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BMUB-RSII3-20151218-SF-A002.htm

Zum Hauptdokument : Vollzug der Strahlenschutzverordnung; hier: Strahlenschutzmaßnahmen bei der Anwendung von Xofigo



Anlage 2



Stellungnahme des BfS
zu Strahlenschutzmaßnahmen bei der Anwendung
von Xofigo am Menschen





1.
Einleitung


Xofigo (223RaCl2), ehemals Alpharadin, ist ein Radiopharmakon, das für die palliative Behandlung von Knochenmetastasen bei Patienten mit kastrationsresistentem Prostatakarzinom zugelassen ist.



223Ra ist ein Alphastrahler (Halbwertszeit (HWZ) 11,4 Tage), der über die kurzlebigen Radionuklide 219Rn (Alphastrahler, HWZ 3,96 Sekunden), 215Po (Alphastrahler, HWZ 1,78 Millisekunden), 211Pb (Betastrahler, HWZ 36,1 Minuten), 211Bi (Alphastrahler, HWZ 2,14 Minuten) und 207Tl (Betastrahler, HWZ 4,77 Minuten) zum stabilen 207Pb zerfällt.



Xofigo kann nach Herstellerangaben bei der Herstellung verunreinigt sein mit bis zu 0,004 % 227Ac (Betastrahler, HWZ 21,8 Jahre) und bis zu 0,5 % 227Th (Alphastrahler, HWZ 18,7 Tage). Zum Ende der Verfallsdauer (28 Tage nach Herstellung), können diese Anteile angestiegen sein auf bis zu 0,022 % für 227 Ac bzw. 0,97 % für 227Th.



Im Mai 2015 informierte Bayer Health Care über die Neubewertung des NIST-Standard-Referenzmaterials. Demnach ergibt sich für die Aktivität von 223Ra nominal eine um 10 % höhere Aktivität. Konservativ wurde im Folgenden unterstellt, dass auch für die möglichen Verunreinigungen 227Ac und 227Th um 10 % höhere Aktivitäten anzusetzen sind.



Nach der Dosierungsanordnung des Herstellers wird Xofigo sechsmal in vierwöchigem Abstand mit einer Aktivität von je 55 kBq 223Ra pro kg Körpergewicht injiziert. Xofigo wird geliefert in einer Durchstechflasche mit 6 ml Injektionslösung und einer Aktivität von 6,6 MBq 223Ra.



2.
Notwendigkeit einer regelmäßigen Inkorporationsüberwachung


Eine regelmäßige Inkorporationsüberwachung ist nach der Richtlinie für die physikalische Strahlenschutzkontrolle zur Ermittlung der Körperdosen, Teil 2: Ermittlung der Körperdosis bei innerer Strahlenexposition (Inkorporationsüberwachung), RiPhyKo, vom 12.1.2007, notwendig, wenn die Inhalation der maximal möglichen inkorporierbaren Aktivität in einem Kalenderjahr eine effektive Dosis von 1 mSv erreichen bzw. übersteigen kann. Dabei ist die maximal inkorporierbare Aktivität zu berechnen aus der gehandhabten Aktivität und einem geeigneten Inkorporationsfaktor (dem relativen Anteil der Arbeitsplatzaktivität, der potenziell inkorporiert werden kann).



Inkorporationsfaktoren für Tätigkeiten in der Nuklearmedizin wurden bestimmt in einer Empfehlung der Leitstelle Inkorporationsüberwachung des BfS für die Anwendung der Richtlinie für die Inkorporationsüberwachung in der Nuklearmedizin. Für Standardbehandlungen mit radioaktiven Arzneimitteln wird dort ein Inkorporationsfaktor von 10-7 empfohlen.



Beim Umgang mit der Aktivität einer Durchstechflasche (6,6 MBq) ergibt sich mit diesem Inkorporationsfaktor und der Standardannahme einer Teilchengröße mit dem AMAD 5 μm eine effektive Dosis von 3,8 μSv für 223Ra, sowie maximal 0,049 μSv für 227Th und 0,091 μSv für 227Ac, insgesamt also 3,9 μSv. Daraus folgt, dass eine regelmäßige Inkorporationsüberwachung beim jährlichen Umgang von mehr als etwa 250 Durchstechflaschen à 6,6 MBq Xofigo-Lösung notwendig ist. Diese Anzahl kann sich erhöhen für Personen, die nur mit bestimmten Arbeitsschritten mit niedrigeren Aktivitäten betraut sind. Weiterhin kann durch geeignete Strahlenschutzmaßnahmen, wie z.B. der Verwendung von Abzügen, die Anzahl um den Faktor 10 erhöht werden.



