Logo jurisLogo Bundesregierung

BMU-RS-20070806-KF01-A001.htm

Zum Hauptdokument : Krebsrisiko durch mehrjährige Expositionen mit Dosen im Bereich des Grenzwertes für die Berufslebensdosis nach § 56 Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) - Empfehlung der Strahlenschutzkommission



Anhang
zur Empfehlung der Strahlenschutzkommission


„Krebsrisiko durch mehrjährige Expositionen mit Dosen im Bereich des Grenzwertes für die Berufslebensdosis
nach § 56 Strahlenschutzverordnung (StrlSchV)“


Zusammenfassung der Einzelstudien





Inhaltsverzeichnis

A 1

Arbeiter der Nuklearindustrie in 15 Ländern


A 1.1

Kohorten


A 1.2

Dosimetrie


A 1.3

Auswertungsverfahren


A 1.4

Ergebnisse


A 1.5

Diskussion


A 1.6

Literatur

A 2

Beschäftigte von Rocketdyne (Atomics International)


A 2.1

Hintergund


A 2.2

Kohorte


A 2.3

Exposition


A 2.4

Methoden der Auswertung


A 2.5

Ergebnisse


A 2.6

Diskussion


A 2.7

Literatur

A 3

Arbeiter in vier US-Kernwaffen-Produktionsstätten und einer Atomschiffswerft


A 3.1

Kohorte


A 3.2

Exposition


A 3.3

Analyseverfahren


A 3.4

Ergebnisse und Diskussion


A 3.5

Vergleich mit anderen Studien


A 3.6

Literatur

A 4

Portsmouth-Werftarbeiter


A 4.1

Kohortenstudie zur Krebssterblichkeit


A 4.2

Kohortenstudie zu Lungenkrebs und Leukämie


A 4.3

Eingebettete Fall-Kontroll-Studie zu Leukämie


A 4.4

Literatur

A 5

Hanford-Arbeiter


A 5.1

Hintergrund


A 5.2

Kohorte


A 5.3

Exposition


A 5.4

Methoden der Auswertung


A 5.5

Ergebnisse


A 5.6

Diskussion


A 5.7

Literatur

A 6

Deutsche Uranbergarbeiter


A 6.1

Studienkollektiv


A 6.2

Exposition


A 6.3

Analyseverfahren


A 6.4

Ergebnisse


A 6.5

Diskussion


A 6.6

Vergleich mit anderen Studien


A 6.7

Bewertung


A 6.8

Literatur

A 7

Aufräumarbeiter nach dem Tschernobylunfall


A 7.1

Krebsinzidenz


A 7.2

Krebsmortalität


A 7.3

Literatur

A 8

US-amerikanische Radiologieassistenten


A 8.1

Kohorte


A 8.2

Dosimetrie


A 8.3

Epidemiologische Analyseverfahren


A 8.4

Ergebnisse


A 8.5

Bewertung


A 8.6

Literatur

A 9

Anwohner der Tetscha


A 9.1

Kohorte


A 9.2

Dosimetrie


A 9.3

Methoden der Auswertung


A 9.4

Ergebnisse für solide Tumoren außer Knochenkrebs


A 9.5

Ergebnisse für Leukämie


A 9.6

Diskussion


A 9.7

Literatur










A 1
Arbeiter der Nuklearindustrie in 15 Ländern


Die Nuklearindustrie beschäftigt weltweit aktuell mehrere hunderttausend Personen. Beschäftigte in dieser Industrie sind oft über längere Zeit niedrigen Dosen und Dosisleistungen ausgesetzt. Cardis et al. legten vor kurzem die bisher größte gemeinsame Auswertung von Kohortenstudien aus 15 Ländern vor [1-4]. Das Ziel der Studie war eine verbesserte Präzision der Risikoschätzer für ionisierende Niedrigstrahlung zur Stärkung der wissenschaftlichen Basis des Strahlenschutzes.



A 1.1 Kohorten



Eingeschlossen wurden Kohortenstudien, für die ein weitgehend vollständiges und nicht selektives Follow-up sowie jährliche individuelle Dosisdaten der überwachten Arbeiter vorlagen. Zudem mussten Angaben über historische Dosimetrieverfahren in der Kohorte vorhanden sein. Alle Arbeiter mit personenbezogenen Dosimeter-Angaben zu externer Photonenstrahlung (X und γ) wurden eingeschlossen. Eine Mindestbeschäftigungszeit von 1 Jahr (mit länderspezifischer Modifikation), Vorlage von Monitoring-Daten zur externen Dosimetrie und eine überwiegend externe Exposition gegenüber hochenergetischen Photonen waren die individuenbezogenen Einschlusskriterien [2].



Insgesamt waren 598 068 Arbeiter in den teilnehmenden 154 Nuklearanlagen beschäftigt. Angaben zum Vitalstatus wurden aus regionalen oder nationalen Registern ermittelt, die Todesursachen durch Abgleich mit Todesursachenregistern. Die Follow-up-Rate der Einzelkohorten lag zwischen 87 und 100 %, für mehr als 90 % aller Verstorbenen konnte die Todesursache ermittelt werden. Die Tabelle 1 weist die eingeschlossenen 19 Kohorten aus 15 Ländern aus.



A 1.2 Dosimetrie



Für jedes einzelne Kohortenmitglied wurde eine Dosisrekonstruktion anhand der Daten der Anlagenbetreiber bzw. aus nationalen Dosisregistern durchgeführt. Eine Validierungsstudie [5] ergab, dass die Qualität der Daten für hochenergetische Photonen am besten vergleichbar über die Zeit und zwischen den Anlagen war. Daher wurden Personen mit einem höheren Anteil interner und Neutronen-Expositionen von der Auswertung ausgeschlossen. Lungen-, Kolon- und Knochenmarksdosen wurden für die Analyse verwendet, die letzteren für die Leukämie-Risikoschätzungen. In einer separaten Untersuchung wurden Hauptfehlerquellen der Dosimetrie anlagen- und periodenspezifisch identifiziert und quantifiziert [3]. Für die epidemiologischen Auswertungen wurden individuelle Jahresdosen der Arbeiter für die ermittelten Fehler adjustiert.





Tab. 1: Grundlegende Daten der einzelnen Studien


Land /
Einrichtung


Follow-up- Periode


Anzahl
Beschäftigte

Todesfälle

Durchschnitt. individuelle kumulative Dosis (mSv)

Alle
Ursachen

Alle Tumoren außer
Leukämie

Leukämie außer CLL

Australien

1972-1998

877

56

17

0

6,1

Belgien

1969-1994

5 037

322

87

3

26,6

Kanada

1956-1994

38 736

1 204

400

11

19,5

Finnland

1971-1997

6 782

317

33

0

7,8

Frankreich CEA-COGEMA

1968-1994

14 796

645

218

7

3,8

Frankreich EDF

1968-1994

21 510

371

113

4

15,8

Ungarn

1985-1998

3 322

104

39

1

5,1

Japan

1986-1992

83 740

1 091

413

190

18,2

S. Korea

1992-1997

7 892

58

1

0

15,5

Litauen

1984-2000

4 429

102

24

1

40,7

Slowakei

1973-1993

1 590

35

10

0

18,8

Spanien

1970-1996

3 633

68

25

0

25,5

Schweden

1954-1996

16 347

669

190

4

17,9

Schweiz

1969-1995

1 785

66

24

0

62,3

Großbritannien

1955-1992

87 322

7 983

2 201

54

20,7

USA Hanford

1944-1986

29 332

5 564

1 279

35

23,7

USA INEL

1960-1996

25 570

3 491

886

26

10,0

USA NPP

1979-1997

49 346

983

314

19

27,1

USA ORNL

1943-1984

5 345

1 029

225

12

15,2

Gesamt


407 391

24 158

6 519

196

19,4

CEA-COGEMA: Commissariat à l’Energie Atomique Générale des Matières Nucléaires

EDF: Electricité de France; NPP: Nuclear power plants; INEL: Idaho National Energy Laboratory;

ORNL: Oak Ridge National Laboratory; CLL: chronisch-lymphocytische Leukämie

(siehe auch Tabelle 1, Cardis et al. 2005 [1])





A 1.3 Auswertungsverfahren



In deskriptiven Auswertungen wurden standardisierte Mortalitätsquotienten (standardised mortality ratio, SMR) berechnet. Zur Schätzung des Risikokoeffizienten (zusätzliches relatives Risiko je Dosis, ERR) setzten die Autoren ein Poisson-Regressionsmodell ein. Elf a priori definierte Dosiskategorien wurden genutzt und die Risikoschätzer für Alter, Geschlecht, Kalenderperiode, Beschäftigungsdauer und sozioökonomischen Status stratifiziert. 95 %- bzw. 90 %-Konfidenzintervalle (KI) wurden geschätzt. Eine Latenzzeit von 10 Jahren für solide Tumoren und 2 Jahren für Leukämien ging in die Berechnungen ein.



Die erste Publikation im Jahr 2005 [1] enthält die Ergebnisse für alle Tumoren außer Leukämie und für Leukämie ohne chronisch-lymphatische Leukämie (CLL). Zusätzlich wurden Auswertungen für solide Tumoren insgesamt (Vergleich mit Daten der Atombombenüberlebenden), tabakassoziierte und nicht tabakassoziierte solide Tumoren sowie für Lungenkrebs und alle Tumoren außer Lungenkrebs, Pleurakrebs und Leukämie (Beurteilung von Confounding) vorgelegt. Später wurden detaillierte Ergebnisse für 31 Tumorarten (mit 90 %-KI) vorgelegt [4]. Mögliche Verzerrungen durch Rauchen wurden durch weitere Auswertungsansätze untersucht, es lagen aber keine direkten Angaben zum Rauchen vor. Da Rauchen und Sozialstatus korreliert sind, nutzten die Autoren den in den meisten Kohorten erhobenen Sozialstatus zur indirekten Adjustierung für das Rauchen.



A 1.4 Ergebnisse



In die Analyse eingeschlossen wurden 407 391 Arbeiter, die knapp 5,2 Mill. Personenjahre beitrugen. Ausschlüsse erfolgten hauptsächlich aufgrund kurzer Beschäftigungszeit, fehlender Dosisinformationen und interner bzw. Neutronenexpositionen (siehe Kapitel A 1.2 „Dosimetrie“). Die mittlere kumulative Lebenszeitexposition betrug 19,4 mSv. 90 % der Arbeiter erhielten Dosen unter 50 mSv und nur 0,1 % Dosen über 500 mSv. Aufgrund der geringen Anzahl von Frauen in den Kohorten sind die Ergebnisse als vornehmlich auf Männer bezogen zu werten.



24 158 Todesfälle, davon 6 519 Krebsfälle (1 457 Lungenkrebsfälle und 196 Leukämien) wurden insgesamt registriert. Die SMR-Auswertungen deuteten auf einen z.T. ausgeprägten „Healthy-Worker“ – Effekt mit erniedrigten SMR in allen Teilkohorten hin. Bei den dosisbezogenen Auswertungen errechneten die Autoren für alle Tumoren außer Leukämie in der für die vorliegende Empfehlung relevanten Dosisgruppe < 400 mSv einen Risikokoeffizienten von 1,18/Sv (90 %-KI: 0,37 – 2,11). In der Gesamtkohorte lag der Risikokoeffizient für die soliden Tumoren bei 0,87/Sv (90 %-KI: 0,16 - 1,71); für Leukämie ohne CLL ergab sich ein Risikokoeffizient von 1,93/Sv (90 %-KI: <0 - 4,52). Eine etwa 19 %ige Risikoerhöhung pro 100 mSv ist damit der beste Schätzer des zusätzlichen Risikos für Leukämie ohne CLL.



Ein erhöhter Risikokoeffizient der tabakassoziierten Tumoren wurde wesentlich durch die Risikoschätzungen für Lungenkrebs (Risikokoeffizient = 1,86/Sv; 95 %-KI: 0,26 - 4,01) verursacht. Die Gruppen der anderen tabakassoziierten Tumoren sowie tabakassoziierte Nicht-Krebs-Todesursachen wiesen erhöhte Risikokoeffizienten ohne statistische Signifikanz auf. Außer für Lungenkrebs ermittelten die Autoren für keine Einzellokalisation statistisch signifikante Risikokoeffizienten.



Bei den Auswertungen für alle Tumoren ohne Leukämie und für Lungenkrebs nach Alter bei Exposition wurden die höchsten Risikoschätzer für Expositionen im Alter über 50 gefunden. Für alle Tumoren (ohne Leukämie) lag der Risikokoeffizient in dieser Gruppe bei 1,74/Sv (90 %-KI: 0,24 – 3,58). Der Trend über die 3 Altersgruppen (< 35, 35-50, > 50) war jedoch nicht signifikant (p = 0,23).



