergebnissen sind die Rangebenen mit zu benennen. Bezogen auf die Energieproduktion ist es außerdem sinnvoll, die auch von UNSCEAR genutzten normierten Angaben in manSv/GWa für Vergleiche heranzuziehen. Obwohl alle solche Kollektivdosismodellierungen mit erheblichen Unsicherheiten (über ein bis zwei Größenordnungen) behaftet sind, ist es möglich, Unterschiede auszuweisen.



Als erstes Fallbeispiel betrachtete G. Schmidt die Kernenergieerzeugung. Die Dosen aus der Kernbrennstofferzeugung („cradle“) wurden von UNSCEAR bereits zu Beginn der 1990er Jahre abgeschätzt. Die lokale Kollektivdosis wurde mit ca. 1,8 manSv/GWa angegeben, die globale Kollektivdosis kann bei unwirksamer Abdeckung der Tailings bei ca. 150 manSv/GWa liegen (UNSCEAR 1993). Beiträge aus dem Reaktorbetrieb liegen bei etwa 2 manSv/GWa und Beiträge aus der Wiederaufarbeitung bei ca. 60 manSv/GWa bis 80 manSv/GWa, jeweils Emissionen über Luft und Wasser. Eine eigene Abschätzung von Beiträgen aus der Endlagerung („grave“) bezog Dosisbeiträge aus Langzeitsicherheitsanalysen für Endlagerprojekte in Belgien, der Schweiz und Frankreich sowie den USA ein. Die zur Errechnung von Kollektivdosen benötigte Anzahl von Personen wurde aus den Standorteigenschaften abgeschätzt; die Dosis wurde über 1 Mio. Jahre integriert. Als energiebezogene Kollektivdosis wurden 8,8 manSv/GWa ermittelt. In der Summe über den gesamten Lebenszyklus errechnen sich Kollektivdosen von minimal 10 manSv/GWa bis maximal einigen 100 manSv/GWa.



Anschließend präsentierte G. Schmidt ein Fallbeispiel zur Ermittlung einer radiologischen Ökobilanz für Stromerzeugung aus Windkraft. Hier sind Dosisbeiträge aus der Brennstoffversorgung und -entsorgung, von Errichtung und Betrieb sowie aus Rückbau und Entsorgung gleich Null. Bei der Gewinnung und Aufbereitung von Seltenen Erden, die zur Herstellung von Neodym/Praseodym-Permanentmagneten benötigt werden, die in getriebelosen Windturbinen (und nur diesen!) eingesetzt werden, kommt es allerdings zu Strahlenexpositionen, da Neodym/Praseodym in allen Lagerstätten immer mit Thorium und Uran vergesellschaftet ist. Bei der Aufbereitung von Seltenen Erden fallen daher radiologisch relevante Rückstände (Mill Tailings) an.



Am Beispiel einer Seltene-Erden-Produktion in Kuantan/Malaysia wurden die bei diesem Prozessschritt möglichen Kollektivdosen analysiert. Durch das Unternehmen Lynas werden dort australische Erze durch Behandlung mit Schwefelsäure aufgeschlossen und anschließend daraus die Wertstoffe abgetrennt. Zur Entsorgung der Rückstände gibt es die Optionen Rücktransport nach Australien, Deponierung, Verwendung im Straßenbau, Verwendung im Küstenschutz. Vor allem bei den Optionen mit Verwendung der Rückstände des schwefelsauren Aufschlusses im Straßenbau kommt es zu potenziellen Strahlenexpositionen. Dazu soll der gesamte Rückstand im Mix 1+6 vermischt und mit anderen Zuschlagstoffen in mehr als 1 000 km Straßen eingebaut werden. Die Dosis hängt davon ab, ob diese Straßen innerstädtische Straßen sind oder Überlandstraßen und Autobahnen (Freeway) und ob ggf. Teile des Materials ungeplant auch im Büro- und Hausbau verwendet werden.