Für die möglichen Verunreinigungen mit 227Ac und 227Th ist eine regelmäßige Inkorporationsüberwachung nicht notwendig, da dafür der jährliche Umgang mit mehr als 10.000 Durchstechflaschen mit Xofigo-Lösung notwendig wäre.



Eine zusätzliche interne Strahlenexposition entsteht in Folge der Exhalation des sehr kurzlebigen 219Rn (Halbwertszeit 4 Sekunden) durch die in der Luft entstehenden Folgeprodukte, insbesondere durch 211Pb und 211Bi.



Nach den biokinetischen Modellen der ICRP-Publikation 67 werden im Blut gebildete Radonisotope mit einer biologischen Halbwertszeit von 42 Sekunden ausgeatmet. Radonisotope, die im Weichgewebe oder an den Knochenoberflächen entstehen, werden mit einer biologischen Halbwertszeit von 10 Minuten ins Blut transferiert und von dort wie oben beschrieben ausgeatmet. Daraus folgt, dass 219Rn insbesondere kurz nach Applikation von Xofigo, wenn 223Ra noch im Blut ist (nach ICRP-Publikation 67 mit einer biologischen Halbwertszeit von 14 Minuten) exhaliert werden kann und dessen Folgeprodukte sich in der Atemluft anreichern können.



Mit den biokinetischen Modellen der ICRP-Publikation 67 und der Annahme, dass Beschäftigte sich 10 Minuten im Raum (40 m3, Luftaustauschrate konservativ 0,5/h) des Patienten aufhalten, ergibt sich für die Beschäftigten eine effektive Dosis von 0,87 μSv kurz nach Applikation von Xofigo (3,85 MBq). Diese Dosis erreicht ihr Maximum bei einem zehnminütigen Aufenthalt eine halbe Stunde nach Applikation (2,4 μSv) und sinkt dann wieder schnell ab (nach 4 Stunden auf etwa ein Zehntel). Dabei zeigen Messungen in Leipzig, dass die diesen Berechnungen zu Grunde liegenden Annahmen sehr konservativ sind.



Die externe Strahlenexposition ist gegenüber der möglichen internen Strahlenexposition deutlich geringer, da die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Applikation von Xofigo von kurzer Dauer sind und die Dosisleistung bei Umgang mit 6,6 MBq 223Ra in 0,5 m Abstand 0,033 μSv/min ist. Deshalb kann von einer Absenkung der Erfordernisschwelle von 1 mSv auf 0,5 mSv Abstand genommen werden. Es besteht aber die Möglichkeit einer signifikanten lokalen Hautdosis für Beschäftigte bei Applikation von Xofigo, siehe 4.



3.
Möglichkeiten der Inkorporationsüberwachung


223Ra ist ein Alphastrahler, emittiert aber auch Gammastrahlung. Für die Ganzkörpermessung sind die Photonen mit der Energie von 269,5 keV und einer Emissionswahrscheinlichkeit von 13,9 % am geeignetsten. Die Nachweisgrenze für eine Ganzkörpermessung beträgt ca. 500 Bq. In Urin und Stuhl kann 223Ra durch Gamma- und Alphaspektrometrie nachgewiesen werden. Allerdings gibt es für die Alphaspektrometrie von 223Ra noch keine etablierten Verfahren. Es wird hier von einer Nachweisgrenze von jeweils 1 Bq pro Tagesausscheidung ausgegangen, die mit der Gammaspektrometrie erreicht werden kann (eventuell lässt sich auch eine niedrigere Nachweisgrenze erreichen).



