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BMVBS-20051031-SF-A001.htm

Zum Hauptdokument : Präsidialverfügung zur "Freistellung von Bahnbetriebszwecken" (§ 23 Allgemeines Eisen-bahngesetz (AEG)) und zu Fragestellungen in Verbindung mit dem kommunalen Planungsrecht



Anlage 1 der Präsidialverfügung
„Freistellung von Bahnbetriebszwecken“ (§ 23 AEG)
vom 31.10.2005, Az.: Pr.2320 Paw 2005





Exkurs 1: 
Unbestimmte Rechtsbegriffe des § 23 Abs. 1 AEG wie z.B. „Verkehrsbedürfnis“ und „langfristig nicht mehr zu erwartende“ Nutzung
a.)
Kein Verkehrsbedürfnis
Ein Verkehrsbedürfnis darf derzeit und auch auf absehbare Zeit nicht mehr bestehen. Dies ist der Fall, wenn hinreichend verfestigte Planungen für den Eisenbahnverkehr fehlen.
Hinreichend verfestigte Fachplanungen liegen in der Regel mit der Auslegung der Planunterlagen vor.
Je nach den Umständen des Einzelfalles kann nach der Rechtsprechung schon vor Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens eine Verfestigung bestimmter fachplanerischer Ziele eintreten. Dies kann z. B. bei gestuften Planungsvorgängen mit verbindlichen Vorgaben für die nachfolgende Planungsebene möglich sein.


In den folgenden Fällen kann sich die Frage stellen, ob bereits eine hinreichend verfestigte eisenbahnrechtliche Fachplanung vorhanden ist, die einer Freistellung entgegenstehen kann:




(1) Gesetzliche Bedarfsplanung
Im Bedarfsplan stellt der Gesetzgeber mit bindender Wirkung für die eisenbahnrechtliche Planfeststellung den Verkehrsbedarf für ein bestimmtes Neubau- bzw. Ausbauvorhaben für Schienenwege des Bundes fest.


Die nähere Konkretisierung der Neubau- und Ausbauvorhaben erfolgt schrittweise in den nachfolgenden Planungsstufen, d.h. im Raumordnungsverfahren, sofern ein solches durchzuführen ist und schließlich im Planfeststellungsverfahren. Das bedeutet, dass allein die Aufnahme eines Neubau- oder Ausbauvorhabens in den Bedarfsplan der Freistellung einer Fläche von Bahnbetriebszwecken mangels hinreichender Konkretisierung nicht entgegen steht. Es sei denn, es liegt bereits eine hinreichend verfestigte Planung für einen Schienenweg bzw. eine Eisenbahninfrastruktur vor.


Gleiches gilt für Neubau- und Ausbauvorhaben von Schienenwegen in den ÖPNV – Bedarfsplänen. Die Ausweisung als möglicher späterer oder weiterer Bedarf oder eine bloße Absichtserklärung hinsichtlich der Aufnahme eines Schienenweges oder einer Eisenbahninfrastruktur in die Bedarfsplanung sind nicht ausreichend.




(2) Raumordnungsverfahren
Ergebnis des Raumordnungsverfahrens ist die günstigste Trassenführung eines Schienenweges im Rahmen des vom Bundesverkehrswegeplans vorgegebenen Trassenkorridors, die der späteren konkreten Planung des Schienenweges zugrunde gelegt wird. Diese konkrete Planung wird dann zur Planfeststellung eingereicht.


Ein Raumordnungsverfahren kann bereits vor Auslegung der Planunterlagen im Planfeststellungsverfahren eine hinreichend verfestigte Planung darstellen, wenn Zwangspunkte z. B. aufgrund der Topographie oder einer städtischen Umgebung bei der Trassenführung bestehen, bei denen sich auch später im Planfeststellungsverfahren keine alternativen Trassen aufdrängen.