A 1.5 Diskussion



Die Studie ist die bisher umfassendste gepoolte Auswertung von Studien unter Beschäftigten der Nuklearindustrie. Ein wesentliches Ergebnis ist die Bestätigung der früheren Risikoschätzungen für Leukämie ohne CLL [6]. Hier liegen die Risikoschätzer im Vergleich zu den Daten der Atombombenüberlebenden (LSS) zwischen den Ergebnissen aus linearen und linear-quadratischen Extrapolationen der LSS-Kohorte. Die ERR-Schätzer zeigten anders als die LSS-Daten keinen abnehmenden Trend mit zunehmender Zeit seit Exposition.



Für alle Tumoren ohne Leukämie ergibt sich jedoch ein deutlich höherer Risikoschätzer als aufgrund der Extrapolation von LSS-Daten erwartet. Für die soliden Tumoren wurden 2- bis 3-fach höhere Risikoschätzer als in der LSS-Kohorte gefunden. Risikoschätzer aus Einzelveröffentlichungen zu länderspezifischen Kohorten wie etwa die Arbeit von Howe et al. [7] zu den US-amerikanischen Kraftwerksarbeiten stützen diese Schätzungen, sind jedoch aufgrund der geringeren Power nicht statistisch signifikant. Auffällig ist zudem, dass anders als in der LSS bei den Kernkraftwerksarbeitern Hinweise für einen zunehmenden Risikokoeffizienten mit steigendem Alter bei Exposition vorliegen.



Die 15-Länder Studie hat eine Reihe von Einschränkungen. Obwohl formale Heterogenitätstests keinen Hinweis auf starke Heterogenität der Risikoschätzer für alle Tumoren ohne Leukämie ergaben, deuten Sensitivitätsanalysen bezüglich der Risikokoeffizienten auf einen erheblichen Einfluss der kanadischen Daten hin. Ohne Berücksichtigung der Daten aus Kanada war der Risikokoeffizient zwar weiterhin erhöht, aber nicht mehr signifikant (Risikokoeffizient = 0,58/Sv; 95 %-KI: -0,22 - 1,55). Eine erneute Prüfung der kanadischen Dosimetriedaten hat jedoch keine Erklärung für die auffälligen Ergebnisse ergeben. Zudem zeigt sich der erhebliche Einfluss des Lungenkrebses auf den ermittelten Risikokoeffizienten. Die Autoren selber halten eine Verzerrung der Mortalitätsrisikoschätzer durch Rauchen für wahrscheinlich, ohne dass dies die gesamte strahlenassoziierte Risikoerhöhung erklären könnte. Weitere Studien zum Lungenkrebs in der Kohorte sind geplant.



A 1.6 Literatur



[1] Cardis E, Vrijheid M, Blettner M, Gilbert E, Hakama M, Hill C, et al.: Risk of cancer after low doses of ionising radiation: retrospective cohort study in 15 countries. BMJ 331(7508): 77; 9 Jul 2005





A 2
Beschäftigte von Rocketdyne (Atomics International)


A 2.1 Hintergund



Zu den Geschäftsaktivitäten der kalifornischen Firmen Rocketdyne und Atomics International, die Ende der 1950er Jahre fusionierten, zählen der Betrieb von zehn Kernkraftwerken, die Herstellung und Entmantelung von Brennstäben, der Abriss und die Dekontamination kerntechnischer Anlagen und das Lagern von nuklearem Brennstoff.



A 2.2 Kohorte



Die Kohorte schließt alle strahlenüberwachten Beschäftigten ein, die im Zeitraum ab 01. Januar 1948 6 Monate oder länger bei Rocketdyne beschäftigt waren [1]. Nach Ausschluss einiger Personen mit unzureichenden Identitätsdaten besteht die Kohorte aus 46 970, darunter 5 801 strahlenexponierten Beschäftigten (5 335 Männer und 466 Frauen). Der Vitalstatus und ggf. die Todesursache zum Stichtag 31. Dezember 1999 wurde aus einer Kombination von Mortalitätsindizes und anderen Quellen ermittelt. In 142 (2,4 %) Fällen ließ der Vitalstatus sich nicht ermitteln, sie wurden als zensiert betrachtet. Die durchschnittliche Follow-Up-Dauer betrug 27,9 Jahre.



A 2.3 Exposition



Aus den eingescannten Unterlagen des betrieblichen Strahlenschutzes wurden Jahreswerte für externe Strahlenexposition abgeleitet. Die interne Strahlenexposition, und damit 16 Organdosen, wurde durch Evaluation von Bioassay-Daten unter Verwendung des biokinetischen Modells der ICRP ausgewertet [2]. Daten zur Strahlenexposition vor und nach der Beschäftigung bei Rocketdyne wurden ergänzt. Die durchschnittliche effektive Dosis der strahlenüberwachten Beschäftigten betrug 13,5 mSv, nur 209 Beschäftigte erhielten eine effektive Dosis über 100 mSv, darunter 63 über 200 mSv.



A 2.4 Methoden der Auswertung



Die Sterblichkeit der Kohorte wurde mit derjenigen der kalifornischen Bevölkerung verglichen (SMR), stratifiziert nach Geschlecht, Rasse, Art der Entlohnung (Monatlich/nach Stunden), Art der Strahlenexposition (nur extern / nur intern / beides), Geburtsdatum, Einstellungsdatum, Datum des Endes der Beschäftigung, Dauer der Beschäftigung und Anzahl Jahre im Follow-Up. In der SMR-Auswertung wurden Trends mit Poisson-Regression untersucht, eine grobe Auswertung verglichen mit den robusteren internen Analysen.



Mittels Cox-Regression wurden Dosis-Wirkungs-Beziehungen untersucht, adjustiert nach potentiellen Confoundern: Geschlecht, Art der Entlohnung (Monatlich/nach Stunden), Geburtsjahr, Einstellungsjahr, Beschäftigungsdauer und Beschäftigung als Raketenmechaniker (wegen ihrer Exposition durch Treibstoff, Oxidantien, Lösungsmitteln). Als Referenzgruppe dienten nicht strahlenüberwachte Beschäftigte. Darüber hinaus wurden Sensitivitätsanalysen mit anderen Vergleichsgruppen, Variablen und Kategorisierungen durchgeführt.



Es wurde eine 10-jährige Latenzzeit für solide Tumoren und eine 2-jährige Latenzzeit für Leukämie angenommen. Die Dosis ging als zeitabhängige Variable in alle Analysen ein, d.h. es wurde keine kumulative Dosis verwendet.



A 2.5 Ergebnisse



Keiner der SMR-Werte war statistisch signifikant erhöht, die SMR-Werte für alle Todesursachen (SMR = 0,79; 95 %-KI: 0,75-0,83) und für Krebs allgemein (SMR = 0,90; 95 %-KI: 0,82-0,99) zeigen eine geringere Sterblichkeit in der Kohorte als in der Vergleichsbevölkerung. Bei fast allen Beschäftigten, deren interne Exposition überwacht wurde, wurde auch die externe Exposition überwacht. Diese Beschäftigten haben gegenüber den nur durch externe Strahlung exponierten Personen nicht signifikant erhöhte SMR-Werte. In der SMR-Analyse wurde ein signifikanter negativer Trend der Mortalität mit der Dosis für alle Todesursachen (p < 0,01) beobachtet, die Trends für Krebs allgemein und Lungenkrebs sind nicht signifikant. Ein signifikant positiver Trend wurde für chronische lymphatische Leukämie beobachtet, einer Krebsentität, die als nicht strahlenbedingt gilt. In den internen Analysen wurden hingegen keine signifikanten Dosis-Wirkungs-Beziehungen beobachtet.



A 2.6 Diskussion



Aufgrund des niedrigen SMR-Wertes für alle Todesursachen könnte ein „Healthy-Worker“-Effekt vermutet werden. Ein solcher Effekt ist aber unwahrscheinlich, weil der Follow-Up lang war und weil die meisten Probanden schon 20 Jahre vor Studienende aus der Firma ausgetreten sind.



Obwohl das Rauchverhalten nicht erfasst wurde, scheint es ein Confounder in dieser Kohorte zu sein, was indirekt daraus zu schließen ist, dass Beschäftigte mit Monatsgehalt eine niedrigere Sterblichkeit an tabakassoziierten Tumoren haben als Beschäftigte mit Stundenlohn.



Die Sensitivitätsanalysen ergaben, dass die Ergebnisse recht robust gegen Variationen bei der Auswertung sind. Die berufliche Strahlenexposition der strahlenüberwachten Beschäftigten ist gegenüber anderen Kohorten niedrig, und liegt in vielen Fällen unter der natürlichen und medizinischen Strahlenexposition. Aufgrund dessen ist die statistische Aussagekraft der Studie gering.



A 2.7 Literatur



[1] Boice JD, Cohen SS, Mumma MT, Dupree EE, Eckerman KF, Leggett RW, Boecker BB, Brill AB, Henderson BE: Mortality among radiation workers at Rocketdyne (Atomics International), 1948-1999. Radiat Res 166, 98-115; 2006

[2] Boice JD, Jr., Leggett RW, Ellis ED, Wallace PW, Mumma M, Cohen SS, Brill AB, Chadda B, Boecker BB, Yoder RC, Eckerman KF: A comprehensive dose reconstruction methodology for former rocketdyne/atomics international radiation workers. Health Phys 90, 409-430; 2006





A 3
Arbeiter in vier US-Kernwaffen-Produktionsstätten und einer Atomschiffswerft


A 3.1 Kohorte



Für die Studie [1] wurden Kohorten aus den USA ausgewählt, die eine ausreichende Anzahl an Mitgliedern aufweisen und für die belastbare Informationen zur Exposition durch ionisierende Strahlung vorliegen: Beschäftigte in Hanford (36 384 Personen), am Oak Ridge National Laboratory (ORNL: 19 815 Personen), in Savannah River (SRS: 12 886 Personen), am Los Alamos National Laboratory (LANL: 12 179 Personen), Beschäftigte einer Firma, die am LANL tätig waren (ZIA: 5 686 Personen) und Arbeiter in der Portsmouth-Schiffswerft (9 662 Personen). Alle Arbeiter waren wenigstens 30 Tage in den jeweiligen Einrichtungen beschäftigt und die ganze Zeit strahlenüberwacht. In diesen Kohorten wurden – bei verschiedenen Follow-up-Zeiträumen (25 - 34 Jahre) – insgesamt 257 Todesfälle durch Leukämie (davon 206 nicht CLL-Fälle) beobachtet. Zusätzlich wurden 823 altersangepasste Kontrollfälle ausgewählt.



A 3.2 Exposition



Es werden Dosen für das Knochenmark angegeben, die Expositionsbeiträge durch externe Quellen von Gamma- und Röntgenstrahlung, Tritium und Neutronen einschließen. Alle Dosen wurden retrospektiv korrigiert, zum Beispiel unter Berücksichtigung spezieller Aspekte der verwendeten Dosimeter (Ansprechvermögen, Kalibrierung). Zudem wurden bei Personen, bei denen eine Plutonium-Inkorporation vorlag, die daraus resultierenden Knochenmarksdosen abgeschätzt. Die mittlere kumulative Dosis für das Knochenmark lag bei den Fällen bei etwa 30 mSv. Außerdem wurden potentielle Expositionen durch Benzol und Tetrachlorkohlenstoff in die Klassen „hoch“, „mittel“, „niedrig“, „sehr niedrig“ und „nicht exponiert“ eingeteilt. Schließlich wurde der Zigarettenkonsum klassifiziert („never-smokers“, „ex-smokers“, „current smokers“). Beim Fehlen entsprechender Informationen wurde der sozioökonomische Status der Personen als Surrogat für das Rauchverhalten verwendet.



A 3.3 Analyseverfahren



Die Autoren verwenden zur Analyse der Daten das Software-Paket Epicure und benutzen in den meisten Fällen ein lineares Modell zur Beschreibung des zusätzlichen relativen Risikos (ERR). Potentielle Confounder (z.B. Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Rauchstatus, Einstellungsjahr, Lösungsmittelexposition) berücksichtigen sie dann, wenn diese die Punktschätzer für das Risiko durch ionisierende Strahlung relativ um mehr als 15 % beeinflussen. Zudem führen die Autoren umfangreiche Sensitivitätsanalysen durch, indem sie beispielsweise die Auswertungen für verschiedene Latenzzeiten (0, 5, 7 und 10 Jahre) durchführen oder der Dosis-Wirkungs-Kurve einen quadratischen Term hinzufügen. Wichtig im Zusammenhang mit den hier diskutierten Auswirkungen beruflicher Strahlenexpositionen ist die Tatsache, dass die Autoren auch Rechnungen durchführen, ohne Teilnehmer mit kumulativen Dosen größer als 100 mSv zu berücksichtigen.