3.1
Regelmäßige Inkorporationsüberüberwachung


Ausscheidungsmessungen (Stuhl und Urin) kommen für eine regelmäßige Inkorporationsüberwachung nicht in Frage, da auf Grund des Verlaufs der Ausscheidungsfunktionen die „Faktor-3-Regel“ für Überwachungsintervalle von einer Woche oder länger nicht erfüllt werden kann. Diese fordert, dass die mögliche Unterschätzung der zugeführten Aktivität (und damit der ermittelten Dosis) durch die Standardannahme, dass eine akute Zufuhr in der Mitte des Überwachungsintervalls stattfand, einen Faktor 3 nicht übersteigen darf.



Für Ganzkörpermessungen wäre die Faktor-3-Regel erfüllt für Überwachungsintervalle bis zu einem Monat. Allerdings ist die Nachweisgrenze der Messung so hoch, dass im Rahmen einer regelmäßigen Inkorporationsüberwachung Jahreswerte der effektiven Dosis von weniger als 1 Sv (!) nicht nachgewiesen werden könnten.



Für eine regelmäßige Inkorporationsüberwachung kommt deshalb nur eine Messung der Aktivitätskonzentration in der Raumluft am Arbeitsplatz zur Kontrolle von Schwellenwertüberschreitungen in Kombination mit anderen Überwachungsverfahren in Frage. Der Schwellenwert der Raumluftaktivitätskonzentration, der einer jährlichen effektiven Dosis von 1 mSv entspricht, beträgt bei konservativer Annahme einer jährlichen Aufenthaltszeit von 2000 Stunden 73 mBq/m3. Entsprechende Aktivitätskonzentrationen können durch Gesamtalphamessungen mit einem Aerosol-Schrittbandfilter-Monitor gemessen werden, wobei bei dieser Messmethode die Quantifizierung allerdings schwierig ist. Alphaspektrometrie ist für Routinemessungen zu aufwendig und Gammaspektrometrie hat eine höhere Nachweisgrenze.



Bei Überschreitung dieses Schwellenwertes sind unverzüglich Ausscheidungsmessungen durchzuführen, siehe den folgenden Abschnitt 3.2.



3.2
Inkorporationsüberwachung aus besonderem Anlass


Gibt es Anzeichen für eine signifikante Inkorporation, z. B. bei Überschreitung des Schwellenwertes bei Monitormessungen der Aktivitätskonzentration in der Raumluft, siehe Abschnitt 3.1, so kann durch eine Ganzkörpermessung unter Standardbedingungen sogar am nachfolgenden Tag nur eine Aktivität nachgewiesen werden, die einer effektiven Dosis von 6,1 mSv entspricht. Bei längerer Messzeit und unter Verwendung spezifischer Auswerteverfahren kann allerdings die Nachweisgrenze auf etwa 200 Bq gesenkt werden, so dass eine effektive Dosis von 2,4 mSv nachweisbar wäre.



Ausscheidungsmessungen, insbesondere im Stuhl, sind sensitiver: Bei Sammlung des Urins in den 24 Stunden nach Inkorporation kann bei einer Nachweisgrenze von 1 Bq eine effektive Dosis von 3,8 mSv nachgewiesen werden, bei Sammlung des Stuhls 0,057 mSv. Stuhlmessungen können noch bis zum sechsten Tag nach Inkorporation eine effektive Dosis von 1 mSv und weniger nachweisen.



4.
Erfordernis der Überwachung der Hautdosis bei Applikation von Xofigo


223Ra ist in Gleichgewicht auch mit den Tochternukliden 211Pb und 207Tl, die Betastrahlung mit einer relativ hohen Energie (Maximalenergie 1,38 MeV bzw. 1,43 MeV) emittieren. Diese Energien sind im Energiebereich der Nuklide, die in den vom FAS im November 2014 gebilligten Empfehlungen des BfS für Kriterien für die Teilkörperdosis in der Nuklearmedizin der „roten“ Gruppe mit H‘(0,07)-Dosisleistungsfaktoren von mehr als 10 mSv/(h·MBq) zugeordnet wurden. Diese Einschätzung wurde auch durch eine erste Messung des BfS bestätigt, die etwa 20 mSv/(h·MBq) an der Oberfläche einer unabgeschirmten 5 ml-Spritze mit Xofigo ergab.



