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Zum Hauptdokument : Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung



Anlage 2

Leitfaden für
Vorgesetzte und Behördenleitungen



I.

Als Vorgesetzte und Behördenleitungen haben Sie eine Vorbildfunktion und Fürsorgepflicht für die Ihnen unterstellten Beschäftigten.



Ihr Verhalten, aber auch Ihre Aufmerksamkeit sind von großer Bedeutung für die Korruptionsprävention. Sie sollten daher eine aktive, vorausschauende Personalführung und -kontrolle praktizieren. Insbesondere sollten Sie klare Zuständigkeitsregelungen und transparente Aufgabenbeschreibungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie eine angemessene Kontrolldichte sicherstellen.



Schwachstellen und Einfallstore für Korruption sind z. B.:

1.
mangelhafte Dienst- und Fachaufsicht;
2.
blindes Vertrauen gegenüber langjährigen Beschäftigten und spezialisierten Beschäftigten;
3.
charakterliche Schwächen von Beschäftigten in korruptionsgefährdeten Bereichen;
4.
negatives Vorbild von Vorgesetzten bei der Annahme von Präsenten;
5.
ausbleibende Konsequenzen nach aufgedeckten Manipulationen; dadurch keine Abschreckung.


Sie können solchen Schwachstellen durch folgende Maßnahmen begegnen:

1.
Belehrung und Sensibilisierung
Sprechen Sie mit Ihren Beschäftigten in regelmäßigen Abständen anhand des "Verhaltenskodex gegen Korruption" über die Verpflichtungen, die sich aus dem Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken und aus den Vorschriften zur Vermeidung von Interessenkollisionen ergeben.
2.
Organisatorische Maßnahmen (im Rahmen Ihrer Befugnisse)
Achten Sie auf klare Definition und ggf. auf Einschränkungen der Entscheidungsspielräume.


Erörtern Sie die Delegationsstrukturen, die Grenzen der Ermessensspielräume und die Notwendigkeit von Mitzeichnungspflichten.


Achten Sie in besonders korruptionsgefährdeten Arbeitsgebieten auf eine Flexibilisierung der Vorgangsbearbeitung nach numerischen oder Buchstabensystemen durch
a)
kritische Überprüfung der Sachbearbeitung nach diesen Systemen;
b)
Einzelzuweisung nach dem Zufallsprinzip oder
c)
durch wiederholten Wechsel der Nummern- oder Buchstabenzuständigkeiten einzelner Personen.


Realisieren Sie wenn irgend möglich das Mehr-Augen-Prinzip auch in Ihrem Verantwortungsbereich. Eventuell bietet sich die Bildung von Arbeitsteams bzw. -gruppen an. Prüfen Sie, ob die Begleitung einzelner Beschäftigter durch weitere Bedienstete zu Ortsterminen, Kontrollen vor Ort usw. oder die Einrichtung von "gläsernen Büros" für die Abwicklung des Besucherverkehrs geboten ist, damit Außenkontakte der Dienststelle nur nach dem Mehr-Augen-Prinzip wahrgenommen werden. Wo sich das wegen der tatsächlichen Umstände nicht realisieren lässt, organisieren Sie Kontrollen in nicht zu großen zeitlichen Abständen.


Setzen Sie personalwirtschaftliche Instrumente insbesondere bei Tätigkeiten mit schnell erlernbaren Fachkenntnissen konsequent ein:
1.
In besonders korruptionsgefährdeten Bereichen in der Regel Rotation nach einem Zeitraum von 5 Jahren.
2.
Ein Verzicht auf Umsetzung im Ausnahmefall z. B. bei Tätigkeiten mit langfristig erworbenem Sachverstand erfordert eine schriftliche Begründung und eine besonders gründliche Kontrolle des Arbeitsbereichs durch Vorgesetzte.