A 3.4 Ergebnisse und Diskussion



In der Studie wird eine Fülle an Werten für den Risikokoeffizienten angegeben, in Abhängigkeit von den Confoundern, die berücksichtigt werden, bzw. als Ergebnis der durchgeführten Sensitivitätsanalysen. Da nicht alle Ergebnisse in dieser Zusammenfassung wiedergegeben werden können, werden im Folgenden nur einige wesentliche Ergebnisse diskutiert. Unter Berücksichtigung der gesamten für das Knochenmark relevanten Dosis (inklusive des Beitrags durch die Inkorporation von Plutonium) ergibt sich für nicht CLL-Fälle ein Risikokoeffizient von 4/Sv (95 %-KI: -0,47 - 12). Dieser Wert reduziert sich auf 2,4/Sv (95 %-KI: -1,0 - 9,4) wenn auf das Geschlecht, und weiter auf 1,4/Sv (95 %-KI: -1,0 - 7,6), wenn zusätzlich auf Lösungsmittelexposition korrigiert wurde. Werden dann zusätzlich 22 Fälle mit unklarem Leukämietypus weggelassen, erhöht sich der Risikokoeffizient wieder auf 2,6/Sv (95 %-KI: -1,0 - 10,3). Werden weitere 19 Fälle weggelassen, die mit Dosen von 100 mSv oder mehr exponiert waren, erhöht sich der Risikokoeffizient weiter auf 6,8/Sv (95 %-KI: -2,9 - 24,1). Diese Beobachtung ist konsistent mit dem Ergebnis, das unter Berücksichtigung eines linear-quadratischen Modells der Parameter des quadratischen Anteils negativ ist. Alle zitierten Ergebnisse wurden erzielt unter der Annahme einer Latenzzeit von 2 Jahren, die in den meisten Fällen die besten Fitergebnisse lieferte, und einer linearen Dosis-Wirkungs-Beziehung.



A 3.5 Vergleich mit anderen Studien



Die Autoren weisen darauf hin, dass ihre Ergebnisse mit der Studie der Arbeiter in der Nuklearindustrie in 15 Ländern (siehe Kapitel A 1) konsistent sind (siehe auch Tabelle 3 der vorliegenden Empfehlung). Sie betonen allerdings, dass in beiden Studien Hanford und ORNL eingeschlossen sind, was zu einem Überlapp von 47 Leukämie-Todesfällen führte. Die Studie von Schubauer-Berrigan et al. [1] unterscheiden sich von der Studie der Arbeiter in der Nuklearindustrie in 15 Ländern allerdings in zwei wichtigen Punkten:

die Lösungsmittelexposition wird berücksichtigt
die Follow-up-Zeit ist um 8 Jahre länger.


Wenn Schubauer-Berigan et al. [1] nur die Daten von der PNS-Werft auswerten, ergeben sich deutlich höhere Risikoschätzungen von 42,8/Sv (95% KI: 2,9 - > 45,3). Diese Werte sind mit der Kohortenstudie der PNS-Arbeiter (siehe Abschnitt 4.2 dieses Anhangs und Tabelle 3 der vorliegenden Empfehlung) kompatibel. Schließlich kommen die Autoren zu dem Schluss, dass ihre Ergebnisse mit denen von der LSS kompatibel sind. Sie erwähnen einen Risikokoeffizienten von 1,5/Sv (95% KI: -1,1 - 5,3), der aus der LSS für Männer mit Alter bei Exposition zwischen 20 und 60 Jahren unter Verwendung eines linear-quadratischen Modells für den linearen Koeffizienten erhalten wird (siehe Tabelle 3 der vorliegenden Empfehlung), und betonen, dass noch höhere Werte aus der LSS folgen, wenn ein rein lineares Modell verwendet wird (3,2/Sv; 95% KI: 1,6 - 5,7).



A 3.6 Literatur



[1] Schubauer-Berigan MK, Daniels RD, Fleming DA, Markey AM, Couch JR, Ahrenholz SH, Burphy JS, Anderson JL, Tseng C: Risk of chronic myeloid and acute leukemia mortality after exposure to ionizing radiation among workers at four U.S. nuclear weapons facilities and a nuclear naval shipyard. Radiation Research 167: 222-232; 2007





A 4
Portsmouth-Werftarbeiter


A 4.1 Kohortenstudie zur Krebssterblichkeit



A 4.1.1 Hintergrund



Die Schiffswerft in Portsmouth, Kittery, Maine (USA) wurde 1800 gegründet. Ab 1917 wurden dort vermehrt U-Boote gebaut und in Stand gesetzt. In den 1950er Jahren wurde dort mit Arbeiten an Nuklearantrieben begonnen, und 1957 lief das erste nukleargetriebene Unterseeboot vom Stapel. Die Produktion neuer U-Boote wurde 1971 eingestellt, aber Reparaturen und Wartungsarbeiten werden dort nach wie vor durchgeführt.



Der ersten Untersuchung der dortigen Arbeiter-Kohorte im Jahr 1978 durch Najarian und Colton [1] folgten viele weitere epidemiologische Arbeiten mit zum Teil widersprüchlichen Ergebnissen in Bezug auf Lungenkrebs und Leukämie.



A 4.1.2 Kohorte



Die Kohorte der zwischen dem 1. Januar 1952 und 31. Dezember 1992 Beschäftigten umfasst 37 853 Arbeiter, darunter 13 486 strahlenüberwachte Beschäftigte [2]. Seit der letzten Recherche bis zum 31. Dezember 1996 neu hinzugekommene Todesfälle wurden über einen Abgleich mit dem nationalen Mortalitätsindex recherchiert. Vermutlich noch Lebende wurden über einen weiteren Abgleich mit der Sozialversicherung überprüft. Der Vitalstatus konnte für 1 339 (3,5 %) Probanden nicht ermittelt werden, und die Todesursache von 207 (1,7 %) aller Toten ist unbekannt.



A 4.1.3 Exposition



Der primär untersuchte Risikofaktor ist externe, hochenergetische Gammastrahlung (> 100 keV) aus den Reaktoren [3]. Dosisbeiträge durch Inkorporation von Radionukliden und durch schnelle Neutronen, niederenergetische Photonen oder Röntgenstrahlung machen unter 5 % der Gesamtdosis aus; erstere blieben unberücksichtigt, letztere wurden unter die Gammastrahlung subsummiert. Die individuelle dosimetrische Überwachung begann bereits 1952 und wurde später intensiviert. Dosen unterhalb der Detektionsschwelle wurden als 0 aufgezeichnet. Außerhalb der Werft akkumulierte Dosen wurden durch maximal zulässige Dosen ersetzt, und damit konservativ überschätzt. Für die Zwecke der epidemiologischen Studie wurden diese (individuellen, jährlichen) Werte korrigiert [3]. Sie folgen einer trunkierten Log-Normalverteilung. 836 Beschäftigte waren in früheren Beschäftigungsverhältnissen strahlenexponiert, darunter 632 mit 1 mSv oder mehr. Diese Exposition wurde in den Analysen berücksichtigt. Neben ionisierender Strahlung waren die Arbeiter teilweise durch Asbest, Schweißdämpfe, Benzol oder Tetrachlorkohlenwasserstoff exponiert. Aufzeichnungen darüber hat die medizinische Klinik der Werft zwar geführt, doch liegen diese Daten nicht elektronisch vor und konnten so für diese Studie nicht verwendet werden. Informationen zum Rauchstatus sind nur für einen kleinen Teil der Kohorte verfügbar.



A 4.1.4 Methoden der Auswertung



Die Kohorte wurde in nicht strahlenüberwachte (24 385 Personen) und strahlenüberwachte Beschäftigte eingeteilt, wobei letztere Gruppe wiederum in tatsächlich exponierte (11 971 Personen) und nicht exponierte Beschäftigte (1 677 Personen) eingeteilt wurde. Um die Vergleichbarkeit mit früheren Auswertungen zu gewährleisten, wurden die Kohortenmitglieder in die Dosisgruppen 0 ‑ < 1, 1 ‑ <10, 10 ‑ < 50 und ≥ 50 mSv eingeteilt. Von den strahlenexponierten Beschäftigten haben 1 541 eine Dosis ≥ 50 mSv und 669 (5 %) eine Dosis ≥ 100 mSv erhalten. Zu den externen Vergleichen der Kohorte zählen die Berechnung standardisierter Mortalitätsraten (SMR) für die Teilkohorten (1) unabhängig von der Beschäftigungsdauer, (2) in Abhängigkeit der Beschäftigungsdauer und (3) für den ursprünglichen Beobachtungszeitraum bis 15. August 1977. Für interne Vergleiche wurden standardisierte Ratenverhältnisse (SRR) mit den nicht exponierten Beschäftigten als Referenzgruppe berechnet. (Im Gegensatz zu SMR wird die in der Kohorte vorgefundene Altersstruktur zur Standardisierung herangezogen.). Als Latenzzeiten wurden 0, 2 und 5 Jahre für Leukämie, 0, 10, 15 und 20 Jahre für Lungenkrebs und andere Krebsarten sowie 10, 20, und 30 Jahre für Asbestose eingesetzt.



Die ausgewerteten Endpunkte sind Krebs insgesamt, Lungenkrebs und Leukämie. Wegen der fehlenden Angaben zum Rauchverhalten konnte der Effekt dieses wichtigen potentiellen Confounders nur indirekt ausgewertet werden, indem Trends für tabakassoziierte Krebsarten (Mund und Rachen, Luft- und Speiseröhre, Blase, Nieren, Bauchspeicheldrüse) getestet wurden, daneben aber auch Tod an Asbestose und Silikose als potentielle Confounder für Lungenkrebs. Weiterhin wurden alkoholbedingte Todesursachen und Anämie (wegen der möglichen Lösungsmittelbelastung) untersucht.



A 4.1.5 Ergebnisse



Es wurde ein leichter „Healthy-Worker“-Effekt für alle Todesursachen insgesamt beobachtet, der bei nicht strahlenüberwachten Beschäftigten schwächer war (SMR = 0,97; 95%-KI: 0,95 ‑ 0,99) als bei exponierten (SMR = 0,90; 95 %-KI: 0,86 ‑ 0,94) und nicht exponierten strahlenüberwachten Beschäftigten (SMR = 0,87; 95 %-KI: 0,80 ‑ 0,95). Ausgeprägter war der Effekt in der gesamten Kohorte für viele nicht maligne Todesursachen. Dagegen waren SMR-Werte für Krebs insgesamt signifikant erhöht (SMR = 1,06; 95 %-KI: 1,02 ‑ 1,10). Die SMR-Werte waren in allen drei Teilkohorten für die meisten tabakassoziierten Krebsarten leicht erhöht. Die SMR-Werte für Asbestose waren signifikant erhöht, allerdings auf insgesamt nur 12 Fällen basierend. Für Leukämie wurden nicht signifikant erhöhte SMR bei nicht exponierten strahlenüberwachten und erniedrigte bei strahlenüberwachten Beschäftigten beobachtet. Die SRR-Analysen folgten dem gleichen generellen Schema.



Bei einer Latenzzeit von 2 Jahren wurde eine monotone Dosis-Wirkungs-Beziehung für Leukämie bei SRR beobachtet, nicht so bei SMR. Bei Lungenkrebs wurden unter Annahme einer Latenzzeit von 15 Jahren die höchsten SRR in den Dosiskategorien 1 ‑ < 10 mSv und 10 ‑ < 50 mSv beobachtet. Für andere tabakassoziierte Krebsarten wurden Dosis-Wirkungs-Beziehungen gefunden, manche davon negativ, die wenigsten signifikant. Ein nicht signifikanter Trend für Asbestose bei einer Latenzzeit von 30 Jahren wurde für SMR beobachtet.



A 4.1.6 Diskussion



Insgesamt hatten strahlenüberwachte und nicht exponierte strahlenüberwachte Beschäftigte stark unterschiedliche berufliche und außerberufliche Expositionsmuster. Die durchschnittliche Beschäftigungsdauer war bei den strahlenüberwachten Beschäftigten wesentlich höher. Nicht exponierte strahlenüberwachte Beschäftigte starben häufiger an tabakassoziierten Todesursachen, strahlenüberwachte Beschäftigte häufiger an Asbestose. Die Ergebnisse legen nahe, dass berufsbedingte Faktoren und Lebensstilfaktoren wichtige Confounder in dieser Kohorte sind. Diese Risikofaktoren wurden in den im Folgenden beschriebenen Studien näher untersucht.



