Logo jurisLogo Bundesregierung

BMI-01-20090601-KF03-A007.htm

Zum Hauptdokument : Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien - GGO





Anlage 7 zu § 74 Absatz 1 GGO



Verfahrensgrundsätze für die Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die Bundesressorts



Bei der Prüfung, ob Maßnahmen der Europäischen Union mit dem Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip (Artikel 5 Absatz 3 und 4 EU-Vertrag) im Einklang stehen, gehen die Ressorts in folgender Weise vor:



1.
Prüfraster


Die Ressorts legen der Subsidiaritätsprüfung ein Prüfraster zugrunde, das auf Artikel 5 Absatz 3 und 4 EU-Vertrag und dem Protokoll zum EU-Vertrag, AEU-Vertrag und Euratom-Vertrag über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit in der Fassung des Vertrags von Lissabon1 beruht (Anlage 8).
Bei der Anwendung des Prüfrasters ist zu berücksichtigen, dass die Subsidiarität als dynamischer Grundsatz zu verstehen ist, der sowohl zu einer Beschränkung oder Aussetzung der Unionstätigkeit als auch im Rahmen bestehender Kompetenzen zu einer Ausweitung der Tätigkeit der Union führen kann.
Die Prüfung der Subsidiarität aufgrund des Prüfrasters soll dazu beitragen, dass die Maßnahmen der Europäischen Union bürgernah, transparent und verständlich sind.
Mit dem Prüfraster trägt die Bundesregierung auch ihrer vom Bundesverfassungsgericht betonten Verfassungspflicht zur Beachtung des Subsidiaritätsprinzips bei Maßnahmen der Europäischen Union Rechnung.


2.
Prüfverfahren


Die Ressorts wenden bei der Subsidiaritätsprüfung das folgende Verfahren an:


(1)  Das federführende Ressort trägt die Verantwortung für die Prüfung, ob eine Maßnahme der Europäischen Union dem Subsidiaritätsprinzip entspricht.


(2)  Die Subsidiaritätsprüfung findet im Rahmen der üblichen Sachprüfung von Maßnahmen der Europäischen Union statt.


(3) Das federführende Ressort bezieht bei wichtigen neuen Maßnahmen der Europäischen Union und im Übrigen, wenn es Zweifel an der Vereinbarkeit einer Maßnahme der Europäischen Union mit dem Subsidiaritätsprinzip hat oder wenn solche Zweifel vom Auswärtigen Amt, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Bundesministerium der Justiz, Bundesministerium des Innern oder Bundesministerium der Finanzen als den Ressorts mit europapolitischen, europarechtlichen, verfassungsrechtlichen und finanziellen Querschnittsaufgaben geäußert werden, diese Ressorts zu einem möglichst frühen Zeitpunkt in die Subsidiaritätsprüfung ein.


(4)  Als nicht wichtig im Sinne von (3) gelten vor allem Maßnahmen der Europäischen Union, die
bestehende Maßnahmen ändern oder fortschreiben, ohne eine inhaltliche Neuausrichtung zu bewirken,
Rahmenregelungen ausfüllen,
lediglich der Durchführung bestehender Regelungen dienen,
Regelungen an den technischen Fortschritt anpassen oder von der Europäischen Kommission erlassen werden.


(5) Die Beteiligung weiterer fachlich betroffener Ressorts gemäß der GGO bleibt unberührt.


*


(6) Ziel der Abstimmung ist die einheitliche Anwendung des Subsidiaritätsprinzips durch die Bundesregierung. Im Einzelfall kann ein Spannungsverhältnis zwischen dem fachlich und politisch Wünschenswerten und dem Ergebnis der Subsidiaritätsprüfung bestehen. In solchen Fällen ist eine sachgerechte Lösung anzustreben, die den widerstreitenden Gesichtspunkten Rechnung trägt.

(7)   Führt die Subsidiaritätsprüfung und Abstimmung der Ressorts nach der GGO nicht zu einem Konsens, ist der Staatssekretärsausschuss für Europafragen zu befassen. Erforderlichenfalls können einzelne Bundesministerinnen oder Bundesminister oder das Kabinett (Ausschuss für Europafragen) befasst werden.



(8) Die Subsidiaritätsprüfung durch die Ressorts betrifft grundsätzlich Vorschläge für Rechtsakte der Europäischen Union. Andere Maßnahmen der Europäischen Union (Entschließungen, Aktionsprogramme) können einbezogen werden, soweit sie darauf angelegt sind, zu Rechtsakten zu führen, und/oder finanzwirksam werden können.



(9) Gelangt die Bundesregierung zu der Auffassung, dass eine vorgeschlagene Maßnahme dem Subsidiaritätsprinzip nicht entspricht, vertritt sie diese Position in den Gremien der Union. Dabei berücksichtigt sie, ob das angestrebte Ziel mit alternativen Maßnahmen in einer dem Subsidiaritätsprinzip entsprechenden Weise auf Unionsebene erreicht werden kann.



3.
 Subsidiaritätsliste


Vorschläge für Maßnahmen der Europäischen Union, bei denen nach Auffassung der Ressorts Zweifel oder Bedenken hinsichtlich der Wahrung des Subsidiaritätsprinzips bestehen, werden in einer Liste zusammengestellt, die laufend fortgeschrieben wird.