Ist in Ihrer Dienststelle die Zweierbelegung von Diensträumen nicht ungewöhnlich, so nutzen Sie dies ebenfalls zur Korruptionsprävention in besonders korruptionsgefährdeten Arbeitsgebieten, z. B. durch sporadischen Wechsel der Raumbesetzungen (auch ohne Aufgabenänderung für die Beschäftigten).
3.
Fürsorge
In besonders korruptionsgefährdeten Arbeitsgebieten erfordert Korruptionsprävention auch eine erhöhte Fürsorge für Ihre Beschäftigten.
a)
Berücksichtigen Sie stets die erhöhte Gefährdung Einzelner.
b)
Auch der ständige Dialog ist ein Mittel der Fürsorge.
c)
Beachten Sie dienstliche und private Probleme Ihrer Beschäftigten.
d)
Sorgen Sie für Abhilfe z. B. durch Entbindung eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin von Aufgaben, wenn Ihnen Interessenkollisionen durch Nebentätigkeiten oder durch Tätigkeiten von Angehörigen bekannt werden.
e)
Besondere Wachsamkeit ist bei erkennbarer Überforderung oder Unterforderung Einzelner geboten.
f)
Ihre erhöhte Aufmerksamkeit verlangt es, wenn Ihnen persönliche Schwächen (z. B. Suchtprobleme, Hang zu teuren, schwer zu finanzierenden Hobbys) oder eine Überschuldung bekannt werden; Beschäftigte, deren wirtschaftliche Verhältnisse nicht geordnet sind, sollen im Beschaffungswesen sowie auf Dienstposten, auf denen sie der Gefahr einer unlauteren Beeinflussung durch Dritte besonders ausgesetzt sind, nicht eingesetzt werden.
g)
Schließlich müssen Sie auch bei offen vorgetragener Unzufriedenheit mit dem Dienstherrn besonders wachsam sein und versuchen, dem entgegenzuwirken.


4.
Aufsicht; Führungsstil
Machen Sie sich bewusst, dass es bei Korruption keinen beschwerdeführenden Geschädigten gibt und Korruptionsprävention deshalb wesentlich von Ihrer Sensibilität und der Sensibilisierung Ihrer Beschäftigten abhängt. Sie erfordert aber auch Ihre Dienst- und Fachaufsicht ohnehin Ihre Kernpflicht als Vorgesetzter. Ein falsch verstandener kooperativer Führungsstil oder eine "laissez-faire"-Haltung können in besonders korruptionssensiblen Bereichen verhängnisvoll sein.


Versuchen Sie deshalb,
a)
die Vorgangskontrolle zu optimieren, indem Sie z. B. Kontrollmechanismen (Wiedervorlagen o. ä.) in den Geschäftsablauf einbauen,
b)
das Abschotten oder eine Verselbständigung einzelner Beschäftigter zu vermeiden,
c)
dem Auftreten von Korruptionsindikatoren besondere Wachsamkeit zu schenken,
d)
stichprobenweise das Einhalten vorgegebener Ermessensspielräume zu überprüfen,
e)
die Akzeptanz des Verwaltungshandelns durch Gespräche mit "Verwaltungskunden" zu ermitteln.


Nutzen Sie das Fortbildungsangebot bei Lehrgängen zur Korruptionsprävention.


II.

1.
Anzeichen für Korruption, Warnsignale
Trotzdem ist Korruption nicht auszuschließen.


Nach dem Ergebnis einer vom Bundeskriminalamt durchgeführten Expertenbefragung[1] ist korruptes Verhalten häufig mit Verhaltensweisen verbunden, die als Korruptionssignale gewertet werden können. Diese Wertung ist aber mit Unwägbarkeiten verbunden, weil einige der Indikatoren als neutral oder sogar positiv gelten, obwohl sie sich nachträglich als verlässliche Signale erwiesen haben.


Keiner der Indikatoren ist ein "Nachweis" für Korruption. Wenn Ihnen aber aufgrund von Äußerungen oder Beobachtungen ein Verhalten auffällig erscheint, müssen Sie prüfen, ob das Auftreten eines Indikators zusammen mit den Umfeldbedingungen eine Korruptionsgefahr anzeigt.