A 4.2 Kohortenstudie zu Lungenkrebs und Leukämie



A 4.2.1 Kohorte



Die Ergebnisse der oben beschriebenen Kohortenstudie legen nahe, die Dosimetrie speziell für Lungenkrebs- und Leukämie-Risikofaktoren zu verfeinern. Yiin und Kollegen setzen dies für die 411 Lungenkrebs- und 34 Leukämie-Sterbefälle aus der oben beschriebenen Kohorte um und stellen die Ergebnisse für die beiden Endpunkte in [4] dar.





Aus der Tätigkeit wurde auf den sozioökonomischen Status geschlossen, einem Surrogat für das Rauchverhalten. Auf der Basis von Job-Codes und Informationen über den Arbeitsplatz wurde die Exposition durch Asbest, Schweißdämpfe und Lösungsmittel abgeschätzt.



A 4.2.3 Methoden der Auswertung



Mit multivarianter Poisson-Regression wurde das in der Strahlenforschung übliche lineare Modell geschätzt. Als Sensitivitätsanalysen wurden zusätzlich ein parametrisches Modell für den Effekt des Alters eingesetzt, die Kategorisierung von Asbest und Schweißdämpfen variiert und eine Poisson-Regression mit dem in der Epidemiologie ansonsten üblichen Modell durchgeführt (in dem jeder Faktor multiplikativ eingeht).



A 4.2.4 Ergebnisse



In der nach den jeweils anderen Faktoren adjustierten Analyse haben ein niedriger sozioökonomischer Status und die Exposition durch Schweißdämpfe einen signifikant positiven Effekt auf das Lungenkrebsrisiko. Asbestexposition ist nur schwach und nicht signifikant mit dem Lungenkrebsrisiko korreliert. Der Schätzer für das zusätzliche relative Risiko (ERR) für die Strahlenexposition bei 10 mSv wird auf -0,53 % (95 %‑KI: -3,06 %‑2,59 %) geschätzt. Die gleiche Auswertung wurde mit den beiden Endpunkten tabakassoziierte Tumoren und Krebs insgesamt wiederholt. Auf die Sterblichkeit an tabakassoziierten Tumoren lässt sich kein Effekt vom sozioökonomischen Status feststellen. Die Ergebnisse für Krebs insgesamt zeigen in die gleiche Richtung wie für Lungenkrebs, mit einem ERR bei 10 mSv von -0,07 % (95 %-KI: -0,22 % - 0,09 %).



Die ähnliche Auswertung bei Leukämien weist aufgrund der geringen Fallzahl keine signifikanten Ergebnisse auf. Das nach sozioökonomischem Status und Lösungsmittelexposition adjustierte ERR bei 10 mSv liegt bei 10,9 % (95 %‑KI: -0,9 % ‑ 38,8 %).



Die Sensitivitätsanalysen zeigen, dass die Ergebnisse auch bei abweichender Auswertung qualitativ gleich bleiben.



A 4.2.5 Diskussion



Gegenüber der oben beschriebenen Kohortenstudie sind hier detaillierte Daten für Risikofaktoren für Lungenkrebs und Leukämie erfasst worden. Ein Effekt von sozioökonomischem Status, Schweißrauch und Asbest auf das Lungenkrebsrisiko wurde, wie zu erwarten, beobachtet. Nach Adjustierung für diese Faktoren wurde kein Effekt von externer ionisierender Strahlung auf die Sterblichkeit an Krebs allgemein oder Lungenkrebs beobachtet. Für Leukämien wurde ein mit anderen Studien kompatibles ERR von 10,9 % bei 10 mSv beobachtet. Chronisch-lymphatische Leukämien (CLL) wurden in dieser Studie allerdings nicht gesondert ausgewertet.



A 4.3 Eingebettete Fall-Kontroll-Studie zu Leukämie



A 4.3.1 Kohorte



Risikofaktoren für Leukämie-Sterblichkeit in der Kohorte der Portsmouth-Werftarbeiter wurden in einer eingebetteten Fall-Kontroll-Studie untersucht [5]. Darin eingeschlossen sind 115 Leukämiefälle und jeweils vier Kontrollen aus der Kohorte.



A 4.3.2 Exposition



Aus den medizinischen Unterlagen wurde die Knochenmarksdosis durch Röntgenstrahlung bestimmt und zu den Expositionen am Arbeitsplatz addiert. Über die Berufsanamnese und Betriebsunterlagen wurde die Lösungsmittelexposition quantifiziert.



A 4.3.3 Methoden der Auswertung



Die Auswertung wurde mit bedingter logistischer Regression durchgeführt, adjustiert für Geschlecht, Strahlenüberwachungsstatus, Zeit seit letzter Exposition und Dauer der Lösungsmittelexposition (in Jahren).



A 4.3.4 Ergebnisse



Der Median der kumulativen Dosis war für die Fälle (10,4 mSv) viermal höher als für die Kontrollen (3,82 mSv), wobei 43 % der Dosis durch berufsbedingte medizinische Röntgenuntersuchungen bedingt waren.



Bei strahlenüberwachten Beschäftigten wurde ein gegenüber nicht strahlenüberwachten Beschäftigten halbiertes Leukämierisiko beobachtet [Odds Ratio (OR) = 0,48 (95 %‑KI: 0,29‑0,81)]. Ein signifikanter Effekt der Dauer der Lösungsmittelexposition als Risikofaktor wurde geschätzt [OR = 1,03 (95 %‑KI: 1,01‑1,06)], ebenso signifikant die Strahlenexposition mit OR = 1,08 (95 %‑KI: 1,01‑1,16) bei 10 mSv effektiver Dosis.



Eine Sensitivitätsanalyse mit einem linearen Modell lieferte qualitativ gleiche Ergebnisse mit ERR = 23 % (95 %‑KI: 3 %‑88 %) bei 10 mSv, mit und ohne Berücksichtigung der Lösungsmittelexposition. Wurde statt der effektiven Dosis die Knochenmarksdosis verwendet, lieferte das Modell etwas höhere OR = 1,11 (95 %‑KI: 1,01‑1,22), selbst bei Ausschluss der medizinischen Exposition.



A 4.3.5 Diskussion



Gegenüber der von Silver und Kollegen vorgestellten Kohortenstudie [2] war es in dieser kleinen Studie möglich, detaillierte Informationen zu individuellen medizinischen und Lösungsmittelexpositionen zu erheben. Ebenso wie in der Arbeit von Yiin und Kollegen [4] werden ein Effekt von Lösungsmittelexposition und externer Strahlung beobachtet. In der vorliegenden Studie wurde die medizinische Exposition berücksichtigt, aber nicht für den sozioökonomischen Status adjustiert, was zu leicht abweichenden Ergebnissen hätte führen können. Das beobachtete OR von 1,08 bei 10 mSv ist aber in etwa vergleichbar mit dem von Yiin und Kollegen beobachteten ERR von 10,9 %.



A 4.4 Literatur



[1] Najarian T, Colton T: Mortality from leukaemia and cancer in shipyard nuclear workers. Lancet 1, 1018-1020; 1978

[2] Silver SR, Daniels RD, Taulbee TD, Zaebst DD, Kinnes GM, Couch JR, Kubale TL, Yiin JH, Schubauer-Berigan MK, Chen PH: Differences in mortality by radiation monitoring status in an expanded cohort of Portsmouth Naval Shipyard workers. J Occup Environ Med 46, 677-690; 2004

[3] Daniels RD, Taulbee TD, Chen P: Radiation exposure assessment for portsmouth naval shipyard health studies. Radiat Prot Dosimetry 111, 139-150; 2004

[4] Yiin JH, Schubauer-Berigan MK, Silver SR, Daniels RD, Kinnes GM, Zaebst DD, Couch JR, Kubale TL, Chen PH: Risk of lung cancer and leukemia from exposure to ionizing radiation and potential confounders among workers at the Portsmouth Naval Shipyard. Radiat Res 163, 603-613; 2005

[5] Kubale TL, Daniels RD, Yiin JH, Couch J, Schubauer-Berigan MK, Kinnes GM, Silver SR, Nowlin SJ, Chen PH: A nested case-control study of leukemia mortality and ionizing radiation at the Portsmouth Naval Shipyard. Radiat Res 164, 810-819; 2005





A 5
Hanford-Arbeiter


A 5.1 Hintergrund



Das United States Department of Energy (US-DOE) ließ während des zweiten Weltkriegs den Hanford-Komplex am Ufer des Flusses Columbia im Bundesstaat Washington errichten. Neben der Produktion waffenfähigen Plutoniums wurde dort Nuklearforschung betrieben.



Eine Kohorte von ca. 33 500 Beschäftigten wird seit den 1960er Jahren epidemiologisch untersucht. Der primär analysierte Risikofaktor ist die Strahlenexposition durch externe Gammastrahlung. Die Exposition wurde für die meisten der in epidemiologischen Studien eingeschlossenen Arbeiter routinemäßig mit Personendosimetern erfasst [1-5]. Die Dosimetrie für inkorporierte Radionuklide ist aufgrund der Datenlage und fehlender biokinetischer Modelle problematisch, so dass daraus resultierende Dosen in epidemiologischen Studien nicht adäquat berücksichtigt werden können.



Erste Ergebnisse der Kohortenstudien wurden 1977 veröffentlicht. Mancuso und Kollegen berichten einen Zusammenhang zwischen externer Strahlenexposition und der Sterblichkeit an strahlensensitiven Krebsarten [6-8] sowie an Krebs insgesamt [9]. In diesen Auswertungen wird eine starke Abhängigkeit vom Alter bei Exposition beobachtet, die durch die höchsten Altersgruppen stark beeinflusst wird [9-11]. Gilbert und Kollegen finden dagegen wenige Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen kumulativer Dosis und Krebs [12, 13]. Sie vermuten, dass der positive Zusammenhang bei höheren Altersgruppen auf Verzerrungen zurückzuführen ist [14]. Insbesondere in den höheren Altersgruppen wird eine hohe Sterblichkeit an Lungenkrebs beobachtet.



In der Kohorte der Hanford-Arbeiter wurde, analog zu vielen anderen Berufskohorten, eine gegenüber der Allgemeinbevölkerung niedrigere Sterblichkeitsrate beobachtet, der so genannte „Healthy-Worker“-Effekt.



A 5.2 Kohorte



Die jüngste Auswertung der Kohorte [15] schließt 19 684 Männer und 6 705 Frauen ein, die zwischen 1944-1978 eingestellt wurden, für die dosimetrische Aufzeichnungen vorliegen, die mindestens 180 Tage in Hanford beschäftigt waren und weder möglicherweise vor Einschluss in die Kohorte strahlenexponiert noch an anderen DOE-Standorten angestellt gewesen oder beim Aufbau beteiligt waren. Weitere 2 Arbeiter mit akuten Expositionen bei einem Unfall und 2 Arbeiter mit Jahresdosen über 250 mSv wurden ausgeschlossen. Todeszeitpunkt und -ursache bis zum 31. Dezember 1994 wurden über einen Abgleich mit dem nationalen Mortalitätsindex ermittelt. Bei 2 265 der insgesamt 8 153 Todesfälle war Krebs als Grundleiden oder Begleiterkrankung verzeichnet.



A 5.3 Exposition



Die Auswertung basiert auf Dosen durch externe Strahlung (hauptsächlich Gammastrahlung und Tritium). Digitalisierte Aufzeichnungen individueller, jährlicher Dosen für die Jahre 1944 bis 1989 liegen für die meisten Beschäftigten vor. Sie wurden in Dosisrekonstruktionsstudien ermittelt [1, 16], fehlende Werte darin wurden in einem mehrstufigen Verfahren ergänzt [4]. Rund 14 % der Männer und 6 % der Frauen haben auch mit Plutonium gearbeitet. Lücken in der Expositionserfassung wurden über einen 13-stufigen Algorithmus geschlossen. Über 3 000 Arbeiter hatten eine kumulative Dosis von über 50 mSv.



A 5.4 Methoden der Auswertung



Folgende vier Zielereignisse wurden untersucht: Todesursachen insgesamt, Krebs insgesamt, Lungenkrebs und Leukämie ohne chronisch-lymphatische Leukämien (CLL). Als mögliche Confounder der Strahlenexposition wurden berücksichtigt: das Alter bei Exposition (in 5-Jahres-Intervallen), die Geburtskohorte, die ethnische Gruppe, das Geschlecht, ein Indikator für den sozioökonomischen Status (SES) und Indikatoren für die aktuelle Beschäftigung, in-vivo-Monitoring und die potentielle Plutonium-Exposition. Das Rauchverhalten konnte auch in dieser Arbeit wegen fehlender Daten nicht berücksichtigt werden. Die Dosen wurden dynamisch kumuliert in den Kategorien 0, -10, -20, -50, -100, -150, -200, -300, und > 300 mSv mit Latenzzeiten von 5, 10 und 15 Jahren. Ein lineares Dosis-Wirkungs-Modell wurde mit Poisson-Regression angepasst.