Für Radionuklide dieser «roten» Gruppe wird empfohlen, dass bei einer jährlichen Umgangsaktivität von mehr als 1 GBq eine Überwachung der lokalen Hautdosis mit amtlichen Teilkörperdosimetern durchzuführen ist. Diese Umgangsaktivität wird beim Umgang mit 152 Durchstechflaschen à 6,6 MBq bzw. bei einer Patientenanzahl von 25 im Jahr erreicht.



5.
Strahlenschutzmaßnahmen beim Umgang mit Xofigo


Das Personal ist entsprechend zu schulen, dass Kontaminationen nach Möglichkeit vermieden werden. So muss beim Aufziehen der Injektionsspritze beachtet werden, dass die Durchstechflasche möglicherweise unter Druck steht. Diese Tätigkeit soll bevorzugt unter einem Abzug erfolgen. Arbeitsplätze, an denen mit Xofigo umgegangen wurde, sollten nachträglich auf Kontaminationen überprüft werden, ebenso Plätze, an denen Patientenausscheidungen vorliegen können (Toiletten, Kleidung).



Bei der Applikation von 223Ra ist auf Grund der hohen Betaenergien der Tochternuklide 211Pb und 207Bi die Verwendung von Spritzenabschirmungen aus Acrylglas (≥ 5 mm Dicke) oder von konventionellen Wolframabschirmungen zu fordern. Als Schutz vor Kontaminationen wird auch beim Umgang mit Xofigo das Tragen von Nitril- oder Vinylhandschuhen empfohlen.



Zur Verringerung der Dosis durch Inhalation der Tochternuklide 211Pb und 211Bi von abgeatmetem 219Rn wird ein Mundschutz des Patienten (für zumindest eine Stunde nach Applikation) empfohlen. Diese Dosis kann zusätzlich durch eine erhöhte Luftwechselrate im Patientenzimmer verringert werden. Verbleibt der Patient im Zimmer, so ist zumindest in den ersten vier Stunden nach Applikation der Aufenthalt anderer Personen in diesem Raum zu minimieren.



Das Personal soll neben Handschuhen Laborkittel und Mundschutz bzw. andere geeignete Schutzmittel gegen Aerosole tragen. Diese sind regelmäßig zu wechseln und bei Kontaminationen sofort zu entsorgen.



6.
Exposition der Bevölkerung durch 223Ra (und Verunreinigungen) im Abwasser


Durch die Ausscheidungen von mit Xofigo behandelten Patienten wird bei ambulanter Behandlung das kommunale Abwasser mit 223Ra, 227Ac und 227Th kontaminiert. Dieses Abwasser gelangt über die kommunale Kläranlage in den Vorfluter, dessen Wasser zur Trinkwassergewinnung, zur Beregnung landwirtschaftlicher Kulturen oder zum Tränken von Nutztieren verwendet werden kann.



Die Strahlenexposition der Bevölkerung durch die Ausscheidung eines ambulant behandelten Patienten wird im Folgenden konservativ abgeschätzt, d. h. die tatsächlichen effektiven Dosen liegen in der Regel weit unterhalb der angegebenen Zahlenwerte. In Absprache mit dem BMUB wurde auf die Ermittlung einer realitätsnäheren Strahlenexposition verzichtet, wenn durch konservative Szenarien nachgewiesen werden kann, dass die Strahlenexposition der Bevölkerung durch die Ausscheidung eines ambulant behandelten Patienten geringer als 10 μSv ist.



6.1
Ingestionsdosis durch Trinkwasser


Nach dem biokinetischen Modell der ICRP-Publikation 67 scheidet der ambulant behandelte Patient insgesamt rund 74 % des applizierten 223Ra in das häusliche Abwasser aus. Zur Abschätzung der Ingestionsdosis durch Trinkwasser wird von folgendem konservativen Szenario ausgegangen:



Die Kläranlage entfernt Dreiviertel des 223Ra aus dem kommunalen Abwasser. Grundlage sind die Daten für das chemisch sehr ähnliche Barium in der Veröffentlichung Choubert et al., Water Sci. Technol. 2011, 63(9), 1967–1973.1


Das geklärte Abwasser wird im Vorfluter und/oder während der Trinkwassergewinnung verdünnt. Gemäß der Erhebung „Öffentliche Wasserversorgung und öffentliche Abwasserentsorgung – Öffentliche Wasserversorgung – 2010“ des Statistischen Bundesamtes und Recherchen des BfS ist rechnerisch ein Verdünnungsvolumen von mindestens 100.000 m3 anzusetzen, aus dem Einzelpersonen der Bevölkerung den Trinkwasserbedarf eines Jahres decken.