1.1
Neutrale Indikatoren
a)
auffallender und unerklärlich hoher Lebensstandard; aufwändiger Lebensstil; Vorzeigen von Statussymbolen;
b)
auffällige private Kontakte zwischen Beschäftigten und Dritten (z. B. Einladungen, Nebentätigkeiten, Berater- oder Gutachterverträge, Kapitalbeteiligungen);
c)
unerklärlicher Widerstand gegen eine Aufgabenänderung oder eine Umsetzung, insbesondere wenn sie mit einer Beförderung bzw. Gehaltsaufbesserung oder zumindest der Aussicht darauf verbunden wäre;
d)
Ausübung von Nebentätigkeiten ohne entsprechende Genehmigung bzw. Anzeige;
e)
atypisches, nicht erklärbares Verhalten (z. B. aufgrund eines bestehenden Erpressungsverhältnisses bzw. schlechten Gewissens); aufkommende Verschlossenheit; plötzliche Veränderungen im Verhalten gegenüber Kollegen und Kolleginnen und Vorgesetzten;
f)
abnehmende Identifizierung mit dem Dienstherrn oder den Aufgaben;
g)
soziale Probleme (Alkohol-, Drogen- oder Spielsucht u. ä.);
h)
Geltungssucht, Prahlen mit Kontakten im dienstlichen und privaten Bereich;
i)
Inanspruchnahme von Vergünstigungen Dritter (Sonderkonditionen beim Einkauf, Freihalten in Restaurants, Einladungen zu privaten oder geschäftlichen Veranstaltungen von "Verwaltungskunden");
j)
auffallende Großzügigkeit von Unternehmen (z. B. Sponsoring).


1.2
Alarmindikatoren
Außer diesen eher neutralen gibt es solche Indikatoren, die nach den Erfahrungen des BKA charakteristisch für die Verwaltungskorruption sind und deshalb als "Alarmindikatoren" eingestuft werden müssen.


Dienststelleninterne Indikatoren:
a)
Umgehen oder "Übersehen" von Vorschriften; Häufung "kleiner Unregelmäßigkeiten"; Abweichungen zwischen tatsächlichem Vorgangsablauf und späterer Dokumentation;
b)
mangelnde Identifikation mit dem Dienstherrn oder den Aufgaben;
c)
ungewöhnliche Entscheidungen ohne nachvollziehbare Begründung;
d)
unterschiedliche Bewertungen und Entscheidungen bei Vorgängen mit gleichem Sachverhalt und verschiedenen antragstellenden Personen; Missbrauch von Ermessensspielräumen;
e)
Erteilung von Genehmigungen (z. B. mit Befreiung von Auflagen) unter Umgehung anderer zuständiger Stellen;
f)
gezielte Umgehung von Kontrollen, Abschottung einzelner Aufgabenbereiche;
g)
Verheimlichen von Vorgängen;
h)
auffallend kurze Bearbeitungszeiten bei einzelnen begünstigenden Entscheidungen;
i)
Parteinahme für bestimmte antragstellende oder bietende Personen;
j)
Verharmlosung des Sparsamkeitsprinzips;
k)
Versuche der Beeinflussung von Entscheidungen bei Aufgaben, die nicht zum eigenen Zuständigkeitsbereich gehören und bei denen Drittinteressen von Bedeutung sind;
l)
stillschweigende Duldung von Fehlverhalten, insbesondere bei rechtswidrigem Verhalten;
m)
fehlende oder unzureichende Vorgangskontrolle dort, wo sie besonders notwendig wäre; zu schwach ausgeprägte Dienst- und Fachaufsicht;
n)
Ausbleiben von Reaktionen auf Verdachtsmomente oder Vorkommnisse;
o)
zu große Aufgabenkonzentration auf eine Person.