A 5.5 Ergebnisse



Unabhängig von der gewählten Latenzzeit sind die nach den obigen Confoundern adjustierten Risikokoeffizienten (zusätzlichen relativen Risiken (ERR) je Dosis) nicht signifikant negativ für alle Todesursachen insgesamt und Leukämie ohne CLL, nicht signifikant positiv für Krebs insgesamt, aber signifikant positiv bei Lungenkrebs bei Annahme von Latenzzeiten von 5 oder 10 Jahren. Aus der gleichen, zusätzlich nach Altersgruppe bei Exposition durchgeführten Auswertung wird deutlich, dass signifikant positive Werte für Risikokoeffizienten nur für Expositionen im Alter 55 - 82 und nur für Krebs insgesamt und Lungenkrebs beobachtet werden, wobei die Werte für Risikokoeffizienten mit der Latenzzeit steigen und die Werte für Krebs insgesamt von denen für Lungenkrebs beeinflusst werden. Eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung zeichnet sich nicht ab.



Tab. 1: Adjustierter Risikokoeffizient (ERR je Dosis) bei Latenzzeiten von 5, 10, 15 Jahren, beste Schätzwerte und 90 %-Konfidenzintervalle



ERR je Dosis (Sv-1)

Todesursache

Latenzzeit

Alle Altergruppen

55 - 82 Jahre bei Exposition

Krebs insgesamt

5

0,30 (-0,23; 0,96)

2,27 (0,22; 4,65)

10

0,28 (-0,30; 1,00)

3,24 (0,80; 6,17)

15

0,16 (-0,49; 0,98)

3,27 (0,13; 7,20)

Lungenkrebs

5

1,22 (0,08; 2,83)

4,59 (0,43; 10,17)

10

1,31 (0,05; 3,11)

9,05 (2,96; 17,92)

15

1,14 (-0,22; 3,10)

10,28 (2,42; 22,52)





A 5.6 Diskussion



Die erhöhten Werte für Risikokoeffizienten in der höchsten Altersgruppe widersprechen den aus der Life Span Study (LSS) bekannten Beobachtungen. Allerdings wurde auch in der Kohorte der Anwohner der Tetscha (siehe Kapitel A 9) ein erhöhter Risikokoeffizient für höhere Alter gefunden.



In einer zusätzlichen kleinen Fall-Kohorten-Studie der Hanford-Arbeiter wurden die medizinischen Akten von 86 Lungenkrebs-Fällen und einer geschichteten Stichprobe von 445 Probanden untersucht [17]. Es wurde kein Zusammenhang vom Rauchen mit der Strahlenexposition festgestellt. Diese Studie ist sehr klein, stützt sich nur auf vorhandene Akten, und die Risikoschätzer sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Obwohl in der Fall-Kohorten-Studie keine Korrelation zwischen Rauchen und Strahlenexposition gefunden wurde, könnte eine solche Korrelation in der Gesamtkohorte bestanden und den hohen Wert für das Lungenkrebsrisiko durch Strahlung bedingt haben.



A 5.7 Literatur



[1] Gilbert ES: A study of detailed dosimetry records for a selected group of workers included in the Hanford mortality study. Richland, WA, Pacific Northwest Laboratory. Ref Type: Report. 1990

[2] Kneale GW, Sorahan T, Stewart AM: Evidence of biased recording of radiation doses of Hanford workers. Am J Ind Med 20, 799-803; 1991

[3] Gilbert ES, Fix JJ: Laboratory measurement error in external dose estimates and its effects on dose-response analyses of Hanford worker mortality data. Richland, WA, Hanford Site. Ref Type: Report. 1996

[4] Richardson D, Wing S, Watson J, Wolf S: Missing annual external radiation dosimetry data among Hanford workers. J Expo Anal Environ Epidemiol 9, 575-585; 1999

[5] Richardson D, Wing S, Watson J, Wolf S: Evaluation of annual external radiation doses at or near minimum detection levels of dosimeters at the Hanford nuclear facility. J Expos Anal Env Epidemiol 10, 27-35; 2000

[6] Mancuso TF, Stewart A, Kneale G: Radiation exposures of Hanford workers dying from cancer and other causes. Health Phys 33, 369-385; 1977

[7] Kneale GW, Mancuso TF, Stewart AM: Hanford radiation study III: a cohort study of the cancer risks from radiation to workers at Hanford (1944-77 deaths) by the method of regression models in life-tables. Br J Ind Med 38, 156-166; 1981

[8] Kneale GW, Mancuso TF, Stewart AM: Job related mortality risks of Hanford workers and their relation to cancer effects of measured doses of external radiation. Br J Ind Med 41, 9-14; 1984

[9] Kneale GW, Stewart AM: Reanalysis of Hanford data: 1944-1986 deaths. Am J Ind Med 23, 371-389; 1993

[10] Kneale GW, Stewart AM: Factors affecting recognition of cancer risks of nuclear workers. Occup Environ Med 52, 515-523; 1995

[11] Stewart AM, Kneale GW: Relations between age at occupational exposure to ionising radiation and cancer risk. Occup Environ Med 53, 225-230; 1996

[12] Gilbert ES, Marks S: An updated analysis of mortality of workers in a nuclear facility. Radiat Res 83, 740-741; 1980

[13] Gilbert ES, Petersen GR, Buchanan JA: Mortality of workers at the Hanford site: 1945-1981. Health Phys 56, 11-25; 1989

[14] Gilbert ES, Cragle DL, Wiggs LD: Updated analyses of combined mortality data for workers at the Hanford Site, Oak Ridge National Laboratory, and Rocky Flats Weapons Plant. Radiat Res 136, 408-421; 1993

[15] Wing S, Richardson DB: Age at exposure to ionising radiation and cancer mortality among Hanford workers: follow up through 1994. Occup Environ Med 62, 465-472; 2005

[16] Buschbom RL, Gilbert ES: Summary of recorded external radiation doses for Hanford workers, 1944-1989. Richland, WA, Pacific Northwest Laboratory. Ref Type: Report. 1993

[17] Petersen GR, Gilbert ES, Buchanan JA, Stevens RG: A case-cohort study of lung cancer, ionizing radiation, and tobacco smoking among males at the Hanford Site. Health Phys 58, 3-11; 1990





A 6
Deutsche Uranbergarbeiter


A 6.1 Studienkollektiv



Seit Schließung der deutschen Uranminen im Jahre 1990 werden alle Krankenakten der früheren Bergarbeiter von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin aufbewahrt. Diese Akten schließen auch Informationen zu 360 000 männlichen Arbeitern ein, die zwischen 1950 und 1989 mindestens einige Monate im Bergbau tätig waren.



Für eine Fall-Kontroll-Studie identifizierten Möhner und Mitarbeiter [1] aus diesem Kollektiv durch Abgleich mit Daten des Allgemeinen Krebsregisters der Länder der ehemaligen DDR sowie mit Daten der ehemaligen Wismut AG 377 Leukämiefälle. Damit stellt die Studie eine der größten Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen der beruflichen Strahlenexposition und einem potentiellen Leukämierisiko dar.



Aus der Kohorte wurden außerdem zufällig 980 Kontrollfälle bestimmt, wobei sichergestellt wurde, dass diese Fälle nicht im Krebsregister eingetragen waren. Ein Kontrollfall wurde einem Leukämiefall zugeordnet, wenn das Geburtsjahr auf ± ein Jahr übereinstimmte.



A 6.2 Exposition



Nach der Wiedervereinigung wurde von der Bergbau-Berufsgenossenschaft eine detaillierte Job-Exposure-Matrix aufgebaut, in der die Exposition durch Radon und Radonfolgeprodukte (in WLM), durch langlebige Radionuklide (235U, 238U) und ihre Folgeprodukte (in kBqh/m3) und durch externe Gammastrahlung berücksichtigt ist. Insgesamt wurden Expositionsabschätzungen für mehr als 500 Arbeitsplätze und 750 Berufsbezeichnungen über einen Zeitraum von 44 Jahren durchgeführt. Basierend auf dem Atemtraktmodell der ICRP sowie auf Daten von der japanischen Life Span Study (LSS) wurde schließlich für jede Person die Dosis für das rote Knochenmark berechnet, wobei die Dosisberechnung für die Kontrollfälle mit dem Jahr endete, in dem der entsprechende Leukämiefall diagnostiziert wurde.



A 6.3 Analyseverfahren



Eine Quantifizierung der aufgetretenen Risiken erfolgte durch die Angabe von Odds Ratios (OR) und den zugehörigen 90 %-Konfidenzintervallen. Bei der Wahl der Expositionskategorien richteten sich die Autoren der besseren Vergleichbarkeit wegen nach Studien von Darby et al. 1995 (Radonfolgeprodukte) und Cardis et al. 1995 (externe Gammastrahlung) [2, 3]. Zur Untersuchung evtl. vorhandener Dosisabhängigkeiten wurde eine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung verwendet.



A 6.4 Ergebnisse



Es konnte kein statistisch signifikanter Unterschied festgestellt werden zwischen der kumulativen Exposition der Fälle durch Radonfolgeprodukte und der der Kontrollen (Mittelwert: 275,7 WLM). Eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen kumulativer Exposition durch Radonfolgeprodukte und Leukämie konnte nicht nachgewiesen werden.



Allerdings wurden für die Fälle im Vergleich zu den Kontrollen etwas höhere kumulative Expositionen durch externe Gammastrahlung (26,0 statt 21,5 mSv) und durch langlebige Radionuklide (3,85 statt 3,29 kBqh/m3) beobachtet. Im Hinblick auf die Exposition durch externe Gammastrahlung scheint ein erhöhtes Risiko für kumulative Expositionen größer als 200 mSv vorhanden zu sein (13 Fälle, 22 Kontrollen; OR: 1,57; 90 %-KI: 0,87 - 2,83), wozu chronisch-lymphatische Leukämien (CLL) besonders beitragen (4 Fälle, 4 Kontrollen; OR: 2,81; 90 %-KI: 0,87 - 9,07). Eine statistisch signifikante Abhängigkeit von der Exposition war jedoch nicht zu verzeichnen.



Auch bei langlebigen Radionukliden wurde ein erhöhtes Risiko für die höchste Expositionskategorie (kumulierte Exposition > 20 kBqh/m3) beobachtet (22 Fälle, 34 Kontrollen; OR: 1,53; 90 %-KI: 0,96 - 2,44), wozu wieder chronisch-lymphatische Leukämien besonders beitragen (8 Fälle, 8 Kontrollen; OR: 2,31; 90 %-KI: 0,99 - 5,40). Ähnlich wie bei Exposition durch externe Gammastrahlung kann daraus jedoch keine statistisch signifikante Dosis-Wirkungs-Beziehung abgeleitet werden.



A 6.5 Diskussion



Die Autoren diskutieren unter anderem die folgenden Quellen möglicher Verzerrungen der Daten:

a)
systematische Verfälschung der Statistik in der Vergangenheit aus politischen Gründen;
b)
mögliche Verzerrung der Ergebnisse aufgrund der Tatsache, dass die Leukämiefälle über Krankenakten identifiziert wurden und nicht, wie in den meisten vergleichbaren Studien, über Listen von Personalabteilungen, so dass gesunde Personen möglicherweise mit geringerer Häufigkeit in die Studie aufgenommen wurden;
c)
mögliche Folgedosen nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei der Wismut AG.


Sie kommen zu dem Schluss, dass diese Aspekte die oben dargestellten Ergebnisse nicht wesentlich beeinflusst haben.



Da die Expositionsabschätzungen mit großen Unsicherheiten verbunden sind, führten die Autoren zusätzliche Analysen durch, nachdem sie eine weitere Arbeitsplatzunterteilung nach Art der Exposition eingeführt hatten (a: Bergleute, die vor 1955 beschäftig waren – hohe Exposition durch Radonfolgeprodukte, niedrige Exposition durch Gammastrahlung; b: Bergleute mit langen Beschäftigungszeiten – hohe Exposition durch alle Strahlungskomponenten; c: Arbeiter, die nie unter Tage, jedoch lange in der Uranerzverarbeitung beschäftigt waren - hohe Exposition durch Gammastrahlung, niedrige Exposition durch Radonfolgeprodukte). Auch bei dieser Art der Auswertung ergaben sich höhere OR-Werte nur für die Personengruppen mit erhöhter Exposition durch externe Gammastrahlung und/oder durch langlebige Radionuklide.