Der Trinkwasserverzehr der Einzelpersonen der Bevölkerung entspricht den Mittelwerten in Anlage VII Teil B Tabelle 1 der StrlSchV.


Der radioaktive Zerfall nach der Ausscheidung in das häusliche Abwasser bleibt unberücksichtigt.


Mit den Dosiskoeffizienten der Beilage 160 a und b zum Bundesanzeiger vom 28. August 2001 ergibt sich in diesem Szenario für die Ingestionsdosis (effektive Dosis) durch 223Ra im Trinkwasser rechnerisch 2 μSv für Erwachsene, 5 μSv für Kinder der Altersgruppe 1 bis 2 Jahre und 49 μSv für Säuglinge, die mit Flaschenmilch ernährt werden. Der Dosisbeitrag der Verunreinigungen 227Ac und 227Th kann vernachlässigt werden.



6.2
Ingestionsdosis über den Wasserpfad außer Trinkwasser


Für die Ingestionsdosis der Bevölkerung über den Wasserpfad außer Trinkwasser sind die Beregnung landwirtschaftlicher Kulturen, das Tränken von Nutztieren sowie die Fischzucht zu berücksichtigen. Hierbei ist von Folgendem auszugehen:



Das geklärte Abwasser ist erst nach Verdünnung und biologischer Selbstreinigung im Vorfluter zum Tränken von Nutztieren oder zur Fischzucht geeignet.


Das geklärte Abwasser kann in der Regel aus hygienischmikrobiologischen Gründen nicht direkt an der Einleitungsstelle in den Vorfluter zur Beregnung landwirtschaftlicher Flächen entnommen werden, sofern auf diesen Flächen Nahrungs- oder Futtermittel erzeugt werden. Auch hier ist im Allgemeinen eine Verdünnung im Vorfluter zu unterstellen.


Nur ein geringer Bruchteil der zur Produktion von Nahrungs- oder Futtermitteln genutzten landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland wird bewässert.


Die eventuell durch die Bewässerung kontaminierten Nahrungsmittel machen nur einen geringen Bruchteil der Jahresverzehrsmenge von Einzelpersonen der Bevölkerung aus.


Landwirtschaftliche Kulturen werden in der Regel über längere Zeiträume bewässert, während die Aktivitätskonzentration von 223Ra als Peak während weniger Tage auftritt.


Berücksichtigt man ferner den radioaktiven Zerfall von 223Ra sowie Dekontaminationseffekte bei der Zubereitung in der Lebensmitteltechnologie und im Haushalt, werden insgesamt geringere Aktivitäten über Nahrungsmittel aufgenommen als mit dem Trinkwasser. Die Ingestionsdosis (effektive Dosis) ist daher niedriger als die in Abschnitt 6.1 abgeschätzten Zahlenwerte.



6.3
Inhalationsdosis bei Kläranlagenarbeitern


Gemäß der Technischen Regel „Sicherheit und Gesundheit bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in abwassertechnischen Anlagen“ (TRBA 220) ist Atemschutz zu tragen, wenn die inhalative Aufnahme biologischer Arbeitsstoffe durch technische und organisatorische Maßnahmen nicht verhindert werden kann.



Um die mögliche Inhalationsdosis eines Arbeiters in einer Kläranlage abzuschätzen, wird von folgendem konservativen Szenario ausgegangen:



Das Abwasser von 100 Einwohnern gelangt in die Kläranlage. Entsprechend den Daten in ICRP-Publikation 23 fällt in der Kläranlage täglich Stuhl mit einer Gesamttrockenmasse von 2,5 kg an.


Die tägliche Menge Stuhl enthält die gesamte Aktivität einer einmaligen Applikation Xofigo (3.850 kBq 223Ra, maximal 0,85 kBq 227Ac, maximal 37 kBq 227Th).