Eine hinreichend verfestigte Planung aufgrund eines Raumordnungsverfahrens kann z. B. verneint werden, wenn sich die freizustellende Fläche innerhalb des noch nicht parzellenscharf vorgegebenen Trassenkorridors befindet und durch die Freistellung der Fläche noch hinreichend Raum für die Eisenbahntrasse besteht.




(3) Landes-/Regionalplanung
Die Ziele der Raumordnung bleiben durch die Freistellung von Bahnbetriebszwecken unberührt und sind weiter zu beachten.
Den Trägern der Landes- und Regionalplanung bleibt es unbenommen, im Rahmen ihrer Zuständigkeit entsprechende Flächen als „Eisenbahnstrecke“ auszuweisen bzw. festzulegen und insbesondere an einem bestehenden Plan festzuhalten. Die Betriebsanlageneigenschaft sowie die Aufrechterhaltung der Zweckbestimmung der Fläche zu Bahnbetriebszwecken sind hierfür jedoch keine Voraussetzung.




b.)
„langfristig“ keine Nutzung im Rahmen der Zweckbestimmung
Das Wort „langfristig“ ist im Sinne von auf lange Zeit, nahe zu „auf Dauer“ auszulegen.
Im folgenden Fall kann sich die Frage einer weiteren Nutzung im Rahmen der Zweckbestimmung stellen:


Netzzugang von Eisenbahnverkehrsunternehmen:
Eisenbahnverkehrsunternehmen haben einen Anspruch auf Zugang zur bestehenden öffentlichen Eisenbahninfrastruktur, § 14 AEG. Solange zwischen diesen Verkehrsunternehmen und einer Eisenbahn des Bundes ein Vertrag über einen Netzzugang besteht, kann eine Freistellung von Bahnbetriebszwecken für eine Fläche nicht erfolgen, wenn sie von diesem Vertrag umfasst ist. Bloße Absichtserklärungen, eine bestimmte Eisenbahninfrastruktur nutzen zu wollen, stehen einer Freistellung nicht entgegen.


Bestehen bereits Netzzugangsverhandlungen oder ist ein Netzzugangsverfahren beim Eisenbahn-Bundesamt anhängig, so ist das Freistellungsverfahren auszusetzen, bis das Ergebnis der Verhandlung oder des Netzzugangsverfahrens abzusehen ist. Andernfalls wird der Netzzugang mit der Freistellung von Bahnbetriebszwecken unmöglich gemacht.




Exkurs 2:  
Differenzierung zwischen Freistellung von Bahnbetriebszwecken und Stilllegungsentscheidung nach § 11 AEG
Die Stilllegung nach § 11 AEG dient der Entbindung von der durch die Genehmigung nach § 6 AEG begründeten Betriebspflicht, wohingegen die Freistellung von Bahnbetriebszwecken das Fachplanungsrecht für eine Fläche entfallen lässt.
Beide Rechtsinstitute sind strikt voneinander zu trennen. Sofern sich auf der Freistellungsfläche Betriebsanlagen befinden, die den Regelungen des § 11 AEG unterliegen, ist die Stilllegung dieser Anlagen Mindestvoraussetzung für die Freistellung.


Jedoch kann allein aus der Stilllegung nicht auf die Freistellbarkeit der Betriebsanlagen geschlossen werden, da die Stilllegung vorübergehend und/oder lediglich aus wirtschaftlichen Gründen erfolgen kann. Nur nach endgültiger Preisgabe der Anlage für andere Zwecke als den Bahnbetrieb ist eine Freistellung von Bahnbetriebszwecken möglich und zulässig.


Sofern die zwingende Differenzierung zwischen Stilllegung und Freistellung von Bahnbetriebszwecken nicht beachtet wird, würde durch einen Freistellungsbescheid nicht nur die Stilllegung einer entsprechenden Infrastruktur bewirkt, sondern gleichzeitig auch die Konzession des Eisenbahninfrastrukturunternehmens für den freizustellenden Teil der Infrastruktur eingezogen. An diesem Beispiel und seinen Rechtsfolgen wird deutlich, dass es einer strikten Unterscheidung der Freistellung von Bahnbetriebszwecken nach § 23 AEG und dem in § 11 AEG normierten Stilllegungsrecht bedarf.