A 6.6 Vergleich mit anderen Studien



Aus den LSS-Daten ergibt sich für Leukämie (ohne CLL) ein Maximum des Auftretens 7 bis 12 Jahre nach der Exposition. In Studien an den Aufräumarbeitern in Tschernobyl wird von einem noch etwa 3 Jahre früheren Erreichen des Maximums berichtet. Dagegen ergibt die vorliegende Studie, dass es im Mittel erst 28,7 Jahre nach der ersten Exposition zur Diagnose „Leukämie“ kam. Zudem wird gegenwärtig davon ausgegangen, dass die CLL nicht zu den strahleninduzierbaren Leukämiearten zählt. In der vorliegenden Studie dagegen sind die Risiken für CLL verglichen mit denen für andere Leukämiearten durchweg erhöht, auch wenn dieser Unterschied nicht statistisch signifikant erscheint. Die Autoren spekulieren („… seems to be possible …“), dass die chronisch-niedrige Strahlenexposition dabei eine Rolle spielen könnte und sehen hier die Notwendigkeit weiterer Studien.



Ein Zusammenhang zwischen dem Leukämierisiko und der Exposition durch Radonfolgeprodukte wird in der vorliegenden Studie mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen („… can largely be excluded …“). Die Autoren bestätigen damit das Ergebnis einer gepoolten Studie von 11 Bergarbeiterkohorten [3]. Sie finden auch keinen Zusammenhang zwischen dem Leukämierisiko und der Äquivalentdosis. Wird jedoch die Äquivalentdosis ohne den Beitrag durch die Radonfolgeprodukte berechnet, wird ein signifikant erhöhtes relatives Risiko ab einer kumulativen Äquivalentdosis von 400 mSv beobachtet, was zwar mit der Studie von Cardis et al. [3] kompatibel ist, allerdings deutlich niedriger ist als das, das bei den Atombombenüberlebenden bei einer ähnlichen Exposition beobachtet wurde. Als Werte für Risikokoeffizienten für den ganzen Dosisbereich ergeben sich für ein lineares Model 0,69/Sv; 90 %-KI: -0,35 - 1,74.



A 6.7 Bewertung



Das wohl wichtigste Ergebnis der Studie besteht in der Tatsache, dass ein erhöhtes Leukämierisiko für eine kumulative Äquivalentdosis von mehr als 400 mSv gefunden wurde, wenn der Beitrag durch die Radonfolgeprodukte nicht berücksichtigt wird. Diese Beobachtung trifft besonders zu für CLL. Die Ergebnisse dieser Studie sind jedoch nicht relevant im Hinblick auf die Diskussion der Risiken von Expositionen im Bereich der Berufslebensdosis, da unterhalb einer Dosis von 400 mSv keine signifikanten Risikoerhöhungen beobachtet wurden und auch die Punktschätzungen für das OR bei diesen Dosen in den meisten Fällen kleiner 1 sind.



A 6.8 Literatur



[1] Möhner M, Lindtner M, Otten H, Gille HG: Leukemia and exposure to ionizing radiation among German uranium miners. American Journal of industrial medicine 49: 238-248; 2006

[2] Darby SC, Whitley E, Howe GR, Hutchings SJ, Kusiak RA, Lubin JH, Morrison HI, Tirmarche M, Tomasek L, Radford EP, Roscoe R, Samet JM, Yao SX: Radon and cancer other than lung cancer in underground miners: A collaborative analysis of 11 studies. J Natl Cancer Inst 87: 378-384; 1995

[3] Cardis E, Gilbert ES, Carpenter L, Howe G, Kato I, Armstrong BK, Beral V, Cowper G, Douglas A, Fix J, Fry SA, Kaldor J, Lave C, Salmon L, Smith PG, Voelz GL, Wiggs LD: Effects of low doses and low dose rates of external ionizing radiation: Cancer mortality among nuclear industry workers in three countries. Radiat Res 142: 117-132; 1995





A 7
Aufräumarbeiter nach dem Tschernobylunfall


Mehrere hunderttausend Arbeiter waren nach dem Unfall von Tschernobyl im Jahre 1986 mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Die durchschnittliche Dosis dieser Personengruppe aufgrund externer ionisierender Strahlung lag bei etwa 100 mSv. Die Untersuchung dieser Kohorte kann informativ für die Schätzungen von Strahlenrisiken im Bereich niedriger Dosen sein.



A 7.1 Krebsinzidenz



A 7.1.1 Kohorte



Die in der vorliegenden Studie [1] analysierte Kohorte ist eine Teilkohorte der allgemeinen Kohorte von Aufräumarbeitern und umfasst 55 718 Personen. Einschlusskriterium war neben der Registrierung im russischen medizinischen und dosimetrischen Register die Teilnahme an mindestens einer medizinischen Untersuchung im Zeitraum 1991 bis 2001. Der Follow-up wurde bis zum Stichtag 31.12.2001 durchgeführt. Daten zu Geburtstag, Registrierungsdatum, dokumentierter Dosis sowie zu Ankunft und Verlassen der Aufräumzone mussten vorliegen. Es handelt sich ausschließlich um russische Männer.



Ingesamt wurden 1 370 solide Tumoren bei mehr als 509 000 Personenjahren registriert.



A 7.1.2 Dosimetrie



Drei Gruppen dosimetrischer Daten werden unterschieden:

1.
Die Exposition oder absorbierte Dosis wurde mit individuellem Dosimeter erfasst. Thermolumineszenzdosimeter oder Filmdosimeter kamen zum Einsatz. Dosimetrische Daten für 85 % der Kohorte beruhen auf derartigen Erfassungen.
2.
Nutzung einer Gruppendosis, basierend auf einem einzelnen Dosimeter in einer Gruppe von Aufräumarbeitern.
3.
Nutzung einer Dosis, die aus den mittleren Dosisleistungen an den Einsatzorten und den Aufenthaltsdauern abgeleitet wurde.


Die Methoden 2 und 3 wurden nur zu Beginn der Aufräumarbeiten genutzt. Die mittlere Dosis der im Jahr 1986 eingesetzten Personen betrug 164,3 mSv, gegenüber 93,6 mSv für die im Jahr 1987 eingesetzten Arbeiter.



A 7.1.3 Methoden der Auswertung



Die Daten zur Inzidenz solider Tumoren in Abhängigkeit von der externen Dosis wurden mit einem Modell für das zusätzliche relative Risiko (excess relative risk, ERR) mit linearer Dosis-Wirkungs-Funktion ausgewertet. Als Referenzdaten wurde die Rate der russischen Bevölkerung 1991 - 1997 sowie Raten einer internen nicht exponierten Kontrollgruppe von Aufräumarbeitern genutzt. Für den Vergleich mit der externen Referenzbevölkerung wurden standardisierte Inzidenzquotienten (standardised incidence ratios, SIR) gebildet. Die individuelle Zeit unter Risiko für Kohortenmitglieder begann erst 2 Jahre nach Registrierung, um vorbestehende Krebserkrankungen auszuschließen. Die Auswertungsperiode umfasste die Jahre 1991 - 2001, mit Unterperioden 1991 - 1995 und 1996 - 2001.



A 7.1.4 Ergebnisse



Bei den SIR- Auswertungen ergaben sich keine statistisch signifikanten Unterschiede zur russischen Vergleichsbevölkerung. Die Auswertung nach Dosiskategorien über den Gesamtzeitraum ergab ansteigende Risiken mit höheren Dosen, wobei die Gruppe mit den höchsten mittleren Dosen (223,1 mSv) ein etwas niedrigeres relatives Risiko (1,09, 95 %-KI: 0,91 - 1,31) aufwies als die darunter liegenden Dosisgruppen. Für eine Reihe von soliden malignen Tumorarten fanden die Autoren erhöhte Punktschätzer für den Risikokoeffizienten, allerdings war kein ERR-Schätzer signifikant von Null verschieden. Für die Gesamtheit aller Tumoren lag der Risikokoeffizient bei 0,33/Sv (95 %-KI: -0,39 - 1,22).



A 7.1.5 Diskussion



Die Autoren merken an, dass ihre neueren Ergebnisse in Bezug auf das ERR wesentlich niedriger als in der ersten Auswertung der Kohorte bis 1995 [2] liegen und führen dies auf Unterschiede und Verbesserungen in der Datenqualität in der neueren Studie sowie möglicherweise auf Zusammenhänge mit der individuellen Strahlensensitivität zurück. In der Kohorte wurden keine Angaben zum Rauchen und zum sozialen Status erhoben, was die Aussagekraft einschränkt. Atemwegstumoren waren auch in dieser Kohorte die häufigsten inzidenten Tumorerkrankungen. Weitere Beschränkungen liegen in der Dosimetrie, die besonders für die Personen ohne individuelle Dosimeter unsicher ist. Die Autoren gehen allerdings davon aus, dass keine systematischen Überschätzungen der Dosen stattgefunden haben.



Die Ergebnisse sind mit den Daten der Life-Span Studie (LSS) weitgehend in Übereinstimmung, die Punktschätzer für den Risikokoeffizienten der soliden Tumoren liegen nahe beieinander.



A 7.2 Krebsmortalität



A 7.2.1 Kohorte



Die in der vorliegenden Studie [3] analysierte Kohorte ist eine Teilkohorte der allgemeinen Kohorte von Aufräumarbeitern und umfasst 29 003 Personen. Einschlusskriterien waren

-
männlich
-
Wohnort in sechs administrativen Gebieten im europäischen Teil der russischen Föderation
-
Registrierung im russischen medizinischen und dosimetrischen Register vor dem 1. Januar 1992
-
Vorliegen eines Wertes für die externe Dosis
-
mindestens eine medizinische Untersuchung nach dem Verlassen der Tschernobyl-Zone bis zum 31. Dezember 2002
-
Beteiligung an den Aufräumarbeiten im Zeitraum 26. April 1986 bis 26. April 1987.


Zum Zeitpunkt des Einsatzes zu den Aufräumarbeiten hatte ein Großteil der Arbeiter ein Alter von 18 bis 44 Jahren. Nur 1 543 Personen (5 %) waren älter als 44 Jahre.



Bis zum 31. Dezember 2002 wurden 651 Todesfälle durch solide maligne Tumoren registrieren. Davon starben 217 Arbeiter an Lungenkrebs.



A 7.2.2 Dosimetrie



Die Dosis der Arbeiter wurde mit drei unterschiedlichen Methoden abgeschätzt:

-
Die Exposition oder absorbierte Dosis wurde mit individuellem Dosimeter erfasst. Thermolumineszenzdosimeter oder Filmdosimeter kamen zum Einsatz.
-
Nutzung einer Gruppendosis, basierend auf einem einzelnen Dosimeter in einer Gruppe von Aufräumarbeitern.
-
Nutzung einer Dosis, die aus den mittleren Dosisleistungen an den Einsatzorten und den Aufenthaltsdauern abgeleitet wurde.


Die mittlere Dosis der Aufräumarbeiter betrug 156 mGy. 446 der Aufräumarbeiter (1,5 %) erhielten Dosen größer als 250 mGy, 94 Arbeiter (0,3 %) Dosen größer als 300 mGy.



A 7.2.3 Methoden der Auswertung



Die Daten zur Mortalität solider Tumoren in Abhängigkeit von der externen Dosis wurden mit einem Modell für das zusätzliche relative Risiko (ERR) mit linearer Dosis-Wirkungs-Funktion ausgewertet. Für die Analysen wurde das Programm EPICURE verwendet.



A 7.2.4 Ergebnisse



Für die Gesamtheit aller soliden Tumoren war die Mortalität in der Dosisgruppe größer 100 mGy gegenüber der Kontrollgruppe (Dosis kleiner 50 mGy) signifikant erhöht. Das relative Risiko lag bei 1,61 (95 %-KI: 1,01 – 2,25). Für die lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung ergab sich ein Risikokoeffizient von 1,52/Gy (95 %-KI: 0,20 - 2,85). Es wurde geschätzt, dass 125 (19 %) der 651 Todesfälle mit der Strahlenexposition assoziiert waren. Für Lungenkrebs ergab sich ein Risikokoeffizient von 1,89/Gy (95 %-KI: -1,34 – 5,12).



A 7.2.5 Diskussion



In der Kohorte wurden keine Angaben zum Rauchen und zum sozialen Status erhoben, was die Aussagekraft einschränkt. Atemwegstumoren waren auch in dieser Kohorte die häufigste Ursache der Krebsmortalität. Weitere Beschränkungen liegen in der Dosimetrie, die besonders für die Personen ohne individuelle Dosimeter unsicher ist.



Obwohl die besten Schätzwerte des Risikokoeffizienten für die Mortalität durch alle soliden Tumoren und durch Lungenkrebs deutlich höher sind als in der Studie der Atombombenüberlebenden von Hiroshima und Nagasaki, sind die Ergebnisse aufgrund der großen Unsicherheitsbereiche miteinander verträglich.