Der Arbeiter trägt entgegen den einschlägigen Arbeitsschutzvorschriften eine halbe Stunde keinen Atemschutz und atmet getrockneten Klärschlamm ein, der witterungsbedingt oder durch mechanische Bearbeitung aufgewirbelt wird.


Die Konzentration des aufgewirbelten Klärschlamms (Trockenmasse) in der Atemluft beträgt 1 mg/m3.


Die Atemrate des Arbeiters in der Kläranlage entspricht dem Zahlenwert der Anlage VII Teil B Tabelle 2 der StrlSchV.


Mit den Dosiskoeffizienten der Beilage 160a und b zum Bundesanzeiger vom 28. August 2001 (jeweils ungünstigste Lungenabsorptionsklasse) ergibt sich in diesem Szenario eine Inhalationsdosis (effektive Dosis) des Arbeiters in der Kläranlage von 6 μSv (1 μm AMAD).



7.
Strahlenexposition von Familienangehörigen


Für die Dosisabschätzung für Familienangehörige wurden dieselben sehr konservativen Annahmen verwendet, die in früheren Stellungnahmen für die SSK für Dosisabschätzungen für Dritte gemacht wurden, die mit Patienten in Kontakt kamen, denen Betastrahler zur palliativen Therapie von Knochentumoren verabreicht wurden.



7.1
Externe Exposition


Es wurde angenommen, dass eine Person sich ständig in 2 m Abstand zum Patienten aufhält, der mit Xofigo behandelt wurde.



Mit vereinfachenden konservativen Annahmen erhält man unter Verwendung der Punktquellen-Kerma-in-Luft-Koeffizienten der ICRP-Publikation 107 für 223Ra und seine Zerfallsprodukte eine Dosisleistung von 2,1·10-17 Sv/(Bq·s) in 1 m Abstand. Bei Annahme einer 223Ra-Gesamtaktivität von 23,1 MBq ergibt sich dann in 2 m Abstand unter Berücksichtigung des Zerfalls und der Ausscheidung eine Dosis von 0,042 mSv. Diese externe Dosis wird auch nicht signifikant durch Berücksichtigung der möglichen Verunreinigungen mit 227Ac und 227Th verändert.



7.2
Interne Exposition


Für die Abschätzung der internen Strahlenexposition wurde sehr konservativ angenommen, dass 0,1 % der ausgeschiedenen Aktivität (bei mangelnder Hygiene bei der häuslichen Pflege) von Dritten oral aufgenommen wird.



Nach dem biokinetischen Modell der ICRP-Publikation 67 werden 2,1 % der applizierten Aktivität im Urin und 72 % im Stuhl ausgeschieden, insgesamt also etwa 74%. Eine Referenzperson erhält insgesamt 23,1 MBq 223Ra appliziert, so dass insgesamt etwa 17 MBq ausgeschieden werden. Wenn davon 0,1 % oral aufgenommen werden, so ergibt sich eine effektive Dosis von 1,7 mSv. Bei Patienten, die schwerer als die Referenzperson mit einem Gewicht von 70 kg sind, und denen entsprechend mehr Xofigo appliziert wird, erhöht sich diese Dosis entsprechend. Der Beitrag durch mögliche Verunreinigungen ist vernachlässigbar.



8.
Strahlenexposition bei der Kremierung verstorbener Patienten


8.1
Für Krematoriumsmitarbeiter


Gemäß der Unfallverhütungsvorschrift „Friedhöfe und Krematorien“ (VSG 4.7) muss der Unternehmer sicherstellen, dass Arbeitsplätze an Einäscherungsanlagen so eingerichtet sind, dass Beschäftigte mit Stäuben aus Verbrennungsrückständen nicht in gesundheitsgefährdender Weise in Berührung kommen. Der Anhang „Sicherheitsregeln für Krematorien“ enthält dazu im Einzelnen folgende Regelungen:



Es ist technisch sicherzustellen, dass Rauchgase nicht in den Beschickungsraum eindringen können.


Die Filterstäube müssen so entsorgt werden, dass die Beschäftigten nicht mit den Stäuben bzw. mit den Reststoffen aus der Rauchgaswäsche in Berührung kommen.