Exkurs 3:  
Übergang von einer Eisenbahn des Bundes auf eine nichtbundeseigene Eisenbahn (NE)
Der Übergang einer Strecke von einer Eisenbahn des Bundes auf eine nichtbundeseigene Eisenbahn und umgekehrt berührt das Fachplanungsprivileg nicht, da eine Anlage hierdurch lediglich ihre Bestimmung als „Betriebsanlage einer Eisenbahn“ erhält. Diese Bestimmung ist unabhängig vom zivilrechtlichen Eigentum und der Trägerschaft. Es ist daher weder eine Freistellung von Bahnbetriebszwecken noch ein öffentlich-rechtlicher Vertrag erforderlich.


Der Wechsel der Eisenbahninfrastruktur ist im Rahmen eines Aktenvermerks festzuhalten und der mit dem Wechsel zuständigen Behörde der Übergang der Eisenbahninfrastruktur mitzuteilen, damit diese ihren Aufsichts- und Genehmigungspflichten nachkommen kann.




Exkurs 4:  
Abgrenzung zwischen dinglicher Sicherung einer Bahnfläche einerseits und Fachplanungsrecht andererseits
Zur Sicherung von Betriebsanlagenteilen wie z.B. Leitungen (untergeordnete Bahnrestnutzungen) wird von Seiten der Verwertungsgesellschaften immer wieder
gefordert, dass u.a. die Betretungs- und Wartungsrechte entweder durch Bestellung einer Grunddienstbarkeit gem. §§ 1018 ff. BGB oder durch Bestellung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit gem. § 1090 BGB zugunsten der DB AG und des Bundes (EBA) sichergestellt werden mit der Konsequenz, dass die betroffenen Flächen aufgrund dieser




zivilrechtlichen Sicherung vom Bahnbetrieb freigestellt werden.

Übersehen wird dabei, dass ausschließlich zivilrechtliche Verpflichtungen begründet werden, die das Fachplanungsprivileg nicht ersetzen können. Solange eisenbahnbetriebsbezogene Bahnnutzungen, egal in welcher Größenordnung, vorhanden und zur Erbringung des Eisenbahnverkehrs erforderlich sind, liegen bereits die Tatbestandsvoraussetzungen - in Form der Freistellbarkeit - für eine Freistellung von Bahnbetriebszwecken nicht vor.


Häufig argumentieren die Verwertungsgesellschaften an dieser Stelle mit der sog. Baulast, wonach der Grundstückseigentümer durch Erklärung gegenüber der Baurechtsbehörde eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zu einem sein Grundstück betreffendes Tun, Dulden oder Unterlassen übernimmt. Die Baulast wird in einem entsprechenden öffentlichen Register geführt. Jedoch ändert auch dieses Rechtsinstitut nichts an der Tatsache, dass bereits die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Freistellung von Bahnbetriebszwecken nicht erfüllt sind.


Da dingliche Sicherungen für den privatrechtlichen Bereich grundsätzlich ein geeignetes Mittel sind, um den tatsächlichen Bestand einzelner Anlagenteile gegenüber dem Grundstückserwerber sicher zu stellen, bleibt es den Gesellschaften freigestellt, zusätzlich eine dingliche Sicherung einzutragen.


Somit führt weder die dingliche Sicherung noch die öffentliche Baulast zu einer wirklichen Verbesserung der Verwertbarkeit und Nutzbarkeit der Bahngrundstücke, da bei betriebsnotwendigen Flächen/Anlagen immer das Fachplanungsrecht besteht.


Folglich ist es notwendig, eine Entwicklungs- und Vermarktungsstrategie für die mit betriebsnotwendigen Bahnanlagen durchzogenen Flächen zu entwickeln, die mit dem Fachplanungsrecht in Einklang steht.