A 7.3 Literatur



[1] Ivanow K, Gorski AI, Tsyb AF, Ivanov SI, Naumenko RN, Ivanova LV: Solid cancer incidence among the Chernobyl emergency workers residing in Russia: estimation of radiation risks. Radiat Environ Biophys 43: 35-42; 2004

[2]  Ivanov VK, Rastopchin EM, Gorsky AI, Ryvkin VB: Cancer incidence among liquidators of the Chernobyl accident: solid tumors, 1986-1995. Health Phys 74: 309-315; 1998





A 8
US-amerikanische Radiologieassistenten


A 8.1 Kohorte



Mehr als die Hälfte der in den USA beruflich strahlenexponierten Personen sind im medizinischen Bereich tätig. Die vorliegende Studie [1] basiert auf einer Kohorte von 146 022 Personen, die nachweislich zwei oder mehr Jahre im Zeitraum von 1926 - 1982 als Röntgenassistenten tätig waren. Zum Ende des Follow-ups 1997 war der Vitalstatus für 99,3 % der Personen bekannt. Für 94 % der insgesamt 12 624 Verstorbenen war die Todesursache bekannt. 90 305 Mitglieder der Kohorte – davon 69 525 Frauen – nahmen 1983 - 1989 an einer Befragung teil, so dass für diese Personen detaillierte Informationen in Bezug auf die durchgeführte Tätigkeit, den Arbeitsplatz, Alkohol- und Tabakkonsum usw. verfügbar waren.



Die Studie [1] ist aufgrund der großen Anzahl strahlenexponierter Frauen einzigartig. Weitere Stärken liegen z.B. in dem langen Beobachtungszeitraum, dem fast vollständigen Mortalitäts-Follow-up und in der Verfügbarkeit von Daten zum Rauchen sowie zu anderen Faktoren, die das Auftreten von Krebs (Confounder) begünstigen können. Die hohe Teilnehmerzahl ermöglicht zudem die Verwendung interner Kontrollgruppen.



A 8.2 Dosimetrie



Für die Mitglieder der Kohorte wurden in der Studie [1] keine verlässlichen Daten zur beruflichen Dosis angegeben. Stattdessen wurden als Ersatz für die Dosis das Jahr der Einstellung sowie die Anzahl der Arbeitsjahre in verschiedenen Perioden benutzt. Hintergrund dazu ist die Tatsache, dass die jährlichen Dosen für diejenigen, die im medizinischen Bereich arbeiteten, nach Angabe der Autoren vor 1950 etwa 30-mal höher waren als in den 1980er Jahren. Dementsprechend werden in der Studie [1] keine Risikokoeffizienten angegeben, sondern die Ergebnisse als altersstandardisierte Mortalitätsraten (auf der Basis der US-Bevölkerung) bzw. relative Risiken (bei Verwendung interner Kontrollen) dargestellt.



Die folgenden Informationen zur Dosis wurden in einer von Simon und Mitarbeitern separat veröffentlichten Arbeit entnommen [2].



Verfügbare Dosis-Informationen

Es wurden Dosisabschätzungen durchgeführt für die 90 305 der insgesamt 146 000 Personen, die an der erwähnten Befragung teilnahmen. Bei dieser Umfrage wurden unter anderem dosisrelevante Aspekte abgefragt wie zum Beispiel Angaben zur Verwendung spezieller diagnostischer Verfahren, zur Teilnahme an strahlentherapeutischen Maßnahmen, zur Verwendung von Radionukliden, zu Körperpositionen beim Halten von Patienten, zur Verwendung von Filmdosimetern und zu Strahlenschutzmaßnahmen. Zusätzlich wurden Ergebnisse von etwa 1,2 Millionen Messungen, die zwischen 1977 - 1998 mit Filmdosimetern durchgeführt worden waren, verwendet. Ziel der Dosisrekonstruktion war es, für jede Einzelperson jährliche Film- und Organdosiswerte einschließlich der damit verbundenen Fehler abzuschätzen.



Methoden

Für jede Einzelperson wurde eine Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion in Form einer log-normal-Verteilung bestimmt, die die Verteilung der möglichen jährlichen Dosen beschreibt. Da die Häufigkeit und die Qualität der Filmdosimeter-Messungen je nach Jahr deutlich unterschiedlich waren, wurden für die Jahre vor 1960, 1960 - 1976 und 1977 - 1984 verschiedene Methoden zur Dosisrekonstruktion angewendet. Beispielsweise mussten für die Zeit vor 1960 (entspricht 11 % der Personenjahre) alle Daten zu den Filmdosimetermessungen der Literatur entnommen werden, während umfangreiche Messdaten (mehr als 350 000 Messungen) erst für die Zeit nach 1976 (entspricht 40 % der Personenjahre) verfügbar waren. Außerdem wurden Dosisabschätzungen für folgende Organe durchgeführt: weibliche Brust, Ovarien, Testis, Lunge, Schilddrüse, rotes Knochenmark, Hautdosis (Rumpf) und Hautdosis (Kopf, Nacken, Arme).



Dosisabschätzungen

Unter den 90 305 Personen waren 2 651, die nie als Röntgenassistent gearbeitet hatten und deren Dosen daher als 0 mSv angenommen wurden. Für die restlichen 87 744 exponierten Personen, die mindestens ein Jahr als Röntgenassistent gearbeitet hatten, gelten die folgenden Dosisabschätzungen.



Mittlere jährliche Filmdosis

Die mittlere jährliche Filmdosis war anfänglich (< 1939) mit 100 mSv am höchsten und nahm in den folgenden Jahren auf 25 mSv (1940 - 49), 28 mSv (1950 - 59), 3,6 mSv (1960 - 1976) und 2,3 mSv (1977 - 1984) ab. Die kumulierte mittlere Filmdosis reichte von 1 mSv bis 2 658 mSv, mit einem Mittelwert von 28,7 mSv, einem Medianwert von 63,8 mSv und einer Standardabweichung von 119 mSv. Etwa 14 000 Personen weisen kumulierte Filmdosen größer als 100 mSv auf, knapp 1 500 Personen kumulierte Filmdosen größer als 400 mSv.



Kumulierte Organdosen

Für 67 736 weibliche exponierte Mitglieder der Kohorte wurden kumulierte Brustdosen abgeschätzt. Die kumulierte mittlere Brustdosis reichte von 0,1 mGy bis 1 900 mGy, mit einem Mittelwert von 24 mGy, einem Medianwert von 12 mGy und einer Standardabweichung von 47 mGy. Etwa 2 000 Personen wiesen Brustdosen von mehr als 100 mGy auf.



Kumulierte mittlere Lungendosen reichten von 0,1 mGy bis 820 mGy, mit einem Mittelwert von 11 mGy, einem Medianwert von 5,5 mGy und einer Standardabweichung von 21 mGy. Die Zahl derer, die Lungendosen größer als 100 mGy aufweisen, ist kleiner als 1 000.



Die kumulierten mittleren Dosen für das rote Knochenmark reichten von 0,1 mGy bis 220 mGy, mit einem Mittelwert von 3 mGy, einem Medianwert von 1,5 mGy und einer Standardabweichung von 5,8 mGy.



Schließlich reichten die kumulierten mittleren Schilddrüsendosen von 0,2 mGy bis 2 300 mGy, mit einem Mittelwert von 62 mGy, einem Medianwert von 31 mGy und einer Standardabweichung von 105 mGy. Etwa 12 000 Personen weisen Schilddrüsendosen von mehr als 100 mGy auf.



A 8.3 Epidemiologische Analyseverfahren



Zwar werden altersstandardisierte Mortalitätsraten (SMR) für die gesamte Kohorte angegeben. Die Autoren [1] betonen jedoch, dass die relativen Risiken, die bei Verwendung von internen Kontrollen für diejenigen, die an der Befragung teilnahmen, abgeleitet wurden, zuverlässigere Ergebnisse liefern. Zur Berechnung von Personenjahren und zur Risikomodellierung wurde das Programmpaket EPICURE verwendet.



Endpunkte

Es werden relative Risiken (RR) für die Mortalität durch Brustkrebs bei Frauen sowie durch Lungenkrebs, Leukämie ohne chronisch-lymphatische Leukämie, CLL, (akute lymphatische – 7 Fälle; akute myeloische – 13 Fälle; chronisch myeloische – 8 Fälle; akute Leukämie unspezifizierten Zelltyps – 9 Fälle) untersucht. Als Confounder wurden berücksichtigt: für Brustkrebs – Zeitpunkt der ersten Regelblutung, Alter bei Menopause, Zahl der Lebendgeburten, Alter bei erster Geburt und Familienhistorie; für Lungenkrebs – Menge und Dauer des Zigarettenkonsums; für Leukämie – Verwendung von Haarfärbemittel und Menge und Dauer des Zigarettenkonsums.



A 8.4 Ergebnisse



Externe Kontrollen

SMR-Werte sind signifikant niedriger für alle Todesursachen (Männer und Frauen jeweils SMR = 0,76; 95 %-KI: 0,7-0,8) und alle Krebsarten einschließlich Leukämie (Männer: SMR = 0,73; 95 %-KI: 0,7-0,8; Frauen: SMR = 0,86; 95 %-KI: 0,8-0,9). Signifikante geschlechtsspezifische Unterschiede werden beispielsweise beobachtet für infektiöse und parasitäre Erkrankungen (Frauen: SMR = 0,62; 95 %-KI: 0,5-0,8; Männer: SMR = 1,21; 95 %-KI: 1,1-1,4).



Interne Kontrollen

Werden alle Krebsfälle zusammengefasst, ergibt sich eine nicht signifikant erhöhte Mortalität für Personen, die vor 1940 eingestellt wurden, im Vergleich zu denen, die 1960 oder später eingestellt wurden (RR = 1,28; 95 %-KI: 0,93-1,69), jedoch keine Korrelation mit der Beschäftigungsdauer.



Die Mortalität durch Brustkrebs bei Frauen, die vor 1940 bzw. zwischen 1940 und 1949 eingestellt worden waren, war verglichen mit der bei Frauen, die 1960 oder später eingestellt worden waren, signifikant erhöht (< 1940: RR = 2,92; 95 %-KI: 1,22-7,00; 1940-49: RR = 2,44; 95 %-KI: 1,26-4,82). Auch hier fand sich keine Korrelation mit der Beschäftigungsdauer. Allerdings wurde ein signifikanter Anstieg der Brustkrebs-Mortalität mit zunehmender Beschäftigungsdauer vor 1950 festgestellt.



Was die Mortalität durch Lungenkrebs angeht, konnte weder eine Abhängigkeit vom Jahr bei Einstellung noch von der Beschäftigungsdauer nachgewiesen werden.



Für Leukämie (ohne CLL) wurde eine nicht signifikante Erhöhung bei denjenigen, die vor 1940, im Vergleich zu denjenigen, die später eingestellt wurden, festgestellt (RR = 1,64; 95 %-KI: 0,42-6,31). Zudem wurde ein signifikanter Anstieg der Mortalität mit zunehmender Beschäftigungsdauer vor 1950 festgestellt (basierend auf 15 in diesem Zeitraum beobachteten Leukämie-Todesfällen).



A 8.5 Bewertung



Mohan und Mitarbeiter [1] konnten keine Erhöhung des Lungenkrebsrisikos bei denjenigen, die in frühen Jahren eingestellt worden waren, beobachten. Sie berichten allerdings von einer signifikanten Erhöhung des Brustkrebsrisikos bei Frauen, die vor 1949 eingestellt worden waren. Zudem beobachten sie eine nicht signifikante Erhöhung des Mortalitätsrisikos für Leukämie (ohne CLL) und für alle Krebsarten zusammen bei denjenigen, die vor 1940 eingestellt worden waren. Dies ist deshalb von Bedeutung, da in diesen Jahren die Exposition, wie Simon und Mitarbeiter gezeigt haben, am höchsten war (z.B. werden für die Zeit vor 1939 jährliche Dosen von ca. 100 mSv abgeschätzt). Dies ergibt einen gewissen Hinweis, dass Dosen im Bereich der Berufslebensdosis bei bestimmten Krebsarten zu einer Erhöhung des Mortalitätsrisikos geführt haben könnten. Quantitative Aussagen, wie z.B. die Angabe von Risikokoeffizienten, können jedoch nicht gemacht werden, da bei den in der Studie von Mohan et al. [1] durchgeführten epidemiologischen Analysen die in der Studie von Simon et al. [2] angegebenen individuellen Dosiswerte nicht verwendet wurden.