Ein besonderes methodisches Problem ergibt sich daraus, dass Lynas überwiegend Ceroxid produziert und Nd/Pr nur ein Produkt unter vielen ist. Folglich kann nicht die gesamte Dosis ausschließlich der Nd/Pr-Produktion mit einer Nutzung in Windkraftanlagen zugeordnet werden. Wird dieser Sachverhalt vernachlässigt, so wird die auf die Energieproduktion bezogene Dosis erheblich überschätzt. Eine Aufteilung der Dosis kann aber nach anteiliger Masse oder auch nach anteiligem Preis vorgenommen werden. Beide Aufteilungen beeinflussen das Ergebnis in einer spezifischen Weise, sind aber in jedem Fall realistischer als eine alleinige Zuordnung aller Kollektivdosen zur Erzeugung von Windenergie.



Die Ergebnisse für die Erzeugung von Strom aus Windkraft mit Nd/Pr-Turbinen bei Aufteilung der Dosen nach den Massenanteilen der Produktion führen auf ca. 8 manSv/GWa beim Szenario „Innenstadtstraßen“, auf ca. 0,3 manSv/GWa im Szenario „Freeway“ und auf ca. 15 manSv/GWa bei einer unkontrollierten Verwertung oder Beseitigung. Die Dosisbeiträge könnten aber weitgehend vermieden werden, wenn die Tailings nicht verwertet würden.



G. Schmidt leitete aus diesen Ergebnissen ab, dass Strahlenexpositionen auch bei Nutzung regenerativer Energieformen auftreten können, ein Vergleich von Strahlenexpositionen über normierte Kollektivdosen bei unterschiedlichen Energieformen über eine LCA (Life Cycle Assessment) möglich ist, in der Planungsphase die Kollektivdosen aber von zahlreichen Optionen und Entscheidungen abhängig sind. Unabhängig davon sind LCAs ein sinnvolles Instrument zur Identifizierung der Umweltrelevanz von Kettengliedern bei der Herstellung von Produkten.



An diese Ausführungen knüpfte R. Gellermann an und wies darauf hin, dass in den beiden zuvor präsentierten Beispielfällen Strahlenexpositionen nicht nur in demjenigen Land auftreten, in dem die eigentliche Stromerzeugung erfolgt. Um die politische Wahrnehmung dieses Sachverhaltes zu fördern, bietet sich die Einführung spezieller Termini an. Im Zusammenhang mit dem Verbrauch von Wasser, hat der englische Geograf J. A. Allan im Jahr 1995 den Term „Virtuelles Wasser“ eingeführt, um die Wassermenge zu benennen, die nach einer ganzheitlichen Bilanz einer Wertschöpfungskette tatsächlich zur Herstellung eines Produktes nötig ist. Damit wird auch der Wasserverbrauch zur Herstellung eines Produktes im Ausland „sichtbar“. Um den analogen Sachverhalt bei Strahlenexpositionen transparent und einfacher kommunizierbar zu machen, schlug er vor, die auf eine Produkteinheit normierte Kollektivdosis, die zur Herstellung, Anwendung und Entsorgung eines Produktes anfällt als „Total Product Dose“, den Teil der „Total Product Dose“, der außerhalb des eigenen staatlichen Hoheitsgebietes (der Konsumenten) anfällt als „Virtuelle Dosis“ zu bezeichnen.





3 Schlussfolgerungen



Die Klausurtagung hat gezeigt, dass die Energiewende sowohl im Bereich nichtionisierender Strahlung als auch im Bereich ionisierender Strahlung eine Vielzahl komplexer Auswirkungen hat. Diese machen Bewertungen aus der Sicht des Strahlenschutzes erforderlich.



Im Bereich der nichtionisierenden Strahlung betrifft dies das Auftreten magnetischer und elektrischer Gleichfelder, teilweise in Kombination mit Wechselfeldern, die zu erwartende Erhöhung der Immissionen im Bereich der Übertragungsnetze und das weit verbreitete Auftreten elektromagnetischer Immissionen von drahtgebundenen (Power Line Communication) und drahtlosen Datenübertragungssystemen (Smart Meter, Smart Grid) auch in bisher wenig genutzten Frequenzbereichen sowie den Einzug vielfältiger neuer elektromagnetischer Endgeräte im Wohnbereich (Smart Meter, Smart Home). Zu bewerten sein wird also das komplexer und multifrequenter werdende Expositionsszenario, nicht zuletzt durch die immer häufigere Anwendung elektronischer Wechselrichter bei den vielfältigen Aufgaben der elektrischen Energiewandlung. Die Zunahme der Elektromobilität führt auch zu spezifischen Fragen des Strahlenschutzes, z.B. des Schutzes von Insassen und/oder Unbeteiligten vor starken Streufeldern von Ladestationen sowie die verstärkte Nutzung bisher lastschwacher Tageszeiten für Lade- und Rückspeisevorgänge von Autobatterien.