In Sortier-, Abfüll- und Zerkleinerungsanlagen muss die Asche staubfrei gehandhabt und zur Aschenaufbereitungsanlage transportiert werden. Verbrennungsreste sind so zu sortieren, zu zerkleinern und in Urnen abzufüllen, dass die Beschäftigten nicht mit Stäuben in Berührung kommen. Wird von Hand sortiert, muss dies unter einer Absauganlage erfolgen.


Werden die einschlägigen Regelungen der Unfallverhütungsvorschrift eingehalten, sind signifikante Staubbelastungen durch die Asche der Verstorbenen nur bei der Sortierung von Hand zu erwarten. Zur Abschätzung der möglichen Strahlenexposition bei diesem Arbeitsgang wird Folgendes unterstellt:



Der Verstorbene erhielt sechs Applikationen Xofigo und verstarb unmittelbar nach der letzten Injektion. Ohne Berücksichtigung der Ausscheidung der injizierten Radionuklide ergibt sich eine Ganzkörperaktivität zum Zeitpunkt des Todes von 4.700 kBq 223Ra, maximal 5,1 kBq 227Ac und 58 kBq 227Th.


Der radioaktive Zerfall zwischen Tod und Einäscherung bleibt unberücksichtigt.


Der Gesamtaschegehalt des Verstorbenen beträgt 3,7 kg (ICRP-Publikation 23).


Der Beschäftigte ist bei der Sortierung von Hand eine halbe Stunde einer Staubbelastung von 1 mg/m3 ausgesetzt. Dies entspricht einem Zehntel des allgemeinen Staubgrenzwertes für die einatembare Fraktion.


Die Atemrate des Beschäftigten entspricht dem Zahlenwert der Anlage VII Teil B Tabelle 2 der StrlSchV.


Mit den Dosiskoeffizienten der Beilage 160 a und b zum Bundesanzeiger vom 28. August 2001 (jeweils ungünstigste Lungenabsorptionsklasse) ergibt sich in diesem Szenario eine Inhalationsdosis (effektive Dosis) des Beschäftigten von 6 μSv (1 μm AMAD).



8.2
Für die Bevölkerung


Bei der Einäscherung im Krematorium können Einzelpersonen der Bevölkerung durch die Emission radioaktiver Stoffe exponiert werden. Zur Abschätzung der Inhalationsdosis von Einzelpersonen der Bevölkerung wird von folgendem konservativen Szenario ausgegangen:



Der Verstorbene erhielt sechs Applikationen Xofigo und verstarb unmittelbar nach der letzten Injektion. Ohne Berücksichtigung der Ausscheidung der injizierten Radionuklide ergibt sich eine Ganzkörperaktivität zum Zeitpunkt des Todes von 4.700 kBq 223Ra, 5,1 kBq 227Ac und 58 kBq 227Th.


Der radioaktive Zerfall zwischen Tod und Einäscherung bleibt unberücksichtigt.


Die Ganzköperaktivität des Verstorbenen wird während des 90-minütigen Kremationsprozesses mit einer konstanten Rate in die Atmosphäre freigesetzt.


Ein Erwachsener hält sich während des Kremationsprozesses an der ungünstigsten Einwirkungsstelle in der Umgebung des Krematoriums auf.


Die Aktivitätskonzentration in der Luft an der ungünstigsten Einwirkungsstelle wird gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 47 StrlSchV für eine Entfernung von 100 m, eine Emissionshöhe von 10 m, eine Windgeschwindigkeit in Emissionshöhe von 3 m/s und den ungünstigsten atmosphärischen Ausbreitungsbedingungen berechnet. Der Gebäudeeinfluss bleibt dabei unberücksichtigt.


Die Atemrate des Erwachsenen entspricht dem Zahlenwert der Anlage VII Teil B Tabelle 2 der StrlSchV.


Mit den Dosiskoeffizienten der Beilage 160 a und b zum Bundesanzeiger vom 28. August 2001 (jeweils ungünstigste Lungenabsorptionsklasse) ergibt sich in diesem Szenario eine Inhalationsdosis (effektive Dosis) des Erwachsenen an der ungünstigsten Einwirkungsstelle in der Umgebung des Krematoriums von 3 μSv (1 μm AMAD).