A 8.6 Literatur



[1] Mohan AK, Hauptmann M, Freedman DM, Ron E, Matanoski GM, Lubin JH, Alexander BH, Boice JD Jr, Doody MM, Linet MS: Cancer and other causes of mortality among radiologic technologists in the United States. Int  J Cancer 103: 259-267; 2003

[2] Simon SL, Weinstock RM, Doody MM, Neton J, Wenzl T, Stewart P, Mohan AK, KYoder RC, Hauptmann M, Freedman DM, Cardarelli J, Feng HA, Bouville A, Linet M: Estimating historical radiation doses to a cohort of US radiologic technologists. Radiation Research 166: 174-192; 2006





A 9
Anwohner der Tetscha


In der Mayak-Produktionsgenossenschaft in Ozyorsk in Südural, 50 km nördlich von Tschelyabinsk, wurde unter anderem das Plutonium für die sowjetischen Atomwaffen hergestellt. In den ersten Produktionsjahren 1949 bis 1952 wurden große Mengen flüssiger radioaktiver Abfälle in den Fluss Tetscha geleitet. Die Bevölkerung der flussabwärts gelegenen Orte bezog Trinkwasser aus der Tetscha. Dies führte zu erheblichen internen Strahlenexpositionen, insbesondere durch 90Sr. Durch den Aufenthalt am Fluss, aber teilweise auch durch erhöhte Strahlenwerte in den Ortschaften, waren die Anwohner auch erhöhten externen Strahlenexpositionen ausgesetzt.



A 9.1 Kohorte



Die Studie von Krestinina et al. (2005) [1] analysiert die erweiterte Kohorte der Anwohner der Tetscha (Extended Techa River Cohort, ETRC). Die Kohorte besteht aus 29 873 Personen, die zu mindestens einem Zeitpunkt im Zeitraum 1950 bis 1960 in einem der 41 Orte an der Tetscha gewohnt haben, die dem Freisetzungspunkt der Mayak-Produktionsgenossenschaft flussabwärts am nächsten lagen, und die vor dem 1. Januar 1950 geboren wurden. Zum Zeitpunkt des Beginns der Exposition durch die Kontamination der Tetscha (1. Januar 1950 oder Zeitpunkt des Zuzuges in das kontaminierte Gebiet) war das mittlere Alter der Kohortenmitglieder 25. Die älteren Kohortenmitglieder waren überwiegend weiblich.



Es wurden Mortalitätsdaten für die Kohortenmitglieder für die Zeiträume in der Periode 1. Januar 1950 bis 31. Dezember 1999 erhoben, in denen sie in den Oblasts (Verwaltungsbezirke) Chelyabinsk und Kurgan gemeldet waren. Insgesamt 7 023 Kohortenmitglieder hatten entweder die beiden Oblaste verlassen, oder es konnten für sie keine aktualisierten Daten erhoben werden (loss of follow-up). Von den übrigen Kohortenmitgliedern verstarben 14 380 Personen. Für 89 % von ihnen lagen Informationen über die Todesursache vor. Diese Information wurde in 90 % von 182 Autopsien bestätigt.



A 9.2 Dosimetrie



Systematische Messungen der radioaktiven Kontamination der Tetscha und der angrenzenden Gebiete begannen im Sommer 1951 [2]. Ganzkörpermessungen von 90Sr (über den Nachweis der Bremsstrahlung) und 137Cs begannen im Jahre 1974. Für ca. ein Drittel der Kohortenmitglieder liegen Ergebnisse von 90Sr-Messungen vor. Das in der Studie verwendete Dosimetriesystem TRDS-2000 (Techa River Dosimetry System 2000) basiert auf der Auswertung dieser Daten, einem Modell für die Entwicklung der Kontaminationssituation in dem Zeitraum, für den keine Messdaten vorliegen, und Daten über Wohnzeiten der Kohortenmitglieder in den einzelnen Orten [3, 4]. Das Dosimetriesystem berücksichtigt neben den drei Hauptnukliden 89Sr, 90Sr und 137Cs sechs weitere kurzlebige Radionuklide. Es werden jeweils jährliche Dosiswerte für externe und interne Strahlenexposition angegeben, die auf den altersabhängigen Dosiswerten in denjenigen Orten beruhen, in denen sich das Kohortenmitglied bis zum Zeitpunkt des betreffenden Jahres aufgehalten hat.



Die externe Exposition war wesentlich durch 137Cs bedingt und hatte nur in den nahe am Freisetzungspunkt gelegenen Orten hohe Werte. Die interne Exposition hatte auch in weiter entfernten Orten wesentliche Werte.



Aufgrund der Kritik am TRDS-2000 fand im Dezember 2003 ein Workshop zur Evaluierung des Dosimetriesystems statt [5]. TRDS-2000 wurde im Wesentlichen als gut fundiert bewertet. Solange jedoch nicht eine Re-Evaluierung der Freisetzungsterme in die Tetscha vorgenommen wurde, sollten die auf dem Dosimetriesystem basierenden Risikoschätzungen als vorläufig betrachtet werden.



A 9.3 Methoden der Auswertung



Die Daten werden in Gruppen aggregiert, die unter anderem durch Geschlecht, Zeitpunkt des Beginns der Exposition, Alter bei Beginn der Exposition, Alter, Zeit seit Beginn der Exposition und kumulativer Dosis unter Berücksichtigung einer Verzögerungszeit zwischen Exposition und erstem möglichem Auftreten eines induzierten Krebsfalls („Lagtime“) charakterisiert waren. Aufenthaltszeiten außerhalb der beiden Oblaste Chelyabinsk und Kurgan wurden nicht berücksichtigt. Für die Analyse solider Krebstumoren (außer Knochenkrebs) wurde die Magendosis mit eine Lagtime von 5 Jahren, für die Analyse von Leukämiefällen die Knochenmarksdosis mit einer Lagtime von 2 Jahren verwendet. Knochenkrebs wurde bei den soliden Tumoren wegen einer möglichen Assoziation mit der Strontiumexposition ausgeschlossen.



Das Hintergrundsrisiko wurde durch eine geschlechtsspezifische Funktion des Alters mit Abhängigkeiten von Geburtsjahr, ethnischer Zugehörigkeit (Slawe oder Baschkir/Tartar) und Oblast des Wohnortes beschrieben. Zusätzliche Risiken (excess relative risk, ERR, und excess absolute risk, EAR) wurden als ein Produkt einer dosisabhängigen Funktion und modifizierender Faktoren modelliert. Die Modellparameter wurden mit einer Poissonregression für die maximale Wahrscheinlichkeit der in den Gruppen aufgetretenen Krebsfälle (maximum likelihood method) bestimmt.



A 9.4 Ergebnisse für solide Tumoren außer Knochenkrebs



Im Beobachtungszeitraum wurden 1 842 Todesfälle durch solide Krebstumoren außer Knochenkrebs (18 Fälle) registriert. Kohortenmitglieder mit Magendosen größer als 200 mGy trugen 3 % zu den Personenjahren und 5 % zu den Krebstodesfällen (98 Fälle) bei. Für kein Kohortenmitglied waren die Magendosen größer als 500 mGy.



In einem linearen Risikomodell ergab sich ein hochsignifikanter Risikokoeffizient von 0,92/Gy (95 %-KI: 0,2 - 1,7), p < 0,001. Es gab keinen Hinweis auf eine Nichtlinearität der Dosis-Wirkungs-Beziehung. Nach dem Modell sind ca. 46 der Mortalitätsfälle mit der Strahlenexposition assoziiert. Der Risikokoeffizient nimmt mit zunehmendem Alter zu (p = 0,03), der beste Schätzwert für 70-jährige ist um einen Faktor 6 höher als für 40-jährige.



Das EAR je Dosis ergab sich für ein Alter von 70 Jahren zu 70,5 (95 %-KI: 25 - 118) Fällen je 104 Personenjahr und Gy. Das EAR nimmt mit dem Alter zu (proportional zu Alter [4,5]). Unter der Annahme, dass die Todesursachen unter den 11 % der Kohorte, für die die Todesursache nicht bekannt ist, ähnlich wie bei der Kohorte ist, ergeben sich um ca. 10 % höhere EAR-Werte.



A 9.5 Ergebnisse für Leukämie



Im Beobachtungszeitraum wurden 61 Leukämietodesfälle (49 nicht chronisch-lymphatische Leukämien, CLL) registriert. Kohortenmitglieder mit Knochenmarksdosen größer als 500 mGy trugen 33 % zu den Personenjahren und 67 % zu den Krebstodesfällen (33 nicht CLL-Fälle) bei. Die Ergebnisse für Leukämiemortalität unter den Anwohnern der Tetscha beziehen sich also auf höhere Dosen als die Berufslebenszeitdosis. Für den Risikokoeffizienten ergab sich 6,5/Gy (95 %-KI: 1,8 - 2,4).



A 9.6 Diskussion



Die in der Kohorte der Anwohner der Tetscha beobachtete Zunahme des ERR mit dem Alter steht einerseits im Widerspruch zu Beobachtungen bei den Atombombenüberlebenden [6] und bei den Mayak-Arbeitern [7]. Andererseits wurden ähnliche Altersabhängigkeiten unter den Arbeitern von Oak-Ridge [8, 9], von Hanford (siehe Kapitel A 5) und unter den Nukleararbeitern in 15 Ländern (siehe Kapitel A 1) beobachtet. Eine Fortführung und Verbesserung der Studien ist notwendig, um ein besseres Verständnis der Altersabhängigkeit des Krebsrisikos nach nicht akuten Strahlenexpositionen zu erhalten.



Die Kohorte der Anwohner der Tetscha hat ein großes Potential zum Verständnis des Krebsrisikos durch nicht akute Strahlenexpositionen im Bereich der Berufslebensdosis beizutragen. Gegenwärtig hat die Studie allerdings zwei wesentliche Schwächen:

23,5 % der Kohortenmitglieder sind dem Follow-up verloren gegangen, überwiegend durch einen Umzug außerhalb der beiden Oblaste Chelyabinsk und Kurgan. Für 89 % der Verstorbenen ist die Todesursache nicht bekannt,
die Dosimetrie hat eine große Unsicherheit. Zusätzlich basiert die Analyse auf „individualisierten“ Dosen, die keine individuellen Aufenthaltszeiten berücksichtigt.


Aufgrund dieser Schwächen können aus dieser Studie gegenwärtig keine quantitativen Schlussfolgerungen gezogen werden. Unbeschadet davon bleibt das Resultat, dass für Strahlenexpositionen im Bereich der Berufslebensdosis ein hoch signifikantes Krebsrisiko gefunden wurde.



A 9.7 Literatur



[1] Krestinina LYu, Preston DL, Ostroumova EV, Degteva MO, Ron E, Vyushkova OV, Startsev NV, Kossenko MM, Akleyev AV: Protracted radiation exposure and cancer mortality in the Techa River Cohort. Radiat Res 164, 602-611; 2005

[2] Vorobiova MI, Degteva MO, Burmistrov DS, Safronova NG, Kozheurov VP, Anspaugh LR, Napier BA: Review of historical monitoring data on Techa River contamination. Health Phys 76, 605-618;1999

[3] Degteva MO, Vorobiova MI, Kozheurov VP, Tolstykh EI, Anspaugh LR, Napier BA: Dose reconstruction system for the exposed population living along the Techa River. Health Phys 78, 542-554; 2000

[4] Degteva MO, Vorobiova MI, Tolstykh EI, Shagina NB, Shishkina EA, Anspaugh LR, Napier BA, Bougrov NG, Shved VA, Tokareva EE: Development of an improved dose reconstruction system for the Techa River population affected by the operation of the Mayak Production Association. Radiat Res 166, 255-270; 2006

[5] Balonov M, Alexakhin R, Bouville A, Liljinzin JO: Report from the Techa River Dosimetry Review Workshop held on 8-10 December 2003 at the State Research Centre Institute of Biophysics, Moscow, Russia. Health Phys  90, 97-113; 2006

[6] Preston DL, Shimizu Y, Pierce DA, Suyama A, Mabuchi K: Studies of mortality of atomic bomb survivors. Report 13: Solid cancer and noncancer disease mortality: 1950-1997. Radiat Res 160 381-407; 2003

[7] Shilnikova NS, Preston DL, Ron E, Gilbert ES, Vassilenko EK, Romanov SA, Kuznetsova IS, Sokolnikov ME, Okatenko PV, Kreslov VV, Koshurnikova NA: Cancer mortality risk among workers at the Mayak nuclear complex. Radiat Res 159, 787-798; 2003

[8] Richardson DB, Wing S: Greater sensitivity to ionizing radiation at older age: Follow-up of workers at Oak Ridge National Laboratory through 1990. Int J Epidemiol 28, 428-436; 1999

[9] Richardson DB, Wing S: Radiation and mortality of workers at Oak Ridge National Laboratory: Positive associations for doses received at older ages. Environ Health Perspect 107, 649-656; 1999