Expositionssituationen durch ionisierende Strahlung entstehen in Deutschland durch Anlagenkontaminationen und Abfälle mit Materialien radiologischer Relevanz bei der Nutzung der tiefen Geothermie, evtl. auch durch Aschen aus der Verbrennung von Biomasse. Beim Fracking als einer neuen Technologie zur Gewinnung fossiler Energierohstoffe kommt es durch deutlich höhere Mengen an zu entsorgendem Wasser (Flowback) zu neuen radiologischen Herausforderungen. Die Produktion von Windenergie mit Generatoren, die Nd/Pr-Permanentmagnete enthalten, führt zu Strahlenexpositionen in den Betrieben der Selten-Erden-Produktion, derzeit grundsätzlich im Ausland.



Die Exposition durch nichtionisierende elektromagnetische Felder wird durch die aufgezeigten Szenarien bei der Energiewende verändert. Die SSK leitet hieraus die Notwendigkeit des Monitorings zugehöriger Technologien und die Identifikation kritischer Expositionsszenarien, z.B. im Zusammenhang mit der Elektromobilität, ab. Die Analyse und Bewertung ist aus Sicht des Strahlenschutzes vorzunehmen und bei verbleibenden Fragestellungen durch entsprechende Forschung zu ergänzen.



Für den Bereich der ionisierenden Strahlung weist die SSK darauf hin dass:



bei allen Formen der Nutzung oder Förderung tiefer salinarer Wässer Strahlenschutzaspekte zu prüfen und ggf. zu berücksichtigen sind,


Untersuchungen zur Radionuklidanreicherung bei der Biomasseverbrennung nach weiterer Prüfung der Relevanz dieses Sachbereiches für strahlenschutzfachliche Regelungen weiterzuführen sind und insbesondere zu prüfen ist, ob die Wartung von Heizkesseln ähnlich wie bei Kohlekraftwerken, zu radiologisch relevanten Expositionssituationen führt,


der mögliche Anstieg von Radonkonzentrationen als Folge von energetischer Sanierung oder des Baus von Niedrigstenergiehäusern durch neue geeignete Untersuchungen repräsentativ zu klären ist sowie


mittelfristig Forschung zu radiologischen Ökobilanzen (Life-Cycle-Assessments) zu fördern ist.




Referenten:



Dr. Brüggemeyer, Hauke
Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz



Dr. Degering, Detlev
Verein für Kernverfahrenstechnik und Analytik Rossendorf e.V. (VKTA)



Dembowski, Klaus
Technische Universität Hamburg-Harburg



Dr. Dörnemann, Christoph
Amprion GmbH



Feige, Sebastian
Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) mbH



Dr. Gellermann, Rainer
Nuclear Control & Consulting GmbH



Prof. Dr. Glasberg, Ronald
SRH Hochschule Berlin



Hagenberg, Stefan
Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen



Dr. Hoffmann, Bernd
Bundesamt für Strahlenschutz (BfS)



Kirchhof, Jörg
Fraunhofer IWES Kassel



Dr. Köhler, Matthias
Verein für Kernverfahrenstechnik und Analytik Rossendorf e.V. (VKTA)



Kurz, Thomas
Bayerisches Landesamt für Umwelt, Hof/Saale



Prof. Dr. Lehnert, Ralf
Technische Universität Dresden



Prof. Dr. Leitgeb, Norbert
Technische Universität Graz



Linßen, Jochen
Forschungszentrum Jülich GmbH, IEK-STE



Schmidt, Gerhard
Öko-Institut e.V.



Schulz, Hartmut
IAF – Radioökologie GmbH



Dr. Trivedi, Divyesh
National Nuclear Laboratory (NNL) UK



Dr. Weiß, Dietmar
Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) mbH



Dr. Weiss, Wolfgang



Prof. Dr. Wolff, Ingo
Institut für Mobil- und Satellitenfunktechnik (IMST) GmbH