9.
Verhalten von Xofigo bei anderen Anwendungen bzw. von ähnlichen Präparaten


Derzeit ist Xofigo nur für die Behandlung von Patienten mit kastrationsresistentem Prostatakarzinom mit symptomatischen Knochenmetastasen zugelassen. Es ist jedoch möglich, dass Zulassungen für Behandlungen auch bei anderen Primärtumoren folgen werden. In diesen Fällen gelten die oben gemachten Angaben analog.



Es ist auch möglich, dass in nächster Zeit therapeutische Radiopharmaka mit anderen Alphastrahlung emittierenden Radionukliden auf den Markt kommen. In diesen Fällen müssten die entsprechenden Berechnungen an die spezifischen Charakteristika dieser Radiopharmaka bzw. der verwendeten Radionuklide angepasst werden.



10.
Zusammenfassung


Zusammenfassend ergeben sich folgende Aussagen zu den Fragestellungen des Erlasses:



Eine regelmäßige Inkorporationsüberwachung für Personen, die die Therapie mit Xofigo durchführen, ist nicht erforderlich, wenn diese im Jahr mit nicht mehr als 250 Durchstechflaschen mit Xofigo-Lösung à 6,6 MBq 223Ra Umgang haben (das entspricht in etwa 42 Patienten im Jahr, die jeweils sechs Applikationen erhalten). Haben Beschäftigte Umgang mit mehr Xofigo-Patienten, ist zusammen mit der Aufsichtsbehörde eine genauere Betrachtung der Arbeitsschritte und der verwendeten Aktivitäten notwendig.


Sofern erforderlich, kommt eine regelmäßige Inkorporationsmessung nur durch Monitormessung der Raumluft in Betracht mit der Option einer Ausscheidungsmessung im Stuhl bei Überschreitung des Schwellenwertes für die Aktivitätskonzentration in der Raumluft. Dabei ist die Raumluftmessung allerdings aufwendig und schwer quantifizierbar.


Die Tochternuklide 211Pb und 211Bi von abgeatmetem 219Rn können insbesondere in den ersten vier Stunden nach Applikation von Xofigo eine zusätzliche Inhalationsdosis für andere Personen in diesem Raum verursachen.


Die hohen Betaenergien der Tochternuklide 211Pb und 207Tl können relativ hohe lokale Hautdosen verursachen und gegebenenfalls eine Überwachung der lokalen Hautdosis durch Teilkörperdosimeter erfordern.


Bei sofortiger Entlassung der Patienten nach der Xofigo-Applikation ist die externe Strahlenexposition Dritter gering. Bei der sehr konservativen Annahme, dass 0,1 % der Ausscheidungen durch Dritte oral aufgenommen werden, kann allerdings eine effektive Dosis von 1,7 mSv (bei Behandlung von Standard-Patienten) verursacht werden. Bei einer sofortigen Entlassung der Patienten sollten deshalb entsprechende hygienische Hinweise gegeben werden, um diese Strahlenexposition zu verringern.


Die konservativ abgeschätzte effektive Dosis für Einzelpersonen der Bevölkerung durch Xofigo im Abwasser beträgt über den Trinkwasserpfad 49 μSv für Säuglinge, für andere Altersgruppen und für andere Abwasser-Szenarien beträgt die Dosis weniger als 10 μSv.


Verstirbt ein Patient kurz nach Applikation von Xofigo und wird im Krematorium eingeäschert, so wird sowohl für Krematoriumsarbeiter als auch für die Bevölkerung eine effektive Dosis unter 10 μSv verursacht. Es ist deshalb keine spezielle Aufbewahrungszeit des Leichnams vor der Einäscherung notwendig.


-Die möglichen Verunreinigungen von Xofigo mit 227Ac und 227Th spielen bei der Inkorporationsüberwachung und bei der Exposition Dritter nach der Entlassung gegenüber 223Ra keine signifikante Rolle. Ebenso sind diese Verunreinigungen bei Betrachtung des Abwasserpfades und der Kremierung vernachlässigbar.


Kriterien zur Umgangsgenehmigung von Xofigo können auch auf mögliche Anwendungen bei anderen Primärtumoren angewandt werden; für die Umgangsgenehmigung von eventuellen weiteren Therapien mit anderen Radiopharmaka, die Alphaemitter enthalten, müssen diese Überlegungen entsprechend angepasst werden.