Indikatoren im Bereich der Außenkontakte:
a)
auffallend entgegenkommende Behandlung von antragstellenden Personen;
b)
Bevorzugung beschränkter Ausschreibungen oder freihändiger Vergaben; auch Splitten von Aufträgen, um freihändige Vergaben zu ermöglichen; Vermeiden des Einholens von Vergleichsangeboten;
c)
erhebliche bzw. wiederholte Überschreitung der vorgesehenen Auftragswerte;
d)
Beschaffungen zum marktunüblichen Preis; unsinnige Anschaffungen; Abschluss langfristiger Verträge ohne transparenten Wettbewerb mit für die Dienststelle ungünstigen Konditionen;
e)
auffallend häufige "Rechenfehler", Nachbesserungen in Leistungsverzeichnissen;
f)
Eingänge in Vergabesachen ohne Eingangsstempel (Eingang "über die persönliche Schiene");
g)
aufwändige Nachtragsarbeiten;
h)
Nebentätigkeiten von Beschäftigten oder Tätigkeit ihrer Angehörigen für Firmen, die gleichzeitig Auftragnehmer oder Antragsteller der öffentlichen Verwaltung sind;
i)
"kumpelhafter" Umgangston oder auffallende Nachgiebigkeit bei Verhandlungen mit Unternehmen;
j)
Ausspielen von (vermeintlichen) Machtpositionen durch Unternehmen;
k)
häufige "Dienstreisen" zu bestimmten Firmen (auffallend insbesondere dann, wenn eigentlich nicht erforderliche Übernachtungen anfallen);
l)
"permanente Firmenbesuche" von Unternehmen in der Dienststelle (bei bestimmten Entscheidungsträgern oder Sachbearbeitern) und Vorsprache bestimmter Unternehmen nur dann, wenn Beschäftigte "ihrer" Dienststelle anwesend sind;
m)
Ausbleiben von Konflikten mit Unternehmen bzw. Antragstellern/Antragstellerinnen dort, wo sie üblicherweise vorkommen.


Nach der Forschungsarbeit des BKA macht die Liste dieser Indikatoren deutlich, dass die Merkmale insbesondere dann von Interesse sein können, wenn sich etwas außerhalb der üblichen Norm bewegt ("unerklärlich", "nicht nachvollziehbar", "sich plötzlich verändernd", "auffallend"). Als häufiges und hervorstechendes Warnsignal hebt es den typischerweise aufwändigen bzw. ungewöhnlich hohen Lebensstandard von Beschäftigten mit "Nebenverdiensten" heraus, wozu auch das Vorzeigen entsprechender Statussymbole gehört. Understatement sei in diesen Täterkreisen weniger zu erwarten.


Als Warnsignale bezeichnen die vom BKA befragten Experten ferner Andeutungen im Kolle genkreis, Gerüchte von außen sowie anonyme Hinweise (z. B. von benachteiligten und dadurch in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Unternehmen). Diese Signale würden noch deutlicher, wenn sie sich häufen und auf bestimmte Personen oder Aufgabenbereiche konzentrieren. Allerdings sei eine ständige Gewichtung und Analyse der "Gerüchteküche" unabdingbar, um Missbrauch auszuschließen. Andererseits haben anonyme Hinweise vielfach den Anlass zu Ermittlungen gegeben, durch die dann tatsächlich Korruption aufgedeckt wurde.


2.
Verdacht
Bei konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkten für einen Korruptionsverdacht müssen Sie sich unverzüglich mit der Ansprechperson für Korruptionsprävention beraten und die Personalverwaltung bzw. Behördenleitung informieren. Eventuell aber erfordern die Umstände auch, dass Sie selbst sofort geeignete Maßnahmen gegen eine Verschleierung ergreifen. Infrage kommen z. B.
a)
der Entzug bestimmter laufender oder abgeschlossener Vorgänge,
b)
das Verbot des Zugangs zu Akten,
c)
die Sicherung des Arbeitsraumes, der Aufzeichnungen mit dienstlichem Bezug oder der Arbeitsmittel (z. B. Computer und Disketten o. ä.).


Das Maß und der Umfang der gebotenen Maßnahmen können sich nur nach den Umständen des Einzelfalles richten.


Bedenken Sie, dass Korruption kein "Kavaliersdelikt" und Vertuschen auch Ihrem Ansehen schädlich ist.


Bei Verletzung Ihrer Pflichten können Sie sich eines Dienstvergehens schuldig und strafbar machen.